Fränkisch (Sprachwissenschaft)
Fränkische Sprachen ist ein Sammelbegriff für die westgermanischen Sprachen und Dialekte, die ihren historischen, mittelalterlichen Ursprung im Osten des Fränkischen Reiches haben. Dazu zählen:
- Die Niederfränkische Sprache, die die Niederländische Sprache, Afrikaans und deren Dialekte umfasst;
- Alle Sprachen und Dialekte des Westmitteldeutschen;
- Die hochdeutschen Dialekte im Übergangsbereich vom mitteldeutschen zum oberdeutschen Sprachgebiet.
Unter Sprachwissenschaftlern gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und inwieweit die fränkischen Sprachen und Mundarten tatsächlich eine Sprachfamilie darstellen. Dazu müsste in sprachvergleichenden Untersuchungen der - bis jetzt fehlende - Nachweis gelingen, dass sich die heutigen fränkischen Sprachen und Dialekte sprachgeschichtlich aus einem ursprünglichen Fränkisch entwickelt haben (siehe unter „Franken (Volk)“).
Geschichte
Die fränkischen Sprachen gehen ursprünglich auf die salfränkischen Dialekte des frühen Mittelalters zurück. Die Salier (oder Salfranken) waren der Kernstamm der Altfranken, von denen sich später andere Stämme abzweigten (Ripuarier, Lothringer u. a.) und eigene Stammesterritorien errichteten. Am ursprünglichsten zeigt sich das altfränkische Sprachgut noch in den niederfränkischen und mittelfränkischen (Ripuarisch, Moselfränkisch) Mundarten. Das weiter südlich gesprochene Rheinfränkisch sowie die oberdeutschen fränkischen Dialekte (Süd-, Ostfränkisch) gerieten unter den starken Einfluss alemannischer und, im Falle des Ostfränkischen, bairischer Dialekte. Sie haben heute mehr Gemeinsamkeiten mit den südlichen Nachbarmundarten als mit den ursprünglichen fränkischen Idiomen an Mittel- und Niederrhein.
Das große Ausbreitungsgebiet der fränkischen Mundarten zeigt die Bedeutung des Fränkischen für die Herausbildung einer gemeinsamen deutschen Verkehrssprache. Unter der Herrschaft der Franken bildete sich das mittelalterliche deutsche Staatswesen heraus, es entstanden Kanzlei- und Ausgleichssprachen zwischen den verschiedenen Stammesterritorien. Die Franken waren es auch, die sämtliche im (ost)fränkischen Reichsgebiet siedelnden westgermanischen Großstämme einten und somit den Grundstein für die Herausbildung eines gemeinsamen deutschen Staates und Volkes legten. Die anderen im heutigen deutschen Sprachgebiet siedelnden germanischen Stämme, die Sachsen (Alt-, heute Niedersachsen, nicht jedoch die Sachsen im gleichnamigen ostdeutschen Bundesland), Baiern (oder Bajuwaren), Alemannen (früher einheitlich Schwaben/Sueben), Hessen und Thüringer (deren ursprüngliche Sprachen weitgehend verloren gingen) übernahmen strukturgebende Elemente aus der fränkischen Sprache und beeinflussten das Fränkische rückwirkend weit über seine Randgebiete hinaus.
Durch die Entstehung diverser Mischmundarten verlor das Fränkische seine Einheitlichkeit. Die seit dem 6. Jahrhundert von Süden her vordringende Hochdeutsche Lautverschiebung hob aus dem zuvor einheitlichen Sprachraum verschiedene Dialektregionen mit unterschiedlichem Lautstand heraus. Das führte zu einer Auffächerung fränkischer Mundarten in niederdeutsche, mitteldeutsche und sogar oberdeutsche Varianten. Diese Einteilung, insbesondere die zwischen Mitteldeutsch und Niederdeutsch, sagt jedoch nichts über das Verwandtschaftsverhältnis der jeweiligen Mundarten im Grenzgebiet aus. Diese Gliederung folgt rein lauttechnischen Gesichtspunkten, während der Wortschatz in den mittel- und niederfränkischen Dialekten noch heute weitgehend übereinstimmt.
Die Unterscheidung der fränkischen Idiome nach dem Lautstand bzw. dem Grad des Vordringens der 2. Lautverschiebung führte zu einer allgemein akzeptierten Grobeinteilung (Rheinischer Fächer). Dennoch fällt die Grenzziehung schwer, weil im Übergangsgebiet zwischen Mittel- und Oberdeutsch bzw. Mittel- und Niederdeutsch oft mehrere Lautvarianten in ein und der selben Gegend parallel verwendet werden.
