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Hexe

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Eine Hexe war im Volksglauben eine mit Zauberkräften ausgestattete, meist weibliche, unheilbringende Person, die im Rahmen der Christianisierung häufig mit Dämonen oder dem Teufel im Bunde geglaubt wurde. Er ist ein Sammelbegriff der viele Ausrichtungen wie zum Beispiel Incantata (Beschwörende), Bacularia (Besenreiterin), Herberia (Kräuterfrau), Strix (Eule) u.v.m zusammenfasst.

Zur Zeit des Hexenwahns wurde Hexe als Fremdbezeichnung auf Frauen und Männer angewandt, deren aus unterschiedlichen Motiven gewünschte Verfolgung legitimiert werden sollte.

Hexentanzplatz in Trier (Flugblatt, 1594)
Hexenszene (um 1700)
Verbrennung einer Hexe in Willisau (Schweiz), 1447

Methodik und Quellen der Hexenforschung

In die Vorstellungen zur Hexe sind Elemente unterschiedlicher Herkunft eingeflossen, dies führt im Allgemeinen zu einer Konfusion, da diese verschiedenen Strömungen nicht getrennt werden, sondern auch rückwirkend in ein Hexenbild projiziert werden.

  • Zunächst kann die Etymologie des Wortes untersucht werden - hier erhält man Informationen über die Vorstellungen zu einer Zeit, als die etymologische Motivation noch lebendig war - grob geschätzt bis spätestens 1000 n. Chr. Diese Erkenntnis darf auch maximal für das Westgermanische verwendet werden. Zudem können andere Hexenbezeichnungen in den jeweiligen Sprachen und jeweiligem Kontext analysiert und dann zu einem Vergleich herangezogen werden.
  • Eine zweite Strömung entstammt Märchen und Sagen. Hier finden sich aber auch andere Figuren, die in gleichem Sujet die Rolle der Hexe einnehmen können, wie Riese, Menschenfresser oder Drache. Es ist bemerkenswert, dass viele Sujets europaweit oder darüber hinaus verbreitet sind - allerdings immer mit den jeweils regionaltypischen Entsprechungen von Hexe oder Menschenfresser. Märchen und Sagen wurden zudem erst spät aufgezeichnet - sie sind also bereits beeinflusst von den neuzeitlichen Hexenvorstellungen und Hexenprozessen.
  • Drittens gibt es Informationen über den Glauben an Zauberei und die Bestrafung von Zauberinnen aus der Bibel, also aus dem Nahen Osten. Die Vorstellungen gelten also wieder nur für eine Region und für die Begriffe in der jeweiligen Sprache.
  • Viertens liegen Dokumente zum Hexenglauben aus Mittelalter und Neuzeit vor, einschließlich der Akten zu den Hexenprozessen. Diese sind vom Volksglauben der jeweiligen Region, aber auch der biblischen Tradition beeinflusst. Es ist darauf zu achten, dass die frühen Dokumente nicht deutsch, bzw. in der jeweiligen Volkssprache, verfasst waren. Es ist daher immer riskant die lateinischen Begriffe malefica u.a. mit deutsch Hexe zu übersetzen - wo doch Übeltäter wesentlich neutraler wäre.

Etymologie

Die Wurzeln des deutschen Wortes Hexe finden sich nur im westgermanischen Sprachraum: mittelhochdeutsch Hecse, Hesse, althochdeutsch Hagzissa, Hagazussa, mittelniederländisch Haghetisse, altenglisch Haegtesse: (gespenstisches Wesen) – im modernen Englisch verkürzt zu hag. Die genaue Wortbedeutung ist ungeklärt; der erste Bestandteil von hagazussa ist wahrscheinlich althochdeutsch Hag (Zaun, Hecke, Gehege), vgl. Hagen (Flurname), der zweite ist möglicherweise mit germanisch/norwegisch tysja (Elfe, böser/guter Geist) und litauisch dvasia Geist, Seele verwandt, also vermutlich ein auf Hecken oder Grenzen befindlicher Geist.

Aus dieser Sicht steht kein Zweifel an der Zugehörigkeit des Begriffs zur Religion. Allerdings ist zu bezweifeln, dass der Begriff Hexe (bzw. dessen Vorgänger) vor der Christianisierung eine Bezeichnung für kultisch tätige Personen war. Eher hat man niedere mythische Wesen oder ggf. eine Göttin des alten Glaubens in Betracht zu ziehen.

