Sauerteig

Sauerteig ist ein Teig zur Herstellung von Backwaren aus Wasser und Mehl, der zeitweilig oder dauerhaft mittels Milchsäure- oder Essigsäurebakterien und Hefen in Gärung gehalten wird.
Sauerteig wird als Triebmittel zur Lockerung von Backwerk verwendet und bei einigen Teigen benötigt, um sie backfähig zu machen.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich seine Definition zumindest in Deutschland geändert. Bäcker verwenden den Begriff Sauer(teig) in Verbindung mit Roggenteigen. Weizenteige werden seit etwa 1910 zunehmend, seit den späten 50er Jahren nahezu ausschließlich mit Hefe verbacken. Neuerdings werden aber auch wieder Sauerteige für Weizenmehl, Dinkel etc. verwendet, welche selbst gezogen werden oder aus Reinzuchtsauer stammen.
Einführung
Seit mehr als 4000 Jahren nutzt der Mensch die Verbindung natürlicher Produkte Getreide, Wasser, Bakterien und Hefen für die Bereitung seiner Nahrung. Aber auch bei Milchprodukten wie z. B.: Käse, Joghurt, Kefir oder Quark, wird Fermentation und Gärung genutzt, um Lebensmittel haltbar und schmackhaft aufzubereiten. Säuerung wird weltweit vielfach genutzt, z. B. getrocknete Cassava-Stärke in Südamerika, Hirsebrot (Kirsa) im arabischen Raum (Sudan und Saudi-Arabien) und fermentierte Getreideprodukte in Westafrika. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass nicht nur gelockertes Backwerk, sondern auch gekochter Brei (z. B. Kenkey in Gahna, Koko in Nigria), flüssige Getreidemaische, welche ungekocht genossen wird (z. B. Mageu in Afrika, Boza in der Türkei und Bulgarien) durch Fermentierung entsteht. Bei der Bierherstellung werden gezielt und ungezielt Milchsäurebakterien eingesetzt, z. B. bei der „Berliner Weißen“ oder dem belgischen Lambic. Bei der Herstellung von Maische für Whisky und Sake wirken ebenfalls nennenswerte Mengen Milchsäurebakterien.
Zielgerichtet wurden in der Geschichte der Menschheit geeignete technologische Verfahren entwickelt, wobei gewünschte Organismen gefördert und damit selektiert wurden und werden. Im Sauerteig werden überwiegend Milchsäurebakterien der Gattung Lactobacillus angetroffen, welche physiologisch und phylogenetisch durch ihre Vielfalt auffällt. Das Wissen über Technologie und Mikroorganismen für die Gebäckbereitung, war nie so groß wie heute. Die Brotherstellung ist einfacher, hygienischer und effizienter geworden, wobei der Verbraucher der eigentliche Nutznießer dieser Entwicklung ist. Nie gab es in der Vergangenheit Brot und Gebäck von so hoher Qualität und zu erschwinglichen Preisen, wie heute. Früher war nicht alles besser, wie der Vortrag von Dr. Andrea Fadani, Museum der Brotkultur, Ulm unter [1] belegt.
Während in der Vergangenheit Verfahren und Methoden zur preiswerten und effizienten Brotbereitung gesucht wurden, liegt heute der Schwerpunkt auf einer anderen Ebene. Immer mehr stehen die ernährungsphysiologischen Eigenschaften von sauerteiggeführten Backwaren im Vordergrund. Getreideprodukte liefern die essentiellen Bestandteile Kohlenhydrate, Proteine, Ballaststoffe und Vitamine. Ebenso wurden in Sauerteigprodukten vermehrt Schutzsubstanzen (z. B. Oligosaccharide und Phytochemikalien) nachgewiesen. Die Veränderung der Getreidebioaktivität im Getreide durch Sauerteig ist vielfältig, besonders jüngere Untersuchungen belegen dies. Getreideprodukte - besonders Vollkornprodukte – wirken gesundheitsfördernd. Gerade Vollkornprodukte erhalten durch Sauer ein verbessertes Mundgefühl und Schmackhaftigkeit, wobei nährwertbestimmende Substanzen erhalten bleiben. Dadurch wird die Akzeptanz gesunder Brotnahrung auf der Verbraucherseite erhöht.
Fälschlicherweise werden fermentative Vorgänge oft mit Gärung bezeichnet. Fermentation findet immer ohne Sauerstoff statt (anaerob). Dagegen benötigt eine Gärung (aerobe) Sauerstoff. Vorgänge, bei denen Milchsäurebakterien Stoffwechseln, werden folgend unter Fermentation eingeordnet. Hefen, welche Sauerstoff benötigen, werden unter Gärung eingeordnet, um deutlich zu unterscheiden.
Arten des Sauerteiges
Weizensauer
Weizensauer ist ein Teig aus Weizenmehl, Wasser, Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor) und oft einem geringen Anteil von Milchsäurebildnern Lactobacillus plantarum).
Technisch sollen Hefen für den Trieb (Lockerung) gezogen werden. Grundsätzlich kann jedes Getreide versäuert werden, was aber nur bei Brotgetreide, also Roggen- und Weizenmehl, in Europa praktiziert wird.
Der Weizensauer ist wieder weit verbreitet. Gebäcke aus Weizensauer haben ein besonders gutes Aroma. Grundsätzlich können diese Gebäcke mit einfacher Bäckerhefe gefertigt werden. Einige traditionelle Gebäckformen mit Weizensauerteig sind Ciabatta oder Panettone.
