Lustschloss Favorite (Mainz)
Das Lustschloss Favorite (oft auch kurz nur Favorite genannt) am Mainzer Rheinufer war eine bedeutende barocke Anlage im kurfürstlichen Mainz mit aufwändigen Gartenanlagen und Wasserspielen. Erbaut wurde die Favorite in mehreren Bauabschnitten, beginnend mit dem Jahr 1700 und mit ihrer wesentlichen Fertigstellung um das Jahr 1722. Ihr Bauherr, Kurfürst Lothar Franz von Schönborn von Mainz, entstammte einer der bedeutendsten mitteldeutschen Adelsfamilien der damaligen Zeit und war Bauherr vieler barocker Gärten und Paläste. Das Lustschloss Favorite wurde während der Belagerung von Mainz 1793 im Rahmen der Koalitionskriege vollständig zerstört.
Vorbild der Anlage war das französische Lustschloss Marly-le-Roi von Ludwig XIV.. Das Lustschloss Favorite gilt mit seiner Weiterentwicklung der formalistisch-frühbarocken Gartengestaltung im Stile Versailles als Vorbild für viele weitere, später entstandene, Gartenanlagen der nachfolgenden spätbarocken Epoche der Gartenkunst [1] .

Vorgeschichte
Das Gelände der Favorite lag direkt am Rheinufer gegenüber der Mainmündung und südlich des mittelalterlichen Festungsrings vor den Toren von Mainz. Bereits im Mittelalter wurde es für Gartenanlagen genutzt. Hier befand sich der ältere Abtei- sowie der Stiftsgarten des Stiftes St. Alban vor Mainz. St. Alban wurde am Abend des 28. August 1552 im Zweiten Markgrafenkrieg durch Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach ausgeplündert und vollständig zerstört. 1672 erwarb Christoph Rudolf Reichsfreiherr von Stadion den Stiftsgarten, 1692 konnte der den angrenzenden Abteigarten dazu erwerben. Stadion war Ende des 17. Jahrhunderts eine bedeutende Persönlichkeit im kurfürstlichen Mainz: er war Hofratspräsident, Dompropst, Propst von St. Alban und selbst mehrfacher Kandidat für das Kurfürstenamt. Auch er wollte sich im Rahmen der damals aufkommenden Mode einen standesgemäßen barocken Lustgarten bauen. In der darauf folgenden Zeit entstand aus den nun zusammen gelegten älteren Gartenanlagen ein fünf Hektar großer Nutz- und Lustgarten im Stil des Hochbarocks mit eingeschossigem Rheinschlösschen, Wirtschaftsgebäuden, Weinbergen sowie Obst- und Zierbäumen, der so genannte Stadionsche Garten. Nach dem Tod Stadions im Jahr 1700 erwarb der erst sechs Jahre vorher gewählte Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn, das Anwesen von den Erben für 16.500 Reichstaler. Die ca. 400m lange und 140 m breite Gartenanlage sollte das Kernstück für das von ihm geplante Lustschloss Favorite werden.
Baugeschichte

Als 1694 Lothar Franz von Schönborn zum Kurfürsten von Mainz gewählt wurde, begann für die Stadt Mainz nicht nur in städtebaulicher Hinsicht eine barocke Blütezeit. Schönborn, aus bedeutendem mittelrheinisch-fränkischem Adelsgeschlecht, entsprach dem Idealtypus eines absolutistisch regierenden und Prunk liebenden Barockfürsten. Zugleich war er, wie er in gewisser Selbsterkenntnis feststellte, wie viele andere der Schönborn-Familie „vom Bauwurmb“ besessen. In seiner in größerem Umfang erhalten gebliebenen Privatkorrespondenz ist dazu auch folgender Ausspruch von ihm überliefert: „Das Bauen ist eine Lust und kost viel Geld, einem jeden Narren seine eigene Kapp gefällt.“ [2] Als Kurfürst von Mainz plante er für seine Residenzstadt einen repräsentativen barocken Lustgarten. Vorbild für die Namensgebung war die habsburgische Favorita bei Wien, eine Reverenz des Kurfürsten und Erzkanzlers an das ihm politisch nahe stehende Herrscherhaus der Habsburger. Aus baulicher Sicht sollte das 1680 bis 1686 erbaute Marly-le-Roi als Vorbild dienen, so nannte Schönborn sein Lustschloss Favorite gerne le petit Marly. Aufgrund seiner umfangreichen Bautätigkeit und den oft parallel laufenden großen Bauprojekten in seinen geistlichen Fürstentümern konnte Schönborn beim Bau der Favorite auf eine Vielzahl von fähigen Baumeister zurückgreifen. Diese nannte er scherzhaft-respektvoll „meine klugen Bau-Dirigierungsgötter.“
Mit Maximilian von Welsch, Ingenieuroffizier, Kurmainzer Oberbaudirektor und bekannter Festungsbauarchitekt stand ihm ein begabter Baumeister zur Verfügung. Dieser wiederum überließ die gärtnerischen Arbeiten dem Leitenden Obergärtner Johann Kaspar Dietmann, dessen gärtnerische Sachkenntnis auch der Kurfürst sehr schätzte und auch anderen Ortes einsetzte. In künstlerisch-gestalterischen Fragen arbeitete Welsch eng mit dem „Hofkavalier-Architekt“ Philipp Christoph von und zu Erthal, dem Erbauer des gleichnamigen Erthaler Hofes, zusammen. Ein dritter beteiligter Architekt war der Freiherr von Rotenhan, als Obrist-Stallmeister ebenfalls in kurfürstlichen Diensten. In der späteren Bau- und Umbauphase (ab 1725) kamen bei der Ausgestaltung der Favorite zudem noch Einflüsse des „Kavaliersarchitekten“ Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn und – durch dessen Vermittlung – des Pariser Hofarchitekten Germain Boffrand hinzu.
Erste Bauphase (1700 bis 1722)
Nach dem Erwerb des Stadionschen Gartens im Jahr 1700 begann Schönborn sofort mit dem Ausbau der Anlage. Man folgte zuerst der Ausrichtung der Vorgängeranlage und orientierte sich längs des Rheins in Richtung Mainz. Die so genannte erste Anlage bestand aus einem Hauptgebäude, einem zweiflügeligen eingeschossigen kleinen Rheinschlösschen. Dieses lag mit seiner Schmalseite, welche gleichzeitig auch den Haupteingang aufwies, nur durch einen Fahrweg von ihm getrennt, direkt am Rhein. Genutzt wurde dieses Gebäude als Konzert- und Speisesaal.

