Die Rheinnixen
Die Rheinnixen (franz.: Les fées du Rhin), große romantische Oper in vier Akten von Jacques Offenbach, Aufführungsdauer: dreieinhalb Stunden.
Aufführungsgeschichte
Die Uraufführung fand am 4. Februar 1864 an der Wiener Hofoper statt. Das ursprünglich französische Libretto von Charles Louis Etienne Truinet Nuitter wurde für die Erstaufführung von Alfred von Wolzogen ins Deutsche übersetzt. Auf Wunsch des Wiener Kritikers Eduard Hanslick erhielt das Werk den irreführenden Titel „Die Rheinnixen“, in Anlehnung an das von Richard Wagner geplante Rheingold aus der Ring-Tetralogie, deren Text bereits bekannt war.
Am 1. Januar 1865, also nicht ganz ein Jahr nach der Wiener Uraufführung, brachte der Kölner Theaterdirektor Moritz Ernst das Werk als deutsche Erstaufführung heraus. Laut zeitgenössischen Berichten gingen der Aufführung ungewöhnlich aufwendige Proben und Vorbereitungen voraus. Die besten Kräfte des Ensembles und ein großes Ballett sollten den Erfolg der "Rheinnixen" garantieren. Der Versuch scheiterte. Schon nach der zweiten Aufführung musste der enttäuschte Theaterdirektor die Oper mangels Besuchern absetzen.
Danach gerieten „Die Rheinnixen“ in Vergessenheit, mit Ausnahme einiger Melodien, die Offenbach in Hoffmanns Erzählungen wiederverwendete, wie die Feenmusik, die zur Barcarole wurde oder das Trinklied aus dem ersten Akt, das auch in Luthers Schänke angestimmt wird. Armgards „Vaterlandslied“ dagegen, das sich wie ein Leitmotiv durch die Oper zieht, ist singulär und zu Unrecht vergessen.
In Frankreich wurde die Oper bis 2002 nicht aufgeführt. Die von Offenbach vorgesehene französische Version ging bis auf Klavierauszüge größtenteils verloren. Nur die vollständige deutschsprachige Uraufführungspartitur ist erhalten geblieben.
Im Jahre 1999 wurde von den beiden Verlagen Boosey & Hawkes und Bote & Bock unter dem Herausgeber Jean-Christophe Keck eine Offenbach-Edition in Angriff genommen, zu der auch Offenbachs romantische Oper „Die Rheinnixen“ (franz.: Les fées du Rhin) gehörte. Dank der Zusage des Chefs der Musikabteilung des französischen Rundfunks und Intendanten des Festivals von Montpellier René Koering konnte diese Oper im Sommer 2002 konzertant in deutscher Sprache unter der Leitung von Friedemann Layer aufgeführt werden. Diese Produktion erschien wenig später als CD-Aufnahme, sodass sich jeder Offenbach-Interessierte ein Urteil darüber bilden kann, ob es sich bei diesem Werk um eine zu Unrecht vergessene Oper handelt.
Nach der konzertanten Realisierung am 20 Juli 2002 erfolgte die erste szenische Aufführung nach der neuen Offenbach-Edition im Januar 2005 in Ljubljana, die von der Kritik sehr gelobt wurde.
Am 15.April versuchte das Theater Trier als erste deutsche Bühne eine Wiederaufführung. Das Werk wurde dramaturgisch bearbeitet und in vier verstümmelten Akten als realistisches Antikriegsstück mit brutal agierenden Söldnern gebracht, wobei sich Hedwig nach dem Tod ihrer Tochter ein Happy-End erträumte. Die vorgeführten Vergewaltigungen erinnerten an Exzesse aus Kriegen des zwanzigsten Jahrhunderts. Einige Kritiker lobten den ehrenhaften Versuch, bemängelten aber auch (online nachzulesen), dass die Musik von Offenbach nicht zu dieser Inszenierung passte.
Historischer Hintergrund
Die Oper spielt zur Zeit des Ritterkrieges im Herbst 1522. Franz von Sickingen (1481 – 1523) war von der oberrheinischen Ritterschaft im Jahre 1522 zu ihrem Hauptmann gewählt worden. Im Sommer 1522 begann er eine Fehde gegen den Kurbischof von Trier und belagerte im September 1522 die Stadt. Nach wenigen Tagen musste er die Belagerung abbrechen, weil der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von der Pfalz dem Bischof zu Hilfe kamen. Beim Gegenschlag im Frühjahr 1523 wurde die Ebernburg bei Kreuznach zerstört, und Sickingen musste sich auf seine Burg Nanstein bei Landsstuhl (heute Landkreis Kaiserslautern) zurückziehen. Er kapitulierte am 7. Mai und starb noch am gleichen Tag an seinen schweren Verletzungen. Im Sommer zerstörte ein Heer des schwäbischen Bundes mehr als 30 Schlösser und Burgen von Rittern und bereitete so der Ritterschaftsbewegung im Alten Deutschen Reich ein Ende.