Roggensauer
Roggensauer ist ein Gemisch aus Roggenmehl, Wasser, Milchsäurebildnern (Lactobacillus plantarum) und Essigsäurebildnern (Lactobacillus brevis). Nicht alle Sauerteige (wie beispielsweise Vollsauer) enthalten auch ausreichend Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor) für die Lockerung. Abhängig von den verschiedenen Mikroorganismen entstehen unterschiedliche Produkte aus der Verstoffwechslung.
Sonstige Sauerteigformen
Mittels spezieller Sauerteige in den jeweiligen Mehlarten lassen sich nahezu alle stärkehaltigen Mehle (Weizen, Roggen, Gerste, Reis, Mais, Hirse, Sorghum, Teff, Hafer, Triticale, Wildreis, Kamut, Amarant, Quinoa) und Pseudogetreidearten, bzw. andere stärkehalteige Lebensmittel (Buchweizen, Kartoffel, Bohnen, Erbsen etc.) zu brotartigen Backwaren verbacken. Sonderformen des Sauerteigs sind daher nicht wie Zuchthefe alleine bei Weizen und glutenhaltigen Getreidearten verwendbar. Anstelle der Bildung von Gluten tragen bei diesen Backwaren meist Schleimstoffe zur Krumenbildung bei.
Diese Sauerteigformen sind in Mitteleuropa teils unbekannt, in Südamerika, Afrika und Asien aber teils recht gebräuchlich. Der Geschmack ist mit unserem Brotverständnis meist nicht identisch, gemäß Definition sind es aber zweifelsohne Sauerteig-Backwaren.
Sehr weit verbreitet ist das Gären- und Gehenlassen der Brotteige in Ecuador (Gerstenküchlein und Mais-Fladen) und Mittelafrika (Hirsefladen, Teff-Brot).
Weitere Teigführungensarten, die per Definition den Sauerteigen zugerechnet werden müssen sind Backferment und Honig-Salz.
Alternative Verfahren
Schon um 1900 wurde Sauerteig durch Backpulver und Backmittel ersetzt. Diese enthalten eine oder mehrere Genusssäuren (Zitronensäure, Milchsäure, sauere organische oder anorganische Stoffe) und andere backtechnische wirksame Zutaten. In England ist es heute durchaus noch üblich Brot mit Backpulver zu backen. Umgangssprachlich wird von Kunstsauer gesprochen, was nicht richtig ist, denn es handelt sich hier schlichtweg um Backmittel.
Der Vorteil dieser direkten Führung liegt in der schnellen Verfügbarkeit, da erst mit Betriebsbeginn die Brotmenge, welche am Tag gebacken wird, bestimmt werden muss. Vorplanung des Sauerteiges und seine Pflege entfällt also. Dazu kommt neben des geringen Arbeitsaufwandes noch der Vorteil der sehr hohe Verarbeitungssicherheit.
Aromen und deren Vorstufen werden bei diesem Verfahren nicht gebildet. Es erfolgt keine Vorquellung, was die enzymattische Hydrolyse entfällt und eine geringe Frischhaltung und Anfälligkeit gegenüber Schimmel und Fadenziehen mit sich bringt. Diese Backwaren dürfen nicht als Sauerbrot deklariert werden und oft mit Phantasienamen auf den Markt gebracht. Aroma und Geschmack sind bei diesen Produkten verkümmert, wobei dies auch bei absoluter Frische der Fall ist. Sehr verbreitet sind sie derartig produzierte Produkte in Billigketten.
Besonders in Deutschland liegt dieses Verfahren nicht mehr im Trend. Vermehrt wird Sauerteig eingesetzt, wobei auch zunehmend Weizensauer zum Einsatz kommt. Immer mehr Bäckereien bereiten ihren eigenen Betriebssauer. Auch mittlere Unternehmen und Fabriken produzieren heute wieder vermehrt Brote mit Sauerteig.
Geschichte
Altertum
Die Geschichte des Sauerteiges beginnt vor mindestens 12000 Jahren, als der Mensch lernte Getreide zu mahlen. Im heutigen Syrien wurden Mahlwerkzeuge aus dieser Zeit entdeckt. Funde beweisen, dass neolithische Menschen zwischen 7000 und 6000 v. Chr. Ungelockertes Brot bereiteten. Weitere Funde belegen das Aufkommen von Weizen mit hohem Kleberanteil, womit die Grundlage für die gelockertes Brot gegeben war. Der älteste Backofen wurde in Mesopotamien (Iran) gefunden und soll aus der Zeit um 4000 v. Chr. stammen. Mesopotanien gilt auch als Stammland der Gärung, da die ältesten Darstellung biertrinkende Menschen von dort bekannt ist. Zu dieser Zeit wurde ein Brei verwendet, der versäuert sein könnte. Jedenfalls ist die Geschichte des Bieres und des Sauerteiges eng miteinander verbunden, wobei man nicht sagen kann, welche zuerst da war.
Wie Untersuchung belegen, muss die Versäuerung von Getreide unabhängig voneinander an verschiedenen Orten der Welt praktiziert worden sein. In Europa war die Teigsäuerung, regional begrenzt schon 3700 v. Chr. bekannt. Die ältesten Nachweise stammen aus Twann (Schweiz).
