Karl Barth
Karl Barth (* 10. Mai 1886 in Basel, † 10. Dezember 1968 ebd.) war ein schweizerischer protestantischer Theologe.
Leben (Überblick)
Seine Kindheit verlebte er in Bern. Sein Studium führte ihn nach Bern, Berlin, Tübingen und Marburg.
1910 wurde er Hilfsprediger in Genf. Von 1911 bis 1921 war er Pfarrer in Safenwil im Kanton Aargau. Später war er als Theologieprofessor in Deutschland (Göttingen, Münster, Bonn) tätig. Nach Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus musste er 1935 emigrieren und wurde Professor in Basel. Er gilt als Begründer der so genannten Dialektischen Theologie und wirkte maßgeblich an der Formulierung der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 mit. Er regte Fritz Buri an, eine Dogmatik aus der Sicht liberaler Theologie zu verfassen.
Barth war mit Nelly Barth-Hoffmann verheiratet. Gemeinsam bildete das Paar mit Charlotte von Kirschbaum eine Ménage à trois.
Die Theologie Karl Barths
Einführung und Überblick
Karl Barths theologischer Ansatz, wie er sich ausformuliert in der Kirchlichen Dogmatik findet, ist ein christozentrischer. Den Christozentrismus entwickelte der späte Barth aus seinem frühe(re)n dialektischen Ansatz. In der Folge dieser anfänglichen Wort-Gottes-Theologie, wie sie Barths Kommentar zum Römerbrief noch bot, galt es, die Problematik der natürlichen Theologie zu überwinden, wie auch einen differenzierteren Weltbegriff zu finden. Denn der frühe Barth benutzte einen Begriff von Welt, der diese immer schon unter dem Gesetz stehend sah, damit aber in der Gefahr stand, säkular eine Eigengesetzlichkeit zu evozieren, die politischen Ideologien offen gewesen wäre. (Hier ist der historische Ort zu beachten: Barth und die anderen Änhänger der Dialektischen Theologie befanden sich in der Bekennenden Kirche in schroffer Gegnerschaft zu dem sich ab 1933 ausbreitende Nationalsozialismus!)
Die »christozentrische Konzentration« Barths setzt nun an einem exklusiven Offenbarungsbegriff (exkl. Offenbarungsmonismus) an, wie er auch schon vom frühen Barth vertreten wurde: Nur Gott selbst kann von Gott reden. Damit bleibt das Leitmotiv der Souveränität Gottes, aus der Barth seine Theologie »von oben« entwickelt, völlig erhalten: Am Anfang steht die Erniedrigung des Gottessohnes; dann folgt die Erhöhung des Menschensohnes. Jede Umkehrung dieser Abfolge muss nach Barth zum Anthropozentrismus führen. Die Souveränität Gott wird (christozentrisch) nun völlig als die Souveränität Christi ausgeführt. Gottes Selbstoffenbarung in Christo ist Gottes ewiges Geschenk mitten in der Zeit, woraus sich zwei Konsequenzen ergeben:
- epistemologisch: Die Ableitung aller (theologischen) Erkenntnis, wie Gottes-, Schöpfungs-, Sünden- und Selbsterkenntnis aus dem Christusereignis und damit einhergehend die Ablehnung jedweder theologia naturalis .
- ontologisch: Die Hinwendung zur Welt als einer nicht aus sich heraus guten, aber von vornherein gerechtfertigten und begnadigten .
Damit ergibt sich eine Akzentverschiebung vom richtenden hin auf den gnädigen Gott, die nun in der Kirchlichen Dogmatik durchgeführt wird. Gottes &8250;Göttlichkeit‹ wird nicht durch seine &8250;Menschlichkeit‹ ersetzt, vielmehr ist jene nun als diese umfassend gedacht. Die Menschwerdung Gottes aber lässt sich nur von der Christologie her aufweisen, die somit zur Voraussetzung Barthscher Theologie werden musste.
Mit Christus als Gott kann Barth dann die Trinitätslehre als zentrale Stelle seiner Theologie entfalten. Dies geschieht in der Verbindung von Trinitäts- und Offenbarungslehre. Die Darlegung der Trinität Gottes ergibt sich nach Barth aus der Analyse des Offenbarungsbegriffes: Nur weil Gott der Dreieinige ist, kann er sich als der dreieinige offenbaren. Aus dieser Darlegung ergibt sich aber nicht nur die konsequente Weiterführung der Entfaltung einer Theologie »von oben«, sondern auch, dass damit die immanente Trinität und die ökonomische Trinität in eins gesetzt sind. Die argumentatio ad externum wird in der argumentatio ad internum begründet und begründbar. Die geoffenbarte trinitarische Wirklichkeit Gottes führt zu der Ableitung, dass es sich bei zeitlichem Geschehen »nur um die Durchführung des in Ewigkeit Beschlossenen« handelt.