Daran schloss sich eine schmale Gartenanlage mit Skulpturenschmuck des Vorgängergartens an, deren Hauptachse ebenfalls Richtung Mainz wies. Die Anlage, die im Wesentlichen noch Form und Umfang des Stadionschen Gartens übernahm, bestand in dieser Form bis etwa 1705. Ab ca. 1708 (sicher nachgewiesen ab 1710) wurde der Kurfürstliche Festungsbaumeister Maximilian von Welsch dauerhaft zu dem Bauprojekt hinzugezogen.
Bis 1714 gingen die weiteren Bauarbeiten nur schleppend voran. Der von 1701 bis 1714 stattfindende Spanische Erbfolgekrieg sorgte, wenn auch indirekt, für eine Bedrohung des kurfürstliche Mainz durch die Franzosen, zumal die Anlage außerhalb des Festungsgürtels lag. Andererseits belastete diese Auseinandersetzung auch in nicht unwesentlichem Maße die Ressourcen des Kurfürstentums, so dass Lothar Franz von Schönborn sein wichtigstes Mainzer Bauprojekt teilweise zurückstellen musste. Allerdings ist aus erhaltenen Rechnungen auch bekannt, dass die Arbeiten an der Favorite Schönborn bis 1710 bereits 93.641 fl. 58 Kr. gekostet haben. Für die ersten Jahre wird auch von größeren Pflanzeneinkäufen berichtet wie z. B. 6000 Hainbuchen aus dem Spessart.
Trotzdem konnten 1711/1712 die großen Wasserterrassen des unteren Parterres sowie des darüber liegenden Hauptparterres fertig gestellt werden. Ab 1717 folgte der Bau der eigentlichen Schlossanlage am, vom Rheinufer gesehenen, oberen Ende des Hauptparterres. Ursprünglich als zentrales Bauobjekt in der Anlage geplant, übernahm die Schlossanlage nun die Funktion einer prunkvollen Orangerie. Ebenfalls 1717/1718 baute Welsch das Hauptparterre mit seinen sechs halbkreisförmig angeordneten Kavaliershäusern aus. Mit der figürlichen Ausgestaltung der einzelnen Anlagen beauftragte der Kurfürst seinen Hofbildhauer Franz Matthias Hiernle. Die sich rechts des Hauptparterres anschließenden beiden großen Gartenanlagen wurden abschließend mit dem Jahr 1722 angelegt.
Um 1722 wurde das Lustschloss Favorite mit seinen Gebäuden, Wasserspielen und verschiedenen Gartenanlagen als zusammenhängende Anlage vorläufig fertig gestellt. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn und seine Nachfolger nutzten die Favorite ab diesem Zeitraum für Repräsentationszwecke und für Feste des kurfürstlichen Hofstaates. Eine von 1723 bis 1726 von Salomon Kleiner, einem kurfürstlichen Hofingenieur und begabten Kupferstecher, angefertigte Serie von 14 Kupferstichen der Favorite (heute teilweise im Besitz des Landesmuseums Mainz) zeigt äußerst detailreich die Anlage mit ihren verschiedenen Aspekten nach ihrer Fertigstellung.
Zweite Bauphase (1722 bis 1735)

In der Regierungszeit des Kurfürsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729–1732) kam es zum letzten größeren Ausbau der Favorite. Der Nordteil der Favorite, das so genannte Boulingrin mit seinen ausgedehnten Rosskastanien-Promenaden wurde umgestaltet. Es entstand dort ein zum Rhein ausgerichtetes Gartenhaus, das so genannte Porzellanhaus. Da zum Kurfürstentum Mainz auch ab 1746 die Porzellanmanufaktur in Höchst bei Frankfurt gehörte, wurden das Porzellanhaus sowie andere Gebäude der Favorite in der Spätzeit der Anlage mit Erzeugnissen der Manufaktur ausgestattet. Der Baumeister war der in Paris ausgebildete Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn (auch: zu Gruenstein). Höchstwahrscheinlich hatte aber bereits Lothar Franz von Schönborn diese Erweiterung geplant und vor seinem Tod 1729 bereits mit dem Bau beginnen lassen.
Weitere Aus- und Umbauten bis 1790

Nach der Umgestaltung des Nordteils der Favorite kam es zu keinen größeren bzw. bedeutenden Bauprojekten mehr. Aus praktischen Gründen wurden im westlichen rheinabgewandten Teil der Anlage weitere Stallungen und Wirtschaftsgebäude angebaut, die aber den künstlerischen Aspekt der Anlage nicht tangierten. Von größerer Bedeutung für die Außendarstellung der Favorite war allerdings der Ersatz zahlreicher Wasserbecken und -anlagen durch rein gärtnerisch bepflanzte Anlagen. Wahrscheinlich waren die für die Wasseranlagen der Favorite angelegten Brunnen auf Dauer nicht in der Lage, die erforderliche Wassermenge zum Betrieb zu liefern.
1746 arbeitete Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn nochmals an der Orangerie. Die letzten gartengestalterischen Arbeiten an der Favorite wurden etwa 1788–1790 von dem bekannten Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell vorgenommen, der Änderungen der Anlage im neuen „englischen Stil“ vornahm [3]. Weitreichende Pläne nach 1790 wie zum Beispiel der Ausbau des Rheinschlösschens oder die Erweiterung der Favorite nach dem Ankauf des Geländes der benachbarten Kartause − dort plante man einen 70 m langen Gartensaal – wurden aufgrund der politischen Lage nicht mehr verwirklicht.
Gestaltung der Anlage
Parkanlagen

In den Gartenanlagen des Lustschlosses Favorite fanden sich viele der zur damaligen Zeit verwendeten gartenarchitektonischen Gestaltungsmittel wieder. Bereits der Vorgängergarten wurde Ende des 17. Jahrhunderts in dem zu dieser Zeit vorherrschenden formalen Stil eines französischen Barockgartens gestaltet. So stammt das vor Rheinschlösschen liegende, durch ein vertieftes Wasserbecken unterteilte, Broderieparterre wahrscheinlich aus dem Vorgängergarten der Favorite. Das parterre de broderie ahmte mittels der Verwendung von Buchs als Gestaltungspflanze sowie verschiedenfarbiger Kies- und Steinmaterialien eine Stickerei (franz.: broderie) nach. Ihre Ausrichtung in Längsrichtung hin zum Gebäude lässt noch die Sichtachsenplanung des Vorgängergartens erkennen. Laubengänge zwischen den Kavalierpavillons und an der Orangerie rundeten die pflanzliche Gestaltung im oberen Gebäudebereich ab.

