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Gurbet Türküleri

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Gurbet Türküleri (dt.: türkische Lieder aus der Fremde) ist eine junge Volksmusikrichtung in der türkischen Musik, die erst durch die türkische Arbeitsmigration nach dem 2. Weltkrieg entstanden ist. Insbesondere die „Alamanya Türküleri“ (dt.: türkische Lieder aus Deutschland) enstanden nach der Anwerbung türkischer Arbeitskräfte durch die Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren.

Geschichte

Der Volksliedforscher Ali Osman Öztürk sieht die frühsten türkischen Volkslieder aus Deutschland, von denen er für eine wissenschaftliche Untersuchung 115 zusammentragen konnte, als "mündlichen Pionier einer türkischen Auswandererliteratur" an.

Anfänge

Wahrscheinlich erstmals Anfang der 1970er Jahre gab man dem Gefühl der Heimatlosigkeit in Deutschland musikalisch Ausdruck, zunächst in nur mündlich weitergegebenen Liedern, deren Textdichter teilweise unbekannt sind. Diese wurden zunächst nur mit Saz-Begleitung oder a capella gesungen. Sehnsucht nach der Heimat, Gedanken an Rückkehr, Beziehungen zu deutschen Frauen, Wut über Arbeitsbedingungen (vgl. Ganz unten, 1985) prägten diese aus der Einwanderergruppe hervorgegangenen ersten Repräsentanten einer später "Gurbet Türküleri" genannten Musikrichtung. Die als sogenannte "Gastarbeiter" angeworbenen Türken hatten ja ursprünglich nur einen begrenzten Aufenthalt in Deutschland geplant (vgl. z.B. Denk ich an Deutschland - Wir haben vergessen zurückzukehren, 2001) und viele betrachteten die Bundesrepublik folglich zunächst nicht als ihre neue Heimat sondern als "fremdes Land". Nachdem Ende der 70er / Anfang der 80er noch zahlreiche politische Flüchtlinge aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, wurde die Exilantensituation zu einer zusätzlichen Dimension dieser Lieder.

Nach den Untersuchungen Ali Osman Öztürks (Alamanya Türküleri, 2001) ist in dem Jahr 1972 die Geburtsstunde der türkischen "Lieder aus der Fremde" zu sehen, bereits 1976 gab es eine Vielzahl Stücken aus diesem Bereich und einige Aufnahmen der "türkischen Deutschlandlieder" (Öztürk), deren in der Türkei am bis heute bekannte Interpreten z.B. Mahzuni Şerif und Murat Cobanoglu sind.

Einflüsse auf die deutsche Musik

In seiner Entstehungszeit hat das "Lied aus der Fremde" auch die deutsche Populärmusik mitinspiriert: das aus griechischer Sicht von dem Deutschen Michael Kunze in Art der "Gastarbeiter"-Lieder getextete Griechischer Wein wurde mit der Melodie von Udo Jürgens zu einem der größten Hits des Jahres 1975 und gilt übersetzt in Griechenland inzwischen trotz der deutschen Autoren als eines der bekanntesten griechischen Volkslieder aus der Fremde. Fünf Jahre später gelangte Freddy Quinn mit einem teils in türkischer, teils in deutscher Sprache gesungenen Lied nach Art der Gurbet Türküleri in die deutschsprachigen Hitparaden (Istanbul ist weit, 1980).

Zunehmende Fremdenfeindlichkeit inspieriert neue Lieder

In den 1980er Jahren, als die Fremdenfeindlichkeit insbesondere gegenüber Türken in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend offener wurde, rückte der alltägliche Rassismus in den Mittelpunkt der Liederzählungen der türkischen Arbeitskräfte in der Fremde, wie auch unterdrückte Agressionen gegenüber Deutschen. Auf der anderen Seite waren die ehemaligen "Gastarbeiter" inzwischen auch in ihrer ursprünglichen Heimat so fremd geworden, dass sie dort ebenso manchmal auf wenig Akzeptanz stießen. Auch diese neue Situation zwischen zwei kulturellen Identitäten wurde zum Thema der "Liede aus der Fremde" und drückte sich in Textzeilen wie "Helmut diyor pis yabanci, Tugrul diyor Alamanci" aus: Deutsche nennen ihre türkischstämmigen Mitbürger auch nach Jahren in Deutschland immernoch noch "Ausländer", Türken ihre ausgewanderten Landsleute dagegen längst "Deutsche".

Nach den Brandanschlägen von Mölln und Solingen musizierte dann plötzlich auch eine jüngere Generation, die die oft klagenden "Gastarbeiter"-Lieder ihrer Eltern zuvor teilweise noch als "Gejammer" abgetan hatte, im Gurbet Türküleri-Stil: besonders bekannt wurden in diesem Zusammenhang die Gruppen Cartel und Nefret, die sprachlich lockerere Texte verfassten und erstmals auch Tabuthemen wie Sexualität in Deutschland thematisierten. Mit Yüksel Özkasap und Sah Turna meldeten sich jetzt erstmals auch Frauen zu Wort.

Bekannte Interpreten

Die meisten der Interpreten der Gurbet Türküleri haben auch selbst Texte für diese Musikrichtung verfasst. Im deutschen Zusammenhang besonders bekannt sind

Literatur

  • Ali Osman Öztürk : Alamanya Türküleri : Deutschlandlieder. Mündlicher Pionier der türkischen Auswandererliteratur (2001), ISBN 975-17-2647-6
  • Abdullah Eryilmaz : Gastarbeiterlieder : İşçi Şarkıları. Deutsch-Türkisch. Majör Müzik Yapım Ltd. Şti (1990), zweisprachige Kasettenausgabe aus dem Bereich "Gurbet Türküleri"

Siehe auch