Die Handlung
Personen
- Armgard (Sopran)
- Hedwig, Armgards Mutter (Mezzosopran)
- Franz Waldung (Tenor)
- Conrad von Wenckheim (Bariton)
- Gottfried (Bassbariton)
- ein Soldat (Tenor)
- ein Bauer (Tenor)
- eine Fee (Sopran)
- verschiedene Chorsolisten
Vorgeschichte
Conrad von Wenckheim hatte Hedwig nach Vorspiegelung einer Trauung unter einem falschen Priester geschwängert. Ihre Tochter Armgard ist zu Beginn der Oper eine junge Frau und heimlich mit dem zu den Soldaten entlaufenen Franz verlobt.
Erster Akt
Hedwigs Pachthof auf dem Gebiet des Sickingen bei Bingen. Das Dorf und der Hof werden von Pfälzer Landsknechten unter Conrad von Wenckheim besetzt, um während der Belagerung von Trier Sickingens Burg unweit von Kreuznach zu erstürmen. Armgards Jugendfreund Franz Waldung, der Hauptmann des Haufens, leidet seit einer kriegsbedingten Kopfverletzung unter Amnesie. Armgard wird zusammen mit anderen Frauen und Mädchen unter den Augen von Franz bei dem abendlichen Gelage der Soldaten drangsaliert und gezwungen, für die Soldaten zu singen. Vergeblich versucht sie Gottfried, ein Freund der Familie, zu schützen. Beim Singen des pazifistischen „Vaterlandsliedes“ bricht sie zusammen und gilt als tot. Erst jetzt kommt Franz ein Teil der Erinnerung zurück.
Zweiter Akt
In der Nähe des Pachthofes beklagt Hedwig im Beisein von Gottfried die tote Armgard, und Hedwig erzählt ihm die Vorgeschichte. Unterdessen reift in ihr der Entschluss, Armgards Leben mithilfe der Feen vom Elfenstein zu retten. Conrad und Franz planen einen heimlichen Überfall auf Sickingens Ebernburg und zwingen Gottfried, ihnen den Weg zu zeigen. Gottfried willigt zum Schein ein. Armgard erwacht zum Leben und flieht zu den Feen.
Dritter Akt
Im Wald beim Elfenstein, in der Nähe der Ebernburg versammeln sich die Feen (Chor und Ballett). Hedwig hofft, ihre Tochter bei diesen Elementargeistern zu finden. Armgard, die aus einer tiefen Ohnmacht erwacht ist, kommt hinzu. Sie will ihren Jugendfreund Franz retten. Hedwig sieht erstmals ihre Tochter wieder, glaubt aber, dass es ein Traumbild ist. Armgard versucht, ihre Mutter zur Flucht zu bewegen. Die Landsknechte mit Conrad, Franz und Gottfried sind auf dem Weg zu Sickingens Burg und werden von den Feen vom richtigen Weg in den Wald gelockt. Nachdem sich vor den Landsknechten mit der Scheinheirat gebrüstet hat, erkennt ihn Hedwig wieder und hofft auf Rache durch die Feen Armgard löst den Zauberbann von Franz und rettet damit die Soldaten vor dem Tod.
Vierter Akt
Im Hauptquartier vor den Ruinen „des Schlosses von Kreuznach“ bereiten die Landsknechte die Belagerung von Sickingens Burg vor. Franz und Conrad berichten von ihrem nächtlichen Abenteuer. In einem Duett kann Armgard Franz davon überzeugen, dass sie ins Leben zurückgekehrt ist. Hedwig wird gefangen vor Conrad geführt, gibt sich ihm zu erkennen und bezichtigt ihn als Mörder ihrer Tochter. Franz kommt zusammen mit Armgard hinzu, und Armgard kann auch Hedwig überzeugen, dass sie nur scheintot war. Gottfried und Hedwig dürfen auf Befehl Konrads in ihr Dorf zurückkehren. Hedwig und Conrad versöhnen sich. In diesem Moment werden die Soldaten mithilfe der Feen in den Abgrund gerissen. Armgard, Hedwig, Franz, Conrad und Gottfried dagegen sind gerettet und singen den Refrain des Vaterlandsliedes. Damit endet die Oper.
Synopsis
Die Oper steht im Kontext der romantischen Feenopern wie E.T.A. Hoffmanns und Albert Lortzings Undine (UA 1845), sowie Wagners Die Feen. Es vermischen sich realistische und märchenhafte Szenen. Armgards Wiedererwachen erinnert an das Märchen von Brüderchen und Schwesterchen. Der Grundtenor der Oper ist pazifistisch. Letztendlich siegt die Liebe über alle Kriegsgräuel.
Marginalien
Schon vor der Wiener Uraufführung litt der Darsteller des Franz unter Gedächtnislücken, sodass Offenbach einen Teil seiner Partie kürzen musste. Einige Monate später starb der Sänger.
Diskographie
Ouvertüre: Philharmonia Orchestra unter Antonio de Almeida, 1987 (Philips) Gesamtaufnahme: Orchestre National de Montpellier unter Friedemann Layer, 30.Juli 2002 (Accord/Universal).
Literatur
Jean-Christophe Keck und Frank Harders-Wuithenow im: Booklet der Gesamtaufnahme, 2002 Rezensionen