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Sauerteig

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Roggenmischbrot

Sauerteig ist ein Teig zur Herstellung von Backwaren aus Wasser und Mehl, der zeitweilig oder dauerhaft mittels Milchsäure- oder Essigsäurebakterien und Hefen in Gärung gehalten wird.

Sauerteig wurde in der Vergangenheit als Triebmittel zur Lockerung von Backwerk verwendet und wird benötigt, um den Teig backfähig zu machen.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich seine Begrifflichkeit geändert. Bäcker verwenden den Begriff Sauer(teig) in Verbindung mit Roggenteigen, Weizenteige werden seit etwa 1910 zunehmend, seit den späten 50er Jahren nahezu ausschließlich mit Hefe verbacken. Neuerdings werden aber auch wieder Sauerteige für Weizenmehl, Dinkel etc. verwendet, welche selbst gezogen werden oder aus Reinzuchtsauer stammen.

Arten des Sauerteiges

Weizensauer

Weizensauer ist ein Teig aus Weizenmehl, Wasser, Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor) und oft einem geringen Anteil von Milchsäurebildnern Lactobacillus plantarum).

Technisch sollen Hefen für den Trieb (Lockerung) gezogen werden. Grundsätzlich kann jedes Getreide versäuert werden, was aber nur bei Brotgetreide, also Roggen- und Weizenmehl, in Europa praktiziert wird.

Der Weizensauer ist wieder weit verbreitet. Gebäcke aus Weizensauer haben ein besonders gutes Aroma. Grundsätzlich können diese Gebäcke mit einfacher Bäckerhefe gefertigt werden. Einige traditionelle Gebäckformen mit Weizensauerteig sind Ciabatta oder Panettone.

Roggensauer

Roggensauer ist ein Gemisch aus Roggenmehl, Wasser, Milchsäurebildnern (Lactobacillus plantarum) und Essigsäurebildnern (Lactobacillus brevis). Nicht alle Sauerteige (wie beispielsweise Vollsauer) enthalten auch ausreichend Hefen (Saccharomyces cerevisiae, Saccharomyces minor) für die Lockerung. Abhängig von den verschiedenen Mikroorganismen entstehen unterschiedliche Produkte aus der Verstoffwechslung.

Sonstige Sauerteigformen

Mittels spezieller Sauerteige in den jeweiligen Mehlarten lassen sich nahezu alle stärkehaltigen Mehle (Weizen, Roggen, Gerste, Reis, Mais, Hirse, Sorghum, Teff, Hafer, Triticale, Wildreis, Kamut, Amarant, Quinoa) und Pseudogetreidearten, bzw. andere stärkehalteige Lebensmittel (Buchweizen, Kartoffel, Bohnen, Erbsen etc.) zu brotartigen Backwaren verbacken. Sonderformen des Sauerteigs sind daher nicht wie Zuchthefe alleine bei Weizen und glutenhaltigen Getreidearten verwendbar. Anstelle der Bildung von Gluten tragen bei diesen Backwaren meist Schleimstoffe zur Krumenbildung bei.

Diese Sauerteigformen sind in Mitteleuropa teils unbekannt, in Südamerika, Afrika und Asien aber teils recht gebräuchlich. Der Geschmack ist mit unserem Brotverständnis meist nicht identisch, gemäß Definition sind es aber zweifelsohne Sauerteig-Backwaren.

Sehr weit verbreitet ist das Gären- und Gehenlassen der Brotteige in Ecuador (Gerstenküchlein und Mais-Fladen) und Mittelafrika (Hirsefladen, Teff-Brot).

Weitere Teigführungensarten, die per Definition den Sauerteigen zugerechnet werden müssen sind Backferment und Honig-Salz.

Alternative Verfahren

Schon um 1900 wurde Sauerteig durch Backpulver und Backmittel ersetzt. Diese enthalten eine oder mehrere Genusssäuren (Zitronensäure, Milchsäure, sauere organische oder anorganische Stoffe) und andere backtechnische wirksame Zutaten. In England ist es heute durchaus noch üblich Brot mit Backpulver zu backen. Umgangssprachlich wird von Kunstsauer gesprochen, was nicht richtig ist, denn es handelt sich hier schlichtweg um Backmittel.

Der Vorteil dieser direkten Führung liegt in der schnellen Verfügbarkeit, da erst mit Betriebsbeginn die Brotmenge, welche am Tag gebacken wird, bestimmt werden muß. Vorplanung des Sauerteiges und seine Pflege entfällt also. Dazu kommt neben des geringen Arbeitsaufwandes noch der Vorteil der sehr hohe Verarbeitungssicherheit.

Aromen und deren Vorstufen werden bei diesem Verfahren nicht gebildet. Es erfolgt keine Vorquellung, was die enzymattische Hydrolyse entfällt und eine geringe Frischhaltung und Anfälligkeit gegenüber Schimmel und Fadenziehen mit sich bringt. Diese Backwaren dürfen nicht als Sauerbrot deklariert werden und oft mit Phantasienamen auf den Markt gebracht. Aroma und Geschmack sind bei diesen Produkten verkümmert, wobei dies auch bei absoluter Frische der Fall ist. Sehr verbreitet sind sie derartig produzierte Produkte in Billigketten.

Besonders in Deutschland liegt dieses Verfahren nicht mehr im Trend. Vermehrt wird Sauerteig eingesetzt, wobei auch zunehmend Weizensauer zum Einsatz kommt. Immer mehr Bäckereien bereiten ihren eigenen Betriebssauer. Auch mittlere Unternehmen und Fabriken produzieren heute wieder vermehrt Brote mit Sauerteig.

Geschichte

Altertum

Die Geschichte des Sauerteiges beginnt vor mindestens 12000 Jahren, als der Mensch lernte Getreide zu mahlen. Im heutigen Syrien wurden Mahlwerkzeuge aus dieser Zeit entdeckt. Funde beweisen, dass neolithische Menschen zwischen 7000 und 6000 v. Chr. Ungelockertes Brot bereiteten. Weitere Funde belegen das Aufkommen von Weizen mit hohem Kleberanteil, womit die Grundlage für die gelockertes Brot gegeben war. Der älteste Backofen wurde in Mesopotamien (Iran) gefunden und soll aus der Zeit um 4000 v. Chr. stammen. Mesopotanien gilt auch als Stammland der Gärung, da die ältesten Darstellung biertrinkende Menschen von dort bekannt sind. Zu dieser Zeit wurde ein Brei verwendet, der versäuert sein konnte. Jedenfalls ist die Geschichte des Bieres und des Sauerteiges eng miteinander verbunden, wobei man nicht sagen kann, welche zuerst da war.

