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Radioaktivität

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Das Wort "Radio" bedeutet Strahlung. Man kann das Wort Radioaktivität so verstehen, dass es sich um "Strahlungsaktive" Stoffe oder andere Quellen handelt im Sinne des oben genannten Prinzips. Deswegen handelt es sich bei dem Begriff "Radioaktiver Strahlung" um einen Pleonasmus und der Begriff sollte in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden werden.


Unter Radioaktivität oder Radioaktivem Zerfall versteht man die spontane Umwandlung instabiler Atomkerne unter Energieabgabe. Die freiwerdende Energie wird in Form ionisierender Strahlung abgegeben. Bei der Kernumwandlung kann sich die Kernladungszahl (Ordnungszahl) ändern (Umwandlung in ein anderes chemisches Element), oder nur die Massenzahl (Umwandlung in ein anderes Isotop des selben Elements). Daneben gibt es Übergänge, bei denen sich nur der Anregungszustand des Kerns ändert (Übergang zwischen verschiedenen Isomeren des selben Isotops). Die Stärke der Radioaktivität wird durch den physikalischen Begriff der "Aktivität" beschrieben und in der Einheit "Becquerel" angegeben.

Radioaktiver Zerfall ist kein deterministischer Prozess. Der Zerfallszeitpunkt ist absolut zufällig. Allerdings ist für jedes Nuklid die Zerfallswahrscheinlichkeit ein fester Wert, der durch die Halbwertszeit angegeben wird. Die Halbwertszeit ist der Zeitraum, nach dem durchschnittlich die Hälfte der instabilen Atomkerne einer Menge zerfallen sind. Sie kann bei sehr instabilen Atomkernen nur Sekundenbruchteile, aber auch einige Mlliarden Jahre betragen. Ein derartiges metastabiles Element ist beispielsweise Thorium. Je kürzer die Halbwertszeit, desto größer die Radioaktivität.

Nicht nur wann ein Zerfall geschieht, sondern auch die Art des Zerfalls ist unter Umständen zufällig. Bismut-212 kann beispielsweise mit jeweils unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auf drei verschiedenen Wegen zerfallen. Es wurden Listen aller Nuklide angefertigt, der man die genaue Art und Anteile der möglichen Zerfälle und Halbwertszeiten jedes bekannten Nuklids entnehmen kann, den Nuklidkarten.

Ein Atomkern ist dann stabil und kann nicht weiter von sich aus zerfallen, wenn es keinen radioaktiven Zerfall gibt, der zu einem energetisch niedrigeren Zustand führt. Beim Wasserstoff ist dieser Zustand das einzelne Proton als Atomkern, bei Helium und Elementen darüber müssen gleich viele Protonen als auch Neutronen den Kern bilden, und bei größeren Kernen überwiegt immer mehr die Zahl der Neutronen. Ab einer gewissen Zahl an Nukleonen werden alle Atomkerne instabil, weil die Kernkräfte sie nicht zusammen halten können. Unter Einwirkung von Strahlung können stabile Atomkerne in andere Atomkerne umgewandelt werden, die instabil sind.

Zerfallsmodi

Im Atomkern wirken im Wesentlichen zwei Wechselwirkungen. Die Starke Wechselwirkung, auch "Kernkraft" genannt, bewirkt die Bindung der Protonen und Neutronen aneinander. Die Elektromagnetische Wechselwirkung, welche eine gegenseitige Abstoßung der Protonen bewirkt.

Die Neutrinostrahlung ist sehr schwer nachzuweisen, da Neutrinos nur der Schwachen Wechselwirkung unterliegen und beispielsweise die Erde durchqueren können, ohne eine Wechselwirkung einzugehen.

Bei allen Zerfallsarten kann zusätzlich Gammastrahlung emitiert werden.

Alaphazerfall

Ist der Atomkern sehr schwer, enthält also viele Protonen und Neutronen, kommt es zum -Zerfall. Die Starke Wechselwirkung kann den Mutterkern dann nicht mehr zusammen halten, dabei wird die freiwerdende Energie in Form von Heliumkernen mit einer Geschwindigkeit von unter 0,1 c (Lichtgeschwindigkeit) emittiert. Der Restkernkern auch Rückstoßkern oder Tochterkern genannt verringert bei diesem Vorgang seine Nukleonenzahl des Kerns um vier, und die Kernladungszahl um zwei. Sie hat in Luft eine Reichweite von wenigen Zentimetern, besitzt aber eine extrem schädliche biologische Wirkung.

