Thomas W. Lawson
Die "THOMAS W. LAWSON" war der größte Schoner, der einzige Siebenmastgaffelschoner und auch der einzige Siebenmaster überhaupt in neuer Zeit (s. Zheng He). Er war einer der wenigen Riesenschoner aus Stahl zu der Zeit. Mit einer Vermessung von 5.218 BRT / 4.914 NRT war er nach der späteren FRANCE II und der R. C. RICKMERS das drittgrößte Segelschiff der Welt bzw. das zweitgrößte, wenn man nur reine Segelschiffe zählt. Sie war das größte Segelschiff der Welt, das nie einen Hilfsantrieb besaß, die PREUSSEN das zweitgrößte dieser Art.
Beschreibung
Die THOMAS W. LAWSON hatte in der WILLIAM L. DOUGLAS (1903), einem Sechsmastgaffelschoner aus Stahl von 3.708 BRT, eine Werftschwester mit einer beträchtlich längeren Lebensdauer. Beide entstanden auf den Helgen der 'Fore River Ship & Engine Building Co.', Quincy, Maine, für die Coastwise Transportation Co. (John G. Crowley), Boston, Massachusetts. Konstrukteur war der für seine Yachten bekannte Schiffbauer Bowdoin Bradlee Crowninshield (1867 - 1948). War der große Schoner anfänglich hell gestrichen, erschien er in seiner weiteren Laufbahn mit schwarzem Rumpf. Benannt wurde das Schiff, wie bei amerikanischen Seglern oft üblich, nach einer prominenten Person, hier nach dem damaligen Präsidenten der Bay State Gas Co. in Delaware, Thomas William Lawson (26. Februar 1857 - 8. Februar 1925) aus Boston, Massachusetts (Mass., MA.). Th. W. Lawson schrieb seinerzeit ein Buch "Finanzwahnsinn"' (orig.: "Frenzied Finance"), das viel Furore machte. Der Stahlschoner konnte maximal 11.000 tons über sechs Großluken laden. Der hohe Tiefgang erlaubte es jedoch nicht, die kaum ausgebauten Ostküstenhäfen außer Newport News, Virginia (VA.), anzulaufen, daher Reduktion der Ladung auf ca. 7.600 tons. Seine Besatzung betrug max. nur 18 Mann (Kapitän, Maschinist für die Dampfanlage für Ruder und Dampfwinden zum Heißen der Segel, Steward, 2 Steuerleute, max. 13 Seeleute). Nach einigen Quellen betrieb die Dampfanlage Generatoren, die wiederum die über fünfzehn (!) elektrischen Winden mit Strom versorgten. Im Gegensatz zu den europäischen Fünfmastrahseglern vergleibarer Größe war sie nach dem Urteil mancher Seeleute und Marineautoren ein sehr schwerfälliges und wenig schönes Schiff (es gab Vergleiche mit einer Badewanne oder einem gestrandeten Wal). Sie soll allein mit dem Rigg ohne Segel, also vor Top und Takel, 15 kn bei achterlichem Sturm gemacht haben. Den brauchte sie auch, um nicht aus dem Ruder zu laufen. Sie war schwer zu navigieren, Segelmanöver wurden oft auf den Wachwechsel verschoben, da die Riesensegel für die kleine Mannschaft eine extreme Belastung darstellten. Der Eigner erhoffte sich von diesem großen Schoner einen wirtschaftlichen Gewinn: viel Ladung mit wenig Besatzung in kurzer Zeit zu transportieren. Beides realisierte sich wegen der reduzierten Auslastung und den problematischen Segeleigenschaften nicht. Dennoch war die THOMAS W. LAWSON eine imposante Erscheinung, trotz oder wegen der sechs gleichen Masten und dem siebten mit einem deutlich größeren Gaffelsegel.