Metaphorisch ließe sich der Begriff somit als Beschreibung einer Wesenheit begreifen, die mit einem Bein im Reich der Lebenden, mit dem anderen im Reich der Toten weilt. Es gibt auch die Varianten, dass der profane und der heilige Bereich hier einander gegenüber stehen und somit die Grenze bilden, oder das Diesseits und das Jenseits.

Walter W. Skeats etymologisches Wörterbuch leitet das englische witch (Hexe) ab aus altenglisch wicche, angelsächsisch wicca (mask.) oder wicce (fem.): einer verderbten Form von witga der Kurzform von witega (Seher, Wahrsager), das seinerseits von angelsächsisch witan (sehen, wissen) herrührt. Entsprechend entwickelt isländisch vitki (Hexe) aus vita (wissen) oder vizkr (Kluger, Wissender). Wizard (Zauberer) stammt von normannisch-französisch wischard, altfranzösisch guiscart (der Scharfsinnige). Die englischen Wörter wit (Witz) und wisdom (Weisheit) stammen aus der gleichen Wurzel.

Herkunft des Hexenglaubens

Der Hexenglauben ist ein paneuropäischer Aberglaube (Volksglaube), dessen Wurzeln im heidnischen Götterglauben liegen. Diese weitgehende Übereinstimmung fällt nicht ins Auge, weil die Bezeichnungen regional unterschiedlich sind. So ist im postkeltischen Kulturkreis von Feen (Morgane etc.) die Rede, die gut und böse sein konnten, in Irland zweigesichtig dargestellt wurden. Im postgermanischen Raum steht der Begriff Elfe primär für ein gutes Wesen, während es ansonsten eher (wohl als Folge christlicher Indoktrination) die böse Hexe gibt. Weder Fee noch Elfe wurden auf Menschen angewendet und somit auch nicht Gegenstand der Hexenverfolgung. Sie behielten ihren Charakter als mythische Wesen.

Das märchenhafte Stereotyp der Hexe, nämlich einer alten Frau, die auf einem Besen reitet – hinzu kommt oft die Begleitung durch einen schwarzen Vogel (der Rabe Odins) oder eine Katze – leitet sich von der Vorstellung eines Wesens ab, das sich in Hecken oder eher in Hainen aufhält oder auf Grenzen reitet. Vermutlich ist das Stereotyp als solcher relativ neu und Illustrationen in deutschen Märchenbüchern geschuldet, denn genaue Entsprechungen (außer der Fähigkeit zu fliegen) fehlen vielerorts in benachbarten Ländern. Aus der Zaunstange, meist gegabelte Äste, wurde in der bildlichen Darstellung der Hexenbesen. Diese Version unterlag jedoch bereits christlicher Einflussnahme. Für das Bild von der Zaunreiterin gibt es verschiedene Erklärungen: Es könnte sich einmal um eine Art archaischer (Wald)-Priesterinnen gehandelt haben, andererseits wird auch ein abstraktes Bild bemüht: Wesen, die auf Zäunen sitzen, befinden sich auf einer Grenze von kultiviertem Raum zur unkultivierten Natur. Zudem, wie auch im Fall der Hexe, könnte es ein geisthaftes Wesen genannt haben.

Wenn die Hecke, vielleicht mit dem Bannkreis, der vorchristliche Kultorte umgab und eine Trennlinie zwischen der diesseitigen Welt und der jenseitigen Welt darstellt, identifiziert werden kann, so ist die Hexe eine Person, die zwischen beiden Welten vermitteln kann - somit divinatorische, aber auch heilende Fähigkeiten und hohes Wissen besitzt, und damit die Eigenschaften der vorchristlichen Kultträger.

Der Begriff Hexe ist ein Sammelbegriff, der viele Ausrichtungen wie zum Beispiel Incantata (Beschwörende), Bacularia (Besenreiterin), Herberia (Kräuterfrau), Strix (Eule) und vieles mehr zusammenfasst. Von je her sind die Bedeutungen Heilerin, Hebamme, Orakelsprechende, Zaubersprechende, Kräuterfrau, (Hell-)Seherin und weitere in der Bezeichnung Hexe eingeschlossen – alles Attribute, die auch der nordischen Freya, der irischen Brigid und anderen archaischen Göttinnen zugeordnet wurden.

Eine mögliche Herkunft des Archetypus 'Hexe' ist, wenn die Etymologier des englischen witch stimmt, eine Frau mit okkultem oder Naturheilwissen, die unter Umständen einer Priesterkaste angehörte. Dies ist eine Übertragung der Fähigkeiten (Heilen, Zaubern, Wahrsagen) der Göttin Freya und vergleichbarer Göttinnen in anderen Regionen auf ihre Priesterinnen, die im frühchristlichen Umfeld noch lange in der gewohnten Weise agierten. Mit dem Vordringen des Christentums wurden die heidnischen Lehren und ihre Anhänger dämonisiert.

