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Stringtheorie

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Die Superstringtheorie, oft auch nur Stringtheorie genannt, ist ein hypothetisches physikalisches Modell aller bisher beobachteten Fundamentalkräfte. Die Stringtheorie gilt zurzeit als der einzig ernstzunehmende Kandidat für eine Vereinheitlichung der Gravitation mit der Quantenfeldtheorie. Eine experimentelle Bestätigung der Voraussagen der Stringtheorie steht aber aus.

Überblick

Im Gegensatz zum Standardmodell der Teilchenphysik sind bei der Stringtheorie die fundamentalen Bausteine, aus denen sich unsere Welt zusammensetzt, keine Teilchen im Sinne von Punkten (also nulldimensionalen Objekten), sondern vibrierende eindimensionale Objekte. Diese eindimensionalen Objekte werden Strings genannt (englisch für Saite). Die einzelnen Strings vibrieren bei ihren (der Energie entsprechenden) Resonanzfrequenzen.

Die Stringtheorie beseitigt das in der klassischen Theorie auftretende Problem der Singularitäten, das sich ergibt, weil die klassische Physik ein Teilchen als Punkt ohne Höhe, Breite und Länge ansieht.

Es gibt auch weitergehende Stringtheorien (D-Branes und NS-Branes), welche die Teilchen nicht nur als eindimensionale Strings ansehen, sondern auch höherdimensionale Objekte verwenden.

Stringtheorie als „Weltformel“

Die Stringtheorie wird von ihren Befürwortern als Schlüsselelement für eine Weltformel (englisch Theory of Everything oder TOE) angesehen. Der Begriff Superstringtheorie soll ausdrücken, dass ein wichtiger Bestandteil der Stringtheorie die so genannte Supersymmetrie ist. Das letztliche Ziel ist es, die beiden Hauptpfeiler der heutigen Physik zu vereinigen: die Allgemeine Relativitätstheorie, welche bei Strukturen im Großen gültig ist, und die Quantenfeldtheorie, die im Mikrokosmos, also im Kleinen, angewendet wird. Darüber hinaus erscheinen sozusagen als Nebenprodukt Elementarteilchen und ihre Eichwechselwirkungen, weswegen die Stringtheorie eine Vereinheitlichung der bekannten Grundkräfte der Natur (Quantenelektrodynamik, Quantenchromodynamik, Schwache Wechselwirkung, Gravitation) enthält.

Stringtheorie und der experimentelle Beweis

Gemäß der Stringtheorie gibt es ein Vibrationsspektrum von unendlich vielen Schwingungsmodi, welche aber zu hohe Massen (Energien) haben, um direkt beobachtet werden zu können. Denn aus theoretischen Überlegungen sollten Strings eine Ausdehnung in der Größenordnung der Planck-Länge besitzen, was bedeutet, dass die Vibrationsmodi Massen besitzen, die ein Vielfaches von ca. 1019 Giga-Elektronenvolt betragen; das liegt um viele Größenordnungen über dem, was man experimentell beobachten kann. Daher wird man auf einen direkten Nachweis dieser Vibrationsmodi verzichten müssen und stattdessen versuchen, im Sektor der (nahezu) masselosen Teilchenanregungen Eigenschaften zu finden, die spezifisch für die Stringtheorie und gleichzeitig experimentell beobachtbar sind. Es müsste also ein indirekter Nachweis der Richtigkeit der Stringtheorie geschehen.

Dies stößt aber auf die Schwierigkeit, dass gerade der zugängliche masselose Sektor in nur geringem Maß von der zugrundeliegenden Stringtheorie bestimmt wird (zumindest nach heutigen Erkenntnissen). Das liegt daran, dass Superstringtheorien natürlicherweise in 10 oder 11 Dimensionen formuliert werden und nur in diesen Dimensionen ein mehr oder weniger eindeutiges Spektrum haben. Um auf unsere 4-dimensionale Raum-Zeit zu kommen, muss man eine sog. Kompaktifizierung (grob: Aufwicklung) der 6 bzw. 7 "überschüssigen" Dimensionen postulieren, die der direkten Beobachtung nicht zugänglich sind. Der Punkt ist, dass der Prozess dieser Kompaktifizierung bei weitem nicht eindeutig ist und zu einer Überfülle von möglichen 4-dimensionalen Theorien führt.