Z.B.: mitteldt. „Pund“ / oberdt. „Pfund“, mitteldt. „loffe“ (laufen) / niederdt. „lope“, mitteldt. „losse“ (lassen) / niederdt. „late“
Gliederung fränkischer Sprachen, Dialekte und Mundarten
Eine Besonderheit des Fränkischen ist, dass sich seine Dialekte über den gesamten nieder-, mittel- und hochdeutschen Sprachraum erstrecken:
Fränkisch im Niederdeutschen: Niederfränkisch
- Niederländische Sprache (Niederlande, Belgien, Frankreich und Nordrhein-Westfalen)
- Flämisch und Brabantisch (Flandern und Brabant (Antwerpen, Brüssel), südliche Niederlande, Region Nord-Pas de Calais in Frankreich (Lille, Calais, Dünkirchen))
- Pella-Dutch (Iowa)
- Südniederfränkisch (Niederlande, Nordostbelgien, USA, Nordrhein-Westfalen um Düsseldorf)
- Kleverländisch (östliche Niederlande, deutscher Niederrhein um Kleve und Duisburg)
- Klevisch-Weselisch
- Mölmsch Mülheim an der Ruhr
- Ostbergisch - niederfränkische Mundartgruppe im Bergischen Land
- Limburgisch und Bergisch (im niederländischen und belgischen Limburg, nördlich von Aachen, Mönchengladbach und Düsseldorf, mittleres Bergisches Land); liegt südlich der Uerdinger Linie
- Krieewelsch - Krefelder Platt
- Afrikaans, hat sich aus dem Niederländischen entwickelt (Südafrika und Namibia)
Das Niederfränkische hat die deutsche Lautverschiebung nicht mitgemacht - es wird deshalb zu den niederdeutschen Mundarten gezählt. Nur im unmittelbaren Grenzgebiet zum Mittelfränkischen erscheint t häufig als z oder s.
Fränkisch im Mitteldeutschen: Westmitteldeutsch
- Mittelfränkisch
- Ripuarisch, auch Ripuarisch-Fränkisch (Großraum Köln/Bonn/Aachen, Bergisch Gladbach und Leverkusen, Teile der Nordeifel und die Gegend bis Neuenahr (Rheinland-Pfalz), nördliches Deutsch-Ostbelgien um Eupen)
- Moselfränkisch (im nördlichen und westlichen Rheinland-Pfalz: mittleres Rheinland mit den Zentren Koblenz (Koblenzer Platt) und Trier, am Rhein nördlich von Oberwesel/Sankt Goar; im nordwestlichen Saarland von Merzig bis Nonnweiler, am Nordhang des Hunsrück, im Département Moselle in Frankreich (Lothringisch), im südlichen Deutsch-Ostbelgien um Sankt Vith, in Eifel und Westerwald und im Siegener Land in Nordrhein-Westfalen)
- Lëtzebuergesch, auch Luxemburgisch (Luxemburg, Belgien und Frankreich)
Im Mittelfränkischen ist die deutsche Lautverschiebung noch nicht so weit fortgeschritten wie im Rheinfränkischen. t und k am Wortende (z.B. „wat“ / was, „ik“ / ich) sowie p am Wortanfang und -ende (z. B. „pan“ / Pfanne, „op“ / auf) bleiben unverschoben. Der Doppelkonsonant ch wird im gesamten Rheinland als ʃ („sch“) ausgesprochen (Mittel- und Rheinfränkisch, Südniederfränkisch)
- Rheinfränkisch
- Pfälzisch (südliches Rheinland-Pfalz, also Pfalz und Pfälzer Wald um die Zentren Ludwigshafen, Worms und Speyer (Vorderpfälzische Dialektgruppe), um Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken (Westpfälzische Dialektgruppe), am Südhang des Hunsrücks, im südlichen und östlichen Saarland mit den Bevölkerungszentren Saarbrücken und Neunkirchen - wegen der leicht nasalierenden Aussprache als „Saarländisch“ bekannt, im nördlichen Elsass in Frankreich, in der Kurpfalz in Baden-Württemberg um Mannheim und Heidelberg, in Hessen an der Bergstraße und im westlichen Odenwald um Bensheim, Viernheim und Lampertheim (Kurpfälzische Dialekte).
- Rheinhessisch (wird häufig gemeinsam mit dem Pfälzischen zum Rheinpfälzischen zusammengefasst; wird gesprochen in Rheinhessen in Rheinland-Pfalz um die Städte Mainz, Bingen und Bad Kreuznach sowie in Hessen im Rheingau und um Wiesbaden)
- Hessisch: Das Hessische zerfällt in mehrere Zweigmundarten, die allein schon aufgrund des großen Verbreitungsgebietes starke Besonderheiten aufweisen.
- Südhessisch spricht man ab einschließlich Darmstadt nordwärts im Kernraum des Rhein-Main-Gebiets bis einschließlich des bayerischen Aschaffenburg im Osten. Es umfasst auch die Wetterau etwa bis Butzbach. Das Südhessische ist als einziger hessischer Dialekt unverfälschtes Rheinfränkisch und gilt überregional als „Paradehessisch“.
- Mittelhessisch um Gießen und Oberhessisch um Marburg besitzen viele Archaismen wie die Diphthongierung langer Vokale, z. B. „lieb“-„läib“ oder „Kuh“-„Kou“.
- Niederhessisch mit den nordhessischen Mundarten um Kassel und Bad Hersfeld und den osthessischen Mundarten um Fulda grenzt ans Ostfränkische und ist ein hessisch-ostfränkisch-thüringischer Mischdialekt. Nordwestlich von Kassel, um Korbach im ehemaligen Fürstentum Waldeck, spricht man bereits Plattdeutsch bzw. Westfälisch.
