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Kanadagans

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Kanadagans
Datei:Kanadagans gr.jpg
Kanadagans (Branta canadensis)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Gänsevögel (Anseriformes)
Vorlage:Familia: Entenvögel (Anatidae)
Vorlage:Subfamilia: Gänse (Anserinae)
Vorlage:Tribus: Echte Gänse (Anserini)
Vorlage:Genus: Meergänse (Branta)
Vorlage:Species: Kanadagans
Wissenschaftlicher Name
Branta canadensis
Linnaeus 1758

Die Kanadagans (Branta canadensis) ist eine Art der Gattung Meergänse (Branta) aus der Familie der Entenvögel (Anatidae). Sie wird als die weltweit häufigste Gänseart angesehen[1]. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Gans ist Nordamerika. Sie ist dort ein Charaktervogel des Tieflandes und brütet an den Binnenseen der Prärie- und Ackerbaugebiete. Der in der typischen V-Formation erfolgende Zug in die Überwinterungsquartiere und die Rückkehr in die Brutreviere im Frühjahr ist in Nordamerika ein Symbol für den Wechsel der Jahreszeiten. Großen Bekanntheitsgrad erlangte diese Gänseart, als William Lishman 1993 und 94 zeigen konnte, dass Kanadagänsen mit Hilfe von Ultraleichtflugzeugen ein Zugverhalten antrainierbar ist und sein Experiment die Inspiration für den kanadischen Spielfilm „Amy und die Wildgänse“ war.

Die ökologische Nische, die die Kanadagans in Nordamerika nutzt, gleicht der der Graugans in Europa. In Europa wurde die Kanadagans zum Teil gezielt angesiedelt. Ein Teil der heute vor allem in Großbritannien, Irland, Skandinavien und der Niederlande existierenden Populationen sind auch auf sogenannte Gefangenschaftsflüchtlinge zurückzuführen. Seit den 1970er Jahren zählt sie auch zu den Brutvögeln Deutschlands. Besonders in Städten finden sich halbwilde Parkpopulationen, die zunehmend auch das Umland besiedeln.

Die Kanadagans ist etwas größer als die Graugans und damit die größte Gans, die in Europa in freier Wildbahn zu beobachten ist. Mit der in Nordeuropa brütenden Weißwangengans, die von etwa Oktober bis April im vor allem im schleswig-holsteinschen Wattenmeer überwintert und der Ringelgans kommen damit drei Arten der Meergänse, die gelegentlich auch als „schwarze Gänse“ bezeichnet werden, in Mitteleuropa vor. Mit der Weißwangengans besteht eine gewisse Verwechselungsgefahr. Bei dieser Gans ist jedoch der Kopf fast gänzlich weiß und die Brust schwarz.

Erscheinungsbild

Erscheinungsbild adulter Gänse

Charakteristisches Erkennungsmerkmal der Kanadagans ist der schwarze Kopf und Hals und der große weiße Fleck, der sich von der Kehle bis hinter die Augen erstreckt. Die schwarze Halsbefiederung ist dabei scharf gegen die Brust abgesetzt. Füße und Schnabel sind ebenfalls von schwarzer Farbe. Die Iris ist dunkelbraun. Weibchen und Männchen sind farbgleich, bei einigen Unterarten sind die Ganter deutlich größer und langhalsiger als die Weibchen.

Der Körper weist dagegen je nach Unterart deutliche Färbungsunterschiede auf – bei der Beschreibung der Verbreitung der Unterarten werden charakteristische Merkmale deswegen noch einmal gesondert hervorgehoben. Die Färbung der Körperoberseite variiert zwischen grau- bis rotbraun. Die obere Schwanzdecke ist bei den in Europa vorkommenden Gänsen ebenso wie der Bauch und die Brust grau bis fast weiß, die Körperoberseite graubraun. Bei einigen der in Nordamerika zu beobachtenden Unterarten ist auch die Körperunterseite bräunlich gefärbt und damit so dunkel wie die Flanken.

