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Paul Gerhardt

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Paul Gerhardt

Paul Gerhardt (andere Schreibweise: Paul Gerhard) (* 12. März 1607 in Gräfenhainichen im Kurfürstentum Sachsen; † 27. Mai 1676 in Lübben (Spreewald)) war ein ev.-lutherischer Theologe und einer der bedeutensten Dichter von Kirchenliedern im deutschen Sprachraum. Nach Martin Luther gilt er gar als der bekannteste und zugleich bedeutendste deutschsprachige Kirchenlieddichter überhaupt.

Leben

Paul Gerhardt wurde in einem damals ca. 600 Einwohner zählenden kleinen Städtchen der Dübener Heide, als zweiter Sohn einer Gastwirtsfamilie geboren. Seine Eltern Christian Gerhardt und seine Mutter Dorothea Starcke hatten am 12. Mai 1605 in der Eilenburger Nikolaikirche geheiratet. Der Vater war zudem auch Bürgermeister von Gräfenhainichen. Seine Mutter war die Tochter des Eilenburger Superintendenten Caspar Starcke und folgte ihrem Mann in dessen Vaterstadt, die damals "Henichen" genannt wurde. Hier erblickte 1606 der Sohn Christian das Licht der Welt, dem nach Paul noch die Schwestern Anna (1612) und Agnes (1619) folgen sollten. Nach den damals üblichen Geflogenheiten taufte man die Kinder am Tag der Geburt oder gleich am darauf folgenden Tag. Paul erhielt dabei den Namen seines Großvaters, der sich in Gräfenhainichen sesshaft gemacht hatte.

Als Paul herangewachsen war, besuchte er die Stadtschule seiner Heimatstadt, wo ihm das Lesen, Schreiben und Rechnen, auch die lateinische Sprache und das Einüben von Liedern für den Gottesdienst vermittelt wurde. Sein Vater, der mit einigen Gärten auch über Grundstücke verfügte, konnte durch deren Bewirtschaftung seiner Familie eine regelmäßige Nahrungsquelle bieten. Durch sein Engagement im Rat der Stadt erwarb er sich Ansehen, was sich in der Wahl zu einem der drei Bürgermeister der Stadt zeigte. Bald aber brachen schwere Zeiten an, als der Dreißigjährige Krieg auch in Kursachsen, wie vielen Menschen der damaligen Zeit, unsägliches Leid und Elend brachte. Hungersnöte, Seuchen und Übergriffe dezimierten die Bevölkerung und rotteten ganze Familien aus. Auch Gerhardts Familie wurde von dem Leid in der damaligen Zeit erfasst, als 1619 sein Vater und 1621 seine Mutter verstarb.

Jedoch konnte sich Paul Gerhardt die nötigen Vorkenntnisse erwerben, um am 4. April 1622 Aufnahme in der Fürstenschule St. Augustin in Grimma zu finden. Dorthin war sein Bruder schon zwei Jahre vorher gegangen. Die Schule selbst war eine Brutstätte des sächsischen Pfarrer und Beamtennachwuchses. In ihr wurden in einem straff organisierten Tagesablauf den Schülern vor allem Wissen in den Sprachen und der Religion vermittelt. Daneben wurden auch die Fähigkeiten in der Rhetorik, Dialektik, der Musik, der Poetik, kurz die Bandbreite der Artes Liberales ausgeprägt. Gerhard kam willig den Anforderungen der Lehrer nach und hatte keine Schwierigkeiten, sich durch Fleiß und Gehorsam auszuzeichnen. Daher bescheinigte man ihm dort durchaus Talent, sich den geforderten Aufgaben zu stellen. Nachdem er nach bestandener Prüfung, am 12. Dezember 1627 die Fürstenschule verlassen hatte, verfügte er über das Rüstzeug, eine Universität zu besuchen.

Gerhardt entschied sich, an die Universität Wittenberg zu gehen, wo er sich am 2. Januar 1628 immatrikulierte. Hier fand er Aufnahme in der philosophischen Fakultät der Universität, wo August Buchner Vorlesungen über Dichtkunst hielt. Diese Vorlesungen bildeten den Mittelpunkt des Wittenberger Dichterkreises, der in Beziehung zur Fruchtbringenden Gesellschaft und zu dem Dichterkreis in Schlesien um Martin Opitz stand. Zu der großen Schar seiner namhaften Schüler gehörte auch Gerhardt, der sich in jenem Kreis inspirieren ließ.

