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Otto Alscher

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Otto Alscher (* 8. Januar 1880 in Perlasz an der Theiß, Banat, damals Ungarn; † 29./30. Dezember 1944 in Târgu Jiu, Rumänien). Wird in der Literaturgeschichte als "ein deutscher Dichter Ungarns", "rumänien-deutscher" und österreichischer Schriftsteller erwähnt.

Otto Alscher (1880-1944)

Leben und Werk

Am 8. Januar 1880 kam Otto Alscher als ältestes von drei Kindern eines Wanderfotografen in Perlasz, einer Militär-Grenzgemeinde im südöstlichsten Winkel der k.u.k. Monarchie, zur Welt. 1891 ließ sich die Familie in Orschowa nieder, einer kleinen Hafenstadt an der Donau. Die Alschers gründeten dort das erste Fotoatelier der Gegend. Von 1899 bis 1901 besuchten Otto und sein jüngerer Bruder Hugo die „K.k. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. I. Section: Lehranstalt für Photographie und Reproductionsverfahren“, Schwester Ludmilla arbeitete im elterlichen Fotoatelier. Mit ihrer Verehrung für Natur, Instinkt und Nietzsche finden die Brüder bald Anschluss zu Kreisen der Wiener Bohème. Otto ergriff die journalistische und schriftstellerische Laufbahn, Hugo wurde Maler. 1904 heiratete Otto die literarisch ambitionierte Kindergärtnerin Leopoldine alias Else Amon und erbaute im Gratzkatal, etwa eine Stunde von Orschowa entfernt, ein Haus für seine zukünftige Familie und eine „Luderhütte“, ein Arbeitszimmer mit Schießscharte für sich. Drei Kinder kamen hier zur Welt.

Mit dem zweiten Roman „Gogan und das Tier“ gewann der Lebensentwurf in den Karpaten literarischen Bestand, das Buch wurde 1912 im S. FischerVerlag publiziert und ein Auszug daraus in eine Anthologie des Hauses aufgenommen.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Alscher einberufen, doch nach einem Jahr wegen einer Malariaerkrankung ausgemustert. 1917 erschien sein erster Band mit Tiergeschichten „Die Kluft, Rufe von Menschen und Tieren“ bei Albert Langen, München. "Die Kluft" ist hier noch nicht zu überbrücken, die Bindung des Menschen zum Tier und zur Natur zerbricht an Schäden der Zivilisation. Alscher widerlegt Nietzsches These von der „Benommenheit“ des Tieres, denn seine Raubtiergestalten sind wie die Jack Londons in ihrer Wahrnehmung und ihren moralischen Entscheidungen dem Menschen überlegen. Aus diesem Band wählt Hermann Hesse für die mit Richard Woltereck erstellte Anthologie „Strömungen“ die Kurzgeschichte „Die Hunde“ als „neuere Dichtung“, wie es im Vorwort hieß, aus.

Nach dem Krieg verließ Alscher seine Familie und ging mit der zwanzig Jahre jüngeren Lehrerin Elisabeth Amberg eine Lebensgemeinschaft ein. Als politischer Journalist plädierte er für die Angliederung des Banats an Rumänien. Im neuen Staat sah er eine Chance zur ästhetischen Erneuerung der deutschen Minderheit, sein politischer Appell genoss jedoch wenig Prestige. Entfremdet, ohne einen neuen Leserkreis gewonnen zu haben, zog er mit Elisabeth zurück in seine Utopie, das Haus in der Gratzka wurde wieder erworben.

1925 und 1929 greift Friedrich Dahncke „rätselhafte Schicksale“ in den beiden Auflagen der Anthologie „Tiergeschichten aus fremden Ländern“ auf. Ursprüngliche Erfahrungen der Tiere sind hier, in realistischer oder magisch-realistischer Darstellungsweise, als Kanon eines „neuen literarischen Gebiets“ der Weltliteratur vorgestellt. Freiheit ist die existentielle Triebfeder des Alscherschen Luchs in der Geschichte „Der Jagdgefährte“.

Ein ideeller, jedoch kein materieller Sieg stellt sich 1928 mit dem Band „Tier und Mensch“ bei Albert Langen ein. Das Tier ist innere und äußere Realität, eine Kommunikation zwischen diesen Welten zeigt Möglichkeiten einer persönlichen Entwicklung auf.

Fünf Kinder entstammen der Lebensgemeinschaft mit Elisabeth Amberg. Die innere Emigration ließ sich nicht mehr finanzieren, vergeblich beugte sich Alscher der konventionellen Moral und der Sprache seiner Zeitgenossen in trivialen Texten. Es interessierten weder seine Literatur noch sein Blut-und-Boden-Kitsch.

Eine letzte Demütigung erlebte er 1939 als Journalist bei der Temeswarer „Extrapost“, einer gleichgeschalteten Tageszeitung. Nach ein paar Monaten entlassen, mussten die Alschers von der Armenküche verköstigt werden, das Haus in der Gratzka wurde versteigert, es fehlte sogar das Geld für eine Fahrkarte nach Orschowa zum Begräbnis der Mutter. Erst 1942 war mit dem Erbe des Fotoateliers und des Elternhauses ein erneuter Rückzug nach Orschowa in die Nähe des natürlichen, „wahren“ Daseins möglich.

1943 lässt Alscher sowohl mit eigenen Mitteln als auch mit der Hilfe seines Freundes Heinrich Anwender den dritten Tiergeschichtenband drucken: „Die Bärin, besinnliche Tiergeschichten“. Es ist eine Auswahl gelegentlicher Publikationen und der Texte, die ihm, wegen ihres humanistischen oder pazifistischen Gehalts, keine Zeitung abnimmt.

Am 23. August 1944 trat Rumänien auf die Seite der Alliierten, die Rote Armee besetzt das Land, reichsdeutsche Staatsbürger und Amtsträger der deutschen Volksgruppe wurden verhaftet. Alscher starb Ende Dezember 1944 im Internierungslager in Tîrgu Jiu.

Der Eintrag basiert auf den Recherchen zu folgenden Essays von Helga Korodi:

  • "Jenseits der Zivilisation - Vor 120 Jahren wurde Otto Alscher geboren", Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Verlag Südostdeutsches Kulturwerk, München, 2000, Heft 1
  • "Der Berg versagte seinen Segen", Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Verlag Südostdeutsches Kulturwerk, München, 2002, Heft 3
  • "Die Täuschungen der Wildnis",Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Verlag Südostdeutsches Kulturwerk, München, 2003, Heft 2
  • "Im Lehrplan und vor der Tür",www.Zeit-Schule.de
  • "Otto Alschers Wasserimpressionen in existenzphilosophischem Zusammenhang", Präsentation anlässlich der 2. internationalen EASCLE-Konferenz, Klagenfurt 2006

Quellen

Nachschlagewerke, in chronologischer Reihenfolge

  • Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn, herausgegeben von Eduard Castle, Vierter Band 1890-1918
  • Unsere Zeitgenossen, Wer ist's, Leipzig, 1922
  • Magyar irok elete es munkai,Gulyas Pal,1939
  • Autorenlexikon der Gegenwart, Karl August Kutzbach 1950 (417);
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815-1950. Bd I, 1957 (563);
  • Literatur-Lexikon, Autoren und Werke deutscher Sprache, Hrsg. v. Walther Killy. Bd. I. 1988, S. 94;
  • Deutsches Dichterlexikon,Gero von Wilpert 3. Aufl. 1988;
  • Deutsche Biographische Enzyklopaedie Hrsg. v. Walther Killy. Bd.1. 1995;
  • Biografien

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