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Theuerdank

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Kolorierte Seite aus dem Theuerdank, 2. Auflage 1519

Der Theuerdank bezeichnet ein aufwändig gestaltetes, durch Kaiser Maximilian I. in Auftrag gegebenes Buch, für dessen Herstellung im Druck ein neuer Typensatz, als Schrift die Theuerdank genannt, entworfen und erstmals verwendet wurde.

Das Werk

Im Jahre 1517 gab Maximilian I. ein literarisches Werk heraus, in dem die Erlebnisse des Ritters Theuerdank auf seiner Brautfahrt zum Fräulein Ehrenreich erzählt werden. Das Buch wurde zunächst nur in 40 Exemplaren hergestellt, die als Geschenke für hochgestellte Persönlichkeiten im Umfeld Maximilians gedacht waren. Ausgeliefert wurde die Auflage erst nach seinem Tod 1519 durch seinen Enkel, Erzherzog Ferdinand.

Als Verfasser fungierte Melchior Pfintzing, laut Widmung ehemaliger Kaplan Kaiser Karls V., unter Maximilian vielseitiger kirchlicher Würdenträger und in hohem Rang am kaiserlichen Hofe. Die Autorschaft ist nicht zweifelsfrei zu klären; sie wird Maximilian, seinem Schreiber Marx Treitzsaurwein und Pfinzing gemeinsam zugeschrieben.[1]

Illustration aus dem Theuerdank, Holzschnitt 1517

Inhalt und Aufbau

Die Erzählung betont von Anbeginn, dass es sich bei Ritter Theuerdank, der zu Fräulein Ehrenreich, seiner Braut, unterwegs ist, um „Hertzog Maximilian“ handele, dessen Erfahrungen anlässlich seiner Werbung um Maria von Burgund, der späteren Gattin, in Verse gegossen worden seien.

Ritter Theuerdank, 18 Jahre alt, wird auf seiner Brautfahrt in allerlei Fährnisse verwickelt, die er siegreich zu bewältigen weiß. Ausgelöst werden die Unbillen, bei denen es sich zum Beispiel um Auseinandersetzungen mit Wildschweinen, Steinschlägen oder in Brand geratenen Küchen handelt, durch drei ihm nacheinander unterwegs begegnende und ihn jeweils im Folgenden begleitende Figuren, die sich mit sprechenden Namen Fürwitz, Unfall und Neidhard nennen. Fürwitz schafft den Helden durch dumme Einfalle in die Bredouille; Unfall geht absichtvoll vor, weil er die Ehre des Tapferen für sich haben will, und Neidhart bringt den Ritter aus Missgunst in allerlei Gefahr. Alle drei landen am Ende beim Henker: Fürwitz verliert den Kopf, Unfall wird am Galgen aufgehängt und Neidhard vom Balkon zu Tode geworfen.

Die Erlebnisse des Ritters sind gerahmt: durch Hintergrund und Anlass für seine Brautwerbung am Anfang und deren glücklichen Ausgang nebst Bestrafung der drei Übeltäter am Schluss. Der äußere Aufbau folgt dem des höfischen Epos; die Aventüren des Ritters indes haben, anders als im Epos des Hochmittelalters, keinen inneren Antrieb, wie zum Beispiel den einer Bewährung oder einer Schuld, sondern folgen einer Mechanik der Verhinderung: die Fährnisse sind musterhaft angelegt, sie werden gleichsam künstlich durch Fürwitz, Unfall und Neidhard herbeigeführt. Die Gefahren sind durchschaubar und haben ihre Kohärenz in den Gestalten ihrer Verursacher.

Intention

Maximilian hatte die propagandistischen Möglichkeiten des mit neuen Gestaltungsformen expandierenden Buchdrucks erkannt; er förderte den Druck und die Typographie. Der Theuerdank zeigt, dass der Kaiser bereit war, seine Person für den ihm angedienten Herrschaftsanspruch einzusetzen. Die alte Form des hochmittelalterlichen Epos, das durch den Buchdruck der nunmehr beginnenden neuen Zeit erstmals auch größere Leserkreise fand, wurde gefüllt mit der eigenen Legendenbildung. Maximilians bei näherem Hinsehen doch recht alltäglichen Fährnisse wurden durch den Kunstgriff einer Verursachung durch drei Allegorien zum Programm: Fürwitz, Unfall und Neidhard repräsentieren drei Laster: den Übermut, die Vermessenheit und den Neid. Mit ihnen als Widersachern gelang Maximilian die Etablierung eines Mythos, einer Melange aus Fiktion und Wirklichkeit, mit der er seine Position als Sieger zu veranschaulichen trachtete.