In der mittleren Anlage fanden sich kunstvoll geformte Heckenwände, welche für eine Unterteilung der Parkelemente sorgten. Wiederum durch ein rheinseitiges Wasserbecken getrennt, wurden zwei Boulingrins im unteren Parterrebereich angeordnet. Dem schlossen sich nach oben, rheinabgewandt, zwei Bosquets mit Cabinets (dichte, durch Schnitt geformte Hecken oder Wäldchen mit freigelassenen Zwischenräumen) an, die ein Rasenparterre mit Kübelbäumchen umfassten.
Die dritte und nördlichste Gartenanlage lag der Stadt Mainz am nächsten. Kleinere Springbrunnen und zahlreiche Teppichbeete lockerten den gesamten dritten Gartenteil auf. In dieser Gartenanlage wurden vornehmlich Rosskastanien als Gestaltungselemente eingesetzt. Diese war eine zur damaligen Zeit neuartige Pflanzenentdeckung, die als „Maronirn“ bezeichnet, gerne und oft verwendet wurde. Großflächige Bosquets aus Rosskastanienbäumen und Hecken aus Hainbuchen umgaben wiederum ein eingetieftes Boulingrin mit Wasserbecken. Hier führte auch der Haupteingang der Anlage durch. Gepflegte Rasenwege, von Kleiner als „Communications-Stiegen“ bezeichnet, führten weiter nach oben zu weiteren Bosqueträumen und anschließend zu einem der markantesten Parkelemente in der gesamten Anlage: die Große Promenade. Diese bestand aus Rosskastanien und stellte einen lang gezogenen, auf der Höhe der Favorite parallel zum Rhein verlaufenden Wandelgang dar. Aufwändiger Figurenschmuck und Brunnenschalen sowie wiederum kleinere Hainbuchenbosquets mit kleinen intimen Cabinets vervollständigten die große Promenade.
Wasserspiele und Grotten
In den drei parallel angeordneten Gartenanlagen waren gleichmäßig aufwändige Wasserspiele und -becken sowie Themengrotten verteilt. Schönborn schien großen Wert auf die Wasserspiele zu legen, die in großer Zahl als gestalterisches Element eingesetzt wurden. Für deren Betrieb fanden aufwändige Brunnenbohrungen und -anlagen am Hechtsheimer Berg statt.

In der südlichen Gartenanlage befand sich in dem unteren Broderieparterre ein großes vertieftes Wasserbecken mit verschiedenen Wasserspielen und Fontänen. Daran schloss sich, am Übergang zum Hauptparterre, die so genannte Thetis-Grotte an. Hinter einem Becken mit aufwändig gestalteten und besonders hohen Fontänen war in einer Stützmauer eine halbkreisförmige Grotte eingebaut, deren Hauptmotiv eine Statute der Thetis war, die auf einer Muschel sitzend von Delphinen gezogen wurde. Flankiert wurde die Figurengruppe von zwei Atlanten. Im Hauptparterre der ersten Anlage und flankiert von den sechs Pavillons befand sich wiederum ein dreistufiges Wasserbecken mit reichem Figurenschmuck, Fontänen und über die Stufen kaskadierenden Wasserspielen. Laut Kleiner stellte diese als „große und Wasserreiche Cascade“ bezeichnete Anlage eine Allegorie von „beyde Fluß, den Rhein und Mayn vorstellend“ dar. Dahinter erhob sich, durch einen schmalen Vorplatz getrennt, die Orangerie als abschließendes Element der Gestaltung. In diesem ersten Teilstück der Anlage bildete der Rhein bewusst den querliegenden natürlichen Abschluss der aus den Wasserelementen gebildeten Hauptsichtachse.