Benennung der Masten
Für die Benennung der sieben Masten gab es mehr als neun verschiedene Systeme, auch eines nach den sieben Wochentagen (Sonntag-Samstag), das eher beim Erzählen als auf See Verwendung fand. Ursprünglich während des Baus nur numeriert (no. 1, no. 2, no. 3, no. 4, no. 5, no. 6, no. 7) hießen sie u. a.:
- fore, main, mizzen, spanker, jigger, driver, pusher; (Stapellauf)
- fore, main, mizzen, no. 4, no. 5, no. 6, spanker; (nach Kapitän Arthur L. Crowley, erster Schiffsführer der LAWSON)
- fore, main, mizzen, no. 4, no. 5, no. 6, no. 7; (von der Mannschaft bevorzugte Benennung)
- fore, main, mizzen, jigger, driver, pusher, spanker; zu Deutsch: Vor-, Groß-, Kreuz-, Tanzer-, Treiber-, Schieber-, Besanmast;
Mit "spanker" wurde meist das letzte und größte Segel auf den amerikanischen drei- und mehrmastigen Schonern bezeichnet.
Geschichte und letzte Fahrt
Bereits ein Jahr nach dem Stapellauf zog Crowley den Riesenschoner aus der Kohlenfahrt und vercharterte ihn nach Abtakeln der Stengen als Leichter für den Transport von Kistenöl, d. h. der Schoner wurde die amerikanische Ostküste hinauf- und hinuntergeschleppt. 1906 wurde er in Newport News, VA., neu aufgetakelt und erhielt einen Umbau zum Segeltanker. Nach einigen Quellen dienten die Untermasten zur Entgasung der Tanks, wie bei der NAVAHOE, einer stets geschleppten 7.718-BRT-großen Tanker-Barge (Barge = hier geschlepptes, seetüchtiges Schiff) mit Sechsmastschonerstütztakelage. Diese diente der Stabilisation für den Fall, daß die Schlepptrosse reißen sollte.
Unter dem Kommando von Kapitän George Washington Dow lichtete die THOMAS W. LAWSON am 20. November 1907 in Philadelphia die Anker zu ihrer ersten Transozeanfahrt über den Atlantik mit Ziel London. Sie fuhr in Charter für die Sun Oil Co. eine Ladung Rohöl oder Schmieröl. Die Angaben differieren zwischen 2,25 Mill. und 2,52 Mill. Gallonen (53.571 bis 60.000 Barrel). Nach stürmischer Überfahrt (Schäden am Rigg, Verlust fast aller Rettungsboote, Wassereinbruch in Luke Nr. 6, verstopfte Pumpen) geriet sie nahe der Scilly-Inseln vor Südwestengland in Nebel, möglicherweise gab es Probleme mit der Positionsbestimmung (Koppelnavigation). Man fand sich südwestlich der Inselgruppe nahe dem Leuchtturm "Bishop Rock" in einem extrem gefährlichen Seegebiet mit nordöstlichem Kurs am 13. Dezember am frühen Nachmittag. Kapitän Dow ließ die LAWSON vor beide Buganker (je 5 tons schwer) mit 150 Faden (274,3 m) Backbordankerkette und 90 Faden (164,6 m) Steuerbordankerkette legen in der Nähe des Hellweather’s Reef. Von zwei Inseln wurde das große Schiff beobachtet und Seenotrettungsboote klar gemacht. Der Leuchtturmwärter feuerte Signalraketen ab. Sturm kam auf, derweil der Lotse vom inzwischen ausgelaufenen Rettungsboot an Bord genommen wurde. Angebote seitens des Rettungsbootführers von St. Agnes, das Schiff aufzugeben, wies Kapitän Dow mit der Bemerkung zurück, er benötige nur einen Lotsen. Das Schiff blieb zunächst stabil vor Anker, als in der Nacht der Sturm stärker wurde. Nach Mitternacht gegen 2:30 Uhr am 14. Dezember 1907 verschwanden die Lichter des Schoners und der untrügliche Geruch von Rohöl in der Luft lag. Der Sturm war auf Orkanstärke angestiegen, die Gewalt der See ließ die Backbordankerkette brechen, der Schoner schwang gewaltig hin und her, den Steuerbordanker slippend. Kapitän Dow befahl alle Mann (mit Rettungswesten) in die Riggen. Das Schiff wurde durch den immensen Seegang mit ungeheuerer Wucht steuerbordseitig auf einen Felsen