Gerhard der von Haus aus und in Grimma, mit der Theologie der reinen lutherischen Lehre in Kontakt gekommen war, fand in Wittenberg auch bedeutende Lehrer der Lutherischen Orthodoxie. Hier war es vor allem Paul Röber, der mit seinem Geist aller freien Künste erfasste. Seine Predigten in denen Gefühl und Phantasier sich nicht ohne spielerischen Redeschmuck und süßliche Wortformen mit emblematischer Themenfassung und Einstreuung von Liedversen offenbarten, verraten seine Verwandtschaft mit der dichterischen Richtung der Zeit, versammelte aber wohl gerade deshalb die weitesten Kreise unter seiner Kanzel. Hier hat sich Gerhard das Wort und die Wahrheit der Bibel denkend und glaubend verinnerlicht und später in seinen Liedern reflektiert.

Dennoch waren die Zeiten für Gerhard nicht einfach. Finanzielle Mängel begleiteten seine Studienzeit, so dass er beim Archiediakon der Wittenberger Stadtkirche August Fleischhauer, in der Collegienstraße 7 eine Anstellung als Hauslehrer annahm und in dessen Haus Aufnahme fand. Auch in Wittenberg wurden die Folgen des Dreißigjährigen Krieges sichtbar. In der Stadt hatten viele Menschen Zuflucht gesucht, wodurch im Jahr 1536/37 die Pest eingeschleppt wurde. Das Kirchenamt musste extra Sterbebücher anlegen, wo nur die Pesttoten eingetragen wurden. Auch seine Heimatstadt wurde von jenen Ereignissen erfasst, als diese am 11. April 1637 von den Schweden vollständig zerstört wurde und am 7. November 1637 sein Bruder den Tod fand. Zweifellos dürften die in Wittenberg gemachten Erfahrungen, auf Gerhard prägend gewirkt haben. Ohne Frage dürften sie in ihm den Wunsch erweckt haben, sich in einem Pfarramt der Theologie zu widmen. Dennoch sollte einige Zeit vergehen, ehe sich dieser Wunsch erfüllte.


Nach Abschluss an der Universität 1642 war er seit 1643 als Hauslehrer in Berlin tätig. 1651 erhielt er die Ordination und wurde Propst in der Pfarrkirche St. Moritz von Mittenwalde. Südlich davon befindet sich ein Paul-Gerhardt-Denkmal.

Am 11. Februar 1655 wurden Paul und Anna Maria im Bertholdschen Haus durch den Propst Vehr getraut. Zu dem Zeitpunkt war Paul 48 und Anna Maria 32 Jahre alt. Am 19. Mai des darauffolgenden Jahres, an Anna Marias Geburtstag, gebar sie ihrem Mann eine Tochter, die bereits ein halbes Jahr später, 28. Januar 1657, starb und in Mittenwalde begraben wurde.

1657 nahm er einen Ruf als zweiter Pfarrer (Diakonus) an die Nikolaikirche in Berlin an. Hier geriet er bald in Konflikt mit dem reformierten brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der per Edikt von den lutherischen Pfarrern verlangte, die reformierte Lehre zu tolerieren und die theologische Polemik einzustellen. Dazu war der auf die lutherischen Bekenntnisschriften ordinierte Theologe (lutherische Orthodoxie) nicht bereit, da er die Kalvinismus genannten Reformierten „nicht für Christen“ hielt.

1667 gab Gerhardt aus Protest sein Amt auf und wurde Archidiakon in Lübben (Spreewald), einer der damals wichtigsten Städte der zum lutherischen Sachsen gehörenden Niederlausitz, wo er bis zu seinem Tod blieb. Sein Grab befindet sich in der später nach ihm benannten Lübbener Paul-Gerhardt-Kirche.

Werk

Paul-Gerhardt-Denkmal in Mittenwalde

Insgesamt sind 130 Lieder von Paul Gerhardt erhalten. 26 davon sind im allgemeinen Teil des Evangelischen Gesangbuchs enthalten, weitere in dessen regionalen Anhängen. Gerhardt reflektierte mit seinem umfangreichen dichterischen Werk sowohl die schwierigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges als auch persönliche Schicksalsschläge. Viele evangelische Kirchenlieder stammen aus jener Zeit, darunter „Nun danket alle Gott“ (Martin Rinckart 1636), „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ (Georg Neumark 1640) und „O Heiliger Geist, kehr' bei uns ein“ (Michael Schirmer 1640).