Das Rheinfränkische hat die deutsche Konsonantenverschiebung fast im selben Maße wie das Standarddeutsche mitgemacht. Nur p am Wortanfang bleibt unverschoben (z.B.: „Pund“ / Pfund, „Peffer“ / Pfeffer). Typisch für das Pfälzische und seine Nachbarmundarten ist das (alemannische) š vor Konsonanten am Wortende („fascht“, „Poscht“, „Kaschte[n]“). Es tritt auch im Südfränkischen auf.
Fränkische Mundarten im oberdeutschen Sprachgebiet
- Ostfränkisch: Eine recht einheitliche Ausgleichsmundart, die aus der Verschmelzung fränkischer und bairischer Dialekte entstand; die beiden Stämme trafen im Maingebiet aufeinander und besiedelten das Hinterland gemeinschaftlich. Ostfränkisch spricht man im fränkischen Landesteil Bayerns um die Zentren Nürnberg (hier schon recht stark bairisch beeinflusst), Würzburg, Schweinfurt und Bamberg, also im Wesentlichen in den Regierungsbezirken Ober-, Mittel- und Unterfranken; die Grenze zum Bairischen bilden Fichtelgebirge, Altmühl und die südliche und mittlere Fränkische Alb. Die Grenze zum Hessischen verläuft durch den Spessart. In Baden-Württemberg spricht man es im Hohenloher Land um Crailsheim und Künzelsau sowie im Taubergrund um Tauberbischofsheim und Wertheim, des weiteren in ganz Südthüringen (Thüringen südlich des Rennsteigs) und im sächsischen Vogtland und Erzgebirge. Ostfränkisch spricht man überdies in der gesamten Rhön, auch auf der hessischen Seite. Die mainfränkischen Dialekte des Ostfränkischen werden heute umgangssprachlich schlicht als „Fränkisch“ bezeichnet.
- Südfränkisch: Eine Gruppe uneinheitlicher Übergangsdialekte des nördlichen Baden-Württemberg, im Grenzgebiet zwischen ober- und mitteldeutschem Sprachraum. Sie entstanden im Spannungsfeld zwischen Schwäbisch-Alemannisch, Rheinfränkisch und Ostfränkisch. Die diversen Idiome sind räumlich eng begrenzt und werden um die Zentren Karlsruhe, Pforzheim und Heilbronn sowie im Kraichgau gesprochen. Im Enztal südlich von Pforzheim, wo Fränkisch und Schwäbisch aufeinander stoßen, spricht man Enztalfränkisch oder Enztalschwäbisch (beide Bezeichnungen sind üblich). Die Bewohner dieser Landschaft einschließlich Pforzheims bezeichnen sich demgemäß auch als Schwaben und ihren Dialekt als Schwäbisch. Die Dialekte rund um Mosbach und Buchen werden ebenfalls der südfränkischen Gruppe zugerechnet; die Grenze zum Kurpfälzischen ist nicht genau definiert.
Süd- und Ostfränkisch haben die deutsche Lautverschiebung (Konsonantenverschiebung) im selben Maße mitgemacht wie das Standarddeutsche und werden daher zu dem oberdeutschen Mundarten gerechnet. Vom Vokalstand her sind sie zwar (in der Regel) mitteldeutsch, zeigen jedoch in den Randgebieten ansatzweise Vokaldiphtongierung.
Literatur
- Horst Haider Munske, Robert Hinderling u.a. (Hrsg.): Bayerischer Sprachatlas. 6 Regionalteile. Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben, Sprachatlas von Mittelfranken, Sprachatlas von Unterfranken, Sprachatlas von Nordostbayern, Sprachatlas von Niederbayern, Sprachatlas von Oberbayern. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1996 ff.
- Wörterbuch von Mittelfranken. Eine Bestandsaufnahme aus den Erhebungen des Sprachatlas von Mittelfranken. Zusammengestellt von Gunther Schunk, Alfred Klepsch, Horst Haider Munske, Karin Rädle und Sibylle Reichel. Würzburg: Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, 218 S., ISBN 3-8260-1865-6; 2. durchges. Auflage, Würzburg, 2001
- Sprachatlas von Mittelfranken. Hrsg. von Horst Haider Munske und Alfred Klepsch. Bd 1. Einführung. Von Alfred Klepsch unter Mitarbeit von S. Reichel, S. Arzberger, T. Heyse, A. Mang, H.H. Munske, K. Rädle, S. Rigoll, G. Rost, C. Rudisch und C. Schlichte. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2003. ISBN 3-8253-1422-7
- Sprachatlas von Mittelfranken. Hrsg. von Horst Haider Munske und Alfred Klepsch. Bd 2.1 Mittelhochdeutsche Langvokale und Diphthonge. Karten und Kommentare. Bd 2.2 Beleglisten. Von S. Arzberger, A. Klepsch, A. Mang, K. Rädle, S. Reichel, S. Rigoll, G. Rost und C. Rudisch. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2004. ISBN 3-8253-1422-7