Die Körperlänge der Gans beträgt 90 bis 100, die Flügelspannweite 160 bis 175 Meter Zentimeter. Das Gewicht der Gänse variiert erheblich. Männchen wiegen in der Regel zwischen 3,5 bis 6,5 Kilogramm, während die Gewichtsspanne der Weibchen zwischen 3 und 5,5 Kilogramm liegt. Von der Unterart Branta canadensis maxima wird immer wieder von deutlich schwereren Gantern berichtet. Nach den Berichten von Jägern werden gelegentlich Gänse erlegt, die die Größe von Schwänen erreichen und deutlich mehr als acht Kilogramm wiegen [2]

Erscheinungsbild der Jungvögel

Das Dunenkleid der Küken ist gelb, wobei auch hier der Farbgrundton je nach Unterart variiert. Die Kopfplatte, die Augengegend und der Rücken sind olivgrün. Schnabel und Füße sind wie bei den ausgewachsenen Vögeln schwarz.

Das Gefieder der Junggänse gleicht denen der adulten. Die Rücken- und Schulterfedern sind bei ihnen allerdings noch stärker gerundet und haben einen breiteren braunen Saum. Allerdings ist die Bauchseite außerdem noch von einem verwascheneren bräunlich Grau [3].

Flugbild

Auch im Flug ist der schwarze Kopf und Hals sowie der weiße Kehlfleck deutlich erkennbar. Einige Unterarten haben außerdem auffällig weiß abgesetzte Ober- und Unterschwanzdecken, die ebenfalls im Flug leicht zu erkennen sind.

Besonders häufig sind fliegende Kanadagänse in den Morgen- und Abendstunden zu beobachten. Die Gänse halten sich während der Nacht auf dem Wasser auf und verlassen morgens diese, um zu ihren Nahrungsgründen zu fliegen und kehren abends von diesen wieder zu den Gewässern zurück. Mit diesen Flügen werden in der Regel nur sehr kurze Distanzen zurückgelegt. Untersuchungen in Großbritannien haben gezeigt, dass Kanadagänze dabei selten mehr als fünf Kilometer zurücklegen [4].

Stimme

Kanadagänse sind vor allem während des Fluges sehr ruffreudig. Der Ruf ist tief, nasal und trompetend. Er erinnert an ein „ah-honk“, wobei die Betonung auf der zweiten Silbe liegt und die Tonhöhe auf dieser Silbe leicht einsteigt. Kanadagänse vermögen sich auch am Ruf individuell zu erkennen. Auf großen Rastplätzen von migrierenden Populationen ist häufig während der ganzen Nacht ein reges Rufen zu hören, das dem Wiederfinden von Familienmitgliedern dient.

Der in der Literatur ebenfalls beschriebene Ruf „jilk jilk a-lick“ ist charakteristisch für die Unterarten, die seit 2004 der Zwergkanadagans zugerechnet werden.

Ursprüngliches Verbreitungsgebiet und dort vorkommende Unterarten

Verbreitung im Sommer, im Winter und ganzjährige

Die Kanadagans kommt fast im gesamten Nordamerika vor, die südlicheren Regionen nutzt sie dabei nur als Überwinterungsquartier. Die Wanderungsrouten der Kanadagans sind dabei nicht genetisch fixiert, sondern werden in den verschiedenen Teilpopulationen tradiert. Junge Gänse erlernen erst während des Zuges mit ihren Elternvögeln den Wanderweg und die Lage der Winterquartiere. Einige der südlicheren Teilpopulationen sind Standvögel oder Teilzieher; die nördlicheren dagegen ausgesprochene Zugvögel. Die nördlicheren Populationen „überrollen“ teilweise während des Zuges die in der Nähe der Brutreviere verbleibenden südlichen Populationen und halten sich während des Winterhalbjahres deutlich weiter südlich auf als diese.

Innerhalb ihres großen Verbreitungsgebietes werden eine Reihe von Unterarten unterschieden. Die Unterarten durchmischen sich in ihrem Verbreitungsgebiet weiträumig, so dass die Unterscheidung zwischen den einzelnen Unterarten nicht einfach ist und je nach Autor erheblich schwanken kann. Seitdem die Zwergkanadagans (Branta hutchinsii) als eigenständige Art eingeordnet wird, ist die Einteilung in sechs Unterarten die allgemein übliche.Grundsätzlich gilt, dass die Unterarten eine dunklere Körperfärbung aufweisen, je weiter westlich in Nordamerika ihr Verbreitungsgebiet liegt. Die Körpergröße der jeweiligen Unterarten steigt dagegen in südlicher Verbreitungsrichtung an [5].