Siehe hierzu auch Hexenlehre.

Der Begriff des Hexenglaubens ist im Übrigen doppeldeutig. Er bezeichnet nicht nur die Überzeugung von der realen und bedrohlichen Existenz der Hexen, wie er im Volksglauben verwurzelt war und sich als Reaktion der Obrigkeit zum Hexenwahn steigern konnte. Daneben kann er heute die (naturreligiösen) Überzeugungen der sich selbst so bezeichnenden, an prächristliche Vorstellungen anknüpfenden Hexen beiderlei Geschlechts bezeichnen.

Hexenverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Allgemeines

Titelseite des „Malleus maleficarum”, Lyon 1669

Verfolgungen von der bösen Zauberei verdächtigen Personen gab es in fast allen Kulturkreisen. Mit Hexenverfolgung als historischem Begriff bezeichnet man allerdings die Periode der legalen Hexenverfolgung bzw. der Hexenprozesse in Europa vom 15. bis ins 19. Jahrhundert (Letzte Hexenverurteilung in diesem Zusammenhang ca. 1888 in Salem/USA). Der Großteil der Hexenverfolgungen liegt entgegen der landläufigen Ansicht nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit, 1450-1750. Obwohl es davor vereinzelte Forderungen der Bevölkerung nach Hexenprozessen gab, wurden sie von den Obrigkeiten nicht verhandelt. Die treibende Kraft, die Inquisition, richtete sich gegen Glaubensabweichler (Häretiker), nicht gegen "Hexen". Die staatliche spanische Inquisition lehnte ausdrücklich Hexenverfolgung ab.

Etymologie

Der Begriff Hexereye taucht erstmals 1419 in einem Prozess gegen einen Mann im schweizerischen Luzern auf. Allerdings ist schon 1402/03 in einem Rechnungsbuch aus Schaffhausen von einem hegsen brand, also einer Hexenverbrennung, die Rede. Das Standardwerk der Hexenjäger Malleus Maleficarum des Dominikaners Heinrich Kramer, gen. Institoris nennt die Hexen maleficae [Pl.] anstelle des männlichen Äquivalents malefici [Pl.] ursprünglich „Übeltäter“, erst später „Zauberer“.

Antike Wurzeln

In der Bibel wird Zauberei mit Todesstrafe bedroht. Besonders die Stelle Ex 22,17 - die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen - diente den Verfolgern der Hexen später immer wieder als Rechtfertigung. Auch im antiken römischen Recht stand die Schadenszauberei unter Strafe.

Auch in vielen antiken heidnischen Kulten gab es bereits das Bild der Schadenszauberin und Kräuterkundigen Zauberin. Beispiele dafür sind die mythologischen Gestalten Kirke und Medea. Beides mächtige Zauberinnen, mit enormen Kräuterwissen und verschiedenen magischen Fähigkeiten, die sie einsetzen um zu helfen und auch um zu schaden. Vor allem die antike Göttin Hekate war stark mit dem antiken Hexenglauben verbunden. Ursprünglich wurde sie als eine gütige und wohltätige Göttin angesehen, doch ab dem 5. Jahrhundert vor Christus wurde sie zur Schirmherrin aller magischen Künste. Man glaubte, sie würde die Zauberrinnen anführen und von ihr würden sie ihre Künste erlernen. Die Hexenbilder des antiken Griechenlandes erinnern stark an die Hexenbilder, die im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit entstanden (Fähigkeit der Verwandlung, das Verhängen von Zaubern, Hexenflug, Kräuterwissen, Menschenopfer und Leichenmissbrauch).

Kirchenlehre

  • In der spätantiken und frühmittelalterlichen Kirche gab es zwei konkurrierende Ansichten zur Hexerei. Augustinus von Hippo schloss von der physikalischen Unmöglichkeit des Zauberns auf eine implizite Einladung des Teufels zur Bewerkstelligung der sonst unmöglichen Aufgabe. Diese semiotische Auffassung der Hexerei trat aber zunächst in den Hintergrund zugunsten einer Auffassung, die sich aus den Regelungen der Kirchenväter zum Umgang mit Frauen ableitete, die glaubten mit Diana des nachts auszufahren: Diese Frauen, so heißt es dort, seien mit Nachsicht zu behandeln, denn da das, was sie zu tun glaubten, physikalisch unmöglich sei, basiere es auf Einbildung. Ebenso sind die Regelungen Karls des Großen gegenüber den Sachsen zu verstehen.
  • Später wurde die Lehre vom Teufelspakt entwickelt. Obwohl noch fast 1000 Jahre bis zur organisierten Verfolgung vergingen, ist dies eine der Grundlagen, die zur Hexenverfolgung führten.
  • Im weiteren Verlauf des 15. Jahrhundert festigte sich das Bild der Hexen als Hexensekte oder -kult mit Zusammenkünften und Riten, die auf die Übernahme der Weltherrschaft führen sollte (J. Baptier u.a.). Dies führte später zusammen mit der Folter als Verhörmethode zu der explosionsartigen Ausbreitung der Beschuldigungen. Das Zeitalter der legalen Hexenverfolgungen hatte begonnen.

