Membranpotential
Ein Membranpotenzial (engl. Membrane Potential) ist in der Zellbiologie die elektrische Spannung, die zwischen der Innen- und Außenseite einer Biomembran anliegt, man spricht deshalb auch von einem Transmembranpotenzial.
Das Membranpotenzial kommt dann zustande, wenn Innen- und Außenseite unterschiedliche Konzentrationen mindestens eines geladenen Teilchens (Kation oder Anion) aufweisen, und die trennende Membran eine Leitfähigkeit für diese besitzt. Liegen verschiedene Ionen in unterschiedlichen intra- und extrazellulären Konzentrationen vor, ist das Membranpotenzial ein Mischpotenzial aus den Potenzialen der einzelnen Ionen.
Membranpotenziale sind bei den meisten Zelltypen und bei allen Organismen zu finden, da die Kompartimentierung (Abgrenzung von der Umwelt und Unterteilung der Zelle in voneinander abgegrenzte Reaktionsräume durch semipermeable Membranen) eine Aufrechtherhaltung und Beeinflussung von Stoffgradienten ermöglicht. So kann auch über die Membran von Zellorganellen (Mitochondrium, Chloroplast, Vakuole) ein Membranpotenzial gemessen werden.
Bedeutung
Das Membranpotenzial steuert Ionenströme
Ursache für die Diffusion der Ionen entlang eines Konzentrationsgefälles ist die Brownsche Molekularbewegung. Das Membranpotenzial kann diese Diffusion unterstützen, wenn Konzentrations- und Potenzialgefälle in die selbe Richtung wirken. Beispiel: Ausstrom von Kalium-Ionen aus einer Nervenzelle heraus, nachdem diese depolarisiert wurde und dabei ein positives Membranpotenzial erhielt (siehe Aktionspotenzial).
Wenn das Potenzialgefälle dem Konzentrationsgefälle entgegengerichtet ist, können die Ionen nur dann passiv entsprechend dem Konzentrationsgefälle diffundieren, wenn die Wirkung des Konzentrationsgefälles größer als die entgegengesetzte Wirkung des Membranpotenzials ist.
Es ist aber auch möglich, dass die Ionen gegen das Konzentrationsgefälle aber mit dem Potenzialgefälle diffundieren, wenn die Wirkung des Potenzialgefälles größer als die entgegensetzte Wirkung des Konzentrationsgefälles ist. Beispiel: Einstrom von Kalium-Ionen aus dem Apoplasten ins Innere einer Schließzelle, nachdem die Zellmembran hyperpolarisiert wurde (siehe Stoma).
Strömen nun Ionen entsprechend dem elektrochemischen Potenzial von einer Seite zur anderen, werden deren Konzentrationsverhältnisse geändert, wodurch sich für eine Zelle verschiedene Auswirkungen ergeben:
- Stoffgradienten können als Energiespeicher dienen: Diffundieren Ionen „freiwillig“ (ΔG < 0, siehe unten) von einer Seite einer Biomembran zur anderen, wird Energie frei, die entweder zur Synthese von ATP (Chemiosmotische Kopplung) oder zum Transport anderer Stoffe genutzt wird.
- Die Änderung der Konzentrationsverhältnisse von Ionen führt auch zur Änderung des osmotischen Potenzials eines Kompartiments: Auf die Seite der höheren Ionenkonzentration strömt mit Hilfe von Aquaporinen vermehrt Wasser ein.
- Durch die Volumenzunahme werden embryonale Zellen vergrößert (Wachstum).
- Durch die Änderung des osmotischen Drucks können bei Pflanzen Bewegungen wie das Öffnen und Schließen der Spaltöffnungen oder die Blattbewegungen bei der Mimose durchgeführt werden.
- Durch einströmendes Wasser wird das Cytosol verdünnt und damit werden die Konzentrationen aller Stoffe erniedrigt. So kann für bestimmte Stoffe ein Konzentrationsgefälle entstehen, die nun ebenfalls einströmen können (Assimilat-Transport bei Pflanzen).
Potenzialänderungen als Signale
Bei Tier- und Pflanzenzellen, die auf Informationsverarbeitung und –weiterleitung spezialisiert sind, wird das Membranpotenzial im unerregten Zustand konstant gehalten (Ruhepotenzial). Bei Erregung ändert sich das Membranpotenzial kurzzeitig (Aktionspotenzial) durch Änderung der Permabilität der Zellmembran für bestimmte Ionen. Dieses Signal kann sich über die Zelle ausbreiten, verursacht in Synapsen die Ausschüttung von Transmitterstoffen und löst in Muskelzellen eine Kontraktion aus.