  • Branta canadensis canadensis ist die Nominatform, die im Deutschen auch als Atlantische Kanadagans bezeichnet wird. Charakteristisch für die Nominatform sind die hellen Federsäume, die eine schwache, auf den Schultern aber deutlich sichtbare Bänderung ergeben. Das hellgraue Brustgefieder wird in Richtung Hals immer heller und ist am Halsanfang fast weiß ist. Zu den Flanken hin wird die Färbung dagegen zunehmend gelblich braun. Rücken, Bürzel und Schwanz sind schwarz, während die Oberschwanzdecken und die Afterregion weiß ist. Diese Unterart der Kanadagans brütet auf Ile d’Anticosti, Nova Scotia, Neufundland und auf Labrador nördlich des St. Lorenz-Golf bis zur Baumgrenze bei Webbs Bay an der Labradorküste. In westlicher Richtung erstreckt sich ihr Brutgebiet bis nach Ungava an der Hudsonstraße. Hier grenzt ihr Verbreitungsgebiet an das von Branta canadensis interior an. Diese Unterart überwintert in der Nähe von Port Joli und Port Hebért auf Novia Scotia und entlang der Atlantikküste vom südöstlichen Massachusetts bis nach North Carolina. Die Anzahl der überwinterten Vögel wurde zu Beginn der 1990er Jahre auf etwa 27.000 geschätzt [6].
  • Todds Kanadagans (Branta canadensis interior) ist im Vergleich zur Nominatform etwas dunkler. Bei ihr sind unter anderem die hellen Federsäume auf der Körperoberseite schmäler. Das Brustgefieder dieser Unterart hellt sich von einem mittleren Grau in Richtung Hals nur bis zu einem Taubengrau auf. Ihr Brutgebiet liegt in dem weiträumigen Tiefland rund um die Hudson Bay, das sich von Manitoba im Osten über Ontario bis nach Quebec erstreckt. Sie brütet auch auf den Inseln der Hudson und James Bay. Besonders Akimiski Island und die Belcher Islands sind für ihre Bestände an Todds Kanadagänsen bekannt. Das Überwinterungsgebiet dieser Unterart erstreckt sich vom Südosten South Dakotas über Missouri bis an die Golfküste Louisianas und North Carolinas. Zahlenmäßig stellt diese Unterart den größten Teil der Kanadagans-Population – Anfang der 1990er Jahre wurde der Bestand auf 1,25 * Moffits Kanadagans (Branta canadensis moffitti) gehört zu den großen Unterarten unter den Kanadagänsen. Verglichen zu der Nominatform ist bei ihr der gesamte Rumpf heller gefiedert. Ihr Körper wirkt insgesamt etwas untersetzter. Sie weist außerdem verglichen mit den anderen Unterarten einen verhältnismäßig kurzen Schnabel und kurze Beine auf. Ihr Brutgebiet erstreckt sich von British Columbia, Washington und Oregon, dem Nordosten Kaliforniens, dem Norden von Nevada und Utah bis nach Montana und Wyoming. Die Überwinterungsgebiete liegen in Nevada, mittleren und südlichen Kalifornien bis in die nördliche Region des Golfa de California.