Rechtliche Gründe und ihre Folgen

  1. Den Prozessen lag die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. zugrunde. Gegenüber der mittelalterlichen Rechtspraxis bedeutete dies einen Fortschritt, da die Anwendung der Folter streng reglementiert war und auf Gottesurteile verzichtet wurde. Der scheinbar definitive Beweis der Schuld wurde durch ein Geständnis des Angeklagten erbracht, welches ohne Folter wiederholt werden musste.
  2. Diese wurde jedoch schon bald durch den 1484 erschienenen Malleus maleficarum, den Hexenhammer, ersetzt. Verfasser war Heinrich Kramer (eine zwielichtige Person, bekannt für gefälschte Ablässe und Diebstahl von Kirchensilber), der die damaligen Vorstellungen von Hexen zusammenfasst und mit Dutzenden von Kirchenvätern belegt. In dem dritten Teil seines Werkes gibt er Empfehlungen zu dem Gerichtsverfahren.
  3. Dort definiert der Hexenhammer die Begriffe "Unterbrechung" und "Fortführung" der Folter, falls der Angeklagte das Geständnis widerrief. Damit war dieser relative Fortschritt in der Gerichtsbarkeit leider bereits ad absurdum geführt.
  4. Auch der Verzicht auf Gottesurteile wurde durch die sogenannten Hexenproben aufgehoben, am bekanntesten die Wasserprobe und der Kesselfang (die es auch noch als Gottesurteile gab), sowie als neue Elemente die Wiegeprobe, das Stechen von Muttermalen ("Hexenmalen"), das Vorlesen lassen von Jesu Leidensweg etc.
  5. Ein weiteres wichtiges Element war der Denunziantenprozeß. Denunzianten mussten dem Beklagten nicht offen gelegt werden, was für den "Erfolg" der Hexenprozesse von großer Bedeutung war; es wurden in der Praxis ebenfalls Appelle an weitere Zeugen der Verbrechen gerichtet, so dass dem ersten Denunzianten weitere folgten. Im Falle einer Verurteilung erhielt der Denunziant 1/3 des Vermögens, jedoch mindestens 2 Gulden.
  6. Die Erzwingung des Geständnisses unter Folter war neben dem Denunziantenprozeß ein weiteres wichtiges: da die Angeklagten ihre Reue zeigen sollten, indem sie ihre Mitverschwörer verrieten, zog ein Hexenprozess etliche andere in einer Welle nach sich. Es gibt Hinweise darauf, dass beispielsweise in deutschen Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts gezielt Adlige in die Verfolgung einbezogen wurden, in der vergeblichen Hoffnung, den Prozesswellen dadurch ein Ende zu machen.
  7. Spätere Verfolgungswellen (im 17. Jahrhundert) gingen fast ausschließlich auf Beschuldigungen durch Kinder zurück (so z.B. auch in Salem).

Opfer der Verfolgung

  • Betroffen waren nicht nur Frauen. Obgleich diese insgesamt die Mehrheit (75 %) der Verfolgten bildeten, gab es Abweichungen in Regionen, wo das Bild des Zauberers traditionell männlich besetzt war. In Island waren beispielsweise 80% der verfolgten Hexen Männer. Diese Männer wurden als mit einem speziellen Gürtel, der sie in Tiere (Werwölfe) verwandelte, ausgestattete Wesen beschrieben.
  • Hebammen wurden immer schnell verdächtigt. Laut Hexenhammer kamen sie mit den unreinen Säften in Berührung, was sie anfällig für Dämonen machte. Außerdem oblag ihnen die Pflicht, totgeborene Kinder zu begraben, was laut den damaligen Gelehrtenvorstellungen ein weiteres Indiz war: Hexen waren bekannt dafür, Kinder zu opfern.
  • alte Frauen
  • alleinlebende Frauen
  • Leute, die fremd erschienen