Änderungen des Membranpotenzials
Die Beeinflussung eines Membranpotenzials erfolgt dadurch, dass der Transport von Ionen durch die Membran nur über Kanäle möglich ist, die von Transmembranproteinen gebildet werden. Diese Kanäle sind stoffselektiv, sie lassen also nur bestimmte Ionen passieren, und teilweise auch richtungsselektiv (Gleichrichterkanäle), lassen also die Ionen nur in einer Richtung durch die Membran diffundieren. Manche dieser Kanäle können auf Grund chemischer Signale (liganden gesteuerte Kanäle) oder durch Potenzialänderungen (spannungsgesteuerte Kanäle) geöffnet oder geschlossen werden. Bestimmte Kaliumkanäle sind sowohl chemisch als auch potenzialgesteuert.
Die Änderung eines Membranpotenzials wird durch die Änderung der Permeabilität der Membran für bestimmte Ionen (in der Regel, Kalium-, Natrium- oder Kalzium-Kationen oder Chlorid-Anionen) oder durch ATPasen hervorgerufen.
Dabei gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:
Depolarisation und Hyperpolarisation
- Bei einer Depolarisation wird das Membranpotenzial vermindert, da Kationen auf die Seite der Membran mit dem negativen Potenzial oder Anionen auf die Seite mit dem positiven Potenzial strömen.
- Bei einer Hyperpolarisation wird das Membranpotenzial erhöht, da Kationen auf die Seite der Membran mit dem positiven Potenzial oder Anionen auf die Seite mit dem negativen Potenzial strömen.
Diffusionsgleichgewicht
Werden die Ionenkanäle nicht rechtzeitig geschlossen, kommt es zum Diffusionsgleichgewicht, da sich durch die Diffusion die Konzentrations- und Potenzialverhältnisse ändern. Dieses Gleichgewicht kann dann erreicht sein, wenn innen und außen die gleichen Ionenkonzentrationen vorliegen und das Membranpotenzial bei 0 mV liegt. Es sind aber auch Gleichgewichtslagen möglich, bei welchen das Membranpotenzial von Null verschieden ist und zwischen Innen und Außen verschiedene Konzentrationsverhältnisse vorliegen (siehe Ruhepotenzial).
Repolarisation
Die Rückkehr des Membranpotenzials in den Ausgangszustand (bei Nervenzellen das Ruhepotenzial) wird Repolarisation genannt. Wann die Repolarisation eintritt und wie schnell diese abläuft, ist von der Funktion der jeweiligen Zelltypen abhängig. Bei Nervenzellen der Metazoa dauern Depolarisations- und Repolarisationsphase eines Aktionspotenzials jeweils 2 ms, bei bestimmten Zellen der Pflanzen, die ein Aktionspotenzial erzeugen können, können beide Phasen mehrere Sekunden betragen.
Bei Nervenzellen erfolgt die Repolarisationsphase unmittelbar nach der Depolarisationsphase, beim Aktionspotenzial durch Öffnung spannungsgesteuerter Kalium-Kanäle innerhalb von 2 ms, bei graduierten Potenzialen innerhalb von 40 ms bis 4000 ms durch Ionenpumpen, welche die eingeströmten Ionen wieder zurückpumpen.
Graduiertes Potenzial und Aktionspotenzial
Nervenzellen codieren Information in Gestalt von kurzfristigen Potenzialänderungen. Diese lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, die unterschiedliche Eigenschaften und Funktionen haben:
- gradiuerte Potenziale treten bei Sinneszellen (Sensorpotenzial, Rezeptorpotenzial oder Generatorpotenzial genannt) und an den postsynaptischen Membranen (Postsynaptisches Potenzial, PSP) auf. Beispiele: Membran des Nervenzellkörpers bei chemischen Synapsen oder an der Motorischen Endplatte bei Nervenzell-Muskelzell-Kontakten.
- Aktionspotenziale werden am Axonhügel und am Axon einer Nervenzelle oder an der subsynaptischen Membran von Muskelzellen erzeugt.