Betazerfall

Wenn die elektrische Abstoßung der Protonen die Starke Wechselwirkung überwiegt, tritt normalerweise -Zerfall ein. Dabei wird ein Neutron des Kerns in ein Proton umgewandelt und ein hochenergetisches Elektron, sowie ein Elektron-Antineutrino mit bis zu 0,99 c emittiert. Die Nukleonenzahl des Kerns ändert sich dabei nicht, seine Ordnungszahl erhöht sich um eins. Durch einige Meter Luft oder eine dünne Metallschicht lässt sie sich abschirmen.

Beim -Zerfall wird ein Proton des Kerns in ein Neutron umgewandelt und ein hochenergetischen Positron, sowie ein Elektron-Neutrino emittiert. Die Nukleonenzahl des Kerns ändert sich dabei nicht, seine Ordnungszahl verringert sich um eins.

Gammazerfall

Beim -Zerfall liegt der Atomkern im energetisch angeregten Zustand vor. Die unterschiedlichen Anregungszustände des selben Isotops nennt man Isomere. Der Übergang in energetisch niedrigere Isomere kann durch Emission hochfrequenter Elektromagnetischer Wellen erfolgen und wird als -Zerfall bezeichnet. Je nach Energie können diese dicke Bleiplatten durchdringen.

Elektroneneinfang

Eine andere Möglichkeit zur Umwandlung eines Protons in ein Neutron besteht darin, ein Elektron aus der Atomhülle in den Kern "zu ziehen", dem sogenannten Elektroneneinfang (englisch: electron capture - EC). Nach der Bezeichnung der typischsten betroffenen Elektronenschale (K-Schale) wird der Elektroneneinfang auch als K-Einfang bezeichnet. Das Proton des Kerns wird in ein Neutron umgewandelt und ein ein Elektronneutrino emittiert. Bei diesem Umwandlungsmechansimus ist der Kern den selben Änderungen unterworfen wie beim -Zerfall, die Nukleonenzahl bleibt unverändert, die Ordnungszahl verringert sich um eins. Der Elektroneneinfang konkurriert daher mit dem -Zerfall, und wird auch als eine Variante des Betazerfalls angesehen. Da das eingefangene Elektron meist aus der innersten Elektronenschale stammt, wird in dieser ein Platz frei und Elektronen aus den äußeren Schalen rücken nach, wobei charakteristische Röntgenstrahlung emittiert wird.

Innere Konversion

Die freiwerdende Energie beim Übergang eines Atomkerns in ein energetisch niedrigeres Isomer kann auch an ein Elektron der Atomhülle abgegeben werden. Diesen Vorgang nennt man Innere Konversion. Konversionselektronen sind im Gegensatz zu -Teilchen monoenergetisch.

Spontane Nukleonenemission

Bei instabilen Kernen kann es zu Spontaner Nukleonenemission also Protonenemission oder Neutronenemission kommen. Instabile Kerne können sich auch durch direkte Emission einzelner Neutronen oder Protonen in energetisch günstigere Kerne umwandeln. Atomkerne mit sehr hohem Protonenüberschuss können ein Proton abstoßen. Und Atomkerne mit hohem Neutronenüberschuss können aufgrund der schwachen Wechselwirkung Neutronen abstossen. Die schwache Wechselwirkung ist unter anderem für die Instabiliät des isolierten Neutrons verantwortlich.

Weitere

Die spontane Kernspaltung ist ein weiterer radioaktiver Umwandlungsprozess der bei instabilen Kernen auftritt. Der Atomkern zerfällt in zwei oder mehrere Bruchstücke. Beispielsweise:

252Cf -> 142Ba + 106Mo + 4 1n

Clusterzerfall: Statt einzelner Nukleonen oder Heliumkerne werden in sehr seltenen Fällen auch ganze Atomkerne anderer Nukleonenzahl emittiert.

Zwei-Protonen-Zerfall: Bei extremem Protonenüberschuss (wie bei zum Beispiel Eisen-45) kann der Zwei-Protonen-Zerfall auftreten, bei dem sogar 2 Protonen gleichzeitig abgestrahlt werden.