Es gab sicher auch Gründe, die Hexenprozesse für persönliche Ziele zu missbrauchen. So machten die Hebammen den Ärzten Konkurrenz, alleinlebende alte Menschen fielen der Gemeinde zur Last und reiche Nachbarn erregten Neid und Missgunst (vgl. Denunziantenprozess). Die Initiative dazu entsprang wahrscheinlich oft nur der Suche nach einem Sündenbock, nach einer Erklärung für Schicksalsschläge als Alternative zu "Gott will es so", die das einfache Volk nicht verstand. Auch reale Gründe für die Ängste spielen eine Rolle: die größte Welle der Hexenprozesse Ende des 16. Jahrhunderts fällt mit der so genannten kleinen Eiszeit zusammen. Auch das durch die kaltfeuchte Witterung begünstigte Auftreten von Mutterkorn könnte mit seinen unerklärlichen Krankheiten und Todesfällen Teilursache gewesen sein.

Niedergang der Prozesse

Das Ende der europäischen Hexenverfolgung begann mit juristischen Erwägungen, wie sie von dem Jesuiten Friedrich von Spee in seinem einflussreichen Werk Cautio Criminalis (Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse) formuliert wurden. Er war als Beichtvater für die verurteilten Hexen bestellt und gewann im Laufe seiner Arbeit Zweifel über die Hexenprozesse als Mittel, Schuldige zu finden. Aus Angst vor der kirchlichen Obrigkeit veröffentlichte er es jedoch anonym. Der Prozeß des Umdenkens vollendete sich in den Zeiten der Aufklärung. Mit dem Abwenden der Rechtspraxis vom Eid und Gottesurteil hin zur Beweisbarkeit führte die Nichtbeweisbarkeit von übernatürlich entstandenem Schaden dazu, dass den Hexerei-Beschuldigungen nicht mehr nachgegangen wird, obwohl Teile der Bevölkerung dies lange weiterhin forderten.

Letzte Hexenprozesse

Am 4. April 1775 wurde im Stift Kempten im Allgäu Anna Schwegelin wegen erwiesener Teufelsbuhlschaft als letzte Hexe in Deutschland der Prozess gemacht. Das Urteil des Fürstabt Honorius von Schreckenstein, dem kraft kaiserlichen Privilegs (Campidona sola judicat…) die geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit zustand, wurde aber aus unbekanntem Grunde nicht vollstreckt.

Noch später, nämlich 1782, wurde als letzte Hexe der Schweiz Anna Göldi hingerichtet. Diesen Prozessen begegnete man in der aufgeklärten Öffentlichkeit Europas allerdings bereits mit Abscheu.

Aus Wien in Österreich ist nur eine Hexen-Hinrichtung bekannt. Else Plainacher aus der Stadt Mank in Niederösterreich, verbrannte 1583 auf dem Scheiterhaufen, weil ihr Kind epileptische Anfälle hatte und diese als Teufelsbesessenheit interpretiert wurden. [1]

Ebenfalls in Österreich, in Gmünd in Kärnten, wurde 1653 der Wettermacher von Matzelsdorf wegen Wettermacherei hingerichtet.

Opfer

Die Opferzahlen sind schwer einzuschätzen, da ein Großteil der Prozessakten verloren ging. Hinzu kommt, dass die demografischen Angaben für diese Zeit nicht eindeutig sind, Seuchen und Kriege hatten den größten negativen Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung. Gingen frühere Schätzungen noch von 9 Millionen Opfern aus, so geht man heute für den Zeitraum der frühen Neuzeit von Zahlen für ganz Europa von einigen zehntausenden Opfern aus.

Rechtfertigung der Kirche

Die weltweit einzige offizielle Erklärung einer Kirche zur Hexenverfolgung wurde 1997 von der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern veröffentlicht. Der Text dieser Stellungnahme ist im Internet zu finden auf der Webseite http://www.anton-praetorius.de (Menüpunkt Arbeitskreis Hexenprozesse, 3. Kirchliche Stellungnahme aus Bayern). Die deutschen Dominikaner haben explizit die Fehler ihrer Vorgänger bei der Hexenverfolgung benannt; vgl. dazu "Dominikaner und Inquisition heute" unter Inquisition . Ferner hat Papst Johannes Paul II. in seiner Schulderklärung zum Jahr 2000, dem "Mea culpa", alle mit eingeschlossen, denen von Seite der Kirche Unrecht angetan wurde; die Hexen sind hier mitzudenken.

