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Regelstrecke

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Blockschaltbild eines einfachen Standardregelkreises, bestehend aus der Regelstrecke 'G', dem Regler 'K' und einer negativen Rückkopplung der Regelgröße 'y' (auch: Istwert) auf den Regler. Die Regeldifferenz 'e' wird aus der Differenz zwischen dem Sollwert 'w' und der Regelgröße errechnet. Der vom Regler ermittelte Stellwert 'u' wirkt auf die Strecke und damit wiederum auf die Regelgröße ein. Die Störgröße d bewirkt eine Veränderung der Regelgröße, die nicht gewünscht ist und kompensiert werden muss.

Als Regelstrecke bezeichnet man in der Regelungstechnik das Verhalten physikalischer Größen (den Prozess) einer Anlage oder einzelner Geräte durch den Einfluß einer Regeleinrichtung. Für die Regelung muss das Verhalten der Regelstrecke möglichst gut bekannt sein, das kann z.B. durch Testfunktionen oder mathematische Modellbildung erfolgen.

Identifikation der Regelstrecke

Identifikation durch Testfunktionen

Sprungantwort einer Regelstrecke mit Wendetangente zur Bestimmung von und .

Regelstrecken lassen sich zum Beispiel über ihr Zeitverhalten (dynamisches Verhalten) einteilen. Um das Zeitverhalten zu bestimmen bedient man sich sogenannter Testfunktionen. Dazu zählen u.a. die Sprungfunktion, die Impulsfunktion, die Anstiegsfunktion und die Sinusfunktion. Die häufigste Testfunktion ist die Sprungfunktion.

Ändert man die Eingangsfunktion der Strecke (beispielsweise die Stellgröße Y) sprunghaft so reagiert die Regelgröße mit einer Sprungantwort. Eine Sprungantwort ist in der unten stehenden Abbildung dargestellt.

Anhand der Sprungantwort werden Strecken in Strecken mit Ausgleich (proportionale Strecken) und Strecken ohne Ausgleich (integrale Strecken) eingeteilt. Eine weitere Unterteilung erfolgt anhand der vorliegenden Verzögerungsglieder.

Eine Signalverzögerung kann als Ursache eine Totzeit haben oder einen oder mehrere Speicher.

Proportionale Strecken ohne Verzögerung werden als P-Strecken bezeichnet. Integrale Strecken ohne Verzögerung als I-Strecken. Kommen Verzögerungsglieder hinzu so ändert sich die Ordnung der zugrunde liegenden Differentialgleichung. Die Verzögerungen lassen sich über die Zeitkonstante T angeben. Eine P-Strecke mit einer Verzögerung wird als -Strecke bezeichnet, mit n-Verzögerungen als -Strecke. Die unten stehende Abbildung zeigt die Sprungantwort einer P--Strecke.

Ähnlich verhält es sich mit den Strecken ohne Ausgleich. Ohne Verzögerung werden sie als I-Strecken bezeichnet, mit einer Verzögerung als und mit n-Verzögerungen als -Strecken.

Eine weitere Unterteilung der Strecken erfolgt hinsichtlich ihrer Schwingungsfähigkeit (angegeben durch den Dämpfungsgrad )

Dämpfung Systemeigenschaft Pole
überkritisch gedämpft negative reele Pole
kritisch gedämpft negativer reeler Doppelpol
gedämpft
ohne Resonanzerhöhung
konjugiert komplexe Pole
mit negativen Realteilen
gedämpft
mit Resonanzerhöhung
konjugiert komplexe Pole
mit negativen Realteilen
ungedämpft konjugiert komplexe Pole
mit verschwindenden Realteilen
instabil konjugiert komplexe Pole
mit positiven Realteilen
instabil positiv reeler Doppelpol
instabil positive reele Pole


Zu jeder Strecke wird nicht nur das Zeitverhalten sondern auch die zugehörigen Kennwerte angegeben. Proportionale Strecken haben als Kennwert den Proportionalbeiwert und falls vorhanden die Zeitkonstante(n) T (, ..)

Integrale Regelstrecken haben als Kennwert den Integrierbeiwert (alternativ kann auch die Integrierzeit angegeben werden) und falls vorhanden die Zeitkonstante(n) T.

Häufig lassen sich die Kennwerte einer Strecke nicht genau angeben. Die Sprungantwort einer unbekannten Strecke (ähnlich dem obigen Bild) lässt nicht unmittelbar auf die Kennwerte schließen. In einem solchen Fall bedient man sich sogenannter Ersatzkennwerte. Dieses sind bei Strecken mit Ausgleich die Verzugszeit und die Ausgleichszeit .

Den Kennwert erhält man aus dem Verhältnis der Ausgangsgrößenänderung zur zugehörigen Eingangsgrößenänderung (im Beharrungszustand!).

Aus den Ersatzkennwerten kann das Verhalten der Strecke durch eine bestimmte Anzahl von Übertragungsgliedern gleicher Zeitkonstanten nachgebildet werden.

Mathematische Modellbildung

Durch umfangreiche Softwarepakete kann aufgrund von Naturgesetzen oder anderen hergeleiteten Formeln die Regelstrecke modelliert werden und auf dieser Grundlage der Reglerentwurf vorgenommen werden.

Das Ergebnis ist dann eine Übertragungsfunktion welche analysiert werden kann beziehungsweise für welche der passende Regler konstruiert werden. Befinden sich einer der Pole dieser Übertragungsfunktion in der rechten Halbebene der imaginären Achse, so ist die Regelstrecke ohne einen ausgleichenden Regler instabil, die Eigenbewegung klingt ab. Befindet sich der Pol auf der imaginären Achse so ist die Regelstrecke grenzstabil. Die Nullstellen bestimmen dabei den Übergang in das stationäre Verhalten der Regelstrecke.

Regelbarkeit

Je mehr Verzögerungsglieder eine Strecke enthält umso später reagiert das Ausgangssignal, die Regelgröße, auf eine Änderung des Eingangssignals. Solche Strecken werden als schwer regelbar bezeichnet. (Voraussetzung: die Verzögerungsglieder sind annähernd gleich bzw. nicht so unterschiedlich groß, dass einige vernachlässigt werden können).

Der Schwierigkeitsgrad S der Regelung wird über das Verhältnis angegeben. Manche Autoren verwenden alternativ das Verhältnis um Aussagen zur Regelbarkeit einer Strecke zu machen.

Verhältnis
Regelbarkeit
> 10 sehr gut
10 .. 5 gut
5 .. 2,5 noch regelbar
2,5 .. 1,25 schlecht
< 1,25 kaum noch

Die Regelstrecken werden in stabile und instabile Regelstrecken eingeteilt. Bei ersteren wird die Regelstrecke einem Endwert zustreben und bei letzteren wird sie immer weiter ansteigen bzw bei Grenzstabilität oszillieren. Instabile Regelstrecken können jedoch üblicherweise durch einen Regler stabilisiert werden, dies ist die Aufgabe der Regelungstechnik. Zur Verbesserung der Regelgüte bedient man sich verschiedener Regelstrukturen wie zum Beispiel der Kaskadenregelung oder der Störgrößenaufschaltung.

Siehe auch