  • Die Kleine Kanadagans (Branta canadensis parvipes) ist mittelgroß und zeichnet sich durch einen hellen Rumpf aus. In Körperfärbung und –bau gleicht sie weitgehend der Moffits Kanadagans, ist aber deutlich kleiner. Als 2004 eine Reihe von Unterarten der neuen Art der Zwergkanadagans zugeordnet wurde, wurden diese Unterart aufgeteilt und Teile der Individualpopulation der Kanadagans und andere der Zwergkanadagans zugeordnet. Ihre wissenschaftlichen Bezeichnungen sind dementsprechend „Branta canadensis parvipes“ und Branta hutchinsii parvipes“. Die in der älteren Literatur zu findenden Angaben zu Körpergröße und Gewicht sind daher nicht mehr zuverlässig. Die Kleine Kanadagans gehört jedoch zu den am nördlichsten brütenden Unterarten, die von der Hudson Bay bis nach West Kanada vorkommt. Die Überwinterungsgebiete liegen vor allem in Zentralkalifornien. Einzelne Individualpopulationen ziehen bis nach Texas und Mexiko.
  • Die Dunkle Kanadagans (Branta canadensis occidentalis) dagegen ist am gesamten Rumpf dunkel. Sie hat verglichen mit den anderen Unterarten einen schlanken Körper und ist schmäleren Hals. Sie brütet an der Küste Südalaskas und überwintert in der Region von Vancouver und Oregon.
  • Die Riesenkanadagans (Branta canadensis maxima) ist die größte der Unterarten. Ihr Körpergefieder ist verglichen zu der der Nominalform heller. Der Hals ist im Verhältnis zum Rumpf sehr lang. Beobachter vergleichen ihn mit der des Schwanes. Bei einigen Subpopulationen dieser Unterart ließ sich außerdem feststellen, dass bei den Männchen der Hals in Verhältnis zur Körperlänge um 7 % länger ist als bei Weibchen. Generell lässt sich bei dieser Unterart ein signifikanter Größenunterschied zwischen den Geschlechtern feststellen. Viele Individuen haben außerdem auf der Stirnseite des Kopfes helle Federn. Bei einigen Exemplaren ist diese weiße Stirnpartie sehr ausgeprägt. Der Ornithologe Hanson, der sich sehr intensiv mit dieser Unterart beschäftigt hat, weist außerdem darauf hin, dass sich diese Unterart auch im Verhalten und Stimme unterscheidet. Die Vögel rufen während des Fluges nur selten; ihr Ruf ist dunkler als der der anderen Unterarten. Bei kurzen Flügen fliegen sie außerdem in niedrigerer Höhe als andere Arten und ihr Flügelschlag ist flacher. Als Brutrevier nutzt die Riesenkanadagans fast die gesamte nordamerikanische Prärie. Gesichert ist, dass sich ihr Verbreitungsgebiet von South und North Dakota, Minnesouta bis Kansas, Kentucky, Tennessee und Arkansas erstreckte. Nach den Untersuchungen von Hanson kam die Riesenkanadagans vor den Bestandsrückgängen durch die intensive Bejagung auch in Teilen Colorads, Wyoming und Montana vor. Sie besiedelte auch Wisconsin, Illinois, Indiana und Michigan sowie in Kanada Alberta und Sasketchewan sowie die Randbereiche im Südwesten von Ontario.
Aufgrund des großen Verbreitungsgebietes nutzt die Riesenkanadagans sehr unterschiedliche Überwinterungsreviere. Die Individuen, deren Brutrevier sich in der Mitte und im Süden der Verbreitungsgebietes liegt, sind teilweise Standvögel. Sie migrieren nur dann nach Süden, wenn aufgrund kalten Wetters in dieser Region die Seen zufrieren. Überwinterungsquartiere finden sich unter anderem in Kalifornien, an der Golfküste von Texas und Louisiana, New Mexiko, Kansas. Belegt ist auch ein Mauserzug sexuell noch nicht reifer Jungvögel und unverpaarter Gänse in nördlicher Richtung. Diese Vögel halten sich während der Mauser im Tiefland westlich der Hudson Bay auf.