Als einer der bedeutendsten Dichter von Kirchenliedern entfaltete Paul Gerhardt eine weltweite Wirkung in den protestantischen Kirchen, da seine Lieder in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie haben auch Eingang in die Gesangbücher der reformierten und der katholischen Kirche sowie anderer christlicher Konfessionen gefunden.

Paul Gerhardt schrieb etwa 130 Kirchenlieder, von denen einige von Johann Crüger und Johann Georg Ebeling vertont wurden. Die ersten erschienen bereits 1647 im Druck. Zu den bekanntesten gehören

  • Du meine Seele singe (EG 302)
  • Geh aus mein Herz und suche Freud, Sommerlied (EG 503)
  • Ich singe dir mit Herz und Mund (EG 324)
  • Nun danket all und bringet Ehr (EG 322/GL 267)
  • Auf, auf, mein Herz, mit Freuden nimm wahr, was heut geschicht, Osterlied (EG 112)
  • Befiehl du deine Wege, basiert auf Psalm 37 „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen“; jeder Vers beginnt mit einem dieser Worte. (EG 361)
  • Die güldne Sonne (EG 449)
  • Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, Passionslied (EG 83)
  • Fröhlich soll mein Herze springen, Weihnachtslied (EG 36)
  • Gib dich zufrieden und sei stille (EG 371)
  • Herr, der du vormals hast dein Land (EG 283)
  • Ich bin ein Gast auf Erden (EG 529)
  • Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37/GL 141), von Johann Sebastian Bach vertont.
  • Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun (EG 497)
  • Ist Gott für mich, so trete (EG 351)
  • Kommt und laßt uns Christum ehren (EG 39)
  • Lobet den Herren alle die ihn ehren (EG 447/GL 671)
  • Nun laßt uns gehn und treten, Lied zur Jahreswende (EG 58)
  • Nun ruhen alle Wälder, Abendlied (EG 477)
  • O Haupt voll Blut und Wunden, Übersetzung des lateinischen „Salve caput cruentatum“ von Arnulf von Löwen (traditionell Bernhard von Clairvaux zugeschrieben), von Johann Sebastian Bach in der Matthäus-Passion verwendet (EG 85/GL 179)
  • O Welt, sieh hier dein Leben, Passionslied (EG 84)
  • Sollt ich meinem Gott nicht singen (EG 325)
  • Wach auch mein Herz und singe (EG 446)
  • Warum sollt ich mich denn grämen? (EG 370)
  • Wer wohlauf ist und gesund (EG-Württemberg 674)
  • Wie soll ich dich empfangen Adventslied, von Johann Sebastian Bach im Weihnachtsoratorium aufgenommen. (EG 11)
  • Wir singen dir, Immanuel
  • Zeuch ein zu deinen Toren, Pfingstlied (EG 133)

(EG = Evangelisches Gesangbuch; GL = katholisches Gotteslob)

Literatur (Auswahl)

Hier sind nur neuere Werke aufgeführt, da ältere Biografien häufig erbaulich-panegyrische Akzente aufweisen

  • Christian Bunners: Paul Gerhardt. Weg - Werk - Wirkung, Berlin/München, 1993 (grundlegende neuere Biografie).
  • Elke Axmacher: Johann Arndt und Paul Gerhardt. Studien zur Theologie, Frömmigkeit und geistlichen Dichtung des 17. Jahrhunderts (Mainzer Hymnologische Studien 3), Tübingen und Bern 2001.
  • Befiehl du deine Wege und bleib nicht bei dir stehen, Lieder von Paul Gerhardt und Gedichte von Werner May. Mit Bildern von Cornelia Patschorke, Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2006, ISBN 3-937896-25-2, ISBN 978-3-937896-25-0
  • Sven Grosse: Gott und das Leid in den Liedern Paul Gerhardts, Göttingen 2001.
  • Jörg Erb: Paul Gerhardt und seine Lieder (Dichter und Sänger des Kirchenliedes, Bd. 3), Lahr 1974.
  • Karl Hesselbacher: Paul Gerhardt. Sein Leben -- Seine Lieder (Bd. 1), Neuffen 1977.
  • Hans-Joachim Beeskow: Paul Gerhardt 1607 - 1676. Eine Text-Bild-Biographie, Heimat-Verlag Lübben, 2006 Paul-Gerhardt-Biographie.
  • Reinhard Ellsel: Du kommst und machst mich groß. Predigten zu Liedern von Paul Gerhardt, Luther-Verlag, Bielefeld 2006.
  • Gerhard Dünnhaupt: „Paul Gerhardt (1607-1676)“, in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 3. Stuttgart: Hiersemann 1991, S. 1589-98. ISBN 3-7772-9105-6