Zeitlich lässt sich der Beginn der gezielten Teigführung mit Sauerteig (und damit das bewusste Einsetzen und Herstellen von Sauerteig) schlecht einschätzen. Die ersten Funde kommen in Ägypten aus der Zeit der 4. Dynastie (ca. 2800 v. Chr.), können aber nicht sicher belegen, dass es sich tatsächlich um gesäuertes Brot handelt. Genauso gut kann es sich um zufällig gärenden Getreidebrei gehandelt haben, der nach der langen Zeit wie Brot zusammengetrocknet ist.
Erwähnt wurde Sauerteigbrot aber zum Auszug der Israeliten aus Ägypten in der Zeit 1400-1200 v. Chr. in der Bibel (2. Mose 12, 8: „...das Fleisch aber sollen sie in der selben Nacht noch essen; am Feuer gebraten sollen sie es essen, und ungesäuertes Brot mit herben und bitteren Kräutern dazu.“). Das hier erwähnte „ungesäuerte“ Brot ist das traditionelle Fladenbrot (Matze, dass heute noch im Judentum zu Pessach verzehrt wird), welches nicht aus Sauerteig hergestellt und gebacken wird. Die Tatsache, dass auf „ungesäuertes Brot“ hingewiesen wurde, ist als Beweis zu werten, dass ansonsten auch gesäuertes und damit getriebenes Brot verwendet wurde. Für die Israeliten war das gesäuerte Brot etwas besonderes, so durfte als Dankopfer nach der Ernte nur gesäuertes Brot verwendet werden (Lev 23,17).
Die Griechen übernahmen die Technologie des Brotbackens mit Sauerteig um 800 v. Chr. von den Ägyptern. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Beleg, der Startersauer beschreibt. Weizenkleie wurde mit drei Tage altem Traubenmost gemischt und an der Sonne getrocknet. (Plinius d. Ä. Naturgeschichte 18, 26). Hier wurde auch ein Verfahren der Spontansäuerung und Weiterführung von Sauerteigen für die Zeit außerhalb der Weinbereitung beschrieben.
Auch die Römer kannten die Kunst des Brotbackens und damit auch Sauerteig, wobei die Bäcker eine hochangesehene Zunft war. Im Mittelalter geriet das vielfältige Wissen um Ackerbau und Brotbereitung in Vergessenheit. Lediglich an den Höfen und in Klostermauern wurde dieses Wissen noch gepflegt. In Deutschland war das Bäckerhandwerk lange mit den Brauern und Schnapsbrennern verbunden, die lieferten im 15. und 16. Jahrhundert ihnen die erste Hefe. Ein Abfallprodukt, welches aber nicht die guten Backergebnisse lieferte, wie sie heute Standard sind.
In Frankreich war diese Technologie lange umstritten, da die Bevölkerung durch eine Gesundheitsgefährdung durch dieses neue Lebensmittel fürchtete. Erst 1670 wurde die Verwendung von Bierhefe erlaubt, wobei sie vorher mit Sauerteig vermischt werden musste. Sauerteig war weit verbreitet, wobei Roggen- und Weizenbrote daraus gebacken wurden.
Neuzeit
In Europa sind die ersten Hefezüchtungen um 1700 bekannt. 1737 gründete R. Moormann in Werne eine Firma, die eine Art Backhefe produzierte. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die fabrikmäßige Produktion von Hefe etabliert. Neue Verfahren machten die Produktion wirtschaftlich. In Deutschland wurden um 1900 Fabriken aufgebaut, die Bäckerhefe produzierten. Auftrieb brachte der Entwicklung der Bäckerhefe die Kühlmaschinen des Carl von Linde. Die Brauer stiegen nach 1877 von obergärigem zu untergärigem Bier um. Dies war nur durch Kühlung möglich, wobei aber keine brauchbare Hefe für die Bäckereien mehr anfiel. Zwangsweise wurde damit die Entwicklung von Hefe gefördert. Die Hefen der Brauer und Brenner war von schlechter Qualität. Der Stamm Saccharomyces cerevisiae wurde gezielt selektiert und produziert, da mit dieser Hefe hervorragende Backergebnisse erzielt wurden. Zum Ende des 1900 Jahrhunderts wurde Weißbrot in den Städten fast nur noch mit Bäckerhefe produziert. Es gibt Berichte, dass auf dem Land Weißbrot ausschließlich mit Weizensauer gebacken wurde, da das schnelle Austrocknen der Schnittfläche ungesäuerter Brote gegenüber gesäuerter Brot als nachteilig empfunden wurde.
Roggensauer wurde ebenfalls um 1900 erstmalig durch Zitronensäure ersetzt. Die Backergebnisse waren aber bescheiden. Um 1920 empfahl man beim Roggenteig zur Vereinfachung der Brotbereitung den Zusatz von Säuren, was nach dem heutigen Erkenntnisstand auch sinnvoll war, denn damalige Mehle verfügten über einen hohen Enzymgehalt. Parallel dazu entwickelte man Sauerteigstarterkulturen (Böcker) und bot sie als „Reinzuchtsauer“ an. 1930 brachte die Firma Ireks-AG (Kulmbach) den ersten Fertigsauer auf den Markt. Er bestand aus Quellmehl und Gärungsmilchsäure. Ebenfalls um 1930 wurde getrockneter Sauerteig angeboten, der allerdings verfahrensbedingt nur einen geringen Säureanteil hatte. Die Firma E. J. Böcker entwickelte einen biologischen gesäuerten Sauerteig, der reichlich Säure enthielt. 1970 wurde der Trockensauer als „Sauerteig-Extrakt-Roggen“ auf dem Markt gebracht.