Wie Untersuchung belegen, muß die Versäuerung von Getreide unabhängig voneinander an verschiedenen Orten der Welt praktiziert worden sein. In Europa war die Zeigsäuerung, regional begrenzt schon 3700 v. Chr. bekannt. Die ältesten Nachweise stammen aus Twann (Schweiz).

Zeitlich lässt sich der Beginn der gezielten Teigführung mit Sauerteig (und damit das bewusste Einsetzen und Herstellen von Sauerteig) schlecht einschätzen. Die ersten Funde kommen in Ägypten aus der Zeit der 4. Dynastie (ca. 2800 v. Chr.), können aber nicht sicher belegen, dass es sich tatsächlich um gesäuertes Brot handelt. Genauso gut kann es sich um zufällig gärenden Getreidebrei gehandelt haben, der nach der langen Zeit wie Brot zusammengetrocknet ist.

Erwähnt wurde Sauerteigbrot aber zum Auszug der Israeliten aus Ägypten in der Zeit 1400-1200 v. Chr. in der Bibel (2. Mose 12, 8: „...das Fleisch aber sollen sie in der selben Nacht noch essen; am Feuer gebraten sollen sie es essen, und ungesäuertes Brot mit herben und bitteren Kräutern dazu.“). Das hier erwähnte „ungesäuerte“ Brot ist das traditionelle Fladenbrot (Matze, dass heute noch im Judentum zu Pessach verzehrt wird), welches nicht aus Sauerteig hergestellt und gebacken wird. Die Tatsache, dass auf „ungesäuertes Brot“ hingewiesen wurde, ist als Beweis zu werten, dass ansonsten auch gesäuertes und damit getriebenes Brot verwendet wurde. Für die Israeliten war das gesäuerte Brot etwas besonderes, so durfte als Dankopfer nach der Ernte nur gesäuertes Brot verwendet werden (Lev 23,17).

Die Griechen übernahmen die Technologie des Brotbackens mit Sauerteig um 800 v. Chr. von den Ägyptern. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Beleg, der Startersauer beschreibt. Weizenkleie wurde mit drei Tage altem Traubenmost gemischt und an der Sonne getrocknet. (Plinius d. Ä. Naturgeschichte 18, 26). Hier wurde auch Verfahren der Spontansäuerung und Weiterführung von Sauerteigen für die Zeit außerhalb der Weinbereitung beschrieben.

Auch die Römer kannten die Kunst des Brotbackens und damit auch Sauerteig, wobei die Bäcker eine hochangesehene Zunft war. Im Mittelalter geriet das vielfältige Wissen um Ackerbau und Brotbereitung in Vergessenheit. Lediglich an den Höfen und in Klostermauern wurde dieses Wissen noch gepflegt. In Deutschland war das Bäckerhandwerk war lange den Brauern und Schnapsbrennern verbunden, die lieferten im 15. und 16. Jahrhundert ihnen die erste Hefe. Ein Abfallprodukt, welches aber nicht die guten Backergebnisse lieferte, wie sie heute Standard sind.

In Frankreich war diese Technologie lange umstritten, da die Bevölkerung durch eine Gesundheitsgefährdung durch dieses neue Lebensmittel fürchtete. Erst 1670 wurde die Verwendung von Bierhefe erlaubt, wobei sie vorher mit Sauerteig vermischt werden mußte. Sauerteig war weit verbreitet, wobei Roggen- und Weizenbrote daraus gebacken wurden.

Neuzeit

In Europa sind die ersten Hefezüchtungen um 1700 bekannt. 1737 gründete R. Moormann in Werne eine Firma, die eine Art Backhefe produzierte. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die fabrikmäßige Produktion von Hefe etabliert. Neue Verfahren machten die Produktion wirtschaftlich. In Deutschland wurden um 1900 Fabriken aufgebaut, die Bäckerhefe produzierten. Auftrieb brachte der Entwicklung der Bäckerhefe die Kühlmaschinen des Carl von Linde. Die Brauer stiegen nach 1877 von obergärigem zu untergärigem Bier um. Dies war nur durch Kühlung möglich, wobei aber keine brauchbare Hefe für die Bäckereien mehr anfiel. Zwangsweise wurde damit die Entwicklung von Hefe gefördert. Die Hefen der Brauer und Brenner war von schlechter Qualität. Der Stamm Saccharomyces cerevisiae wurde gezielt selektiert und produziert, da mit dieser Hefe hervorragende Backergebnisse erzielt wurden. Zum Ende des 1900 Jahrhunderts wurde Weißbrot in den Städten fast nur noch mit Bäckerhefe produziert. Es gibt Berichte, dass auf dem Land Weißbrot ausschließlich mit Weizensauer gebacken wurde, da das schnelle Austrocknen der Schnittfläche ungesäuerter Brote gegenüber gesäuerter Brot als nachteilig empfunden wurde.

Roggensauer wurde ebenfalls um 1900 erstmalig durch Zitronensäure ersetzt. Die Backergebnisse waren aber bescheiden. Um 1920 empfahl man beim Roggenteig zur Vereinfachung der Brotbereitung den Zusatz von Säuren, was nach dem heutigen Erkenntnisstand auch sinnvoll war, denn damalige Mehle verfügten über einen hohen Enzymgehalt. Parallel dazu entwickelte man Sauerteigstarterkulturen (Böcker) und bot sie als „Reinzuchtsauer“ an. 1930 brachte die Firma Ireks-AG (Kulmbach) den ersten Fertigsauer auf den Markt. Er bestand aus Quellmehl und Gärungsmilchsäure. Ebenfalls um 1930 wurde getrockneter Sauerteig angeboten, der allerdings verfahrensbedingt nur einen geringen Säureanteil hatte. Die Firma E. J. Böcker entwickelte einen biologischen gesäuerten Sauerteig, der reichlich Säure enthielt. 1970 wurde der Trockensauer als „Sauerteig-Extrakt-Roggen“ auf dem Markt gebracht.

Natürlich blieb danach die Entwicklung nicht stehen. Unzählige Verfahren und Backmittel wurden entwickelt und laufend verbessert, um die bestehende Sauerteigverfahren zu optimieren und unkompliziert zu machen. Heute hat sich die Entwicklung dahingehend geändert, dass mehr auf die Qualität der Produkte geachtet wird.

Kulturelle Verbreitung

Judentum

Das Judentum hat ein sehr problematisches Verhältnis zum Sauerteig, da Sauerteig historisch bedingt ein Synonym für „Sklaverei“ und „Feindschaft“ (Sauerteig erinnert an die ägyptischen Gefangenschaft, und wurde damit ein Symbol für Ägypten), „Schlechtes“ (weil Sauerteig einen frischen Teig ebenfalls in „Zersetzung“ bringt), aber auch „Fortschritt“ (weil es eben eine Weiterentwicklung von den traditionellen festen Fladenbroten Matze weg ist).