Organisationen und Einrichtungen mit dem Namen „Paul Gerhardt“

  • Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde zu Bremen-Rönnebeck
  • Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Osnabrück & Wallenhorst (Haste-Rulle-Lechtingen) [1]
  • evangelische Paul-Gerhardt Kirchengemeinde Kiel, Neumühlen-Dietrichsdorf
  • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Paul Gerhardt Lübeck
  • Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lueneburg/Neuhagen
  • evangelische Paul-Gerhardt Kirchengemeinde Lichtenberg
  • Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Gemeinde Hamburg-Winterhude
  • Ev. Grundschule Paul-Gerhardt-Schule, Dülmen
  • Gemeinschaftsgrundschule Paul-Gerhardt-Schule, Lüdinghausen
  • Paul Gerhardt Kirche Hamburg-Bahrenfeld
  • Paul-Gerhardt-Stadt Mittenwalde, dort lebte und arbeitete Paul Gerhardt als Probst (1651-1657)
  • In Berlin gibt es eine Paul-Gerhardt-Gesellschaft, die als gemeinnütziger Verein das Andenken Paul Gerhardts pflegt.
  • In Lübben (Spreewald) bereitet der Paul-Gerhardt-Verein den 400. Geburtstag Paul Gerhardts im Jahre 2007 vor.
  • In der 1930 in Paul-Gerhardt-Kirche umbenannten Kirche in Lübben, in der er 9 Jahre seines Lebens wirkte, liegt Paul Gerhardt begraben.
  • Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) schreibt 2007 zum 400. Geburtstag des Dichters den Paul-Gerhardt-Preis aus.
  • Paul-Gerhardt-Schule in Dassel / Solling, staatl. anerkanntes Gymnasium in Trägerschaft der Ev. Landeskirche Hannovers
  • Paul-Gerhardt-Schule in Kahl (Grund- Haupt- & Wirtschaftsschule)
  • Eine Grundschule in Bonn-Beuel, die „Paul-Gerhardt-Schule“, welche direkt neben einer Kirche liegt.
  • Gemeinschaftsgrundschule Paul-Gerhardt-Schule in Düren
  • Der Paul-Gerhardt-Chor in München-Laim gibt Oratorien-Konzerte und gestaltet musikalische Gottesdienste an der dortigen Paul-Gerhardt-Kirche.
  • Paul-Gerhardt-Kapelle in Gräfenhainichen
  • Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen
  • Paul-Gerhardt-Haus in Gräfenhainichen
  • Paul-Gerhardt-Kirche in Kassel
  • Paul-Gerhardt-Gymnasium Lübben
  • Paul-Gerhardt-Realschule Münster (Westf.)
  • Paul-Gerhardt-Kirche zu Leipzig-Connewitz (Ev.-Luth.)
  • Paul-Gerhardt-Stift in der Lutherstadt Wittenberg (Krankenhaus)
  • Evangelisch-Lutherische Paul-Gerhardt-Kirche München-Laim
  • Paul-Gerhardt-Kirche (Evangelisch-lutherisch) Nürnberg-Langwasser
  • Paul-Gerhardt-Gymnasium Dassel
  • Paul-Gerhardt-Kirche in Königsborn (Unna)
  • Paul-Gerhardt-Kirche in Leverkusen
  • Grund- und Hauptschule in Freising
  • Paul-Gerhardt-Haus in Bielefeld-Sennestadt
  • Paul-Gerhardt-Kirche in Düsseldorf-Unterbach
  • Paul-Gerhardt-Kindergarten in Haßloch (Pfalz)
  • Paul-Gerhardt-Straße in Bad Vilbel/Heilsberg (Hessen)
  • Paul-Gerhardt-Kirche Ludwigshafen-Rheingönheim