Natürlich blieb danach die Entwicklung nicht stehen. Unzählige Verfahren und Backmittel wurden entwickelt und laufend verbessert, um die bestehende Sauerteigverfahren zu optimieren und unkompliziert zu machen. Heute hat sich die Entwicklung dahingehend geändert, dass mehr auf die Qualität der Produkte geachtet wird.
Kulturelle Verbreitung
Judentum
Das Judentum hat ein sehr problematisches Verhältnis zum Sauerteig, da Sauerteig historisch bedingt ein Synonym für „Sklaverei“ und „Feindschaft“ (Sauerteig erinnert an die ägyptischen Gefangenschaft, und wurde damit ein Symbol für Ägypten), „Schlechtes“ (weil Sauerteig einen frischen Teig ebenfalls in „Zersetzung“ bringt), aber auch „Fortschritt“ (weil es eben eine Weiterentwicklung von den traditionellen festen Fladenbroten Matze weg ist).
Zu Pessach ist alle Art von Sauerteig aus dem Haus zu verbannen. Die biblische Einsetzung des Pessach findet man in Ex 12,1-28. Die wichtigsten Anweisungen daraus lauten nach der Übersetzung der Lutherbibel von 1984:
- Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung. (Ex 12,14.17)
- Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Schon am ersten Tag sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern tun. Wer gesäuertes Brot ißt, vom ersten Tag an bis zum siebenten, der soll ausgerottet werden aus Israel. (v.15)
- Am ersten Tag soll heilige Versammlung sein, und am siebenten soll auch heilige Versammlung sein. Keine Arbeit sollt ihr dann tun; nur was jeder zur Speise braucht, das allein dürft ihr euch zubereiten. (v.16)
- Am 14. Tage des ersten Monats am Abend sollt ihr ungesäuertes Brot essen bis zum Abend des 21. Tages des Monats, so dass man sieben Tage keinen Sauerteig finde in euren Häusern... (v.18f)
Christentum
Praxis
In der religiösen Praxis des Christentums spielt Sauerteig keine bedeutende Rolle. Die Hostien für das Abendmahl werden in der westlichen Kirche zwar seit dem 11. Jahrhundert aus ungesäuertem Weizenteig hergestellt, aber diese Tradition hat keine religiöse Verbindlichkeit. In den Ostkirchen wird stets gesäuertes Brot verwendet.
Symbolgehalt
Sauerteig hat in den Schriften des Neuen Testaments eine ähnlich doppeldeutige Bedeutung wie im Judentum: Der Sauerteig hat eine Dynamik, deren Qualität jeweils von der des Impulses bestimmt wird.
Das bedeutstende positive Bild ist das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33 parr) in dem das Reich Gottes als ein Geschehen beschrieben wird, das wie ein Sauerteig stetig und unaufhaltsam Veränderung schafft, auch wenn der Anfang klein erscheint. Als negativ gewertetes Beispiel gilt die Dynamik, die von den Pharisäern, Sadduzäern (Mt 16,6 parr) und von Herodes (Mk 8,15) ausgeht. Diese oft als antijüdisch verstandenen Bibelverse sind heute eine Herausforderung für eine zeitgemäße Auslegung.
In 1. Kor 5,6ff schreibt Paulus, dass die Gläubigen sich von den abgelegten Lehren und Lebensweisen reinigen sollen, wie man ein Haus für Pessach vom alten Sauerteig reinigt, damit sie als ungesäuerter Teig, die neue Lebensweise annehmen können.
- Darum lasst uns das Fest feiern nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern im ungesäuerten Teig der Lauterkeit und Wahrheit.(1. Kor 5,8)
Auswirkungen des Sauerteiges auf die Brotqualität
Backwerk, bei dem Sauerteig zur Anwendung kommt, verfügt über eine bessere Brotqualität. Bemerkenswert dabei ist, dass Sauerteige keine nennenswerten negativen Auswirkungen auf die Brotqualität ausüben.
Brotqualität | Aroma |
Volumen, Textur, Porung | |
Verarbeitungseigenschaften des Teiges | |
nutriver Wert | |
Frischhaltung | |
mikrobieller Verderb |
Auswirkung auf Geschmack und Aroma
Aus den Sinneseindrücken Geruch, Geschmack und Tastempfinden entsteht ein oraler Gesamteindruck, der Flavor genannt wird. Dabei wirken flüchtige und nichtflüchtige Aromastoffe und bilden aus Geschmack und Geruch Aroma. Sauerteigbrote zeichnen sich durch den hohen Gehalt an Geruchs und Geschmacksstoffen aus. Diese Steigerung des Genußwertes ist sowohl bei Roggensauerbrot als auch bei Weizensauerbrot zu beobachten.
Es sind über 300 Aromastoffe bekannt, wobei aber nur wenige aroma- und geschmacksbestimmend sind. Viele der beteiligten Substanzen sind bereits im Mehl vorhanden, ergeben aber einen schwachen Aromaeindruck. Durch Fermentation im Sauerteig werden diese Aromastoffe kräftig ausgebildet. Die Verbesserung des Aromas kommt auch durch die Veränderung unerwünschten Aromen. Der grasige Aromastoff Hexanal wird z. B. abgebaut. Tragende Aromaverbindungen, wie Methybutanol, Diacetyl oder Methylenessigsäure nehmen in der Konzentration zu. In der Phase der Fermentation werden reduzierte Zucker und freie Aminosäuren gebildet, welche Vorstufen für wirkende Aromen sind. Durch chemisch-thermische Prozesse (z. B: Maillardreaktion) entstehen andere Aroma- und Geschmacksstoffe.