Vergleich in der Übersicht:
graduiertes Potenzial | Aktionspotenzial | |
---|---|---|
1 | amplitudenmoduliert | frequenzmoduliert |
2 | graduierte Amplitude | konstante Amplitude |
3 | nicht refraktär | refraktär |
4 | Summation möglich | keine Summation möglich („Alles-oder-Nichts-Prinzip“) |
5 | Ausbreitung passiv mit Amplitudenabfall | Ausbreitung aktiv mit Erhalt der Amplitude |
6 | keine Auslöseschwelle | definierte Auslöseschwelle |
7 | Depolarisation oder Hyperpolarisation mit anschließender Repolarisation | nur Depolarisation mit anschließender Repolarisation |
8 | unspezifische Kationenkanäle | schnelle, spannungsgesteuerte Natrium-Ionenkanäle |
9 | Dauer 40 bis 4000 ms | Dauer 4 ms |
Beispiele
- Die Schließzellen des Spaltöffnungsapparates von Pflanzenblättern halten den Zustand der Hyperpolarisation so lange aufrecht, wie sie belichtet werden. Solange pumpt eine ATPase Protonen aus der Zelle heraus. Ohne Licht stellt sie ihre Tätigkeit ein und Kalium- und Chlorid-Ionen strömen entsprechend dem chemiosmotischen Potenzial nach außen, wodurch das Membranpotenzial wieder erhöht wird (Repolarisation).
Grundlagen
Diffusionspotenzial
- Modellversuch
Eine Kammer, die mit destilliertem Wasser gefüllt ist, wird durch eine omnipermeable Membran, zum Beispiel ein Filterpapier, in zwei Halbzellen unterteilt. In jeder Halbzelle befindet sich eine Elektrode, die beiden Elektroden sind durch ein Spannungsmessgerät miteinander verbunden. Wird in einer der beiden Halbzellen (zum Beispiel der rechten) Kochsalz (NaCl) aufgelöst, beobachtet man zunächst einen Anstieg der Spannung, die dann mit der Zeit allmählich wieder auf Null Volt sinkt.
- Erklärung:
Auf Grund des Konzentrationsgefälles diffundieren Natrium-Kationen und Chlorid-Anionen solange durch die Membran, bis in beiden Halbzellen die gleiche Konzentration an vorliegt. Das Natrium-Kation hat einen kleineren Durchmesser als das Chlorid-Anion, es kann leichter durch das Porensystem der Membran diffundieren. Deshalb steigt zu Beginn des Versuchs ihre Konzentration in der linken Halbzelle schneller als die der Anionen. Damit bildet sich ein Spannungsunterschied zwischen den beiden Halbzellen aus: links sind mehr positive, rechts mehr negative Ladungen.
Die Diffusionsgeschwindigkeit der Kationen wird aber gebremst. Einerseits wird das Konzentrationsgefälle schwächer, andererseits müssen die Kationen gegen das sich aufbauende Potenzialgefälle diffundieren.
Dagegen wird die Diffusionsgeschwindigkeit der Anionen durch das Potenzialgefälle erhöht.
Gleichgewichtspotenzial
- Modellversuch
Eine Kammer, die mit destilliertem Wasser gefüllt ist, wird durch eine selektive, semipermeable Membran, die nur das Kation passieren lässt, in zwei Halbzellen unterteilt. In jeder Halbzelle befindet sich eine Elektrode, die beiden Elektroden sind durch ein Spannungsmessgerät miteinander verbunden. Wird in einer der beiden Halbzellen (zum Beispiel der rechten) Kochsalz (NaCl) aufgelöst, beobachtet man zunächst einen Anstieg der Spannung, die dann erhalten bleibt.
- Erklärung:
Auf Grund des Konzentrationsgefälles diffundieren die Natrium-Kationen durch die Membran. Auf Grund der Ladungstrennung baut sich ein Potenzialgefälle auf: die Innenseite der Membran (linke Kammer) wird positiv, die Außenseite (rechte Kammer) negativ. Die Diffusionsgeschwindigkeit der Kationen wird aber gebremst. Einerseits wird ihr Konzentrationsgefälle schwächer, andererseits müssen die Kationen gegen das sich aufbauende Potenzialgefälle diffundieren.
Das Diffusionsgleichgewicht ist dann erreicht, wenn die treibende Kraft des Konzentrationsgefälles für die Diffusion nach innen genauso groß ist, wie die treibende Kraft des Potenzialgefälles für die Diffusion nach außen.
Im Gleichgewicht sind die Konzentrationen der Ionen innen von der Konzentration außen verschieden, deshalb ist eine Potenzialdifferenz messbar.
Umkehrpotenzial
Als Umkehrpotenzial bezeichnet man das Membranpotenzial, bei dem die Ionenflüsse im Gleichgewicht sind. Das heißt, durch den entsprechenden Kanal findet kein Nettostromfluss von Ionen statt.