Maximilian widmete sich als kunstsinniger Herrscher verschiedenen bibliophilen Unternehmungen, die ihn verewigen sollten, aber zumeist Fragment blieben; neben dem Theuerdank gehörten ein Gebetbuch, der Weißkunig und die Ehrenpforte zu seinen am meisten beachteteten Werken.

Seite aus dem Theuerdank, 1517
Illustration aus dem Theuerdank, Holzschnitt 1517

Gestaltung

Der Druck

Der Theuerdank gilt als ein bedeutendes Werk der Buchdruckerkunst. Die Typographie entwarf Vinzenz Rockner, der bereits auch die Schrift für Maximilians Gebetbuch gestaltet hatte. Ihre Form wurde auf Wunsch des Kaisers den alten Handschriften nachempfunden; die Drucker hatten sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts von deren Nachahmung indes längst abgewandt. Kennzeichnend für das Satzbild des Theuerdank-Drucks sind die nachträglich (vermutlich von Rockner)[2] angehängten Schreibschnörkel.

Der Druck und die Herausgabe der Erstauflage wurde von Johann Schönsperger d. Ä., kaiserlicher Hofbuchdrucker, in Nürnberg besorgt, der auch die Gestaltung der Seiten übernahm. Die Schrift des Werkes wird als Vorstufe der Fraktur angesehen und setzte sich unter dem Namen Theuerdank im 16. Jahrhundert für längere Zeit durch.

Die Illustrationen

Der Druck von 1517 enthielt 118 kolorierte Holzschnitte, für die führende Künstler, Hans Schäufelin, Hans Burgkmair und Leonhard Beck, die Zeichnungen lieferten, die von Jost de Negker in Holz geschnitten wurden. Die Holzschnitte zeigen zeichnerisch und schnitttechnisch außerordentliches Raffinement. Die Variabilität, vermittels der Linien Plastizität und Räumlichkeit darzustellen, galt als neuartig und unterstrich Maximilians Bestreben, die Entwicklung und Vervollkommnung der Buch- und Illustrationskunst voranzutreiben.

Die Illustrationen zeichnen sich neben der lebendigen Darstellung der Figuren durch die besondere Gestaltung des jeweiligen Hintergrunds aus. Er ist detailliert ausgearbeitet und in geschicktem Helldunkel komponiert, so dass sich der Raum, in dem sich die Akteure bewegen, in die Tiefe erstreckt. Anschnitte animieren den Betrachter zu einer Fortsetzung der Bilder über deren Begrenzung hinaus und entfalten dadurch eine narrative Wirkung. Der Anspruch der Bilder, die Geschichten eigenständig zu erzählen, wird auch dadurch unterstrichen, dass sie die einzelnen Episoden jeweils recto (auf einer rechten Seite) einleiten und die Verse verso, auf der Rückseite des Blattes, folgen. Matthäus Schultes, ein Betrachter des 17. Jahrhunderts, empfand die solchermaßen bebilderten Geschichten als „ein Schau- und Freuden Spihl“.[3]

Titel der Ausgabe von 1679

Rezeption

Bereits 1519 ging eine zweite Auflage in Druck. Einige wenige Ausgaben folgten im Verlaufe des 16. Jahrhunderts, die aber auf die Illustrationen verzichteten.

1679 war Matthäus Schultes, Verleger und Drucker in Augsburg, „vor kurtz verwichener Zeit“ von einem Freund „in einer vornehmen Reichs-Stadt“ auf einen Stapel alter Holzdruckplatten aufmerksam gemacht worden, die dieser ziemlich verdreckt in einem „finstern Kärcker“ vorgefunden habe. Schultes, der sich an eine der bilderlosen Ausgaben des Theuerdank besaß und von dem berühmten Druck von 1517 wusste, erkannte, was er vor sich hatte: die „nunmehrs über die anderthalb hundert Jahren verlohren gewesnen Holtzschnitte[n]“.[4]