Aroma- und Geschmacksstoffe werden im wesentlichen aus den natürlichen Inhaltsstoffen des Getreides gebildet, welche da sind: Fette (Lipide), Eiweiße (Proteine und Peptide), und Stärke (Kohlenhydrate). Diese Inhaltsstoffe werden verändert oder beeinflußt.
Bestandteil im Getreide | Aromabildende Stoffe | Beispielstoffe |
Peptide | Mono- u. Diglyceride, ungesättigte freie Fettsäuren | Oxidationsprodukte z. B. Nonenal |
Proteine, Peptide | Aminosäure: Arginin | Orthin |
Aminosäure: Prolin | 3-Methylbutnol | |
Aminosäure: Leucin | 2-Methylbutanal, 3-Methylbutnol | |
Aminosäure: Phenylalanin | Phenyletanol, Phenylacetaldehyd | |
Aminosäure: Methionin | Methional | |
Stärke | Maltooligosaccharide | Maltose -> Glucose (Fructose) |
Fructosane | Sucrose -> Fructose |
Auswirkung auf Volumen, Textur und Porung
Durch Sauerteig wird das spezifische Volumen erhöht. Die Porung der Krume ist feiner. Daneben zeichnet eine höhere Feuchte und Elastizität eine Sauerteigführung aus, wodurch das Gebäck schnittfester und streichfähigere wird. Beim Verzehr ist das Mundgefühl angenehmer, da alle Fraktionen des Mehles besser aufgeschlossen werden, ein Effekt, der besonders bei Vollkornprodukten wirkt.
Bei Roggenbroten führt die Absenkung des pH-Wertes zu der Zunahme der Kaubarkeit. Beim Kauen haftet die Krume an den Zähnen, bewirkt ein unangenehmes Mundgefühl. Mit fallenden ph-Wert nimmt die Elastizität der Krume zu.
Auswirkung auf die Verarbeitungseigenschaften
- Weizenteige aus Sauerteig - besonders Vollkornweizenteig - binden Feuchtigkeit und gewährleisten durch gute Quellung eine bessere und leichtere Verarbeitung. Dies wohl auch, weil die Löslichkeit der Pentosanen zunimmt. Die Kleberentwicklung wird verbessert, wobei der Teig dehnfähiger wird. Allerdings ist ein hoher Säureanteil unter pH 4.0 schädlich, da zuviel Stärke abgebaut wird, worunter das Volumen des Gebäckes leidet.
- Im Gegensatz zu Weizenteige bedürfen Rogenteige Säure, um backfähig zu sein. Ursache sind die Beschaffenheit der Kleberproteine, dem Verkleisterungsverhalten der Stärke und der Charakteristik ihrer Enzyme (α-Amylasen). Diese α-Amylasen sind hochaktiv, da Roggengetreide keine Keimruhe besitzt. Roggenstärke verkleistert bei einer Temperatur von 49-56°C, wodurch es zu einer Überschneidung mit dem Temperaturoptimum der Roggenamylasen, welches bei 50-53°C liegt, kommt. Roggenteige verfügen nicht über Klebereiweiß, dessen Aufgabe der Krumebildung während des Backprozesses hauptsächlich von wasserbindenden Pentosane übernommen wird. In denen lagert sich die Roggenstärke ein und bildet nach dem Verkleistern die stabile Krume. Diese Krume würde ohne Säure von den mehleigenen Enzymen abgebaut, wodurch sich ein flaches Brot ausbildet. Das Brot ist dann genußunfähig. Die Säuren des Sauerteigen bewirken bei einem pH-Wert von 4.1 die vollständige Einstellung der Amylaseaktivitäten.
Auswirkung auf den nutriven Wert
Auswirkung auf die Frischhaltung
Bei der Lagerung erleidet Brot Verlust der sensorischen Eigenschaften an Aroma und Mundgefühl, wobei hier der Verderb nicht berücksichtigt wird. Ebenso verändert sich die physikalische Eigenschaft der Krumenelastizität negativ. Das Brot wird härter und verliert seine Elastizität.
Das Altbackenwerden (Stalin) unterliegt komplexen Vorgängen, die noch nicht eindeutig erforscht sind. Eine Ursache ist aber die Retrogradation der Stärke. Dabei verliert die Stärke Feuchtigkeit und geht in einem kristallenen Zustand über. Die Feuchtigkeit wandert von der Krume zur Kruste, wo sie austritt.
Bisher ist nur sicher, dass die Bildung von Exopolysacchariden, welche bei der Sauerteigfermentation durch Milchsäurebakterien entstehen, daran wesentlichen Einfluß haben.
Auswirkung auf die Lagerfähigkeit
Sauerteiggeführte Brote schimmeln langsamer als nicht gesäuerte oder chemisch gesäuerte Brote. Ursachen und Wirkung sind vielfältig, so dass hier nur Bespiele aufgeführt werden.
- Schimmel. Bewirkt wird die verminderte Anfälligkeit gegenüber Verderb durch die Absenkung des pH-Wertes und die Bildung von Capronsäure oder Phenyl-Milchsäuren. Während der Fermentierung entstehen außerdem antimikrobielle Stoffwechselprodukte, die gemeinsam mit dem Absenken des pH-Wertes wirken. Undissziierte Säuren durchdringen den Zellkern und zerstören die lebensnotwenige Transmembran. Es werden auch Diacetyl, Acetaldehyd oder Wasserstoffproxid gebildet, die ebenfalls antimikrobiell wirken, aber Geruch und Geschmack des Produktes beeinflussen. Durch den Stoffwechsel der Milchsäurebakterien entstehen auch Nisin, Laktizin 3147 und 481, die viele gram-positive Bakterien abtöten, wobei sie Poren in den Zellmembranen verursachen.