Marienwahn

Im Anschluß an die Hexenverfolgungen etablierte sich in der katholischen Kirche eine übersteigerte Verehrung der Gottesmutter Maria, in theologischer Literatur oft als Marienwahn bezeichnet. Dies könnte als Antwort auf den Hexenwahn verstanden werden, in welchem die Frau abgewertet und erniedrigt wurde. Statt auf der sündigen Eva liegt das Augenmerk nun auf der reinen Maria.

Moderne Hexenverfolgung

Das Thema Hexen ist im Sinne von Personen, die Schadenszauber ausführen, in vielen Ländern und Kulturen, z. B. in Lateinamerika, Südostasien und vor allem in Afrika, heute noch hochaktuell. Seit 1960 sind vermutlich mehr Menschen wegen Hexerei hingerichtet oder umgebracht worden als während der gesamten europäischen Verfolgungsperiode. Allein im ostafrikanischen Land Tansania sind, besonders unter Staatspräsident Julius Kambarage Nyerere, zwischen 10.000 und 15.000 Menschen getötet worden. Hexereivorstellungen und Hexenverfolgungen sind somit nach wie vor in vielen Teilen der Welt endemisch, z. B. auch in Westafrika, wo noch in den 1970ern Hexen für eine Epidemie verantwortlich gemacht wurden. Anstatt Impfprogramme zu initiieren, ließ die Regierung im Radio Geständnisse alter Frauen verbreiten, dass diese die Gestalt von Waldkäuzen angenommen haben, um die Seelen der kranken Kinder zu stehlen. In einigen Ländern Afrikas – z. B. in Kamerun – ist seit deren Unabhängigkeit eine Gesetzgebung gegen Hexerei wieder eingeführt worden. Dies kann als Versuch eines Prozess der Verrechtlichung von Hexenprozessen gesehen werden, um unkontrollierte Verfolgungen der verdächtigten Personen einzuschränken. Auch in der Amtszeit des südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela sind mehrere Hundert Menschen wegen Hexerei getötet worden.

Politische Benutzungen des Hexenbegriffs

  • 1949: Simone de Beauvoir veröffentlicht "Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau", in dem sie Hexen als den ältesten und abgegriffensten aller Mythen bezeichnet: "das abgegriffene Vokabular der Feuilletonromane, in denen die Frau als Hexe, als Zauberin beschrieben wird, die den Mann anlockt und aussaugt". Sie fährt fort ". . . die verderbte Hexe stellt die Leidenschaft der Pflicht, den gegenwärtigen Augenblick der Einheit der Zeit entgegen, sie hält den Wanderer der Heimat fern, sie breitet vergessen über ihn aus"
  • 1975: Alice Schwarzer in "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen": Feministinnen sind "Mannweiber", "Politfurien" und "Brockenhexen"; außerdem "Ich habe sehr schnell versucht, die Markierung als Hexe vom Dienst zu unterlaufen. Aus politischen Gründen, aber auch aus privaten: Eine solche Häme verletzt trotz allen Wissens um die Motive der Geifernden."
  • Emma Bonino, Feministin und Politikerin, ehemalige EU Kommissarin, Angehörige der Radikalen Partei in Italien, wird von dem Papst als Hexe bezeichnet, nachdem sie das Informationszentrum für Sterilisation und Abtreibung gegründet hat.
  • In den 70er Jahren demonstrieren italienische Frauen gegen das Abtreibungsverbot und laufen mit den Worten "Tremate, tremate, le streghe son' tornate" durch die Straße ("Erzittert, erzittert, die Hexen sind zurückgekehrt"). Silvia Bovenschen [2] ist die früheste Quelle hierfür; in anderen Quellen datiert man es auf die 60er oder 80er Jahre, auch der Universität Padua zu. Als Orte kursieren Rom, Mailand und die Universität von Padua; als Grund wird teilweise auch der Todesfall einer Frau infolge einer Vergewaltigung genannt.
  • 1981 gab es in Kassel in der Walpurgisnacht eine Demonstration von Frauen, die sich ebenfalls als Hexen bezeichneten, um aus einer gefühlten Opferrolle auszubrechen.

Die Identifizierung des Hexenbegriffs mit "Frauenpower" führte schnell zu einer immer festeren Verknüpfung mit dem Feminismus, die daraufhin legitimiert werden musste. Ebenso wie die prähistorische Verehrung von Tierschädeln für eine Glorifizierung der Frau gehalten wurde (-> sieht aus wie ein Uterus mit Eileitern), wurde auch der Hexenbegriff zur Verfälschung archäologischer Funde und Fakten herangezogen: um nicht nur die Wildheit und Kraft der Hexen - die sich auch zerstörerisch äußern kann - zu betonen, wurde immer mehr der Aspekt des Wissens betont, was die Matriarchatsthese festigte. "Hexen" sollen Priesterinnen mit übergroßem Wissen gewesen sein, die noch zur Zeit der Hexenverfolgung existierten. Somit sollen in ihr die letzten Vertreter eines weisen Kultes ausgerottet worden sein.