Einheiten

SI alt
Aktivität Becquerel Curie
Dosis Gray Rad
Äquivalentdosis Sievert Rem
Becquerel Bq
Einheit radioaktiver Aktivität (Zerfallsereignisse je sec). Das Becquerel löst die alte Einheit Curie ab; Umrechnung: 1 Ci = 3.7E10 Zerfallsereignisse pro Sekunde = 37 Milliarden Bq; 1 Bq = 2,7 E-11 Ci
Curie Ci
Alte Einheit radioaktiver Aktivität, abgelöst durch Becquerel (s.d.). 1 Ci = 37 GBq = 3.7 E10 Bq
Gray Gy
(SI-Einheit der Energiedosis). Das Gray löst die alte Bezeichnung "Rad" ("radiation-absorbed dose") ab. Es gibt an, wieviel Energie von einem kg Körpermasse aufgenommen wird. 1 Rad = 0,01 Gray; 1 Gray = 100 Rad
Rad
radiation absorbed dose; alte Einheit der Energiedosis, abgelöst durch Gray (Gy)
Rem
roentgen-equivalent men; alte Einheit der Personendosis, abgelöst durch Sievert (Sv)
Röntgen
alte Einheit der Ionendosis
Sievert Sv
Einheit der Äquivalentdosis; löst die alte Bezeichnung "Rem" ("roentgen-equivalent-men") ab. Die Äquivalentdosis ergibt sich durch Multiplikation der Energiedosis (Gray) mit einem biologischen Qualitätsfaktor. Für beta- und gamma-Strahlung ist dieser Faktor 1, das heißt Sv = Gy. Für -Strahlung ist er 20, was die erhöhte Wechselwirkung beim Durchdringen von Gewebe berücksichtigt.

Geschichte

1896 entdeckte Antoine Henri Becquerel, dass Uran enthaltende Stoffe eine Strahlung aussenden. Diese vermag es undurchsichtige Stoffe zu durchdringen. Dies stellte er fest als er in Papier gehüllte fotografischer Platten geschwärzt wieder vorfand. Er stellte zudem fest, dass diese Radioaktivität ist nicht einheitlich ist, sondern verschiedene Komponenten enthalten kann:

  1. Komponente mit hohem Durchdringungsvermögen, die im elektrischen Feld nicht abgelenkt wird (Gammastrahlung)
  2. Komponente, die im elektrischen Feld zum Pluspol abgelenkte Komponente mit mittlerem Durchdringungsvermögen (Betastrahlung)
  3. Komponente, die im elektrischen Feld zum Minuspol abgelenkte Komponente mit geringem Durchdringungsvermögen (Alphastrahlung).

Die wesentlich beteiligten Personen, die auf dem Gebiet der weiteren Aufklärung der natürlichen Radioaktivität forschten, waren Maria Curie, Pierre Curie und Ernest Rutherford.

Technische Anwendung

Die in Atomkraftwerken genutzte Kernspaltung wird ebenfalls in Antriebsreaktoren angewandt, wie sie in atomaren Unterseeboten zu finden sind. Neben der bekanntesten Anwendung als Energielieferant gibt es noch viele andere Möglichkeiten der technischen Anwendung. Dazu gehört Dickemessung und Materialprüfung mittels Durchstrahlung. Hierbei wird ein Stoff radioaktiv (mit Gamma-Strahlen) bestrahlt und ein Zähler ermittelt aufgrund der durchdringenden Strahlen und des Absorptionsgesetzes die Dichte. Diese Technik findet auch bei der Prüfung von Schweißnähten und Werkstoffen Anwendung. (zum Beispiel zur qualitativen Überprüfung einer Schweißnaht) Bei Uhren und anderen radioaktiven Lichtquellen wird die leuchtende Eigenschaft „Lumineszenz“, die durch Beigabe von radioaktiven Substanzen (Tritium, früher Radium oder Promethium) zu Zinksulfidkristallen erreicht wird, genutzt. Isotopenbatterien finden häufig in der Raumfahrt und in Herzschrittmachern Anwendung. Hierbei wird Wärme, die beim Absorbieren von Strahlen eines Radionuklids entsteht, technisch genutzt. Der thermische Unterschied zur Umwelt wird hier durch ein thermisches Element zu Energie umgewandelt (Wirkungsgrad~5%). Hierbei werden am häufigsten α -Strahler, besonders Plutonium, eingesetzt.