geworfen. Alle sieben Masten knichten ab und stürzten ins Meer, das Schiff brach hinter dem sechsten Mast auseinander, kenterte und sank. Kapitän Dow gelangte ins Wasser und versuchte schwimmend das Ufer zu erreichen. Frederick Hicks, der Sohn des Lotsen, zog ihn verletzt und erschöpft ins Seenotrettungsboot. Auch dem Maschinisten Edward Rowe gelang es Land zu erreichen. Ein dritter Seemann, George Allen aus Battersea, konnte gerettet werden, starb aber am Sonntag (15. Dezember) an Land an seinen schweren inneren Verletzungen. Viele Seeleute wurden mit dem Rigg unter Wasser gedrückt, ertranken trotz Rettungswesten in der hochlaufenden See, wurden gegen die Riffe geschmettert oder kamen durch das Öl um, das sich auf dem Wasser ausbreitete. Auch der bereits an Bord befindliche Lotse William Thomas "Cook" Hicks aus St. Agnes kam ums Leben. Nur fünf tote Seeleute konnten später aus dem Meer geborgen werden. Unter ihnen wurden der Steward Mark Sampson, ein schwedischer Seemann namens Viktor Hansell, ein deutscher Seemann, Georg Bosinke, identifiziert. Zwei weitere Opfer wurden als Torsi geborgen, deren Identität nicht festzustellen war. Alle sechs Toten wurden auf dem Friedhof von St. Mary's begraben, wo auch die Opfer der SCHILLER-Katastrophe (deutscher Segeldampfer, ca. 370 Tote) von 1875 beigesetzt wurden. Insgesamt starben 17 Mann, 16 Seeleute der LAWSON und der Lotse Wm. Hicks. Das Unglück war eine der ersten, wenn nicht die erste Ölkatastrophe auf See.
Technische Daten
- Konstruktion: Stahlrumpf als Glattdecker, Decksaufbauten auf Poop und Hauptdeck (am 5. und 6. Mast)
- Rigg: Siebenmastgaffelschoner; Masten aus Stahl, Stengen aus Holz;
- Stapellauf: 10. Juli 1902
- Bauwerft: Fore River Ship & Engine Building Co., Quincy, Mass., USA
- Konstrukteur: Bowdoin B. Crowinshield
- Reederei: Coastwise Transportation Co. (John G. Crowley), Boston, Mass., USA
- Heimathafen: Boston
- Galionsfigur: nein
- Länge ü. a.: 132 m (Klüverbaumnock-Spankerbaumnock)
- Rumpflänge: ~122 m (Galion-Heck)
- Länge auf Deck: 117,2 m (Hinterkante Vorsteven - Hinterkante Hintersteven auf Deckshöhe)
- Länge in der KWL: 115 m (Hinterkante Vorsteven - Hinterkante Hintersteven in der KWL inkl. Ruderblatt)
- Länge zw. den Loten (LzL): 112,62 m (Hinterkante Vorsteven - Hinterkante Hintersteven in der KWL)
- Breite: 15,25 m
- Raumtiefe: 10,71 m
- Seitenhöhe: 11,10 m
- Tiefgang: 8,50 m (10,36 m bei 11.000 tons)
- Vermessung: 5.218 BRT / 4.914 NRT
- Verdrängung: ca. ~16.050 t (bei 11.000 tons Ladung); ~12.500 t (bei 7.500 tons Ladung); Schiffsmasse: ~4.900 t
- Ladekapazität/Tragfähigkeit: max. 11.000 tons (1 ton = 1,016 t); regulär ~7.500 tons
- Segelfläche: 4.000 m² (43.000 sq. ft.) [4.330,86 m² (46.617 sq. ft.)]
- Masthöhe: 58,6 m (Masttop - Kiel); 48 m (Masttop - Deck)
- Baukosten: $ 248.000 Bau, gesamt: ~ $ 400.000
- Hilfsmaschine: Dampfanlage für Segelwinschen und Ruderanlage
- Erster Kapitän: Arthur Crowley
- Besatzung: 16-18 Mann (Kapitän, Maschinist, zwei Steuerleute, Steward, 11-13 Seeleute)
Weblinks
Alle Internetseiten in Englisch.
- http://www.bruzelius.info/Nautica/Ships/Schooners/Thomas_W_Lawson(1902).html
- http://college.hmco.com/history/readerscomp/ships/html/sh_091400_thomaswlawso.htm
- http://users.pandora.be/tree/wrecksite/db/story/thomas_w_lawson.html?en
- http://www.oceannavigator.com/site/csrv/content.asp?id=5458
- http://history.vineyard.net/photos/vh10/V104003.HTM (Photo der "THOMAS W. LAWSON")
- http://www.americahuzzah.com/prints.html (Kunstdruck des Schiffes)