Dieser scheinbare Kult wird in manchen Teilen der Neo-Hexerei fortgeführt.

Neue Hexen

Eine polyamorische Hochzeits-Zeremonie von Wicca-Anhängern in England (2002)

Der Hexenbegriff im europäisch-amerikanischen Kulturraum hat eine grundlegende Wandlung erfahren. Durch Margaret Alice Murrays Buch Witch-Cult in Western Europe (Hexen-Kult in Westeuropa) wurde der Hexenbegriff 1921 in einem neuen Konzept der Öffentlichkeit nahe gebracht. Mit der Rezeption der frühen Forschung zu den Hexenverfolgungen (u.a. Jules Michelet: La Sorcière) durch die alternative Szene und die Frauenbewegung, insbesondere der Vorstellung, die Hexen seien eigentlich weise Frauen gewesen, die von den Herrschenden verfolgt wurden, bietet der Hexentopos ein weites Spektrum der Identifikation für die Esoterikszene.

Der Begriff Hexe wird hierbei in positiver Weise neu verstanden. Als Hexe bezeichnen sich heutzutage viele Frauen, die sich unter anderem mit Heilkräutern und den alten europäischen Religionen beschäftigen.
Die Celtoi Hexen zum Beispiel beschäftigen sich mit der angeblichen Religion der Kelten.

Zu nennen ist hier vor allem die Wicca-Religion, die sich heute als neue Form (siehe auch Neo-Keltismus) einer heidnischen Naturreligion der Hexen versteht, in den USA viele Anhänger hat und dort als Religion anerkannt ist.

Männliche Hexen

Männliche Hexen bezeichnen sich heute manchmal als "Hexe", auch wenn es ihnen freisteht, sich Hexer, Zauberer oder Hexenmeister zu nennen.

Die weibliche und die männliche Ausprägung entstammen allerdings nicht dem gleichen historischen Ursprung und rufen deswegen auch jeweils andere Assoziationen hervor.

Überlieferungen, Sagen, Märchen

Urbilder der Hexenvorstellung sind die Figuren der Medea und der Circe aus der griechisch-römischen Mythologie. Letztere ist kräuterkundig, kennt Zaubersprüche und kann u. a. Menschen in Tiere verwandeln.

Hänsel und Gretel
Ludwig Richter

Märchen von Hexen finden sich zahlreich in der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Das bekannteste ist wohl das Märchen von Hänsel und Gretel, in dem die Hexe mit allen Merkmalen dargestellt wird, die ihr der Volksglaube angedichtet hat. Dazu gehört insbesondere auch die Bedrohung von Kindern. Unterstützt wurden die beiden von ihrem Bruder Ludwig Grimm, der als Illustrator der ersten Auflage der Hexe ihr typisches Aussehen gab.

Im Harz, wo in der Walpurgisnacht das Treffen der Hexen auf dem Blocksberg vermutet wurde, wird der Hexenglaube als folkloristisches Brauchtum weiter gepflegt.

Im Bereich der schwäbisch-alemannischen Fastnacht wie auch in der tirolischen Fastnacht treten Fastnachtshexen auf, die sich im 20. Jahrhundert vor allem im schwäbisch-alemannischen Raum explosionsartig vermehrt haben. Inwieweit sie sich auf die Hexenverfolgung oder die Märchenhexe zurückführen lassen, ist in der volkskundlichen Forschung nicht ausreichend geklärt. An die früheren Hexenverbrennungen erinnern Bräuche am Fastnachtsdienstag oder Funkensonntag, bei denen Hexenpuppen als Symbol der zu Ende gehenden Fastnacht oder des weichenden Winters verbrannnt werden.

Hexenverbrennung am Funkensonntag bei Herdwangen im oberen Linzgau (Baden-Württemberg)

Die literarischen und filmischen Verarbeitungen des Hexenmotivs sind zahllos und reichen von Shakespeares Macbeth bis etwa zum Blair Witch Project. Das traditionelle (Schreckens-)Bild der Hexe lebt in modernen Märchen wie Charmed oder den Hexen von Eastwick fort.

Daneben zeigt sich jedoch eine neue Tradition positiver Hexenbilder in der Literatur. Während Die kleine Hexe bei Otfried Preußler (1957) wegen ihrer guten Taten noch zur Außenseiterin wird, kennen heutige Kinderbücher überwiegend „gute“ Hexen (Bibi Blocksberg, Lisbeth, Zilly) oder lassen gute und böse Hexen gleichermaßen zu (Harry Potter). Der Begriff der Hexe hat hier seine frühere negative Konnotation weitgehend eingebüßt.