Bislang hat man keine Eigenschaften des masselosen Sektors finden können, welche spezifisch für die Stringtheorie und in naher Zukunft experimentell (z. B. mit dem Large Hadron Collider LHC) überprüfbar wären. Eine experimentelle Entdeckung von Supersymmetrie bei niedrigen Energien, genauso wie auch deren Nichtexistenz, erlaubt jedenfalls keine Rückschlüsse auf eine zugrundeliegende Stringtheorie, weil diese eben auch nichtsupersymmetrische Vakua zulässt.

Kritik

Zunächst ist festzustellen, dass ein im Umfang nicht vernachlässigbarer Anteil der Kritik von Physikern geäußert wird, die, wie Sheldon Glashow und Richard Feynman, entweder bekennend unkundig in der Stringtheorie sind bzw. waren, oder nach Darstellung der Stringtheoretiker offensichtlichen Missverständnissen der Theorie unterliegen. Aus der Sicht der Kritiker erscheint dagegen die vorschnelle Veröffentlichung von vermeintlichen Durchbrüchen der Theorie in den Massenmedien als wissenschaftlich unethisch und der der Gemeinschaft der Stringtheoretiker eigene Stil der Wahrheitsfindung als oberflächlich. Da diese Kritik nicht direkt auf die Theorie sondern auf die Methoden einer nicht zu unterschätzenden Anzahl ihrer Befürworter gerichtet ist, dürfte ihre fachliche Auswirkung, nicht jedoch ihre Wirkung bezüglich der Wiederbelebung fruchtbarerer Ansätze der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Stringtheorie-Gemeinschaft, als gering einzuschätzen sein.

Kritiker werfen der Stringtheorie aber auch vor, auf willkürlichen, nicht durch gegenwärtige Experimente gestützten Annahmen aufzubauen. So sage die Stringtheorie zusätzliche räumliche Dimensionen voraus, zu deren Unbeobachtbarkeit ad-hoc-Mechanismen eingeführt würden, die sich nicht aus der Theorie selbst ergäben. Dies stehe im Gegensatz zu einer der Motivationen der Stringtheorie, nämlich die willkürlichen Elemente, also unter anderem die Massen und Kopplungskonstanten des heutigen Standardmodells der Elementarteilchenphysik zu erklären.

Ferner sehen in neuester Zeit die Kritiker vor allem die Notwendigkeit, die gesellschaftliche bzw. wissenschaftliche Rentabilität der Bemühungen der Stringtheorie neu zu bewerten, weil trotz eines Vierteljahrhunderts intensiver Forschungen auf dem Gebiet der Stringtheorie sowie des Einsatzes erheblicher finanzieller und personeller Mittel keine Voraussagen getroffen werden konnten, die im Experiment überprüfbar gewesen wären. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sich ein großer Teil der theoretischen Forschung unter Mitwirkung der fähigsten zeitgenössischen theoretischen Physiker weiter mit dieser Theorie beschäftige.