In der mittleren Gartenanlage, die als prächtigste der gesamten Favorite galt, waren über die gesamte Länge Wasserspiele und Grotten als zentrale Mittelachse angeordnet. Am rheinnahen Gartenende begann der „Perspektivische Auffzug unterschiedlicher Cascaden und Fontainen“ mit einer vom Rhein abgewandten Grotte mit vielfältigem Figurenschmuck und Wasserfällen. Diese war von den oberen Terrassen als Abschluss der durch die Wasserspiele gebildeten Sichtachse einsehbar. Der Grotte schloss sich ein großes Wasserbecken an, das von der, eine Terrassenstufe weiter oben gelegenen so genannten Neptunskaskade gespeist wurde. Diese korrespondierte mit einer wiederum weiter oben liegenden Ringkaskade. Im Mittelparterre dieser Anlage befand sich erneut ein Wasserbecken mit Fontäne, weiter ansteigend folgten wieder über Stufen kaskadierende Wasserfälle. Den prunkvollen Abschluss der mittleren Gartenanlage bildete die halbkreisförmige Fontäne des Pluto und der Proserpina mit der so genannten Proserpina-Grotte, oft auch als chateau d’eau bezeichnet. In einer antikisierenden Nische mit Stutzgiebeln stand die Figurengruppe auf einem inselartigen Podest im Wasserbassin, welches auf beiden Seiten von wasserführenden Treppen flankiert wurde.
In der nördlichsten und letzten Gartenanlage wurden die Wasserspiele zugunsten der pflanzlichen Gestaltungselemente reduziert. So schloss am unteren Ende eine Hecke am Rhein ein Boulingrin ab. Hier befand sich also ein vertiefter, mit Rosskastanien bestandener Platz mit einem Wasserbassin als zentralem Gestaltungselement. Bei der am oberen Ende gelegenen großen Promenade aus querlaufenden Rosskastanienalleen kamen ebenfalls wieder Wasserspiele zum Einsatz.
Figurenschmuck
Bereits im Stadionschen Garten befand sich ein umfangreiches Figuren- und Skulpturenprogramm. Die erhalten gebliebene, akribisch geführte Inventarliste listet bei der Übergabe des Gartens an Schönbon folgende Posten auf:
„14 steinerne Urnen, 34 kleine Statuen, wovon dem Frölicher zu Frankfurt ein Stück ins andere 16 Thaler bezahlt worden, 15 große Statuen, eine ins andere 100 fl. gerechnet, so aber doch mehr kosten, denn 4 darunter, wo der Frölicher vom Stück 120 Thaler gehabt; der Neptunus mit 3 Meerpferdt; die 4 Säulen bei dem Weyher und das Portal von der Grotten haben 700 Thaler gekostet ohne die Steine...“ [4]
Der erwähnte Frölicher war der Schweizer Architekt und Bildhauer Johann Wolfgang Fröhlicher, der ab 1692, aus Frankfurt kommend (dort schuf er unter anderem zwischen 1680 und 1686 den Hochaltar der Katharinenkirche), für Stadion arbeitete. Ihm ist auch die ihn der Favorite verwendete Figurengruppe der Neptunskaskade mit der großen Zentralfigur des Meeresgottes Neptun inmitten von 3 Seepferden zuzuschreiben. Die weiter unten erwähnte, erhalten gebliebene Statue eines Flussgottes wird in älteren Literaturstellen als Flussgott Rhenus bezeichnet und Fröhlicher zugeschrieben, der sie vor 1700 geschaffen haben müsste.
Weitaus mehr Anteil an der figürlichen Ausgestaltung der Favorite hatte aber Franz Matthias Hiernle. Ursprünglich aus Landshut in Bayern kommend, war er seit 1705 in kurfürstlichen Diensten und bekleidete das Hofamt des Hofbildhauers. Ihm werden die Statuen des Bacchus, des Faunus, des Jupiter und der Juno, der Ceres und Flora sowie aller Nymphen und Genien aus der griechisch-römischen Mythologie zugeschrieben. Als besonders aufwändige Arbeit von Hiernle ist die Figurengruppe der Themenfontäne „Plutos Raub der Proserpina“, welche die mittlere Gartenanlage krönte, zu erwähnen. Wie bei allen großen Wasseranlagen arbeite Hiernle auch hier nach den Entwürfen Welschs und setzte diese entsprechend den bautechnischen Vorgaben künstlerisch um. Auch Hiernles Söhne, Sebastian und Kaspar Hiernle, haben wahrscheinlich als Bildhauer bei der Figurengestaltung der Favorite mitgearbeitet. Ebenfalls als Bildhauer mit der Favorite in Verbindung gebracht werden der kurfürstliche Bildhauer Burkhard Zamels, Paul Curé, der zu seiner Zeit als „Meister der Gartenplastik“ gerühmt wurde sowie Paul von Strudel. Die beiden Letztgenannten standen ebenfalls in Diensten von Schönborn.
Gebäude
Das Rheinschlösschen

Das zuerst errichtete Gebäude der Favorite war ein bereits im Stadionschen Lustgarten vorhandenes, direkt am Rheinufer liegendes Rheinschlösschen. Schönborn nutzte dieses weiter, ließ es aber später (wahrscheinlich nach 1705) aufwändig umgestalten. Auch ein weiteres Stockwerk wurde aufgesetzt [5]. Architekt und Baumeister dieses Umbaus war sehr wahrscheinlich der Bamberger Hofbaumeister Johann Leonhard Dientzenhofer, auf dessen Dienste Schönborn als Fürstbischof des Bistums Bamberg ebenfalls zurückgreifen konnte.
Das Gebäude wies durch seine rechtwinklige Bauweise eine Rheinfront mit großem Einfahrtstor sowie eine Gartenfront mit Freitreppe auf. Die Gartenfront, als abschließender Teil der Längsachse der ersten Gartenanlage, war reich dekoriert. Zahlreiche, teils überlebensgroße Figuren, schmückten Aufgang und Eingangsportal. Die Treppenfront zeigte das Schönbornsche Wappen, flankiert von Musikenblemen. Zwei tanzende weibliche Figuren, ein immer wiederkehrendes Motiv an anderen Gebäuden der Anlage, bekrönen abschließend den Frontpodest. An den Ecken beider Gebäudefronten befanden sich vorspringende Risalite. An der Westseite schloss sich ein kleinerer Flügel. Im Plan von 1779 findet sich hier eine schlichte Kapelle sowie offensichtlich Wohnräume.

Für die erst spät (gegen 1721) angebrachte Fassadenverzierung in Form gemalter Scheinarchitektur in Freskotechnik wurden Entwürfe des Italieners Giovanni Francesco Marchini verwendet. Marchini, aus Como in Italien stammend, wohnte zu diesem Zeitraum in der Favorite und wurde später, am 16. Juni 1727, Mainzer Bürger. Zentraler und in der Gesamtanlage größter Innenraum des Gebäudes war ein prunkvoller, reich stuckierter Gartensaal oder Galerie, ebenfalls mit gemalter Scheinarchitektur von Marchini im Stil des Frühbarock geschmückt. Wahrscheinlich wurde deshalb das Schlösschen bereits bei Kleiners Stichen 1726 als „Garten-Gebäude“ bezeichnet. Die Wandflächen des Gartensaals waren durch gemalte Säulen untergliedert. Nur eine Seite des Gartensaals wies Fenster auf, die gegenüberliegende Seite wurde von den Künstlern, Marchini und wahrscheinlich Luca Antonio Columba, mit gemalten Scheinfenstern versehen. Alle Wände trugen eine reiche Scheinbossierung, das heisst Wandelemente waren durch visuelle Effekte der Malerei scheinbar plastisch hervorgehoben. Die Freskodecke wies in der Hallenmitte eine von Säulen getragene Kuppel auf. Zentrales Motiv war der Artemistempel in Ephesus als eines der sieben Weltwunder. Die Darstellung der anderen Weltwunder schloss sich jeweils rechts und links an das Hauptmotiv . Ein weiteres Motiv, erkennbar auf Kleiners Stichen, schien die „Toilette der Diana“ gewesen zu sein, ein zu damaliger Zeit beliebtes Motiv für Gartengebäude. Zur Beleuchtung befanden sich schwere Kronleuchter an der Galeriedecke.
Die Orangerie

