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Urteil (Deutschland)

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Allgemein gesprochen ist ein Urteil eine Entscheidung über einen bestimmten Sachverhalt oder Erkenntnisgegenstand.

Im gerichtlichen Verfahren ist ein Urteil die in der Regel instanzerledigende Entscheidung über den Streitgegenstand, die das erkennende Gericht zumeist (im Strafrecht immer) auf Grund einer mündlichen Verhandlung erlässt. Neben dem Urteil gibt es auch andere Formen gerichtlicher Entscheidungen, beispielsweise Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen.

Im deutschen Recht ergehen Urteile im Namen des Volkes.

Arten von Urteilen

Urteile lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen:

Zivilrecht

  • Einteilung nach der Rechtsfolge des Urteils: Man unterscheidet Leistungsurteile (Verurteilung etwa zur Zahlung von Geld, zur Herausgabe einer Sache, zur Ausführung bestimmter Arbeiten, zur Duldung oder Unterlassung bestimmter Handlungen etc.), Feststellungsurteile (etwa die Feststellung, dass der Kläger in einem bestimmten Verein Mitglied ist, dass eine Kündigung unwirksam ist, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten etc.) und Gestaltungsurteile, durch die unmittelbar eine Rechtsänderung eintritt (Ehescheidung, Ausschluss eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft etc.). Klageabweisende Urteile sind immer Feststellungsurteile: Hier wird weiter unterschieden zwischen Prozessurteilen (Abweisung der Klage als unzulässig) und Sachurteilen (Abweisung der Klage als unbegründet). Der Unterschied zwischen Prozess- und Sachurteil liegt in der Rechtskraft.
  • Einteilung nach dem Umfang der Prozesserledigung: Man unterscheidet Vollendurteile (§ 300 ZPO), die den gesamten Rechtsstreit erledigen, Teilurteile (§ 301 ZPO), die nur einen Teil des Streitgegenstandes erledigen, und Zwischenurteile (§ 303 ZPO), die nur eine entscheidungserhebliche Vorfrage entscheiden. Besondere Formen des Zwischenurteils sind das Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage (§ 280 Abs. 2 ZPO), das Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) und das Zwischenurteil über einen Zwischenstreit mit einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten, nämlich über die Zurückweisung der Nebenintervention (§ 71 ZPO), über die Rückgabe von Urkunden unter Rechtsanwälten (§ 135 Abs. 2 ZPO) und über das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 387 ZPO)
  • Einteilung nach der Grundlage des Urteils: Man unterscheidet das normale streitige Urteil, das auf streitige Verhandlung der Parteien ergeht, und das unstreitige Urteil. Arten des unstreitigen Urteils sind das Versäumnisurteil (§§ 330,331 ZPO), das aufgrund der Säumnis einer Partei gegen die säumige Partei ergeht, das Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO), das ergeht, wenn der Beklagte den Klageanspruch anerkennt, und das Verzichtsurteil (§ 306 ZPO), das ergeht, wenn der Kläger auf den Klageanspruch verzichtet. Die unschlüssige Klage (die Klage, die nach ihrem eigenen Vortrag den Klageantrag nicht rechtfertigt) wird gegen den säumigen Kläger nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch streitiges Urteil (so genanntes „unechtes Versäumnisurteil“) abgewiesen.
  • Einteilung nach der Bestandskraft des Urteils: Man unterscheidet unbedingte Urteile und Vorbehaltsurteile, die später in der gleichen Instanz wieder aufgehoben werden können, weil bestimmte Einwendungen des Beklagten erst nach Erlass des Vorbehaltsurteils geprüft werden. Arten des Vorbehaltsurteils sind das Urteil unter dem Vorbehalt der Aufrechnung mit einer Gegenforderung (§ 302 ZPO) und das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess (§ 599 ZPO), in welchem dem Beklagten die Ausführung aller Rechte vorbehalten wird, die er nicht schon im Urkundenprozess gelten machen, also mit Urkunden beweisen, konnte.

Strafrecht

Im Strafrecht unterscheidet man lediglich das Sachurteil (Verurteilung oder Freispruch des Angeklagten) und das Prozessurteil, mit dem das Verfahren eingestellt wird (§ 260 Abs. 3 StPO). Bei der Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe oder zu einer zur Bewährung ausgesetzten Maßregel der Besserung und Sicherung erfolgt die Festsetzung der Dauer der Bewährungszeit sowie der dem Verurteilten erteilten Auflagen und Weisungen nicht im Urteil, sondern in einem mit dem Urteil verkündeten Beschluss (§ 268a StPO). Das Gleiche gilt für die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 Strafgesetzbuch|StGB]]).

Bindung an Urteile

Im deutschen Recht sind Gerichte an Urteile, die nicht im gleichen Rechtsstreit ergangen sind, nicht gebunden. Abgesehen von bestimmten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts können in Deutschland Gerichte von Urteilen des eigenen Gerichts oder anderer Gerichte, sogar der obersten Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof und Bundessozialgericht), abweichen. Gemäß Artikel 97 Abs. 1 GG sind Richter nur dem Gesetz unterworfen. Eine Bindung an Präjudizien ist dem deutschen Recht fremd. Allerdings haben die Entscheidungen der Rechtsmittelgerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, faktisch eine erhebliche Bindungswirkung, weil sich die Rechtsanwendung der Gerichte im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens an der Rechtsprechung der Rechtsmittelgerichte orientiert.


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