Ein Beleg dafür, dass die Bedrohung auch von männlichen Akteuren ausgehen konnte, ist das Märchen vom Rumpelstilzchen. Hier wird der mythische Grundtenor der Märchen besonders deutlich: Es geht im Kern um die Menschenopfer im Glauben der Ackerbauern. Eine durch Getreide reich gewordene Frau soll ihr Kind als Opfer hergeben. Dies wird letztlich dadurch verhindert, dass das Männchen bei seinem Namen genannt und also erkannt wird.

Psychologische Deutung

Der Analytischen Psychologie in der Tradition Carl Gustav Jungs gelten die in Träumen, Sagen, Mythen und Märchen auftretenden Hexen als Ausprägung des nefasten Aspekts des so genannten Mutterarchetyps, also der zerstörenden und verschlingenden Mutter.

Berühmte Hexen

Authentische Personen

  • Die „Kindhexe“ Agatha Gatter
  • Die Hexen von Salem. Salem ist bekannt durch die im Jahr 1692 stattgefundenen Hexenprozesse. Dieser Umstand trug der Stadt in den USA den Beinamen The Witch City ein.
  • Elisabeth von Doberschütz, geborene von Strantz, Ehefrau des früheren Stadthauptmanns von Neustettin Melchior von Doberschütz, wurde am 17. Dezember 1591 vor den Toren Stettins enthauptet und verbrannt.
  • Sidonie von Borcke (1548-1620) aus dem Jungfrauenstift Marienfließ wurde am 28. September 1620 vor dem Mühlentor enthauptet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
  • Tempel Anneke“, bürgerlicher Name Anna Roleffes, war eine der letzten in Braunschweig verurteilten und dort am 30. Dezember 1663 hingerichteten „Hexen“.
  • Hester Jonas, genannt „die Meurer“, wurde 1635 verhaftet, am Hexenstuhl gefoltert und am Heiligen Abend 1635 im Alter von etwa 64 Jahren vor der Windmühle zu Neuss enthauptet und verbrannt. Das vollständige Protokoll des Prozesses ist in Neuss erhalten.
  • Anna Göldi, letzte – im Juni 1782 – in Europa hingerichtete Hexe
  • Anna Truels, im 18.Jhd. auf der nordfriesischen Insel Nordstrand verbrannt
  • Luisa Francia
  • Theodor Becker
  • Angelina Alcott
  • Catherine Monvoisin, genannt „La Voisin“, versorgte mit ihrem Pariser Hexenzirkel Madame de Montespan, die Mätresse Ludwigs XIV. und dessen Hofgesellschaft mit Gift und hielt gegen Bezahlung schwarze Messen ab. 1680 wurde sie mit ihren Anhängern am Place de Grève verbrannt.
  • Maria Holl, (1549 - 1634) Die "Hexe von Nördlingen" widerstand als eine der ersten Frauen allen Torturen während des 1593 / 1594 gegen sie geführten Hexenprozesses. Durch ihre Kraft befreite sie die Stadt Nördlingen vom Hexenwahn. Ihre Beständigkeit führte zu Zweifeln an der Richtigkeit von Hexenprozessen und letztlich zum Umdenken von Bevölkerung und Obrigkeit.

Fiktive Gestalten

Datei:Hexe-Piccolo.jpg
Handpuppe "Hexe" der Piccolo Puppenspiele

Hexenfiguren in anderen Kulturen

  • Baba Jaga, Hexe in der (ost)slawischen Mythologie und im Märchen
  • Ragana, litauische und lettische Hexe

Hexen und Hexensabbat in der Weltliteratur

Siehe auch

Wiktionary: Hexe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Hexenverfolgung - Hexenhammer - Anguane - Fastnachtshexe - Hexensalbe - Hexer - Hexenmeister - Osterhexe

Fußnoten

  1. Vom Gerichtsverfahren ist das vollständige Vernehmungs- und Folterprotokoll erhalten. Vgl. Anita Lackenberger: Ein teuflisch Werk. 1998. ISBN 3-901279-68-7.
  2. Silvia Bovenschen: "Die aktuelle Hexe, die historische Hexe und der Hexenmythos. Die Hexe: Subjekt der Naturaneignung und Objekt der Naturbeherrschung" In: Becker/Bovenschen, Brackert u.a."Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes" Edition Suhrkamp 840, Frankfurt am Main 1977