Biologische und Chemische Anwendungen

In der Biologie wird hauptsächlich die Mutationen fördernde und sterilisierende Wirkung genutzt. In der Pflanzenzüchtung werden zum Beispiel durch „strahlungsinduzierte Mutationen“ Mutanten erzeugt, durch die neue und verbesserte Arten hervorgebracht werden können. Ein sehr erfolgreiches Einsatzfeld ist die „Sterile-Insekten-Technik“, kurz SIT. Dabei werden männliche Schadinsekten sterilisiert und dann im Zielgebiet freigelassen. Das Ausbleiben von Nachkommen führt zur Verringerung der Population. Vorteil hierbei ist auch dass keine schädlichen Chemikalien eingesetzt werden müssen und andere Insekten unbetroffen bleiben. Weiterhin eignet sich Radioaktivität auch zur „Sterilisation von Geräten, Implantaten, Lebensmitteln“. Hierbei werden Mikroorganismen, ähnlich wie bei der Hitzesterilisation, neutralisiert. Hierfür gelten jedoch strenge Auflagen. Weiterhin kann das Wachstum eines Keimlings durch schwache Strahlung verbessert werden, wohingegen zu starke Strahlung wachstumshemmend wirkt. Die Vernetzung von Polymeren ohne Wärmeentwicklung ist ebenfalls möglich, wobei auch große Komponenten vernetzt werden können. Interessant ist auch die Farbänderung von Edelsteinen, Gläsern und pigmentierten Kunststoffen durch Radioaktivität.

Strahlenbelastung und biologische Wirkung

Die Strahlenbelastung für Lebewesen wird als effektive Dosis mit der Einheit Sievert gemessen. Dabei wird die unterschiedliche Schädlichkeit von Alpha-, Beta- und Gammastrahlen sowie die unterschiedliche Empfindlichkeit einzelner Gewebe berücksichtigt.

Jeder Mensch ist natürlicher Strahlenbelastung ausgesetzt. Ursache ist etwa zur Hälfte Radon und seine Zerfallsprodukte, das in Gestein und Mauerwerk vorkommt. Wichtige andere natürliche Strahlenquellen sind Kalium 40, Kosmische Strahlung und terrestrische Strahlung. In Deutschland beträgt die natürliche Strahlenbelastung etwa 2,4 mSv pro Jahr.

Die künstliche Strahlenbelastung von im Durchschnitt 1,5 mSv im Jahr stammt fast ausschließlich aus der Medizin.

Alle Formen Radioaktivität können für Lebewesen gesundheitsschädlich sein. Die Kurzzeitfolge einer zu hohen Dosis Radioaktivität wird Strahlenkrankheit genannt. Sie äußert sich durch ein geschwächtes Immunsystem und Verbrennungen. Die Strahlenkrankheit tritt etwa ab einer kurzfristigen Belastung von 0,25 Sv auf. 4 Sv sind in der Regel tödlich. Die Langzeitfolgen der Radioaktivität sind Mutationen am Erbgut und Krebs.

Medizinische Anwendung

In der Nuklearmedizin findet man primär die Szintigraphie. Hierbei wird eine geringe Menge eines radioaktiven Stoffes in den Körper injiziert (meist Gamma -Strahler). Dieser strahlt dann aus dem Körper heraus, was eine Untersuchung ermöglicht. Die Strahlen werden von einem µ -Detektor aufgefangen und mittels eines Computertomographen bildlich dargestellt. Dabei kann aus mehreren abgetasteten zweidimensionalen Bildern auch ein dreidimensionales Bild errechnet werden. Für jedes Organ gibt es spezielle radioaktive Verbindungen. So injiziert man zum Beispiel radioaktives Iod, das sich in der Schilddrüse anlagert, um sie untersuchen zu können. (Aufgrund der Strahlenbelastung wird diese Methode nur noch zur Tumorbekämpfung angewandt). Mittels moderner Technik ist es sogar möglich Krebszellen zu bekämpfen. Hierfür wird Bor in den Körper injiziert, das sich an den schnell wachsenden Tumoren anlagert, und dann mit Neutronen beschossen. Dadurch wird das Bor radioaktiv und zerstört die Krebszellen, an die es sich angelagert hatte. Weiterhin gibt es die externe Strahlenbehandlung, bei der mit Techniken der Telecurie- oder Telegammatherapie die Tumore im Körperinneren bestrahlt werden. Ein weiteres Einsatzfeld ist die Radionuklidbehandlung zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen. Hier wird in krankhaften Knochenbereichen der Metastase ein Radionuklid angereichert, was eine schmerzlindernde Wirkung hat. Jedoch haben diese Methoden auch ein gewisses Risiko, da teilweise auch gesundes Gewebe zerstört wird, was zu einer Immunschwächung oder Funktionsstörung des Knochenmarkes führen kann.

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