Aus der Sicht der führenden Theoretiker ist diese Kritik nicht unberechtigt, aber dennoch kurzsichtig. Die vorhergesagten zusätzlichen Dimensionen oder massiven Stringzustände könnten in laufenden Experimenten oder am 2007 fertig gestellten Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) in Kürze direkt beobachtet werden. Zum anderen weisen die Stringtheoretiker zurecht darauf hin, dass das begrenzte Verständnis der Theorie wesentlich auf der Beschränkung heutiger mathematischer Konzepte und Methoden beruhe, die Weiterentwicklung der Stringtheorie daher mit einer unabhängig von der Stringtheorie anzustrebenden Weiterentwicklung der Mathematik einhergehen müsse und dementsprechend Geduld aufzubringen sei. Um dem Laien einen Eindruck vom mathematischen Schwierigkeitsgrad der zu lösenden Probleme zu vermitteln, zitierte der führende Stringtheoretiker Edward Witten den italienischen Physiker Daniele Amati mit folgenden Worten: Stringtheorie sei "Teil der Physik des 21. Jahrhunderts, die zufällig ins 20. Jahrhundert geraten ist.”

Bereits heute weist die Stringtheorie weitreichende konzeptionelle Erfolge auf, so führt sie u.a. zu einer endlichen Theorie der Quantengravitation und der Erklärung der Entropie schwarzer Löcher. Zudem ist sie der einzige heute bekannte Kandidat für eine Vereinigung der Quantenfeldtheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie.

Einzelne Theorien und Dualität

Die Stringtheorie wurde ursprünglich aus rein mathematischen Symmetrie- und Konsistenzprinzipien abgeleitet. Hieraus ließen sich fünf Stringtheorien (Typ I, Typ IIA, Typ IIB, O-heterotisch, E-heterotisch) entwickeln, die sich später als verschiedene Approximationen einer noch umfassenderen Theorie (M-Theorie) herausstellten. Der Nachweis, dass es sich bei diesen Theorien um Aspekte einer einzelnen Theorie handelt, wurde durch Aufzeigen von Dualitäten zwischen den einzelnen Stringtheorien erbracht.

Ein interessantes Ergebnis dieser Vereinigung der Teiltheorien war, dass die elfdimensionale Supergravitation als weiterer Grenzfall der M-Theorie erkannt wurde. Diese enthält aber keine Strings, sondern ist eine Teilchen-Approximation von 2- und 5-dimensionalen Membranen. Das verdeutlicht, dass die Stringtheorie mehr enthält als nur eindimensionale Strings, und in der Tat hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass höherdimensionale Membranen (D-branes) eine sehr wichtige Rolle in der Stringtheorie spielen. Ein neues kosmologisches Modell nutzt diese Membranen als Erklärungsmodell, um die theoretischen Unzulänglichkeiten des Urknallmodells zu umgehen (ekpyrotisches Universum).

Wichtige Beiträge zur Stringtheorie wurden u. a. von Michael Green, John Schwarz und Edward Witten geleistet.

Literatur

Populärwissenschaftliche Bücher

  • Brian Greene: The Elegant Universe: Superstrings, Hidden Dimensions, and the Quest for the Ultimate Theory, ISBN 0393058581. (Das elegante Universum, 2002, ISBN 3442760267)
  • Brian Greene: Der Stoff, aus dem der Kosmos ist - Raum, Zeit und die Beschaffenheit der Wirklichkeit, 2004, ISBN 388680738X
  • Michio Kaku: Im Hyperraum - Eine Reise durch Zeittunnel und Paralleluniversen, 2001, ISBN 3499603608.
  • Lisa Randall: Verborgene Universen - Eine Reise in den extradimensionalen Raum, ISBN 3100628055.

Lehrbücher

Populärwissenschaftliche Kritik

  • Paul Davies, Julian R.Brown: Superstrings. Eine Allumfassende Theorie der Natur in der Diskussion, DTV, 1996, ISBN 3423300353
  • Peter Woit: Not Even Wrong - The Failure of String Theory and the Continuing Challenge to Unify the Laws of Physics, Jonathan Cape, 2006, ISBN 0224076051
  • Lee Smolin: The Trouble with Physics - The Rise of String Theory, the Fall of a Science, and What Comes Next, Houghton Mifflin Company, 2006, ISBN 0618551050
Wiktionary: Stringtheorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Siehe auch

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