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Naturalistischer Fehlschluss

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Der Naturalistische Fehlschluss (engl. naturalistic fallacy) ist ein vom englischen Philosophen George Edward Moore geprägter Begriff, mit dem der Versuch bezeichnet wird, nur über die Eigenschaften eines natürlichen oder übernatürlichen Objektes zu definieren, was "gut" ist. Dies ist ihm gemäss nicht zulässig, da wertende Schlüsse mindestens eine wertende Prämisse benötigen würden. Ob die als Naturalistischer Fehlschluss bezeichneten Schlussweise tatsächlich fehlerhaft ist, ist allerdings umstritten.

Der Naturalistische Fehlschluss wurde von George Edward Moore 1903 in seinem Werk Principia ethica beschrieben [1]. Nach Moore ist der Naturalistische Fehlschluss sowohl ein Fehlschluss der naturalistischen Ethik, als auch der meisten nichtnaturalistischen Ethiken, insbesondere auch aller metaphysischen Ethiken [2]. Moore lehnt die Möglichkeit das "Gute" zu definieren, wie es naturalistische oder die von ihm als metaphysisch eingeordneten Ethiken versuchen, also ab. Man könne aber intuitiv entscheiden, welche Dinge als "gut" (oder auch als "schlecht") klassifiziert werden können und davon ausgehend eine Ethik aufbauen (intuitionistische Ethik). Da der behauptete Fehlschluss also nicht speziell nur ein Problem des ethischen Naturalismus ist, wie es die Benennung zunächst nahelegt, wird die Bezeichnung "Naturalistischer Fehlschluss" deshalb auch als unzutreffend kritisiert [3].

Kritisch betrachtet wurde der Naturalistische Fehlschluss u.a. durch W. Frankena in einem Artikel in dem Journal Mind[4].

Obwohl verwandt, darf der Naturalistische Fehlschluss nicht mit dem so genannten "Sein-Sollen-Fehlschluss" (Humes Gesetz) verwechselt werden, welcher der fehlerhafte Versuch ist, aus einer rein deskriptiven Aussage (dem was ist) eine normative Aussage (das was sein soll) abzuleiten.

Beispiele in der Principia ethica

Als Beispiel für einen naturalistischen Fehlschluss innerhalb einer naturalistischen Ethik nennt Moore in seiner Principia ethica den in naturalistischen Kreisen populären Vorschlag, dass "gut" mit "natürlich" gleichzusetzen sei. Dies sei jedoch falsch, da Natürliches, soweit damit "Normales" oder "Notwendiges" gemeint sei, nicht ernsthaft als immer gut oder als die einzig guten Dinge angenommen werden könne.

"As typical of naturalistic views, other than Hedonism, there was first taken the popular commendation of what is natural: it was pointed out that by natural there might here be meant either normal or necessary, and that neither the normal nor the necessary could be seriously supposed to be either always good or the only good things." (G.E. Moore, Principia ethica, Chapter II: Naturalistic Ethics)

Naturalistische Fehlschlüsse kommen nach Moore aber auch in den metaphysischen Ethiken vor. Als Beispiel nennt Moore hier die ethischen Ansichten von Spinoza, Kant und den Stoikern. Beispielsweise könne das Gute nicht allein durch das Befolgen von metaphysisch begründeten Anweisungen, egal ob im Sinne eines kategorischen Imperatives oder den Geboten einer übernatürlichen Authorität, definiert werden.

"And Kant also commits the fallacy of supposing that 'This ought to be' means 'This is commanded'. He conceives the Moral Law to be an Imperative. And this is a very common mistake." (G.E. Moore, Principia ethica, Chapter IV: Metaphysical Ethics)

Kritik an der These des Naturalistischen Fehlschlusses

Gegen die These, dass aus dem Sein kein Sollen abgeleitet werden kann, wird von Vertretern des Naturrechts u.a. aufgeführt, dass es keine Alternative zum Sein gibt. Wenn nicht aus dem Sein das Sollen logisch hergeleitet werden könne, dann wäre überhaupt keine Ethik möglich, da das Nichts gerade nichts begründen kann. Im übrigen ist auch die Intuition ein Sein, allerdings ist sie alleine nicht ausreichend für eine wissenschaftliche Begründung eines ethischen Systems. Nach der Lehre des Naturrechts ist das Gute das Seinsgerechte, also das dem unveränderlichen Wesen der Dinge entsprechende.

Gegen diese naturalistische Position lässt sich einwenden, dass eine Ethik allerdings nicht mit letzten Argumenten rational hergeleitet werden könne, dieses Eingeständnis aber keineswegs die Aufgabe ethischer Normen zur Folge haben müsse; das Prinzip der Nächstenliebe (Humanität) kann bspws. auch bei Eingeständnis der Unmöglichkeit einer Letztbegründung immer noch als Selbstzweck postuliert werden. Die Zustimmung zu diesem Postulat hängt dann freilich (in Moores Sinne) letztlich von der Intuition der betreffenden Person ab (die auch keinen objektivierbaren Maßstab darstellt).

Quellen

  1. G. E. Moore: Principia Ethica (engl.)
  2. Ridge, Michael, Moral Non-Naturalism, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (engl.)
  3. B. Williams Ethics and the Limits of Philosophy. Harvard University Press. 1985
  4. W. Frankena The Naturalistic Fallacy. Mind 48, 464-477, (1939)