In der Literatur finden sich gelegentlich auch Hinweise, dass kleine Populationen der Kanadagänse sich auch auf Kamschatka, Japan und dem östlichen China befinden. Dabei handelt es sich allerdings um Unterarten der Zwergkanadagans (Branta hutchinsii), die erst seit wenigen Jahren als selbständige Art neben der Kanadagans eingeordnet wird. Auch der Hinweis, dass Ringfunde belegen, dass Kanadagänse gelegentlich auf Irrflügen Europa erreichen, bezieht sich auf diese Art.

Verbreitung in Europa und Neuseeland

Kanadagänse sind mittlerweile sowohl in Europa als auch in Neuseeland als Brutvögel fest etabliert. In beiden Regionen haben sie sich als keineswegs unproblematische Neozoen erwiesen.

Die Ausbreitung der Kanadagans sowohl in Großbritannien wie auch auf dem europäischen Kontinent wurde dadurch begünstigt, dass der Populationsrückgang der hier einheimischen Graugänse eine ökologische Nische unbesetzt ließ, die die Kanadagans teilweise nutzen konnte. Einer der Gründe der Bestandsrückgänge der Graugans war die Trockenlegung und landwirtschaftliche Nutzung weiträumiger Feuchtgebieten vor allem im 18. und 19. Jahrhundert. Im 20sten Jahrhundert dagegen wurden vermehrt Wasserreservoirs und Stauseen angelegt, die den an Menschen gewöhnten Kanadagänsen Lebensraum boten. Die erfolgreiche Wiedereinbürgerung und Bestandserholung der Graugans fällt teilweise mit einem starken Populationsanstieg von Kanadagänsen zusammen. Dies war möglich, weil zwischen den Arten trotzdem eine Reihe wichtiger Unterschiede in den Umweltansprüchen besteht. Auf Grund des langen Halses können Kanadagänse noch in Gewässertiefen gründeln, die der Graugans nicht zugänglich sind. Die Graugans bevorzugt außerdem für ihre Brutreviere Habitate mit etwas höherer Vegetation als die Kanadagans. Tendenziell ist die Kanadagans dabei die Art, die die Nähe des Menschen stärker toleriert und eher als die Graugans an Parkgewässern und Seen mit starker Freizeitnutzung durch den Menschen zu finden ist [7]. In Regionen mit einer hohen Bestandsdichte an Gänsen ist die Nistplatzkonkurrenz zwischen den beiden Arten allerdings hoch. Dort kommt es auch zu Hybriden zwischen Graugans und Kanadagans. Die genetischen Unterschiede der zu unterschiedlichen Gattungen gehörenden Gänse sind allerdings so groß, dass diese Kreuzungen unfruchtbar sind [8].

Einer bestimmten Unterart lassen sich die in Europa und Neuseeland vorkommenden Gänse nicht zuordnen. Sie sind eine Mischung der Unterarten canadensis, interior, maxima und moffitti [9].

Die Verbreitungshistorie in Großbritannien

Kanadagänse wurden bereits im 17. Jahrhundert nach England eingeführt. Um 1665 erwarben Agenten des Königs Charles für ihn die ersten Kanadagänse. Belegt ist, dass auch King Charles Nachfolger James II. sie im Jahre 1678 im St. James Park als Teil der seiner Wassergeflügelsammlung hielt. Populär wurde ihre Haltung jedoch erst etwa ein Jahrhundert später, als sich in der Gartenkunst der Wandel vom geometrisch angelegten Barockgarten zu den weitläufigen, der Natur nachempfundenen Landschaftsgarten vollzog. Typisch für diese Grünanlagen rund um die englischen Landsitze waren große, aufgestaute Seen. 1762 legte beispielsweise der bekannte britische Landschaftsgärtner Capability Brown den großen, etwa eine Meile langen See von Holkham Hall an. Anschließend wurden Kanada- und Nilgänse auf diesem See ausgesetzt. Nicht alle Nachkömmlinge dieser Gänse wurden die Schwungfedern beschnitten; Teile dieser Populationen entkamen bereits zu diesem Zeitpunkt und besiedelten die Region rund um diesen in Norfolk gelegenen Landsitz[10]. Ähnliches vollzog sich auf anderen Landsitzen – wo große Wasserflächen angelegt wurden, hielt man auch Schwäne, Gänse und Enten und unter den gehaltenen Arten befanden sich häufig die robusten und zahm werdenden Kanadagänse.

1953 wurde erstmals in Großbritannien eine Zählung frei lebender Kanadagänse vorgenommen. Die Zählung ergab lediglich eine Population von 2.200 bis 4.000 Gänse [11]. Die meisten von ihnen kamen in der Region rund um Holkham Hall vor; ihre Anzahl war dort bereits so hoch, dass die Landwirte dieser Region sich über Schäden durch die auf den Äckern weidenden Gänse beklagten. Um die Probleme durch den hohen Bestand an Gänsen zu verringern, wurden Teile der Population eingefangen und in geeigneten anderen Gebieten wieder ausgesetzt. Die Aktion war mit der Hoffnung verbunden, dass sich kleine Gruppen von Gänsen als weniger problematisch erweisen würden. Erwartet wurde auch, dass in Regionen wie dem Themsetal, den West Midlands und Yorkshire, wo im Herbst und Winter traditionell Enten und Gänse gejagt werden, die Bejagung die Anzahl der Gänse niedrig halten würde. Beide Erwartungen traten jedoch nicht ein. Die in kleinen Gruppen aufgeteilten Gänse vermehrten sich stärker als zuvor. Eine Bejagung der Gänse erfolgte zwar und in den 1980er Jahre machten Kanadagänse etwa 15% der in Großbritannien erlegten Gänse aus. Einen größeren Anteil an der Jagdstrecke britischer Jäger hatten lediglich Graugans und Kurzschnabelgans, die Bejagung blieb jedoch weitgehend ohne negative Wirkung auf den Populationsanstieg der Kanadagänse[12]. 1976 betrug die britische Population fast 20.000 und 1985 bereits 39.000 Gänse. Bei den in Yorkshire vorkommenden Gänsen entwickelte sich außerdem auch ein Mauserzug-Verhalten – ähnlich wie man es in Nordamerika von der Riesen-Kanadagans kennt. Noch nicht geschlechtsreife Gänse sowie Gänse, deren Brutversuch frühzeitig scheiterte, migrieren nach Norden und halten sich im Sommer in der Nähe von Inverness auf, 500 Kilometer nördlich des Brutgebietes ihrer Teilpopulation [13]

