Sykes-Picot-Abkommen
Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Englands und Frankreichs, durch die ihre Einflußsphären im Mittleren Osten nach dem Ersten Weltkrieg festgelegt wurden.
Das Abkommen wurde im November 1915 von dem französischen Diplomaten Georges Picot und dem Engländer Mark Sykes ausgehandelt. Picot war der bei weitem erfahrenere und verstand es, weitaus mehr als erwartet für Frankreich herauszuholen.
England wurde die Herrschaft über ein Gebiet zuerkannt, das in etwa dem heutigen Jordanien, dem Irak und dem Gebiet um Haifa entspricht. Frankreich sollte die Herrschaft über die Südost-Türkei, den Nordirak, Syrien und den Libanon ausüben. Jedes Land sollte die Staatsgrenzen innerhalb seiner Einflußzone frei bestimmen dürfen.
Das später Palästina genannte Gebiet sollte unter internationale Verwaltung gestellt werden. Dieses Gebiet, das in der Folge Anlass zu heftigen Kontroversen sein sollte, hatte folgende Grenzen:
- Im Süden: eine West-Ost-Linie angefangen bei etwa der halben Strecke von Deir al-Balah nach Gaza bis zum Toten Meer, nördlich von Beerscheba und südlich von Hebron.
- Im Osten: vom Toten Meer den Jordan entlang zum See Genezareth und ein paar Meilen nördlich des Sees.
- Im Norden: in Anschluss an die Ostgrenze eine Linie in etwa west-nordwestlicher Richtung, die fast an den Süden von Safed reicht und auf das Meer etwa in der Mitte zwischen Haifa und Tyrus stößt.
- Im Westen: das Mittelmeer.
Siehe auch die Landkarten bei firstworldwar.com und us-israel.org.
Dieses Abkommen wird von vielen als widersprüchlich zu der Hussein-McMahon-Korrespondenz 1915-1916 angesehen. Die widersprechenden Vereinbarungen waren das Ergebnis des wechselnden Kriegsverlaufs. Durch das erste Abkommen sollte die Hilfe der Araber gewonnen werden, durch das zweite wurde die Voraussetzung für die Balfour-Erklärung 1917 geschaffen, die die amerikanischen Juden zur Unterstützung des Kriegseintritt der USA bewegen sollte. Sykes stand auch nicht in Verbindung mit dem Amt in Kairo, das mit Hussein korrespondiert hat, und sich der Versprechen gegenüber den Arabern nicht bewußt.
Später wurde das Abkommen erweitert, um Italien und Russland einzubinden. Rußland sollte Armenien und Teile von Kurdistan erhalten, Italien einige ägäische Inseln (die Dodekanes) und eine Einflußsphäre um Izmir in Südwest-Anatolien. Die italienische Präsenz in Anatolien sowie die Aufteilung der arabischen Länder wurde im Vertrag von Sevres 1920 formell besiegelt.
Die Russische Revolution von 1917 führte dazu, daß Rußlands Ansprüche am Osmanischen Reich verworfen wurden. Lenin veröffentliche zu dieser Zeit das geheime Sykes-Picot-Abkommen und andere Verträge, wodurch große Verärgerung zwischen den Entente-Mächten und wachsendes Mißtrauen von seiten der Araber hervorgerufen wurden.
Versuche, den Konflikt zu lösen wurden in der Konferenz von San Remo 19.-26. April 1920 und dem Churchill-Weißbuch von 1922 unternommen, wodurch festgestellt wurde, daß Palästina ein Teil der ausgenommenen Gebiete war ("Syrien westlich des Bezirks von Damaskus").
Die Hauptpunkte des Abkommens wurden in der Konferenz von San Remo bestätigt, auf der die Völkerbundsmandate vom 24. Juli 1922 beruhen.