Zu Pessach ist alle Art von Sauerteig aus dem Haus zu verbannen. Die biblische Einsetzung des Pessach findet man in Ex 12,1-28. Die wichtigsten Anweisungen daraus lauten nach der Übersetzung der Lutherbibel von 1984:

Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung. (Ex 12,14.17)
Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen. Schon am ersten Tag sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern tun. Wer gesäuertes Brot ißt, vom ersten Tag an bis zum siebenten, der soll ausgerottet werden aus Israel. (v.15)
Am ersten Tag soll heilige Versammlung sein, und am siebenten soll auch heilige Versammlung sein. Keine Arbeit sollt ihr dann tun; nur was jeder zur Speise braucht, das allein dürft ihr euch zubereiten. (v.16)
Am 14. Tage des ersten Monats am Abend sollt ihr ungesäuertes Brot essen bis zum Abend des 21. Tages des Monats, so dass man sieben Tage keinen Sauerteig finde in euren Häusern... (v.18f)

Christentum

Praxis

In der religiösen Praxis des Christentums spielt Sauerteig keine bedeutende Rolle. Die Hostien für das Abendmahl werden in der westlichen Kirche zwar seit dem 11. Jahrhundert aus ungesäuertem Weizenteig hergestellt, aber diese Tradition hat keine religiöse Verbindlichkeit. In den Ostkirchen wird stets gesäuertes Brot verwendet.

Symbolgehalt

Sauerteig hat in den Schriften des Neuen Testaments eine ähnlich doppeldeutige Bedeutung wie im Judentum: Der Sauerteig hat eine Dynamik, deren Qualität jeweils von der des Impulses bestimmt wird.

Das bedeutstende positive Bild ist das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33 parr) in dem das Reich Gottes als ein Geschehen beschrieben wird, das wie ein Sauerteig stetig und unaufhaltsam Veränderung schafft, auch wenn der Anfang klein erscheint. Als negativ gewertetes Beispiel gilt die Dynamik, die von den Pharisäern, Sadduzäern (Mt 16,6 parr) und von Herodes (Mk 8,15) ausgeht. Diese oft als antijüdisch verstandenen Bibelverse sind heute eine Herausforderung für eine zeitgemäße Auslegung.

In 1. Kor 5,6ff schreibt Paulus, dass die Gläubigen sich von den abgelegten Lehren und Lebensweisen reinigen sollen, wie man ein Haus für Pessach vom alten Sauerteig reinigt, damit sie als ungesäuerter Teig, die neue Lebensweise annehmen können.

Darum laßt uns das Fest feiern nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern im ungesäuerten Teig der Lauterkeit und Wahrheit.(1. Kor 5,8)

Zweck und Verwendung

Gründe für die Verwendung von Sauerteig:

  • technologische Gründe: Da sich im Roggenteig durch die Anwesenheit von Pentosanen kein Klebergerüst ausbildet wie beim Weizenteig, muss die verkleisternde Stärke beim Backprozess das Gebäckgerüst bilden. In Roggenmehlen sind aber häufig sehr aktive Amylasen tätig, die die Stärke abbauen und eine Stärkeverkleisterung unmöglich machen. Die im Sauerteig gebildete Säure verhindert so den Stärkeabbau.
  • geschmackliche Gründe: Das säuerliche Aroma ist bei dunklen Gebäcken sehr beliebt. Dabei bildet Milchsäure ein feines mildes Aroma. Essigsäure bewirkt ein schärferes Aroma. Die Kunst bei der Sauerteigbereitung besteht darin, das Verhältnis von Milch- und Essigsäure auf ein Verhältnis zu bringen, dass das Produkt wohlschmeckend und aromatisch macht. Dies wird bei der Führung durch die Wahl von Temperatur und Teigfestigkeit erreicht. Die Aromabildung durch die Hefegärung sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden.
  • Teiglockerung: Das gebildete CO2 lockert den Teig (biologische Lockerung). Zweck eines jeden Sauers ist die Förderung von Hefen, die Kohlendioxid bilden und den Teig lockern. Eine Lockerung ist notwendig, damit während des Backens die Hitze vollkommen in den Teigling eindringen kann. Dichte (unlockere) Teige haben nur eine geringe Wärmeleitfähigkeit. Dadurch wird der Kern des Gebäckes roh sein, während die Oberfläche bereits verbrennt.
  • Haltbarmachung: Die Säure führt außerdem zu einer längeren Haltbarkeit des Brotes, da sie einem Befall durch Schimmelpilze entgegenwirkt.

Weizensauer

Im Weizensauer wird vorwiegend Hefe gezogen. Da Hefe und Milchsäurebakterien ähnliche Temperaturumgebungen benötigen, kommt es auch zur Förderung von Milchsäurebildnern. Sie haben backtechnisch keine Bedeutung, verbessern aber das Aroma des Gebäckes. Nur Hefen liefern ausreichend CO2 für die notwendige Lockerung des Gebäckes.

Schon um 1730 wurde in Deutschland Hefe als Ersatz für den Weizensauer produziert. Um 1910 hatte sich die Bäckerhefe soweit durchgesetzt, dass Weizensauer in den Bäckereien nicht mehr gezogen wurde.

Roggensauer

Im Roggensauer sind neben der Hefe auch Säurebildner erwünscht. Essig- und Milchsäure sind notwendig, um Roggenteig backfähig zu machen.

Während des Backens verkleistert die Stärke, wobei sie angelagertes und freies Wasser aufnimmt. Das Eiweiß gerinnt und gibt dabei Wasser ab. Dies ist bei allen Backvorgängen gleich. Jedoch sind in Roggenmehlen sehr aktive Amylasen tätig. Diese zerstören das durch verkleisterte Stärke und durch geronnenes Eiweiß geschaffene Teiggerüst. Die im Sauerteig gebildete Säure deaktiviert die Amylase und verhindert so den Stärkeabbau.


Gewinnung

Sauerteig durch spontane Säuerung

Dieses Verfahren ist recht alt, wird auch heute noch verwendet, um die Grundlage (Anstellgut) für Sauerteig zu ziehen. Untersuchungen haben zum erfreulichen Ergebnis geführt, dass keine schädlichen Organismen (Salmonellen, Eschericha coli, Staphylococcocus) vorhanden sind.

Ein Teig aus Mehl und Wasser wird nach wenigen Stunden bei Zimmertemperatur bakteriell infiziert. Das Ergebnis ist stark vom Zustand des Rohstoffes abhängig. Wesentlich beeinflussen Lagerung des Rohstoffes (Temperatur, Feuchtigkeit), sowie der Befall von Schädlingen die Anzahl und Arten der Mikroorganismen das Ergebnis. Damit sich eine bestimmte Art von Bakterien oder Hefen sicher entwickeln kann, müssen mengenmäßig genügend Keime dieser Art vorhanden sein. Da weder Art noch Anzahl der Mikroorganismen bestimmt werden kann, hängt Erfolg und Qualität sehr stark vom Zufall ab. Es ist nicht vorbestimmbar, welche Bakterien die Säure bilden und welche Stoffwechselprodukte dabei entstehen.