Schultes gab 1679 den Theuerdank ein weiteres Mal heraus, der Anlage des Originals folgend, aber jetzt in einem prächtigen Folio und gedruckt in einer dem Geschmack seiner Zeit angepassten Fraktur sowie die „alte Reimen in etwas andere / und dieser Zeit verständlichere gebracht“, so der editorische Hinweis auf dem Titel. Er setzte die Bilder jeweils einzeln und mit einer Überschrift nebst einer kurzen, auf Maximilian bezogenen Inhaltsangabe der folgenden Episode ab und verwies die dazu gehörigen Verse komplett auf die Rückseite des Blattes. Die Druckplatten hatte er gereinigt, von den „eingenistelten Würmern [erlöst]“[5] und für seine Ausgabe erneut verwendet. Dass die Illustrationen nicht nur von Hans Schäufelin stammten, auf dem Titel Johann Scheifelen von Nördlingen genannt, hatte Matthäus Schultes nicht gewusst.

Er fügte außerdem seinem Druck am Ende eine „Kurtze Geburts- Lebens- und Todtes-Beschreibung des Allerdurchleuchtigsten Ritters Maximiliani I.“ hinzu, die durchaus umfangreich ist.

Eine bühnentechnische Bearbeitung in fünf Akten erfolgte 1832 durch Johann Ludwig Deinhardstein unter dem Titel Erzherzog Maximilians Brautzug.1897 komponierte Ludwig Thuille die Oper Theuerdank nach Motiven der Erzählung.

Werkausgaben (Auswahl)

  • Die geuerlichen und einsteils der Geschichten des loblichen streytparen und hochberümbten helds und Ritters herr Tewrdanncks. Nürnberg: Schönsperger, 1517; 2. Auflage 1519
  • Der durchlauchtigste Ritter oder die [...] Groß-Thaten/Abentheuer [...] Deß Aller-Großmächtigsten / Unüberwindlichsten / Dapfersten / Unermüdeten und Klügsten Heldens Maximiliani I. [...] unter dem Namen Theur-Dank [...]. Augsburg: Matthäus Schultes, 1679
  • Der Theuerdank. Nach der Ausgabe von 1519. (1846)
  • Melchior Pfinzing: Theuerdank, 1517. Reprint (Die bibliophilen Taschenbücher); Dortmund: Harenberg, 1979
  • Die Abenteuer des Ritters Theuerdank. Kolorierter Nachdruck der Gesamtausgabe Nürnberg 1517. Köln: Taschen, 2003 ISBN 3-8228-2189-6 (Beigegeben: Stephan Füssel: Der Theuerdank von 1517: Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit; eine kulturhistorische Einführung.)

Literatur

  • Stephan Füssel: Maximilian I. In: Walther Killy (Hg.): Literaturlexikon, Bd. 8, S. 23-25; zu Theuerdank S. 24
  • Stephan Füssel: Der Theuerdank von 1517: Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit; eine kulturhistorische Einführung. Köln: Taschen 2003 (Teilband von ISBN 3-8228-2189-6)
  • Fritz Funke: Buchkunde. München-Pullach: Verlag Dokumentation 1969; S. 101ff.
  • Jan-Dirk Müller: Artikel "Pfinzing, Melchior". In: VL (Bd. 7, Sp. 568-571) u. Killy Literaturlexikon (Bd. 9, S. 149) und zu Theuerdank im Artikel Maximilian I. In: VL Bd. 6, Sp. 219
  • Peter Strohschneider:Ritterromantische Versepik im ausgehenden Mittelalter: Studien zu einer funktionsgeschichtlichen Textinterpretation der "Mörin" Hermanns von Sachsenheim sowie zu Ulrich Fuetrers "Persibein" und Maximilians I. "Teuerdank". Frankfurt am Main u.a.: Lang 1986 ISBN 3-8204-8550-3

Anmerkungen

  1. Matthäus Schultes, Herausgeber, Verleger und Drucker der Theuerdank-Ausgabe von 1679, nennt in seinem Vorwort an den Leser Kaiser Maximilian als Urheber, der seinem Schreiber Treitzsaurwein seine Geschichte „in die Feder“ gegeben, die Pfinzing „in Ordnung“ gebracht habe.
  2. vgl. Funke (1969), S. 104
  3. Schultes (1679), im Vorwort seiner Theuerdank-Ausgabe
  4. Schultes (1679), im Vorwort seiner Theuerdank-Ausgabe
  5. Schultes (1679), im Vorwort seiner Theuerdank-Ausgabe