Eine Abweichung des Membranpotenzials von diesem „Gleichgewichtspotenzial“ des Ions verursacht eine treibende, elektromotorische Kraft, welche das Ion entweder in oder aus der Zelle treibt. (Bei jedem Überschreiten des Umkehrpotenzials ändert sich die Stromrichtung über der Membran).
Mathematische Formalismen
Die Freie Enthalpie der Diffusion
An der Freien Enthalpie ΔG kann abgelesen werden, ob Teilchen bei einem gegebenen Konzentrations- und Potenzialverhältnis durch eine Membran transportiert werden können:
- Ist ΔG = 0, liegt Gleichgewicht vor, die Menge der durch die Membran in ein Richtung diffundierenden Teilchen ist gleich der Menge der durch die Membran zurück diffundierenden Teilchen.
- Ist ΔG < 0 läuft der Transport in eine Richtung freiwillig ab, wobei Energie frei wird.
- Ist ΔG > 0 können die Teilchen nur unter Energieaufwand transportiert werden.
Die Freie Enthalpie kann auch als Maß des elektrochemischen Potenzials angesehen werden, das sich aus den beiden Komponenten
- chemisches Potenzial (entspricht dem Konzentrationsgefälle) und
- elektrisches Potenzial (entspricht Potenzialgefälle) zusammensetzt.
Chemisches Potenzial - Neutrale Teilchen
Für den Transport von außen nach innen (Import) gilt die Formel
Erläuterung:
R: Allgemeine Gaskonstante R = 8,3143 J·mol-1·K-1
T: Temperatur in Kelvin
c(Ai), c(Aa): Stoffmengen-Konzentrationen des Stoffes A innen, außen
ln: natürlicher Logarithmus
Für T = 298 K und Benutzung des dekadischen Logarithmus vereinfacht sich die Gleichung zu
- Wenn die Konzentration des Stoffes A innen genau so groß ist wie außen, ist ΔG = 0, es liegt Konzentrationsausgleich vor und es findet kein Stofftransport statt.
- Ist die Konzentration innen größer als außen, ist ΔG > 0, es findet kein passiver („freiwilliger“) Stofftransport von außen nach innen statt.
- Ist die Konzentration außen größer als innen, ist ΔG < 0, es findet Stofftransport von außen nach innen statt.
Elektrisches Potenzial - Geladene Teilchen
Anteil des Ladungstransportes an der Freien Enthalpie:
Erläuterung:
Z: Die Ladungszahl Z entspricht der Ionenladung des zu transportierenden Teilchens. Sie ist für Kationen positiv, für Anionen negativ.
F: Faraday-Konstante F = 96485 C·mol-1
ΔΨ: Das Membranpotenzial ΔΨ lässt sich durch die Goldman-Gleichung (siehe unten) berechnen.
Elektrochemisches Potenzial
Für den Import geladener Teilchen gilt die Formel
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Gleichgewichtspotenzial
Für den Gleichgewichtsfall (ΔG = 0) lässt sich das Gleichgewichtspotenzial ΔΨ0 für ein Ion nach folgender Formel berechnen:
für Z = 1 (bei Na+, K+) und T = 298 K ergibt sich bei Benutzung des dekadischen Logarithmus die vereinfachte Gleichung
Beispiel für ein Membranpotenzial (Mischpotenzial) von –53 mV bei 298 K:
Ionensorte | ceq(Aaußen) | ceq(Ainnen) | ΔΨ0 | ΔG für einen Transport von außen nach innen |
---|---|---|---|---|
Na+ | 400 mmol/l | 20 mmol/l | +55 mV | +2,3 kJ/mol |
K+ | 50 mmol/l | 440 mmol/l | -76 mV | -10,5 kJ/mol |
Cl- | 108 | 560 | -43 mV | -11,0 kJ/mol |
Goldman-Hodgkin-Katz-Gleichung
Mittels der Goldman-Gleichung lässt sich das Membran-Gleichgewichtspotenzial ΔΨ berechnen:
Erläuterung:
P: Permeabilität der Anionen (an) und Kationen (ka) innen (-i) oder außen (-a)
c: Konzentration der Anionen und Kationen
Siehe auch
- Ionenkanal, Transmembranprotein, Kaliumkanal, Transport (Biologie),
- Depolarisation, Hyperpolarisation (Biologie)
- Ruhemembranpotenzial, Aktionspotenzial