Die Orangerie war das zentrale Gebäude der Anlage und wurde ab 1717 von Maximilian von Welsch erbaut. Das Hauptgebäude, ursprünglich wie das französische Vorbild als kleines aber dennoch prunkvolles Lustschloss geplant, wurde in dieser Form nie baulich verwirklicht sondern in eine Orangerie mit Festsaal umgewandelt. Es ist anzunehmen, dass die Orangerie gemäß der in der Barockzeit üblichen Nutzung die Sammlung exotischer Kübelpflanzen, insbesondere der Zitruspflanzen, des Kurfürsten aufnahm. Diese dürften dem Festsaal ein exotisches und repräsentatives Ambiente gegeben haben. Der Vorplatz der Orangerie vor der oberen Wasserkaskade, das so genannte Orangerie-Parterre, diente dazu, die Kübelpflanzen im Sommer im Freien aufzustellen. Bei der Übernahme der Anlage im Jahr 1700 durch Schönborn werden in der Inventarliste einige dieser Orangeriepflanzen aufgelistet: „119 Bummerantzenbäume (Pommeranze), 24 Granatbäume (Granatapfel), 21 Lorbeerbäume (Echter Lorbeer), 2 Bäume Lentiscus (Mastixstrauch), 8 Jucca gloriosa (Yucca), 1 Stock Flospassionis (Passionsblume)“ und viele weitere mehr.
Die Fassade der Orangerie war mit einer aufwändigen Scheinarchitektur reich bemalt. Trotzdem hebt sich auf den zeitgenössischen Ansichten die Orangerie somit baulich nur im geringen Maße von den sie umgebenden sechs gestuften Pavillons ab. Dies auch, obwohl sie zentraler Blickpunkt einer der am aufwändigsten gestalteten Sichtachsen der gesamten Anlage ist. Die Gründe für die vergleichsweise bescheidene Ausführung des zentralen Gebäudes sind nicht bekannt.
Die Orangerie stand am westlichen Ende auf dem oberen Hauptparterre und oberhalb der zweistufigen großen Wasseranlage, deren oberer Teil von Kleiner als „Prospect der großen und Wasserreichen Cascade, beyde Fluß, den Rhein und Mayn vorstellend“ bezeichnet wird. Darunter befand sich die so genannte Thetis-Grotte.
Die Kavaliershäuser (Pavillons)

1717/1718 baute Welsch auf dem Hauptparterre sechs halbkreisförmig und terrassiert angeordnete Pavillons, die so genannten Kavaliershäuser. Bei diesem Gestaltungselement hielt sich der Baumeister streng an das Lieblingsvorbild des Kurfürsten, Marly-le-Roi. Anscheinend legte der Kurfürst mehr Wert auf das künstlerische Gesamtensemble der Parkanlage als auf den Luxus der Baulichkeiten. Eines der Kavaliershäuser ließ er sich nach Fertigstellung kurzerhand zum Schlafgemach umbauen und berichtete darüber auch seinem Neffen, dem Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn nach Wien. Ansonsten wurden die Gebäude für die Unterbringung von Gästen genutzt. Die sechs Pavillons wurden lediglich aus Holz gebaut und nicht in Stein ausgeführt und wiesen jeweils vier Zimmer auf. Wie bei dem Vorbild Marly und der Orangerie und dem Rheinschlösschen der Favorite waren auch hier die Fassaden mit einer Scheinarchitektur aufwändig bemalt.
Das Porzellanhaus
Das so genannte Porzellanhaus war der letzte größere Neubau in der Favorite und gleichzeitig die erste der in den nächsten Jahrzehnten folgenden Umbaumaßnahmen. Begonnen wurde der Bau höchstwahrscheinlich noch zu Zeiten Schönborns, dessen Wappen das dem Bau vorgelagerte Wasserbecken zierte. Die Fertigstellung des Porzellanhauses fällt in die kurze Regierungszeit des auf Schönborn nachfolgenden Kurfürsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg.

Für die Planung und Ausführung war Anselm Franz Freiherr von Ritter zu Groenesteyn zuständig. Er folgte Welsch als führender Architekt nach, und wurde 1730 zum kurfürstlichen Oberbaudirektor ernannt. Groenesteyn, der die Pariser Architektenschule durchlief, löste im Mainz des Hochbarock mit dem französisch geprägten klassizistischen Stil den aus den Zeiten Welschs vorherrschenden italienisch-österreichisch sowie mainfränkisch-mittelrheinisch geprägten Barockstil ab.[6] Eines der ersten Bauwerke in diesem neuen Stil sollte das Porzellanhaus werden.
Das Porzellanhaus orientierte sich wieder an dem Vorbild Marly, diesmal an dem Trianon de Porcellaine de Marly. Es lag im dritten und nördlichsten Gartenteil, am Übergang des unteren, rheinnahen zum oberen Alleen-Parterre. Es handelte sich dabei um einen prunkvollen Haupthallenbau, dessen Kuppeldach eine so genannte Laterne (Tambour) trug, die ebenfalls mit einem kleineren Kuppeldach bekrönt war. Auf den beiden Längsseiten wies der Bau je drei Frontaltüren auf, die sich zum Rhein und zur großen Rosskastanienallee öffneten. Rheinwärts führten zwei geschwungene Freitreppen mit schmiedeeiseernen Gitter (oder Säulenbaluster, erhaltene Pläne zeigen beide Varianten), die ein ovales figurengeschmücktes Wasserbassin mit Wasserspielen umschlossen, zu einer Terrasse. Die Fassade des Hauptbaus wies Pilaster auf. In der Mitte des Gebäudes sind auf den erhaltenen Risszeichnungen Doppelpilaster zu sehen, die eine reichverzierte architravartige Galerie trugen, die mit Putten und Vasen figürlich geschmückt war.
Im Inneren dominierte eine rechteckige Halle entlang der Längsachse mit einem zentralen Wasserbassin. Es ist sicherlich anzunehmen, dass das Gebäudeinnere mit einer dekorativen Porzellantäfelung geschmückt und reich ausgestattet war. Weitere Details zur Innenausstattung sind allerdings nicht erhalten geblieben.
Wirtschaftsgebäude
Diese dürften naturgemäß eher zweckmäßiger Natur gewesen sein und gehörten nicht zum repräsentativen Teil der Anlage. In der bereits erwähnten Inventurliste des Stadionschen Gartens werden Stallungen und Scheunen für 8 Pferde und 20 Stück Rindvieh erwähnt. Auch die Gebäude für das Dienstpersonal befanden sich im oberen Gartenteil. In Kleiners Plan von 1726 wurden keinerlei Wirtschaftsgebäude wie Stallungen, Gerätehäuser, Treibhäuser, Anzuchtflächen, Wohnhäuser der Dienerschaft usw. dargestellt, wohl aus künstlerischen Gründen. In dem Plan von Le Rogue von 1779 wurden diese Gebäude allerdings aufgeführt. Sie befanden sich hinter der Orangerie und nahmen einen relativ großen Platz ein.
Die Favorite und die Politik: Der Fürstentag im Juli 1792