Die Verbreitung auf dem europäischen Kontinent

Für das Jahr 1785 sind Kanadagänse auch auf dem europäischen Festland als Ziergeflügel belegt [14]. Die Motive für ihre Haltung waren ähnlich wie in Großbritannien – die großen Seen der neu angelegten Landschaftspark verlangten nach einer „Belebung“ durch Wassergeflügel und neben den ästhetisch als besonders reizvoll empfundenen Schwänen wurden auch Gänse und Enten gehalten. Ähnlich wie in Großbritannien begann sich die Kanadagans erst um die Mitte des 20sten Jahrhunderts in Europa weiträumig auszubreiten. Dazu haben entflohene Gänse aus der Ziergeflügelhaltung ebenso beigetragen wie gezielte Auswilderungen. Der Ornithologe Bengt Berg hat beispielsweise in den 1930er Jahren Kanadagänse im Kalmarsund im Südosten Schwedens angesiedelt. Diese ausgewilderten Gänse gelten als die wichtigste Stammpopulation der heute in Skandinavien beheimateten Gänse. Der deutliche Anstieg der europäischen Population, der mit einer erheblichen Ausweitung des Brutareals einherging, begann in den 1960er Jahren. 1970 brüteten die ersten Gänse in Norwegen, wenig später auch in Finnland und Dänemark. In den 1980er Jahren lebten beispielsweise in Finnland bereits 3.000 Kanadagänse, die im Winter nach Süden migrierten. Anfang der 1990er Jahren hatten sich zwischen 400 und 600 Brutpaare auch in Deutschland etabliert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrug die europäische Population etwa 100.000 Individuen [15].

Die Verbreitung in Neuseeland

Anders als in Großbritannien und Kontinentaleuropa wurden Kanadagänse in Neuseeland nicht als Ziergeflügel sondern als Jagdwild eingeführt. Auch hier waren es vor allem die Unterarten aus dem Osten Nordamerikas, die eingeführt wurden. Mittlerweile kommt die Kanadagans in ganz Neuseeland vor, wobei sie sich besonders stark im Süden Neuseelands ausbreiten konnte. Bereits 1925 wurde diese Gans in Otago und dem neuseeländischen Canterbury zum Jagdwild deklariert. Auch hier erwies sich die Jagd auf die Kanadagänse nicht als bestandslimitierender Faktor. Bereits in den 1950er Jahren begannen neuseeländische Landwirte über Weideschäden zu klagen, die diese Gänse verursachten. Der neuseeländische Wildlife Service schoss schon 1950 3.000 Gänse, um landwirtschaftliche Schäden einzudämmen, trotzdem betrug die Populationszahl Ende der 1980er Jahre 20.000 Individuen. Zu ihrem Ausbreitungserfolg trug dabei nicht unerheblich bei, dass die Lebensbedingungen in Neuseeland sich nur unwesentlich von denen in Nordamerika unterscheiden. Neuseeländische Landwirte haben außerdem aus der nördlichen Hemisphäre Grasarten importiert, die als Futterpflanze von den Kanadagänsen auch dort genutzt werden [16].