- Fadenziehen. In den letzten Jahren ist die alte, fast vergessene Brotkrankheit Fadenziehen wieder häufiger anzutreffen. Diese Brotkrankheit tritt vorwiegend in den Sommermonaten durch Bakterien der Gattung Bazillus auf. Ursache des deutlichen Anstieges ist die Umstellung der Anbaugewohnheiten. Weniger Pestizide und Insektizide werden eingesetzt, womit Getreide und Mehle durch diese Bakterie hoch belastet sind.
Zwischen den Broten bilden sich lange Schleimfäden, welche der Brotkrankheit ihren Namen geben. Zunächst kann man einen gärigen, obstigen Geruch feststellen, wonach auch Krume soweit geschädigt wird, dass sie klebrig wird. Beim Aufbrechen zeigen sich in späteren Stadium deutlich Fäden und Verfärbung der Krume. Betroffen sind ausschließlich ungesäuerte, helle Brote, die so ungenießbar werden. Die Bakterien gelangen mit ihren Sporen vom Feld über das Getreide in den Teig. Während die Bakterien während des Backprozesses weitgehend absterben, sind die Keime hitzeresistent, keimen beim Abkühlen um 30-40 °C, ihrem Temperaturoptimum, auf.
Sauerteig tötet die Bakterien und unterdrückt die Auskeimung hitzeresistenter Keime. Ursache dafür ist die kombinierte Wirkung des sauren pH-Werts und der Essigsäure. Aber auch andere antimikrobiellen Stoffe vermindern oder verhindern diese Brotkrankheit.
Gewinnung
Sauerteig durch spontane Säuerung
Dieses Verfahren ist recht alt, wird auch heute noch verwendet, um die Grundlage (Anstellgut) für Sauerteig zu ziehen. Untersuchungen haben zum erfreulichen Ergebnis geführt, dass keine schädlichen Organismen (Salmonellen, Eschericha coli, Staphylococcocus) vorhanden sind.
Ein Teig aus Mehl und Wasser wird nach wenigen Stunden bei Zimmertemperatur bakteriell infiziert. Das Ergebnis ist stark vom Zustand des Rohstoffes abhängig. Wesentlich beeinflussen Lagerung des Rohstoffes (Temperatur, Feuchtigkeit), sowie der Befall von Schädlingen die Anzahl und Arten der Mikroorganismen das Ergebnis. Damit sich eine bestimmte Art von Bakterien oder Hefen sicher entwickeln kann, müssen mengenmäßig genügend Keime dieser Art vorhanden sein. Da weder Art noch Anzahl der Mikroorganismen bestimmt werden kann, hängt Erfolg und Qualität sehr stark vom Zufall ab. Es ist nicht vorbestimmbar, welche Bakterien die Säure bilden und welche Stoffwechselprodukte dabei entstehen.
Starterkulturen
Starterkulturen sollen dem Sauerteig die Grundlage für einen gesunden Sauerteig sein. In der Produktion wird ein Mehl-Wasser-Gemisch gezielt mit bestimmten Kulturen geimpft, woraus sich ein gesunder Sauerteig entwickelt. Auch hier wird ein Rest Anstellgut für den nächsten Sauerteig aufgehoben. In bestimmten Zeitabständen wird der Sauer allerdings vollkommen neu mit Reinsuchtsauer angesetzt.
Schon vor 100 Jahren hatte die Firma Böcker Reinsuchtsauer entwickelt. Über viele Jahre hat die Industrie geeignete Starterkulturen für bestimmte Prozesse gezüchtet. Dabei werden gezielt gewünschte Organismen, wie Laktobazillen oder Hefe eingesetzt und gefördert. Zusätzlich werden Substrate zugegeben, die der Entwicklung der gewünschten Organismen förderlich sind. Außer bei der Spontanen Säuerung werden sie im sterilen Umfeld gezogen.
Diese Starterkulturen sind Garant für eine sichere Produktion, wobei die gleichbleibende Gebäckqualität Verkaufsargument ist. Mit Hilfe von Starterkulturen werden Standardsauer gezogen, welche sich lange bewährt haben und damit in der Praxis weit verbreitet sind.
Einteilung der Starterkulturen für Standardsauerteige
- Starter für Reinzuchtsauerteig
- Starter für Silosauerteige
- Starter zur Vorratshaltung, tiefgefriertauglich
- Starter für die Brotfermentation
- Starter für Anfrischsauer
Kulturen
- Durchgesetzt hat sich der Stamm Lactobaillus sanfranciscensis, der heterofermentativ ist. Neben Essigsäure wird Milchsäure, Alkohol und Kohlensäure gebildet. Dabei entstehen auch Peptide, Aminosäuren und Zucker, welche Grundstoffe für die spätere Aromabildung im Brot sind.
- Seit vielen Jahren eingesetzt und bewährt hat sich Candida humilis als Sauerteighefe.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Sauerteige, in denen Säurebildner gezogen werden und die Hefe zugegeben wird, aromatischeres Brot liefern, wenn im Sauerteig auch Hefe enthalten ist. Die beiden oben genannten Kulturen sind dazu besonders gut geeignet.