Am 14. Juli 1792 fand in Frankfurt am Main die Kaiserkrönung von Franz Joseph Karl von Habsburg, Erzherzog von Österreich als Franz II. statt. Der neu gekrönte Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation reiste kurz nach seiner Krönung nach Mainz weiter. Dort wurde im Lustschloss Favorite vom 19. bis 21. Juli 1792 ein prunkvoller Fürstentag abgehalten, zu dem neben den politischen Hauptprotagonisten Franz II. und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen zahlreiche weitere deutsche Fürsten und Diplomaten gehörten. Gastgeber war der Kurfürst von Mainz, Friedrich Karl Joseph von Erthal.
In politischer Hinsicht schrieb dieser Fürstentag, bei dem es um die Absprache der weiteren Vorgehensweise der anwesenden Fürsten gegen das revolutionäre Frankreich ging, Zeitgeschichte. Der ebenfalls anwesende Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig hatte zu diesem Anlass ein gegenrevolutionäres Manifest ausgearbeitet, welches in der kurfürstlichen Buchdruckerei in Mainz gedruckt wurde. In diesem Manifest wurde zur Wiederherstellung der alten (monarchischen) Ordnung in Frankreich aufgerufen und andernfalls direkte militärische Maßnahmen angedroht. Wie sich zeigen sollte, führte der Fürstentag in der Favorite zu Mainz tatsächlich direkt zu dem ersten Koalitionskrieg und letztendlich, unter anderem, zum Untergang des Kurfürstentums Mainz.
Der dreitägige Fürstentag war die letzte und prachtvollste Inszenierung, die im kurfürstlichen Lustschloss Favorite stattfinden sollte. Bereits vorher gab der Kurfürst Immigranten des französischen Hochadels, unter anderem dem Graf von Artois (dem späteren Karl X. von Frankreich) und dem Prinzen Condé, Feste und Hofbälle. Für den Fürstentag jedoch wurde, entsprechend den hochrangigen Gästen, ein wesentlich höherer Aufwand betrieben. Die Favorite wurde, ebenso wie Schiffe auf dem Rhein, festlich illuminiert und Feuerwerke wurden abgefeuert. Während Franz II. im Kurfürstlichen Schloss logierte, wurde Friedrich Wilhelm II. und sein Gefolge in den Gebäuden der Favorite untergebracht. Die anwesenden Gäste wurden mit einer festlichen Tafel im Freien bewirtet. Zu dem Fürstentag 1792 gibt es verschiedene Augenzeugenberichte, unter anderem von Georg Forster, Naturforscher und kurfürstlicher Oberbibliothekar der Universität Mainz. Am genauesten schildern allerdings zwei Beiträge dieses Ereignis: Die entsprechende Passage aus den Lebenserinnerungen des Weimarer Bibliotheksdieners Christoph Sachse von 1822 sowie der Brief eines anonymen Zeitzeugen der Festlichkeiten (beide in [7]).
Die Zerstörung

Fast genau ein Jahr nach dem Fürstentag im Juli 1792 war das Lustschloss Favorite – Orangerie und Pavillons, die Rabatten mit ihrem reichhaltigen Figurenschmuck, die Wasserspiele, das Gartenhaus sowie die Rosskastanienalleen – komplett zerstört. Ironischerweise war genau dieser Fürstentag die Ursache für die Zerstörung der Favorite. Die in Mainz zwischen Kaiser Franz II. und König Friedrich Wilhelm II. abgesprochene Vorgehensweise der Koalitionstruppen, denen auch der letzte Mainzer Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal angehörte, führte zum Ersten Koalitionskrieg. Nach dem Vordringen der preußischen und österreichischen Truppen unter Führung des Herzogs von Braunschweig kam es am 20. September 1792 zu der Kanonade von Valmy. Diese endete mit einer Niederlage der Koalitionstruppen. Die französische Revolutionsarmee ging zum Gegenangriff über, drang unter General Custine Ende September in die Pfalz ein und besetzte am 21. Oktober 1792 Mainz.
Mitte April 1793 wurde die mittlerweile französische Stadt und Festung Mainz bei dem Gegenstoß der preußischen und österreichischen Koalitionstruppen eingeschlossen. Durch die kriegsbedingte Planierung des Vorfeldes der Festungsmauern kam es zu ersten Zerstörungen der Favorite; so wurden unter anderem die hölzernen Kavalierpavillons abgerissen und Bäume gefällt. Nach gescheiterten Übergabeverhandlungen begann in der Nacht zum 17. Juni 1793 das Bombardement der belagerten Stadt, die der Augenzeuge Johann Wolfgang von Goethe in seinem Werk Die Belagerung von Mainz literarisch festhielt. Bei der knapp vierwöchigen Dauer des Bombardements wurde die gesamte Anlage, welche direkt in der Frontlinie lag, vollständig zerstört. Nicht nur das Lustschloss Favorite wurde bei der Belagerung von Mainz zerstört, auch die Liebfrauen- und die Jesuitenkirche, die Dompropstei und viele Bürgerhäuser und Adelspaläste waren für immer verloren.
Goethe besuchte nach der Einnahme von Mainz am 23. Juli 1793 die zerstörte Favorite und schrieb über seine Eindrücke:
„Bei unserem folgenden Hin- und Herwandern wußten wir den Platz, wo die Favorite gestanden, kaum zu unterscheiden. Im August vorigen Jahres erhub sich hier noch ein prächtiger Gartensaal; Terrassen, Orangerie, Springwerke machten diesen unmittelbar am Rhein liegenden Lustort höchst vergnüglich. Hier grünten die Alleen, in welchen, wie der Gärtner mir erzählte, sein gnädigster Kurfürst die höchsten Häupter mit allem Gefolge an unübersehbaren Tafeln bewirtet; und was der gute alte Mann nicht alles von demastenen Gedecken, Silberzeug und Geschirr erzählen kann. Geknüpft an jene Erinnerung machte die Gegenwart nur noch einen unerträglichen Eindruck.“ [8]
Nach der Favorite: „Wüstenei“, Richtplatz und die „Neue Anlage“
Das Gelände des Lustschlosses Favorite war für die nächsten 26 Jahre verwüstet. Vorhandenes Baumaterial, welches wieder verwendet werden konnte, wurde für den Festungsbau in Kastel benutzt. 1797 bezeichnet ein lokaler Geschichtsschreiber die Gegend als „Wüstenei“. 1798 feierte die französische Administration ein „Fest des Ackerbaus“ auf dem Gelände der zerstörten Favorite; ein Ort, der mit ziemlicher Sicherheit auch politisch-ideologisch motiviert ausgewählt wurde. Dieses Fest war ein Teil der verschiedenen „Nationalfeste“, die im französischen Mayence der nachrevolutionären Zeit zelebriert wurden. Außerdem wurde das Gelände von der französischen Justiz als Richtplatz verwendet. Prominentester Delinquent war 1803 Johannes Bückler alias Schinderhannes, der hier mit seinen Bandenmitgliedern auf dem Gelände der ehemaligen Favorite mit der Guillotine hingerichtet wurde.