Lebensweise

Die Kanadagans ist ein Zugvögel, der für gewöhnlich im Winter nach Süden zieht. In Großbritannien ist sie oft Standvogel. Wenn sie auf ihrem Zug sind, bilden Kanadagänse die charakteristische V-Formation. Die Wanderungsrouten der Kanadagans sind nicht genetisch fixiert, sondern werden in den verschiedenen Teilpopulationen tradiert. Neben dem Zug in die Überwinterungquartiere, gibt es einen so genannten Mauserzug der nicht brütenden Tiere zu bestimmten Mauserplätzen. Abgesehen von Paarungs- und Brutzeit leben Kanadagänse in großen Schwärmen. Für gewöhnlich zeigen Kanadagänse eine große Partnertreue, wobei sie sich jedoch bei Verlust des Partners neu verpaaren. Die Brut beginnt in Europa im März und April. Zum Brüten bauen sie Nester, in die sie gewöhnlich 5-6 Eier legen. Die Eier haben weiße oder gelbliche Schale. Nach ca 28 bis 30 Tagen schlüpfen die Jungen, deren Aufzucht etwa 50 Tage dauert. Die Schwingenmauser der Elterntiere liegt so, dass sie etwas später als die Jungtiere wieder flugfähig werden, was das langsame Erlernen schwieriger Flugmanöver der Jungtiere, die ihren Eltern folgen, erleichtert. Meist bleiben die Jungtiere bis zur nächsten Brut mit den Elterntieren zusammen und sind auch später oft bei diesen anzutreffen. Kanadagänse vermögen sich hauptsächlich am Ruf individuell zu erkennen. Auf großen Rastplätze herrscht oft die ganze Nacht ein reges Rufen und Treiben, das dem Wiederfinden von Familienmitgliedern dient.

Ernährung

Kanadagänse leben vor allem von Landpflanzen, hauptsächlich von kurzen Gräsern und Kräutern, sowie Stauden und Wurzeln, darunter auch Kartoffeln und Rüben. Für die Ernährung wichtig ist, das die Gebiete in denen Kanadagänse Nahrung suchen, niedrig bewachsen sind, um so ihr Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen, aber auch weil sie sich nur von kurzem Gras und Kräutern ernähren können. Dafür sind natürliche Weidesysteme mit großen Pflanzenfressern (Megaherbivoren) ideal.

Bestandsentwicklung

Ersten Aussetzungen gab es schon im 17. Jahrhundert in England, doch erst zu Beginn des 20. Jahrhundert begann die Ausbreitung. Die Gesamtpopulation in Europa betrug 1953 etwa 2.200 bis 4.000 Tiere. 15 Jahre später waren es etwa 10.000 und Anfang der neunziger Jahre gab es etwa 50.000 Tiere in Europa, vor allem in Großbritannien und Fennoskandinavien. Dabei kam es nicht nur zu einer dichteren Besiedelung früherer Brutgebiete, sondern auch zu einer deutlichen Ausweitung des Brutareals.

Literatur

  • Erich Rutschke: Wildgänse, Lebensweise - Schutz - Nutzung, Berlin: Parey, 1997
Commons: Branta canadensis – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Owen, S. 380
  2. Hanson, S. 15 – 17. Hanson listet unter anderem die Gewichte erlegter Kanadagänse. Danach ist der Rekordhalter eine um 1900 im Jackson County in Minnesota erlegte Kanadagans, die 24 amerikanische Pfund wog. Hanson selber weist darauf hin, dass er nach anfänglichem Zweifel diese Meldungen für glaubwürdig hält. In vielen nordamerikanischen Regionen waren Wettbewerbe um die schwerste geschossene Gans üblich. Diese Wettbewerbe bedingen, dass Gänse unter Zeugen gewogen wurden – die Berichte sind daher nicht als simples Jägerlatein abzutuen. Fotos aus den Jahren aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts belegen Jäger mit erlegten Kanadagänsen, die tatsächlich ungewöhnlich groß zu sein scheinen. Die schwersten Riesen-Kanadagänse, die Hanson selber wiegen konnte, wiesen ein Gewicht von 7,5 Kilogramm auf.
  3. Kolbe, S. 121,
  4. Owen, S. 380
  5. Madge, S. 146
  6. Madge, S. 146
  7. Rutschke, S. 83
  8. Kear, S. 184
  9. Kolbe, S. 120
  10. Kear, S. 148 und S. 182
  11. Owen, S. 382
  12. Kear, S. 110
  13. Kear, S. 182ff.
  14. Kolbe, S. 123
  15. Kolbe, S. 122
  16. Kear, S. 184