Starterkulturen werden für folgende Getreidearten angeboten:
- Roggensauerteig
- Weizensauerteig
- Roggen- und Weizensauerteig
- Dinkelsauerteig
- Reisstarter
- Backfermente für Roggen, Weizen und andere Getreidearten
Ohne Bedeutung ist die Art des Getreides für die Entwicklung der gewünschten Mikroorganismen. Wichtiger ist die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen, wobei dunkle Mehle deutlich besser abschneiden.
Starter für den Bio-Bereich
Mittlerweile werden auch Starter mit Biozertifikat angeboten, wobei die Grundstoffe Roggen, Weizen oder Dinkel biologisch angebaut werden (EU-Verordnung 2092/91).
Nach dieser EU-Verordnung dürfen konventionelle Starterkulturen verwendet werden. Einige Verbände bestehen aber auf Starterkulturen aus Spontansauer. Diese werden weiter gezüchtet, um ein Standardprodukt zu erhalten.
Biologische Prozesse

Im (Roggen)sauerteig arbeiten im wesentlichen zwei Arten von Bakterien: „homofermentative“ und „heterofermantative“ Milchsäurebakterien:
- homofermentative Fermentation: Glukose → Milchsäure + 218 kJ Energie
- heterofermentative Fermentation: Glukose → Milchsäure + Ethanol + Kohlendioxid
- und gleichzeitig: Glukose → Milchsäure + Essigsäure
Die Milchsäurebakterien zersetzen also einen Teil der Kohlenhydrate im Mehl zu Milchsäure, zusätzlich auch zu Essigsäure und einen geringen Anteil Kohlendioxid. Die Hefen tragen ebenfalls Kohlendioxid sowie kleine Mengen Alkohol (Ethanol) zum Gärungsprozess bei. Der Alkohol wird von den Essigsäurebakterien in Essigsäure umgewandelt. Durch verschiedene Bedingungen (Gärungszeit, Mischungsverhältnis, Temperatur) kann Einfluss auf die Anteile der einzelnen Gärungsprodukte und somit auf Eigenschaften und Geschmack (Wirkung) des Sauerteigs genommen werden. Das Verhältnis von Milchsäure und Essigsäure sollte „80 zu 20“ betragen. Dieses Verhältnis ist aber nur ein Richtwert. Das Verhältnis der beiden Säuren bestimmt den Charakter eines Brotes (Brotsorte). Ein rustikales Roggenbrot kann durchaus einen höheren Anteil Essigsäure für seinen typischen Charakter enthalten.
Durch die Säuerung wird der pH-Wert im Teig schrittweise auf 4,0 bis 4,3 abgesenkt. Dabei laufen enzymatische Prozesse ab, mit denen Geruchs- und Geschmackstoffe entstehen, die den Charakter eines Brotes bestimmen. Außerdem werden bei der Reifung Vorprodukte für die Geschmacksbildung während des Backprozesses gebildet (Maillard-Reaktion). Die unterschiedlichen Mikroorganismen benötigen unterschiedliche Lebensbedingungen hinsichtlich Feuchtigkeit und Temperatur. Milchsäurebakterien entwickeln sich optimal bei 30–35 °C, dagegen Essigsäurebakterien optimal bei 20–25 °C und Hefen bei 24-26 °C.
Vor allem in Vollkornmehlen sind Pflanzenstoffe (v. a. Phytin) enthalten, die in der Natur dazu dienen, Fraßfeinde abzuwehren. Diese Fraßschutzstoffe machen sie aber auch für den Menschen schlecht verdaulich, da sie die Nährstoffresorption und die Bakterienflora im Darm stören. Während einer ca. zwanzigstündigen (Roggen)sauerteiggärung werden ungefähr 90 % dieser Fraßschutzstoffe abgebaut, was mehr als genug ist, um auch Vollkornbrot (für Gesunde) gut verdaulich zumachen. Außerdem schließt die Essigsäure Zellen auf. Dabei werden Aminosäuren frei, die das typische Sauerbrotaroma fördern.
Sauerteigführungen / Fermentierung
Die verschiedenen Methoden, Sauerteig zu ziehen, werden ausführlich unter Sauerteigführung behandelt.
Allgemeine Verkehrsauffassung von Sauerteig
Mit der Bezeichnung Sauerteig verbindet der Verbraucher ein Produkt mit hoher Qualität und natürlichem Ursprung. Verschiedene Länder haben daher Richtlinien und Produktbeschreibungen zum Schutz des Verbrauchers erlassen.
Jedes Produkt, welches in einem EU-Land nach geltendem Recht produziert wurde, darf in anderen EU-Ländern (§ 53 LFBG) vertrieben werden.
Deutschland
Im Deutschen Lebensmittelbuch werden Leitsätze (§ 15 LFGB) über die geltende Verkehrsauffassung für viele Lebensmittel beschrieben. Diese Leitsätze [1] wurden von Verbrauchern, Wissenschaftlern, Wirtschaft, Lebensmittelüberwachung und Behörden erarbeitet und fortgeführt. Leitsätze sind aber keine Rechtssätze. Man könnte sie als vorweggenommenes Sachverständigengutachten bezeichnen. Produkte können von diesen Leitsätzen abweichen und bei entsprechender Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden.
Auf Vorschläge von Bode und Seibel (1982), sowie Brümmer und Huber (1987) gingen die Leitsätze für Brot und Backwaren in das Deutsche Lebensmittelbuch ein.