Erst nach dem Ende der französischen Herrschaft 1814 und dem Anschluss von Mainz an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt am 30. Juni 1816 wurde dem Gelände der ehemaligen kurfürstlichen Favorite wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. 1816 wurde es der Stadt Mainz übergeben mit der Auflage, dort einen „Volksgarten“ zu errichten. Der in Versailles ausgebildete Mainzer Landschaftsarchitekt Peter Wolf entwarf für das Gelände eine so genannte Neue Anlage im typischen Stil eines englischen Landschaftsparks. Dieser wurde zwischen 1820 und 1825 gebaut. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verwilderte allerdings die Anlage. Die Gebrüder Siesmayer, bekannte Frankfurter Gartenarchitekten, wurden deshalb 1888 mit der Neugestaltung beauftragt. Der heutige Stadtpark trägt im Wesentlichen ihre gestalterische Handschrift.
Heute sichtbare Überreste

Von der ganzen Anlage des Lustschlosses Favorite sind heute lediglich zwei Statuen erhalten:
Die gut erhaltene rote Sandsteinfigur eines Herkules wurde 1861 bei Bauarbeiten zur Hessischen Ludwigsbahn gefunden und von den Gebrüdern Siesmeyer im späteren Stadtpark ausgestellt. Dort befindet sich auch der unter gleichen Umständen gefundene Torso eines Flussgottes (Rhenus?), der vielleicht figürlicher Bestandteil der großen Wasserkaskade vor der Orangerie war.
Profanere Überreste des ehemaligen Lustschlosses sind die Straßenbezeichnung „An der Favorite“ und ein gleichnamiges Hotel im Stadtpark.
Lustschloss oder Barockgarten?
In der Literatur wird in der Regel der Begriff Lustschloss Favorite als Gesamtbezeichnung für die Gesamtanlage verwendet. Lustschlösser entstanden aus der mittelalteralterlichen Hofhaltung heraus und sollten den Fürsten des Barock und Rokoko als intime und luxuriöse Rückzugsrefugien abseits des aufwändigen Hofzeremoniells dienen. Ein wichtiges Merkmal der Lustschlösser war insbesondere der das Schloss umgebende Gartenpark.
Vergleicht man die Gewichtung von Gebäude und Parkanlagen bei der Anlage des Lustschlosses Favorite, so fällt die im Gegensatz zur prachtvollen Gartengestaltung vergleichsweise bescheidene Gebäudegröße und –ausführung auf. Das kleine Rheinschlösschen bestand im Wesentlichen bereits vor dem Baubeginn der Favorite, das als eigentliches Lustschlösschen geplante zentrale Gebäude wurde in eine Orangerie umgewidmet, die kaum dem eigentlichen Bauziel entsprochen haben dürfte. Die Gebäudedekoration mittels Scheinarchitektur und Freskenmalerei steht ebenfalls im Gegensatz zu Schönborns Bauverständnis. Diese Diskepranz fiel auch immer wieder Besuchern der Favorite auf, die, wie z. B. 1705 der englische Reisende Blainville, von eher „mittelmäßigen Gebäuden“ sprachen, die Gartenanlagen allerdings sehr lobten. Deshalb müsste man bei den fehlenden beziehungsweise eher unzulänglichen Baulichkeiten eigentlich von einem Barockgarten Favorite sprechen, dessen Gebäude eher nachgeordneter und weniger bedeutender Natur waren.
Für die Beibehaltung der Einordnung der Anlage als Lustschloss mit Schwerpunkt bei den umgebenden Gartenanlagen sprechen allerdings zwei Fakten:
So konnte Lothar Franz von Schönborn während seiner Zeit als Kurfürst auf das Kurfürstliche Schloss als Hauptresidenz und als repräsentativen Ort für Hofzeremonielle und Staatsgeschäfte zurückgreifen. Dies war ein Bauwerk im Stil der Deutschen Renaissance, an dem seit 1627 immer wieder gebaut wurde und das auch zu Schönborns Zeit nicht komplett fertig gestellt war. Es ist zwar bekannt, dass Schönborn das Kurfürstliche Schloss als zu altmodisch für sein Kunstempfinden ablehnte, benutzt haben dürfte er es jedoch auf jeden Fall. Somit kam dem Lustschloss Favorite vor den Toren der Stadt die klassische Rolle des intimen Rückzugsortes und der Sommerresidenz mit deutlichem Schwerpunkt bei den Gartenanlagen und Wasserspielen zu.
Nach Hennebo und Hoffmann ist die Stellung des dominierenden Hauptgebäudes in den Anlagen des Hochbarocks gerade in Deutschland höchst uneinheitlich. Unter anderem wird hier die Unterordnung des Hauptgebäudes im Gesamtplan, die Delegierung gewisser Funktionen an Orangerie-, Fest- oder Gartengebäude genannt; etwas, was in genau dieser Form bei der Favorite ebenfalls zu finden war. Auch ein „Ersatz“ von aufwändigen Gebäudemassen durch zierlichere Heckenbosquets aufgrund beengter Platzverhältnisse wird genannt und ist neben Mainz auch z.B. in den Herrenhäuser Gärten oder sogar im Belvederegarten zu Wien zu finden [9].
Einordnung der Favorite in die zeitgenössische Gartenarchitektur
Das Lustschloss Favorite gilt neben seinem Vorbild Marly-le-Roi als erstes und richtungweisendes Beispiel für den Übergang vom formalen, französisch geprägten Barockgarten zu aufgelockerten Gestaltungsstrukturen mit parallel angelegten Einzelgartenanlagen. Ihre Weiterentwicklung und Vollendung sollte diese Entwicklungsrichtung der Gartenarchitektur im Sanssouci Friedrichs des Großen finden. Somit war die Favorite, welche die aus Frankreich, Wien und Italien kommenden Impulse der neuen Gartengestaltung aufgenommen und mit deutschen Gestaltungselementen des Barock belebt hatte, Vorbild für weitere, später einzuordnende Barock- und Rokokogärten.