Starterkulturen

Starterkulturen sollen dem Sauerteig die Grundlage für einen gesunden Sauerteig sein. In der Produktion wird ein Mehl-Wasser-Gemisch gezielt mit bestimmten Kulturen geimpft, woraus sich ein gesunder Sauerteig entwickelt. Auch hier wird ein Rest Anstellgut für den nächsten Sauerteig aufgehoben. In bestimmten Zeitabständen wird der Sauer allerdings vollkommen neu mit Reinsuchtsauer angesetzt.

Schon vor 100 Jahren hatte die Firma Böcker Reinsuchtsauer entwickelt. Über viele Jahre hat die Industrie geeignete Starterkulturen für bestimmte Prozesse gezüchtet. Dabei werden gezielt gewünschte Organismen, wie Laktobazillen oder Hefe eingesetzt und gefördert. Zusätzlich werden Substrate zugegeben, die der Entwicklung der gewünschten Organismen förderlich sind. Außer bei der Spontanen Säuerung werden sie im sterilen Umfeld gezogen.

Diese Starterkulturen sind Garant für eine sichere Produktion, wobei die gleichbleibende Gebäckqualität Verkaufsargument ist. Mit Hilfe von Starterkulturen werden Standardsauer gezogen, welche sich lange bewährt haben und damit in der Praxis weit verbreitet sind.

Einteilung der Starterkulturen für Standardsauerteige

  • Starter für Reinzuchtsauerteig
  • Starter für Silosauerteige
  • Starter zur Vorratshaltung, tiefgefriertauglich
  • Starter für die Brotfermentation
  • Starter für Anfrischsauer

Kulturen

  • Durchgesetzt hat sich der Stamm Lactobaillus sanfranciscensis, der heterofermentativ ist. Neben Essigsäure wird Milchsäure, Alkohol und Kohlensäure gebildet. Dabei entstehen auch Peptide, Aminosäuren und Zucker, welche Grundstoffe für die spätere Aromabildung im Brot sind.
  • Seit vielen Jahren eingesetzt und bewährt hat sich Candida humilis als Sauerteighefe.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Sauerteige, in denen Säurebildner gezogen werden und die Hefe zugegeben wird, aromatischeres Brot liefern, wenn im Sauerteig auch Hefe enthalten ist. Die beiden oben genannten Kulturen sind dazu besonders gut geeignet.

Starterkulturen werden für folgende Getreidearten angeboten:

  • Roggensauerteig
  • Weizensauerteig
  • Roggen- und Weizensauerteig
  • Dinkelsauerteig
  • Reisstarter
  • Backfermente für Roggen, Weizen und andere Getreidearten

Ohne Bedeutung ist die Art des Getreides für die Entwicklung der gewünschten Mikroorganismen. Wichtiger ist die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen, wobei dunkle Mehle deutlich besser abschneiden.

Starter für den Bio-Bereich

Mittlerweile werden auch Starter angeboten, welche mit Biozertifikat angeboten, wobei die Grundstoffe Roggen, Weizen oder Dinkel biologisch angebaut wurden (EU-Verordnung 2092/91).

Nach dieser EU-Verordnung dürfen konventionelle Starterkulturen verwendet werden. Einige Verbände bestehen aber auf Starterkulturen aus Spontansauer. Diese werden weiter gezüchtet, um ein Standardprodukt zu erhalten.


Klassifizierung von Sauerteigen

Sauerteige werden mit unterschiedlicher Zielsetzung gezogen, wobei Verfahren und Mikroflora unterschiedliche Typen von Sauerteig ergeben. Böcker er al. hat 1998 eine Klassifizierung vorgeschlagen, welche heute in Praxis uns Literatur eingegangen ist.


Typ 0 Typ I Typ II Typ III
Anstellgut Backhefe Sauerteig (fortlaufende Führung) Sauerteig (fortlaufende Führung) bakterielle Reinkultur oder Sauerteig
Rohware Weizen Weizen / Roggen Roggen Weizen / Roggen
Führung einstufig 3 24 h 4 - 16h bei 25-35°C 1 – 7- d >28°C -
Mikroflora Backhefe dominant, Milchsäurebakterien gering Laktobazillen, Sauerteighefen Laktobazillen dominant, z. T. Kahmhefen -
End-pH-Wert pH 3,5 bis 5,0 pH 3,5 bis 4,0 pH 3,2 bis 3,8 -
Säuregehalt geringer Säuregrad >7 mittlerer Säuregrad 5 - 20 > 20 -
Eignung als Anstellgut nicht geeignet geeignet nicht geeignet bedingt geeignet
Backtechnische Wirkung Hefetrieb, Produktqualität Trieb, Säurebildung, Produktqualität Säurebildung, Produktqualität Teigsäuerung, Starterkulturen


Typ 0

Typ 0 wird mit Backhefe angesetzt, wobei Säurebildung nicht das Ziel ist. Ziel sind die Beschleunigung des Hefetriebes, verbesserte Teigeigenschaften und verbesserte sensorische Eigenschaften des Produktes.

Es handelt sich ausschließlich um Weizenteige die nicht fortlaufend geführt und täglich neu angesetzt werden. Diese Teige sind zu den Vorteigen zu zählen. Durch ihre Mikroflora und daraus resultierenden backtechnischen Eigenschaften grenzen Typ 0 Teige deutlich von (Weizen-)Sauerteigen ab. Bei langer Stehzeit von 8 bis 16h entwickeln sich in diesen Teigen vermehrt Laktobazillen, womit er dann als Sauerteigen einzuordnen ist.

Typ I

Zu den Typ I Teigen zählt der klassische Drei-Stufen-Sauer, der fortlaufend geführt wird. Sie werden für Teigsäuerung und Teiglockerung eingesetzt.

Obwohl diese Sauerteige nicht im sterilen Umfeld gezogen werden, wechselnder Rohware verwendet wird, verfügen diese Teige über Jahre hinweg über eine stabile Stammebene.

Typ II

Typ-II-Teige werden ebenfalls fortlaufend geführt, wobei Teile als Anstellgut verwendet werden. In der Praxis dienen diese Sauerteige der Teigsäuerung, der Aromaverbesserung oder zur Herstellung von getrockneten Sauerteigen mit hohen Säuregraden.