Definition von 2006 (Auszug):
- „1.11 Sauerteig ist ein Teig, dessen Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien, Hefen) aus Sauerteig oder Sauerteigstartern sich in aktivem Zustand befinden oder reaktivierbar sind. Sie sind nach Zugabe von Getreideerzeugnissen und Wasser zur fortlaufenden Säurebildung befähigt. Teile eines Sauerteiges werden als Anstellgut für neue Sauerteige verwendet. Die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen wird erst durch Backen oder Heißextrudieren beendet. Die Säurezunahme des Sauerteigs beruht ausschließlich auf dessen Gärungen.“
In den Leitsätzen wird auch Sauerteigbrot definiert:
- „3.1 Sauerteigbrot wird so hergestellt, dass die gesamte zugesetzte Säuremenge aus Sauerteig stammt. Auf Nummer 1.11 wird verwiesen. Hinweise auf die Mitverwendung von Sauerteig sind nur üblich, wenn die zugesetzte Säuremenge zu mehr als zwei Dritteln aus Sauerteig stammt. Bei Bauern-/Landbrot mit einem Roggenanteil über 20 % stammt sie zugesetzte Säuremenge zu mindestens zwei Dritteln aus Sauerteig.“
Österreich
Entsprechend den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches, gilt in Österreich der „Codex Alimentarius Austriavus“. Auszüge:
B9: Backhefe, Sauerteig, Backpulver, Triebmittel für besondere Zwecke:
- Abs. 5: Sauerteig ist aus Mehl oder Schrot mit Wasser bereiteter in saurer Gärung befindlicher Teig. Die Gärung und Säuerung kann entweder spontan erfolgen oder durch Zusatz einer über eine Reinzucht herbeigeführte Mischkultur von Sauerteighefen und Säurebildner hervorgerufen. Nach der Art der Entstehung unterscheidet man daher Natursauer und Reinzuchtsauer.
- Abs. 7 (Auszug): Sauerteig, der durch den Parallelvorgang der Spontangärung und Spotansäuerung von sich aus entstanden ist, wird Natursauer genannt. [...] Im Natursauer müssen die erwünschten Herführungsmaßnahmen, die ihre Entwicklung fördern, vermehrt werden, wodurch gleichzeitig die Zunahme der unerwünschten Mikroorganismen gehemmt wird.
In Österreich wird also Natursauer recht eng definiert. Seine Verwendung wird bei der Herstellung von Land- und Bauernbrot (Codexkapitel B18) gefordert.
Schweiz
Im Kap. 16 des Schweizerischen Lebensmittelbuches wird Sauerteig definiert (Auszug):
- Sauerteig ist ein durch spontane oder durch Starterkulturen (Laktobazillen) gezielt gelenkte Gärung über mehrere Stufen herangeführter Teig aus Roggen- oder Weizenmehl mit einer aktiven, triebfähigen Mikroflora. [...] Der pH-Wert eines ausgereiften Sauerteiges liegt je nach Art (Roggen / Weizen) und Ausmahlungsgrad im Bereich von 3,2 – 4,5, der Säuregrad zwischen 10 – 30. Der Saueranteil (ausgereifter Vollsauer) beträgt je nach Brottyp und gewünschter Geschmacksnote 15 – 50 %.
Frankreich
Am 13. September 1993 trat das Dekret No. 93 – 1074 zum Schutz der Brotsorten: Pain Maison, Pain de Tradition Francaise und Pain au levain in Kraft. Auszüge:
- Art. 3: Brot, dass unter der Bezeichnung „Pain au Levain“ in Verkehr gebracht wird, muss mit einem Sauerteig entsprechend Art. 4 hergestellt worden sein und höchstens einen pH-Wert von 4,3 sowie mehr als 900 ppm Essigsäure aufweisen.
- Art 4: Sauerteig ist ein Teig, zusammengesetzt aus Weizen- oder Roggenmehl, Trinkwasser und eventuell Salz, der einer natürlichen säurebildenden Fermentation unterliegt und dessen Funktion es ist, den Teig aufgehen zu lassen. Sauerteig enthält hauptsächlich aus Milchsäurebakterien bestehende säuernde Mikroflora oder Hefen. Der Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae), die zur Verwendung im Brotteig bestimmt ist, ist mit 0,2 % (bezogen auf die Gesamtmehlmenge) erlaubt. Der Sauerteig kann auch getrocknet sein, sofern er 1 Mrd. Bakterien pro Gramm und 10 Mio. Hefen pro Gramm enthält. Nach Zugabe von Wasser und eventuell Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae) muss er gemäß obigen Bedingungen ausreichend Teigtrieb erbringen. Dem Sauerteig können auch genehmigte Mikroorganismenarten zugesetzt werden.
Quellen
- Handbuch Sauerteig, Redaktion: Gottfried Spicher, M. Brandt, Biologie, Biochemie, Technologie, 6. Auflage, 2006, Behr's Verlag, ISBN: 3899471660
- Horst Skrobanek: Bäckereitechnologie, Verlag: Handwerk und Technik, Hamburg, Auflage: 3 (Dez. 2002), ISBN: 3582401014
- Josef Loderbauer: Das Bäckerbuch, Verlag: Handwerk und Technik, Hamburg,3. Auflage 2006, ISBN: 3-582-40205-3
Weblinks
- www.der-Sauerteig.de (Informationen zum Ansetzen und Verwenden von Sauerteig) von Martin Stoldt
- www.moglitronik.de (Sauerteig-FAQ) von Mirko Driller
- www.mirko-javurek.at.tt (Sauerteig-Brotrezept)