Obwohl man sich bei der Planung des Lustschlosses samt Anlagen an dem französische Vorbild orientierte, zeichneten die Favorite doch einige Besonderheiten aus, welche teilweise die zukünftige Gestaltungsmode in der Gartenarchitektur prägte. So war die Einteilung der Gesamtanlage in drei parallel nebeneinander und zum Rhein hin ausgerichteten Gartenanlagen fast revolutionär in der damaligen Gartenarchitektur. Jede der Anlagen wies andere gestalterische Schwerpunkte auf, die trotzdem mit der Gesamtanlage harmonierten. Hennebo und Hoffmann sprechen hier folgerichtig von einer „…zunehmend stärkeren Tendenz nach Auflösung der zwingenden, einheitlichen Achsenstruktur des Barockgartens, nach Durchbrechung seines Subordinations- und Einheitsgedankens …“ [10].
Auch die Sichtachsenführung, teils parallel zum Rhein, teils zum Rhein hinweisend, war zu damaliger Zeit neu. Marie Luise Gothein nennt dies eine dreifache Achsenentfaltung und bezeichnet die Favorite als den bedeutendsten der zahlreichen Gärten von Lothar Franz von Schönborn [11].
Ebenfalls außergewöhnlich war die Einbindung der Flüsse Rhein und Main (und somit der umgebenden Natur) in das gestalterische Gesamtkonzept. An anderer Stelle wurde ja schon von der Vorliebe Schönborns für aufwändige Wasserspiele berichtet. Seine Architekten konzipierten die erste und zweite Gartenanlage deshalb so, dass die Sichtachsen, geführt von kaskadierenden Wasserspielen hin zum Rhein und zu der direkt gegenüberliegenden Mainmündung wiesen. Dem Rhein kam somit die Funktion eines abschließenden natürlichen Wasserkanals direkt am unteren Ende der Parterre zu [12] während der Main eine, wenn auch indirekte, Weiterführung der durch die Wasserläufe in der Anlage gebildeten Achse bedeutete.
Quellen
- ↑ Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock. S. 262
- ↑ Die umfangreiche Privatkorrespondenz des Kurfürsten ist erhalten geblieben und befindet sich heute als Korrespondenzarchiv im Staatsarchiv Würzburg
- ↑ Heinrich Wohte (Hrsg.): Mainz – Ein Heimatbuch. Band II, S. 182
- ↑ nach Velke: Rheinische Chronik. Mainz 1894, zitiert in Rudolf Busch: Das Kurmainzer Lustschloss Favorite.
- ↑ In der Literatur (z.B. Busch: Das Kurmainzer Lustschloss Favorite) finden sich allerdings auch Hinweise auf ein eingeschossiges Gebäude mit einem Souterrainbau. Zeitgenössische Ansichten der Rheinfront lassen eher auf ein zweigeschossiges Gebäude schließen, Kleiners Wiedergabe der Gartenfront des „Garten-Gebäudes“ allerdings auf ein eingeschossiges Gebäude mit hoch aufgehendem Souterrain.
- ↑ Wolfgang Balzer: Mainz : Persönlichkeiten der Stadtgeschichte; Band 3, S. 180, Kapitel: Anselm Franz von Ritter zu Groenesteyn
- ↑ Mainzer Almanach (1961). Beitrag Helmut Pressler: „Ein deutscher Gil Blas in der Mainzer Favorite“. S. 112–114 und Beitrag Carl Strigler, S.162–166
- ↑ zitiert nach: Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): Mainz – Die Geschichte der Stadt. Beitrag Helmut Mathy: Die Residenz in Barock und Aufklärung (1648–1792), S. 313
- ↑ Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock, S. 159
- ↑ Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock, S. 262 ff.
- ↑ Marie Luise Gothein: Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart, S. 230
- ↑ Marie Luise Gothein: „Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart, S. 230
Literatur
- Rudolf Busch:Das Kurmainzer Lustschloss Favorite. Sonderdruck: Rheinisches Kulturinstitut, 1951. Aus: Mainzer Zeitschrift, 44/45, 1949/50.
- Paul-Georg Custodis (Bearb.): Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite: Sonderausstellung Stadthistorisches Museum Mainz, 1. August bis 12. September 2004, Mainz, 2004
- Norbert Schindler:Die Favorite zu Mainz und die neue Anlage. In: Das Gartenamt. 9/1962. S. 240–245
- Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten – Renaissance und Barock. Broschek Verlag, Hamburg 1965
- Marie Luise Gothein:Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart. Verlag Eugen Diederichs, Jena 1926; Nachdruck Verlag Georg Olms Hildesheim 1988. ISBN 3-487-09091-0
- Uta Hasekamp: Die Schlösser und Gärten des Lothar Franz von Schönborn: das Stichwerk nach Salomon Kleiner (Grüne Reihe, 24). Wernersche Verlagsanstalt, Worms 2005. ISBN 3-88462-192-0
- Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): Mainz – Die Geschichte der Stadt. von Zabern, Mainz 1999 (2.Aufl.). ISBN 3-805-32000-0
- Heinrich Wohte (Hrsg.): Mainz – Ein Heimatbuch. Verlag Johann Falk Söhne, Mainz 1928
Weblinks
- regionet rheinhessen – Die Favorite in Mainz
- Festung Mainz – Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite
- Beitrag Allgemeine Zeitung Mainz – Serie Gartenkunst: Teil 1 – „Grünende Zeugnisse der Stadtgeschichte“