Gegenüber den Typ-I-Teigen werden diese Sauerteige aber über längere Zeiträume, bis zu einer Woche geführt. Dabei werden diese Teige mit 30°C Anfangstemperatur sehr warm geführt. Über die lange Fermentation ergeben sich Temperatur über 40°C, wodurch nur die Mikroflora erheblichen Veränderungen unterliegt. Nur säuretolerante und thermophile Organismen, wie z. B. Lactobazillus pontis, Lactobazillus panis, Lactobazillus frumenti oder Lactobazillus reuterti sind in diesem Umfeld lebensfähig. In diese Umfeld sterben stoffwechselaktive Milchsäurebakterien und Sauerteighefen ab, wodurch eine ausreichende Triebwirkung ist daher nicht gewährleistet. Allerdings kommen Kahmhefen in nicht relevanten Keimzahlen vor.

Typ III

Zu dieser Gruppe zählen getrocknete Sauerteige mit aktiver Mikroflora. Diese Sauerteige finden als Starterkulturen und zur Teigsäuerung eingesetzt.

Mikroorganismen in Type-III-Teigen werden nicht über die Fermentationsbedingungen selektiert, sondern gezielt geimpft. Dabei kommen hohe Keimzahlen bakterieller Reinkulturen zum Einsatz. Die Kulturen wurden auf resistent auf Trocknung und Lagerung selektiert.


Biologische Prozesse

Im (Roggen)sauerteig arbeiten im wesentlichen zwei Arten von Bakterien: „homofermentative“ und „heterofermantative“ Milchsäurebakterien:

  • homofermentative Gärung: Glukose → Milchsäure + 218 kJ Energie
  • heterofermentative Gärung: Glukose → Milchsäure + Ethanol + Kohlendioxid
    • und gleichzeitig: Glukose → Milchsäure + Essigsäure

Die Milchsäurebakterien zersetzen also einen Teil der Kohlenhydrate im Mehl zu Milchsäure, zusätzlich auch zu Essigsäure und einen geringen Anteil Kohlendioxid. Die Hefen tragen ebenfalls Kohlendioxid sowie kleine Mengen Alkohol (Ethanol) zum Gärungsprozess bei. Der Alkohol wird von den Essigsäurebakterien in Essigsäure umgewandelt. Durch verschiedene Bedingungen (Gärungszeit, Mischungsverhältnis, Temperatur) kann Einfluss auf die Anteile der einzelnen Gärungsprodukte und somit auf Eigenschaften und Geschmack (Wirkung) des Sauerteigs genommen werden. Das Verhältnis von Milchsäure und Essigsäure sollte „80 zu 20“ betragen. Dieses Verhältnis ist aber nur ein Richtwert. Das Verhältnis der beiden Säuren bestimmt den Charakter eines Brotes (Brotsorte). Ein rustikales Roggenbrot kann durchaus einen höheren Anteil Essigsäure für seinen typischen Charakter enthalten.

Durch die Säuerung wird der pH-Wert im Teig schrittweise auf 4,0 bis 4,3 abgesenkt. Dabei laufen enzymatische Prozesse ab, mit denen Geruchs- und Geschmackstoffe entstehen, die den Charakter eines Brotes bestimmen. Außerdem werden bei der Reifung Vorprodukte für die Geschmacksbildung während des Backprozesses gebildet (Maillard-Reaktion). Die unterschiedlichen Mikroorganismen benötigen unterschiedliche Lebensbedingungen hinsichtlich Feuchtigkeit und Temperatur. Milchsäurebakterien entwickeln sich optimal bei 30–35 °C, dagegen Essigsäurebakterien optimal bei 20–25 °C und Hefen bei 24-26 °C.

Vor allem in Vollkornmehlen sind Pflanzenstoffe (v. a. Phytin) enthalten, die in der Natur dazu dienen, Fraßfeinde abzuwehren. Diese Fraßschutzstoffe machen sie aber auch für den Menschen schlecht verdaulich, da sie die Nährstoffresorption und die Bakterienflora im Darm stören. Während einer ca. zwanzigstündigen (Roggen)sauerteiggärung werden ungefähr 90 % dieser Fraßschutzstoffe abgebaut, was mehr als genug ist, um auch Vollkornbrot (für Gesunde) gut verdaulich zumachen. Außerdem schließt die Essigsäure Zellen auf. Dabei werden Aminosäuren frei, die das typische Sauerbrotaroma fördern.


Sauerteigführungen / Fermentierung

Die ursprünglich klassische Drei-Stufenführung haftete Arbeitsaufwand und Fehleranfälligkeit an. Es wurde daher nach Möglichkeiten gesucht diese zu vereinfachen, dabei aber die Brotqualität zu erhalten.

Im Unterschied zu Vorteigen werden Sauerteige über einen längeren Zeitraum geführt. Die professionelle Herstellung von Sauerteigen unterliegt, anhand von Rechentabellen, einer kontrollierten Dosierung von Wasser, Temperatur und Standzeiten und erfolgt heute meistens mit Hilfe von Fermentern. In der Literatur wird für den Begriff (Teig)führung auch Fermentieren verwendet.

Klassische Dreistufenführung

Gezielt werden bei den einzelnen Stufen die gewünschten Organismen gefördert. Dabei werden die erforderliche Milch- und Essigsäure gebildet, sowie ausreichend Hefe für den Trieb vermehrt.

1. Stufe Anfrischsauer (Hefevermehrung)

  • Teigausbeute: 200 - 220
  • Temperatur: 25-26 °C
  • Reifezeit: 5 bis 8 Stunden

2. Stufe Grundsauer (Säure- und Aromabildung)

  • Teigausbeute: 150 - 170
  • Temperatur: 23-28 °C
  • Reifezeit: 6 bis 10 Stunden

3. Stufe Anfrischsauer (Triebentwicklung)

  • Teigausbeute: 180 - 200
  • Temperatur: 25-32 °C
  • Reifezeit: 3 bis 10 Stunden

Dinkelsauer

Dinkelsauer wird einstufig geführt. Er hat zum Ziel genügend Hefe für die Lockerung heranzuziehen. Eine reine Starterkultur (Reinsuchtsauer) ist notwendig, da Dinkel Säure nicht gut verträgt. Dies ist nachteilig, weil in Vollkornmehle und dunkle Mehlsorten deutlich mehr Säuren gebildet werden.

Der Sauer wird weich geführt (TA 200) und reift bis zu 18 Stunden, bei einer Temperatur von 28 °C. Er kann gekühlt 2 Tage ungekühlt einen Tag gelagert werden.

Berliner Kurzsauerführung

1942 wurde diese Sauerteigführung von Pelshenke entwickelt. Es ist ein einstufiger Sauer, der warm und weich geführt wird. Ziel dieser Führung ist es, schnell Säure zu bilden. Der Arbeitsaufwand ist gering und entspricht etwa einem Weizensauer. Bei dieser Führung wird Milchsäurebildung begünstigt, wodurch mildaromatisches Roggenbrot entsteht. Hefen werden weniger gefördert, wodurch Backhefe oder Weizensauerteig für die Lockerung erforderlich ist.