Die konsequente Entfaltung dieser Theologie »von oben« führt Barth zur Prädestinationslehre. Die Prädestinationslehre ist nun das letzte Zentrum der Barthschen Theologie. Aus der ewigen Erwählung Jesu Christi kann die Christologie, wie auch jede Schöpfungs- uns Sündenlehre, Rechtfertigungslehre und Ethik abgeleitet werden. Die Prädestinationslehre bedeutet in Barths Theologie funktional:
- Die Ableitung alles Geschehens aus dem Handeln Gottes in Jesu Christo.
- Die Ableitung des innerweltlichen Guten bzw. Bösen aus dem Willen Gottes als dem der Erwählung und der Verwerfung.
- Damit die Bestimmung der Zweitrangigkeit (und das heisst: Nichtigkeit) des Bösen.
- Die Bestimmung des Anspruchs Christi auf die gesamte Wirklichkeit (Königsherrschaft) (Hier wird die Theologie aus der »apologetischen« Haltung heraus in eine nahe zu »akkusatorische« geführt.)
Die ontologische Problematik bei Karl Barth
Theologische Aussagen werden bei Barth keiner impliziten philosophischen Ontologie oder Hermeneutik untergeordnet. Gottes Handeln am Menschen wird explizit als Handeln (actio) gefasst. Sowohl das Hören als auch das Verstehen des Wortes Gottes ist in dessen actio mit eingeschlossen.
Schon in der Negativen Ontologie (bzw »Hohlraum-Ontologie«) der Römerbrief-Theologie versucht Barth die Problematik, wie vom Menschen nun über Gott geredet werden könne, durch eine »antithetische Dialektik« zu überwinden: Die menschliche Aussage über Gott ist nur als eine auf dessen Wort hinweisende auszusprechen. Hierbei stellt sich aber die Frage, wie »[...] überhaupt eine theologische Aussage getroffen werden [kann], so dass sie dem aktualen Geschehen [sc: des Wortes Gottes] nicht vorgreift« (F.Schmid 1964, S.39), d.h. wie der Mensch an diesem Geschehen beteiligt sein soll.
In jenem theologischen Stadium Barths, das gerne mit dem Anselm-Buch verbunden wird, verweist Barth die Frage der Vermittlung des Gotteswortes, die sich für Friedrich Gogarten u.a. in einer Aufnahme des »Du« (vgl. Ebner, Buber) und für Bultmann durch eine Anknüfung an die Existentialanalyse (Heidegger) beantwortet, radikal in den Bereich Gottes: Der Bereich des Wortes Gottes umfasst danach sowohl den redenden Gott als auch den hörenden Menschen. (vgl. Barth 1927, S.111), womit sich aber »[...] die ontologische Frage umfassend [...] [stellt], insofern sie als vom Worte Gottes ausgehend auch die Wirklichkeit des Menschen als eines von Gott Angeredeten mit einschließt.« (F.Schmid 1964, 112)
- »Weil Gott da ist, darum gibt es Dasein überhaupt. [...] Alles, was außer ihm da ist, ist gleichsam in der Klammer seines Daseins da und also auch nur in der Klammer des Denkens seines Daseins (seines nicht negierbaren Daseins!) als daseiend denkbar - und also, von dieser Klammer abgesehen, immer auch als nicht da seiend denkbar.« (K.Barth 1931, 139)
Im letzten Stadium seiner theologischen Entwicklung gibt Barth in der »Kirchlichen Dogmatik« dann schon eine detailliert ausgefaltete Trinitätslehre zur Antwort auf die Problematik der Wort-Gottes-Vermittlung, indem er die Bewegung des Offenbarungsgeschehens mit dieser und der Christologie verbindet: Der sich in Christus offenbarende trinitarische Gott ist der »Gott für uns«, der in seiner Freiheit schon immer »Gott an sich« ist (vgl. KD I,1 S.178) In der erfüllten Zeit (kairos) wird die Krisis der Zeitlichkeit überwunden, werden Zeit und Ewigkeit eins in Jesu Christi. Das Verständnis Gottes, ja sogar seine »Gegenständlichkeit« versucht Barth hier in Jesu Christi Geschichte als Mitte der Zeit zu gewinnen. Diese »Gegenständlichkeit« ist zwar eine im Wort der Verkündigung lokalisierte, die aber Barth nicht gegen den Vorwurf einer Verobjektivierung , also eines Offenbarungspositivismus schützt.
Barths Analogienlehre
Bei der Frage nach Akt und Sein wird v.a. Barths Analogienlehre, die in der barthianisch- lutherischen Theologie häufig als problematisch empfunden wird, in den Mittelpunkt gerückt. Gegen den Christomonismus Barths, der kaum noch ermöglicht, die so entstandene Kluft zwischen Mensch und Gott zu überbrücken macht in Anlehnung an Bonhoeffer Joest die Ansicht geltend, Gott als Akt und als Sein verstehen zu müssen und so zu einer dynamischen und statischen Wirklichkeitsauffassung zu kommen.
