Risikostrukturausgleich
In Deutschland sind etwa 90% der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert (die übrigen in der privaten Krankenversicherung). In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es etwa 350 verschiedene Krankenkassen (Stand 2003), teils mit nur einigen tausend Versicherten, teils aber auch mit mehreren Millionen Versicherten in einer Kasse. Die so genannten Risikostrukturen dieser Kassen unterscheiden sich erheblich; es sind also in manchen Kassen sehr viele junge Menschen, in anderen Kassen dagegen überwiegend ältere Menschen versichert. Diese Unterschiede sind so groß, dass manche Kassen mit gesunden Mitgliedern, die zugleich hohe Einkünfte haben, mit einem Beitragssatz von unter 5% auskommen könnten, wenn es keinen Risikostrukturausgleich gäbe. Andere Kassen hätten bei geringen Einnahmen und hohen Ausgabenlasten für kranke Mitglieder ohne Risikostrukturausgleich Beiträgssätze von über 20%.
Seit 1996 gibt es für fast alle Mitglieder in gesetzlichen Krankenkassen sehr weitgehende Wahlrechte. Der Wechsel von einer zur anderen Kasse ist dadurch relativ problemlos möglich. Dies erhöht den Wettbewerbsdruck auf die Einzelkassen, deren Bestand im Einzelnen gefährdet sein kann, wenn sie zu viele Mitglieder verlieren. Die neu gewählte Krankenkasse muss das wechselnde Mitglied aufnehmen (sog. Kontrahierungszwang); es gibt keine Gesundheitsprüfung oder unterschiedlich hohe Beiträge je nach Alter oder Vorerkrankungen.
Das Problem mit den unterschiedlich strukturierten Krankenkassen, d.h. mit unterschiedlicher Klientel wird vom Gesetzgeber wie folgt gelöst:
Der Risikostrukturausgleich bedeutet, dass Krankenkassen mit jungen und gesunden, also krankheitsrisikokoarmen, Versicherten den Kassen mit mit alten und chronisch kranken Versichterten einen Ausgleich zu zahlen haben.
Der Risikopool, der am 1.1.2002 eingefürt wurde, sorgt dafür, dass Krankenkassen für die Betreuung kostenintensiver Patienten einen finanziellen Ausgleich erhalten - ist also als eine Art Fond zu verstehen. Dieser bezahlt 60% der bei einem Patienten entstehenden Kosten für stationäre Versorgung, Arzneimittelversorgung, (nichtärztliche Kosten) der ambulaten Dialyse, Krankengeld und Sterbegeld, die über dem Schwellenwert von derzeit 20450 Euro/Jahr liegen.
Ab dem Jahr 2007 soll der direkt morbiditätsorientierte (morbide = krank) Risikostrukturausgleich gelten, der der bisherigen Kritik der Kassen mit Gewinnen Rechnung tragen soll. Dabei soll die Morbidität (Krankheitsanfälligkeit) bestimmter Bevölkerungsgruppen das Kriterium für den Einzahlungsbetrag werden.
Im bisherigen Risikostrukturausgleich richtet sich die Verteilung der Mittel dagegen hauptsächlich nach den Faktoren Alter und Geschlecht. Durch diese Faktoren wird die Morbidität (bzw. die durchschnittlichen zu erwartenden Ausgaben der Kasse für einen Versicherten) nur indirekt abgebildet. Durch den direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich ab 2007 erhofft man sich eine zielgenauere Abbildung des Krankheitsgeschehens. Die Krankenkassen, die tatsächlich viele kranke und schwer kranke Menschen versichert haben, werden dann dieser Belastung entsprechend mit Mitteln aus dem Risikostrukturausgleich finanziert. Dabei handelt es sich um "standardisierte" Zahlungen: Erstattet werden nicht tatsächlich angefallene Kosten, sondern nur Durchschnittswerte über alle Versicherten. Dadurch verbleibt den Krankenkassen ein starker Anreiz, sparsam zu wirtschaften.
Weblinks
- RSA-Gutachten2001_ger.pdf PDF-Datei 978 KB, im Februar 2001 abgeschlossenes Gutachten zum Risikostrukturausgleich für das Bundesministerium für Gesundheit. Umfassende Darstellung der Situation vor der Einführung des Risikopools und vor der Entscheidung für die direkte Morbiditätsorientierung ab 2007.