Um dieses Ziel zu erreichen ist ein hoher Anteil Anstellgut von 20 % erforderlich und 50 bis 70 % des Roggenmehles versäuert. Bei einer Temperatur von 35 °C und einer Teigausbeute von 190 beträgt die Reifezeit 3 Std. Bei niedrigen Temperaturen verlängert sich die Reifezeit um 15 Minuten je °C unter 35.

Monheimer Salzsauer-Verfahren

Dieses Verfahren wurde 1958 aus dem Berliner Kurzsauer entwickelt. Ursprünglich wurden dem Sauer 5 % Salz (vom Sauerteigmehl berechnet) zugegeben. Das Ergebnis konnte aber geschmacklich nicht überzeugen. Erst mit dem „Neuen Monheimer-Salz-Sauer-Verfahren“ wurden Stehzeit-Toleranz, gute backtechnische Ergebnis und abgerundete Brotaroma gewährleistet (von Stein 1971). Auch bei dieser Führung ist der Arbeitsaufwand gering. Es ist Backhefe erforderlich.

  • Sauerteiganteil: je nach Brotsorte 30 – 40 % der Roggenmehlmenge
  • Anstellsauer: 20 % der Sauerteigmehlmenge
  • Salz: 2 % der Sauerteigmehlmenge
  • Teigausbeute: 200
  • Sauerteigtemperatur: von 30-35 °C auf 20-25 °C
  • Reifezeit: 18 bis 24 Stunden, Stehzeit bis zu 3 Tagen

Detmolder Dreistufenführung

Die Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung in Detmold, heute Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BFEL), war eifrig, bemüht die nachteilige Dreistufenführung zu optimieren und praktikabler zu machen.

Diese Führung ist aus der Detmolder Zweistufenführung entwickelt worden. Der Sauerteig reift 24 bis 30 Stunden, wodurch die Abendarbeit entfällt. Gerade dieser Punkt ist bei der klassischen Führung nachteilig. Die dritte Stufe wird als Auffrischstufe geführt, in der besonders Hefen begünstigt wurden. Daraus ergibt ein gute Geschmacksabrundung des Brotes.

1. Stufe: Anfrischsauer

  • Teigausbeute: 250
  • Sauerteigtemperatur: 25-26 °C
  • Reifezeit: 6 Stunden

2. Stufe: Grundsauer

  • Teigausbeute: etwa 163
  • Sauerteigtemperatur: 30 °C
  • Reifezeit: 15–25 Stunden

3. Stufe: Vollsauer

  • Teigausbeute: etwa 190
  • Sauerteigtemperatur: 28 °C
  • Reifezeit: 3 Stunden

Brotteig

  • Teigausbeute: etwa 178
  • Teigtemperatur: 28–29 °C
  • Teigruhe: 10 Minuten

Detmolder Zweistufenführung

Der Detmolder Zweistufensauer ist recht robust und kann über längere Zeit geführt werden. So kann er z. B. von Samstag bis Montag reifen, ohne dass eine Auffrischung erforderlich ist. Es ist eine „Grundsauer-über-Nacht-Führung“, bietet eine gute (auch wirtschaftliche) Alternative zur Dreistufenführung. Die Stufe des Anfrischsauers entfällt bei dieser Führung. In dieser Stufe werden gewöhnlich Hefen bevorzugt.

Bei der Entwicklung spielte die Erfahrung mit ein, dass die Triebeigenschaften eines Mehrstufensauers häufig nicht ausreicht und eine zusätzliche Hefezugabe erfordert. So wird bei der Detmolder Zweistufenführung ebenfalls Bäckerhefe zugegeben.

1. Stufe: Grundsauer

  • Teigausbeute: 150
  • Sauerteigtemperatur: 23-27 °C
  • Reifezeit: 15 - 25 Stunden

2. Stufe: Vollsauer

  • Teigausbeute: etwa 180
  • Sauerteigtemperatur: 28 °C
  • Reifezeit: 3 Stunden

Brotteig

  • Teigausbeute: ca. 178
  • Teigtemperatur: 28–29 °C
  • Ruhezeit: 10 Minuten

Detmolder Einstufenführung

Der Detmolder Einstufensauer wird gewöhnlich mittags oder vor Feierabend angesetzt. Mit einer Reifezeit zwischen 15 bis 24 Stunden, ist diese Sauerteigführung ist gut zur „Vollsauerführung über Nacht geeignet“. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch seine Lager-Toleranz mehrere Teigarten während des Arbeitstages möglich sind. Er ist daher recht weit verbreitet. Auch bei dieser Führung muss Hefe zugesetzt werden.

  • Teigausbeute: 180
  • Sauerteigtemperatur: 26-27 °C (oder 30°C fallend auf 24°C)
  • Reifezeit: 15 - 25 Stunden

Weinheimer Qualitätssauerführung

Die Bundesfachschule des Deutschen Bäckerhandwerks (Weinheim) hat eine Abwandlung des Detmolder Einstufensauer als Qualitätssauer empfohlen. Dabei wird 2 % Anstellgut bei einer Temperatur von 27 bis 28°C angesetzt.

Schaumsauer

Nach dem 2. Weltkrieg lagen unzählige Fabrikationsanlagen zerstört am Boden. Die Versorgung der Bäckereien mit Hefe aus Hefefabriken oder Brauereien lag danieder. Aus diesem Mangel heraus wurde das Schaumsauerverfahren vom Bonner Bäckermeister Lubig (Bonn) entwickelt. Der Sauerteig wurde sehr weich über fünf Stufen geführt und kräftig durchgerührt (Schneebesen), damit genügen Luft in das Gemenge kommt, die zur Hefevermehrung notwendig ist. Andernfalls würde die Hefe ihre Vermehrung einstellen und Alkohol produzieren. Dabei bildete sich ein Schaum, was dem Verfahren den Namen gab. Obwohl schon wenige Jahre nach dem Krieg die Versorgung wieder gewährleistet war, blieben einige Bäcker bei diesem Verfahren. Zum einen entfiel teure Hefe, andererseits erbrachte der Einsatz dieses Verfahrens ein mildaromatisches Sauerbrot. In Öko-Bäckereien ist dieses Verfahren heute wieder verbreitet, da hier ohne die Zugabe von Hefe gebacken wird. Das Schaumsauerverfahren ist recht unwirtschaftlich und zeitaufwendig, da er in Abstand von 3 Stunden versorgt werden muss.

Lubig stellte 1949 Richtlinien für Schaumsauer auf, worauf heutige optimierte Verfahren basieren.