Die Grundzüge dieser Frage der Vereinbarkeit einer analogia entis und einer analogia fientis finden sich im Streit um Brunners Imagolehre. Nach Barth kommt die imago Dei einzig und allein Christus zu. Dass aber neben der sog. Materialimago dem Menschen mit dem Sündenfall auch die sog. Formalimago verlustig geht, kann Barth biblisch nicht bzw. nur falsch belegen. Schon die »[...] Schöpfung kommt aus der in sich ruhenden Seinsmacht Gottes und durch sie hindurch wird auch dem Menschen substantielles Sein verliehen . (W.Joest, Sein und Akt)
Barths Aktualismus-These
Mit seinem Aktualismus versucht Barth, die Problematik von Zwei-Naturen-Lehren zu überwinden. Er tut dies nicht, indem er eine zugunsten der anderen Natur aufgibt, sondern beide in einer »Aktion Gottes« aufhebt, die in Jesus geschieht und Person mit Werk untrennbar verbindet. Jesus ist Aktion Gottes. Barths Analogienlehre wird gerade wegen ihres Aktualismus, d.h. der Auffassung, dass die Analogie selbst einen Akt darstellt, also nicht ist , sondern im Glaubensgeschehen, in der Offenbarung sukzessive (und kurzlebig?) je und je wird, kritisiert. In Barths theologischer Entwicklung verschieben sich zwar die Akzente von Immanenz über Transzendenz zur Transparenz Gottes (Pöhlmann, 112), ein grundsätzlicher Aktualismus wird aber nicht aufgegeben.
Die Problematik eines solchen Aktualismus, der das Sein als »substanzlos«, als actus purus begreift, wird in Barths Verwechslung der Termini »Substanz« und »Materie« lokalisiert; Substanz aber ist mehr als Materie, ist als Sein des Seienden zu verstehen. (vgl. Pöhlmann, 125).
- »Was sagt der Mensch Jesus inmitten des Kosmos, inmitten der anderen Menschen? Wollen wir es aufs einfachste ausdrücken, so müssen wir zweifellos antworten: er sagt sich selber. Er redet ja, indem er existiert. Er ist, indem er ist , das Wort Gottes. [...] So ist seine eigene Existenz der Inhalt der Rede dieses Menschen. Er redet also von der in ihm sich ereignenden geschöpflichen Gegenwart, Aktion und Offenbarung Gottes, von Gottes Rettertat und damit von seinem Reich, vom Geschehen seines Willens, von seinem eigenen geschöpflichen Sein vom Dienst an diesem Geschehen, von Gottes Herrschaft über ihn und darum von seiner eigenen Freiheit für diesen Dienst. Der Mensch Jesus selbst ist ja diese Rettertat, dieses Geschehen, dieser Dienst, er ist diese Herrschaft des Schöpfers und diese Freiheit des Geschöpf.« (KD III,2 177f; vgl. auch Barths Hermeneutik und Wiesner in: ThLZ 1966, 572ff.)
Wichtige Werke
- Der Römerbrief; 1919
- Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms; 1931
- Kirchliche Dogmatik; 1932ff.
- Weihnacht; 1934
- Nein! Antwort an Emil Brunner; 1934
- Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik, dargestestellt im Anschluß an das Apostolische Glaubensbekenntnis. 16 Vorlesungen; 1935
- Evangelium und Gesetz; 1935
- David Friedrich Strauß als Theologe. 1839-1939; 1939
Literatur
- Friedrich Wilhelm Bautz, Karl Barth; in: BBKL 1 (1990), 384-396 (mit umfangreichem Literaturverzeichnis !)
- E. Busch, Karl Barths Lebenslauf; München 1978
- J. Dierken, Glaube und Lehre im modernen Protestantismus. Studien zum Verhältnis von religiösem Vollzug und theologischer Bestimmtheit bei Barth und Bultmann sowie Hegel und Schleiermacher; Habil., 1996
- Wilfried Jost, Sein und Akt in der Existenz des Menschen vor Gott. Zur Interpretation der reformatorischen Anthropologie; in: StGen 8 (1955), 689-697
- Eberhard Jüngel, Barth-Studien; 1982
- C.D. Osthövener, Die Lehre von Gottes Eigenschaften bei Friedrich Schleiermacher und Karl Barth; 1996
- E.H. Quapp, Barth contra Schleiermacher? Die Weihnachtsfeier als Nagelprobe; 1978
- G.Wehr, Karl Barth. Theologe und Gottes fröhlicher Partisan.; Gütersloh 1979
Weblinks
- H.-H. Schneider, Karl Barth
- Karl Barth-Archiv in Basel
- Christianity Today
siehe auch: Carl Barth