  • 1. Bei der Bereitung wird fast die gesamte Schüttmenge Wasser für die Sauerteigbereitung verwendet. Dies ist für die Stärkeverkleisterung vorteilhaft, was sich auf die Struktur der Krume positiv auswirkt.
  • 2. In allen Phasen wird der Sauerteig sehr weich geführt (TA 300), um die Hefevermehrung zu fördern.
  • 3. Die optimale Temperatur liegt bei 22 bis 24°C.
  • 4. Der Masse soll möglichst viel Luft untergeschlagen werden, damit sie zu einer schaumigen Masse wird. Die Sauerstoffversorgung der Hefe wird verbessert, flüchtige Säuren werden mechanisch entfernt.
  • 5. Um einen guten rühr- und Schlageffekt zu gewährleisten sind runde Sauerteigbehälter zu bevorzugen. Damit der Sauerteig „atmen“ kann, wobei auch flüchtige Säuren ausdünsten, sollte er nicht abgedeckt werden.
  • 6. Der Anstellsauer wird aus 0,5 bis 1,5% der Gesamtmehlmenge erstellt. In diesem Bereich wird die notwendige Säure eingestellt. Nicht die Säuremenge, sondern ihre Güte bestimmt die Qualität des Brotes.
  • 7. Für den Sauerteig werden 40 bis 50 % der Roggenmehlmenge empfohlen. In der letzten Stufe wird eine TA von 200 angestrebt, wobei die Temperatur aller Stufen optimal bei 23 – 24°C (maximal 25°C) liegt. Bei diesen Bedingungen wird die Hefevermehrung gefördert und die Säurebildung vermindert.

Stufe 1-3

  • Teigausbeute: 300
  • Temperatur: 22 – 24°C
  • Reifezeit: 3 Stunden

Stufe 4

  • Teigausbeute: 215
  • Temperatur: 22 – 24°C
  • Reifezeit: 8 Stunden

Stufe 5

  • Teigausbeute: 265
  • Temperatur: 30 – 32°C
  • Reifezeit: 3 Stunden

Kombinierte Führung

Schon 1930 entwickelte die Firma IREKS den ersten getrockneten Sauerteig (enthielt lebende Kulturen) mit hohem Säuregrad und Quellmehl. Da relativ hohe Mengen davon zugesetzt werden mussten, wurden andere Backmittel entwickelt. Diese enthalten eine oder mehrere Genusssäuren (Zitronensäure, Milchsäure, sauere organische oder anorganische Stoffe) und andere backtechnische wirksame Zutaten. Die lästige Vorarbeit der Sauerteig entfällt, womit eine direkte Führung gewährleistet wird. Da Stoffwechselprodukte der Sauerteigführung fehlen, können derartige Produkte hinsichtlich Geschmack und Frischhaltung nicht überzeugen.

Daraus entwickelte sich die Kombinierte Führung, bei der ein Teil des Roggenanteils zu einem Grundsauer versäuert wird. Dieser Grundsauer wird fest geführt und verändert sich nach 15 Stunden wenig, wodurch die Produktion flexibel ist, da in beliebigen Zeiträumen unterschiedliche Brotsorten gefertigt werden können. Neben einem säurehaltigen Backmittel wird auch Hefe zugegeben.

  • Anstellsauer: 10 %
  • Teigausbeute: 150
  • Temperatur: 23-28 °C
  • Reifezeit: 15 bis 24 Stunden

Es wird nur wenig Essigsäure gegenüber anderen Führungen gebildet, wodurch die essigsauer Note im Endprodukt nicht sehr ausgeprägt ist. Ein Brot darf nur als Sauerteigbrot deklariert werden, wenn mindestens 2/3 der Säure vom Sauerteig stammt. Um dieses Kriterium zu erfüllen, wird 30 % des Roggenmehles versäuert.

Sonstige

  • Flüssigsauerteig (1-stufig)
  • Weinheimer Sauerteig-Führung (1- oder 2-stufig)
  • Zweistufen-Sauerteigführung
  • Ulmer Sauer - Dreistufen-Führung

Allgemeine Verkehrsauffassung von Sauerteig

Mit der Bezeichnung Sauerteig verbindet der Verbraucher ein Produkt mit hoher Qualität und natürlichem Ursprung. Verschiedene Länder haben daher Richtlinien und Produktbeschreibungen zum Schutz des Verbrauchers erlassen.

Jedes Produkt, welches in einem EU-Land nach geltendem Recht produziert wurde, darf in anderen EU-Ländern (§ 53 LFBG) vertrieben werden.

Deutschland

Im Deutschen Lebensmittelbuch werden Leitsätze (§ 15 LFGB) über die geltende Verkehrsauffassung für viele Lebensmittel beschrieben. Diese Leitsätze [1] wurden von Verbrauchern, Wissenschaftlern, Wirtschaft, Lebensmittelüberwachung und Behörden erarbeitet und fortgeführt. Leitsätze sind aber keine Rechtssätze. Man könnte sie als vorweggenommenes Sachverständigengutachten bezeichnen. Produkte können von diesen Leitsätzen abweichen und bei entsprechender Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden.

Auf Vorschläge von Bode und Seibel (1982), sowie Brümmer und Huber (1987) gingen die Leitsätze für Brot und Backwaren in das Deutsche Lebensmittelbuch ein.

Definition von 2006 (Auszug):

  • "1.11 Sauerteig ist ein Teig, dessen Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien, Hefen) aus Sauerteig oder Sauerteigstartern sich in aktivem Zustand befinden oder reaktivierbar sind. Sie sind nach Zugabe von Getreideerzeugnissen und Wasser zur fortlaufenden Säurebildung befähigt. Teile eines Sauerteiges werden als Anstellgut für neue Sauerteige verwendet. Die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen wird erst durch Backen oder Heißextrudieren beendet. Die Säurezunahme des Sauerteigs beruht ausschließlich auf dessen Gärungen."

In den Leitsätzen wird auch Sauerteigbrot definiert:

  • "3.1 Sauerteigbrot wird so hergestellt, dass die gesamte zugesetzte Säuremenge aus Sauerteig stammt. Auf Nummer 1.11 wird verwiesen. Hinweise auf die Mitverwendung von Sauerteig sind nur üblich, wenn die zugesetzte Säuremenge zu mehr als zwei Dritteln aus Sauerteig stammt. Bei Bauern-/Landbrot mit einem Roggenanteil über 20 % stammt sie zugesetzte Säuremenge zu mindestens zwei Dritteln aus Sauerteig."

Österreich

Entsprechend den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches, gilt in Österreich der „Codex Alimentarius Austriavus“. Auszüge:

B9: Backhefe, Sauerteig, Backpulver, Triebmittel für besondere Zwecke:

  • Abs. 5: Sauerteig ist aus Mehl oder Schrot mit Wasser bereiteter in saurer Gärung befindlicher Teig. Die Gärung und Säuerung kann entweder spontan erfolgen oder durch Zusatz einer über eine Reinzucht herbeigeführte Mischkultur von Sauerteighefen und Säurebildner hervorgerufen. Nach der Art der Entstehung unterscheidet man daher Natursauer und Reinzuchtsauer.
  • Abs. 7 (Auszug): Sauerteig, der durch den Parallelvorgang der Spontangärung und Spotansäuerung von sich aus entstanden ist, wird Natursauer genannt. ..... Im Natursauer müssen die erwünschten Herführungsmaßnahmen, die ihre Entwicklung fördern, vermehrt werden, wodurch gleichzeitig die Zunahme der unerwünschten Mikroorganismen gehemmt wird.

In Österreich wird also Natursauer recht eng definiert. Seine Verwendung wird bei der Herstellung von Land- und Bauernbrot (Codexkapitel B18) gefordert.

Schweiz

Im Kap. 16 des Schweizerischen Lebensmittelbuches wird Sauerteig definiert (Auszug):

  • Sauerteig ist ein durch spontane oder durch Starterkulturen (Laktobazillen) gezielt gelenkte Gärung über mehrere Stufen herangeführter Teig aus Roggen- oder Weizenmehl mit einer aktiven, triebfähigen Mikroflora. [...] Der pH-Wert eines ausgereiften Sauerteiges liegt je nach Art (Roggen / Weizen) und Ausmahlungsgrad im Bereich von 3,2 – 4,5, der Säuregrad zwischen 10 – 30. Der Saueranteil (ausgereifter Vollsauer) beträgt je nach Brottyp und gewünschter Geschmacksnote 15 – 50 %.

Frankreich

Am 13. September 1993 trat das Dekret No. 93 – 1074 zum Schutz der Brotsorten: Pain Maison, Pain de Tradition Francaise und Pain au levain in Kraft. Auszüge:

  • Art. 3: Brot, dass unter der Bezeichnung „Pain au Levain“ in Verkehr gebracht wird, muß mit einem Sauerteig entsprechend Art. 4 hergestellt worden sein und höchstens einen pH-Wert von 4,3 sowie mehr als 900 ppm Essigsäure aufweisen.
  • Art 4: Sauerteig ist ein Teig, zusammengesetzt aus Weizen- oder Roggenmehl, Trinkwasser und eventuell Salz, der einer natürlichen säurebildenden Fermentation unterliegt und dessen Funktion es ist, den Teig aufgehen zu lassen. Sauerteig enthält hauptsächlich aus Milchsäurebakterien bestehende säuernde Mikroflora oder Hefen. Der Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae), die zur Verwendung im Brotteig bestimmt ist, ist mit 0,2 % (bezogen auf die Gesamtmehlmenge) erlaubt. Der Sauerteig kann auch getrocknet sein, sofern er 1 Mrd. Bakterien pro Gramm und 10 Mio. Hefen pro Gramm enthält. Nach Zugabe von Wasser und eventuell Zusatz von Backhefe (Saccarmyces cerevisae) muss er gemäß obigen Bedingungen ausreichend Teigtrieb erbringen. Dem Sauerteig können auch genehmigte Mikroorganismenarten zugesetzt werden.

Natursauerteig / Kunstsauer

Jede Getreideart braucht zur Teigherstellung und zum Backen ihre spezielle Technologie. So lässt sich mit gewöhnlicher Backhefe zwar ein Weizenbrot, aber kein Roggenbrot backen. Roggenteige brauchen neben der Hefe eine Säuerung. Bäcker nutzen aus Zeitgründen mitunter getrockneten Sauerteig, der die benötigte Säure bereits als fertige Mischung mitbringt, die zuvor großtechnisch durch eine biologische Sauerteigführung gewonnen wurde. Darüber hinaus können auch kristalline Säuren (zum Beispiel Zitronensäure in bestimmter Konzentration) zur Teigbereitung verwendet werden. Auch sie machen Roggenteige backfähig, haben jedoch mit Sauerteig in der Regel wenig zu tun. Die meisten Bäcker verwenden nur natürlichen Sauerteig, also Natursauerteig, wer sich Biobäcker nennt, darf nur diesen verwenden.

Der Begriff Kunstsauer(teig) wird zwar oft verwendet, ist sachlich aber falsch, denn ein Sauerteig besteht aus Mehl, Wasser sowie Milchsäurebakterien und Hefen. Der sogenannte Kunstsauer ist kein Teig, sondern nur ein Teigsäuerungsmittel. Es gibt auch Backmittel, die zum Beispiel aus einem echten Sauerteig gewonnen werden. Industriell wird ein Sauerteig gezogen, der anschließend getrocknet wird. Ergänzt wird diese direkte Führungsart dann oft durch einen Anteil eines Einstufensauers (Kombinierte Führung).

Gerade in der Großproduktion wird heute bei der Herstellung von »Sauerteigbrot« noch bzw. wieder Natursauerteig verwendet, da dieser im Vergleich zu den Teigsäurungsmitteln etwas günstiger ist und geschmacklich bessere Ergebnisse liefert.

Im Bereich der Billig-Anbieter wird häufig aus Kostengründen auf natürlichen Sauerteig verzichtet. Merkmale sind: geringes Aroma, Brot schmeckt nur kurz frisch, geringe Lagerfähigkeit, schnelle Alterung. Echtes Sauerteigbrot hält sich mehrere Tage frisch und bleibt dabei aromatisch.

Zusammensetzung eines Natursauerteigs

Roggen(vollkorn)mehl oder -schrot und Wasser sowie Sauerteig-Anstellgut, das lebende Milchsäurebakterien und lebende Hefen in verschiedenen Mengen enthält, bilden den Sauerteig.

Die im Sauerteig entstehenden Säuren sind im wesentlichen Milch- und Essigsäure. Durch den fortlaufenden Stoffwechsel der Mikroorganismen und deren Vermehrung läuft eine „Säuerung“ ab.

Sie ist erfassbar durch eine Säuregradbestimmung mit einem pH-Meter (Messgerät) und Natronlauge (in Stärke und Menge). Die Säuremenge drückt man durch den S° (Säuregrad) und die Säurestärke durch den pH-Wert aus.

Quellen

  • Handbuch Sauerteig, Redaktion: Gottfried Spicher, M. Brandt, Biologie, Biochemie, Technologie, 6. Auflage, 2006, Behr's Verlag, ISBN: 3899471660
  • Horst Skrobanek: Bäckereitechnologie, Verlag: Handwerk und Technik, Hamburg, Auflage: 3 (Dez. 2002), ISBN: 3582401014
  • Josef Loderbauer: Das Bäckerbuch, Verlag: Handwerk und Technik, Hamburg,3. Auflage 2006, ISBN: 3-582-40205-3
  1. Download-Seite des BMELV mit Leitsätzen für Brot und Kleingebäck