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Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996

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Mit der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 wurde die Neue deutsche Rechtschreibung verabschiedet.

In diesem Artikel wird die Geschichte der Rechtschreibreform und deren Akzeptanz beleuchtet. Die konkret verabschiedeten Regeln befinden sich unter Neue deutsche Rechtschreibung.

Eine Übersicht über die in der öffentlichen Debatte angeführten Argumente pro und contra in "Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996: Kritik und Apologetik".

Zum weiteren Kontext siehe auch die Artikel

Geschichte

Dudenmonopol

Im Jahr 1880 hatte Preußen die amtliche Ortographie auf Grundlage des Wörterbuchs von Konrad Duden geregelt. Dudens Wörterbuch blieb maßgeblich, als der Bundesrat 1902 für das gesamte Deutsche Reich verbindliche "Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis" erließ, denen sich Österreich und die Schweiz alsbald anschlossen.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die deutsche Rechtschreibung de facto von der Redaktion des "Duden" weiterentwickelt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde diese Tradition in Leipzig und in Mannheim doppelt fortgeführt (Ost- und West-Duden). In Westdeutschland griffen zu Beginn der 1950er Jahre einige Verlage das faktische Dudenmonopol an, indem sie Wörterbücher mit abweichenden Schreibungen herausbrachten. Daraufhin erklärten die Kultusminister der westdeutschen Bundesländer den Duden per Beschluss vom November 1955 in allen orthographischen Zweifelsfällen für verbindlich.

Die Dudenreaktion ging einerseits konservativ vor, indem sie es als ihre primäre Aufgabe betrachtete, im Wörterbuch den vorherrschenden Sprachgebrauch zu dokumentieren. Andererseits entwickelte sie im Regelwerk zur Klärung immer neuer Zweifelsfälle immer feinere Verästelungen.

Reformdebatte in der Nachkriegszeit

Die fachwissenschaftliche Debatte politisierte sich im Gefolge der 1968er-Bewegung: normierte Rechtschreibung wurde als repressiv und als Mittel der sozialen Selektion kritisiert. Reformvorschläge bemühten sich nun nicht mehr nur um die Klärung von Zweifelsfällen, sondern wollten die deutsche Rechtschreibung grundlegend vereinfachen und dadurch insbesondere das Schreibenlernen vereinfachen.

Vielen Vorschlägen gemeinsam war die Forderung nach "gemäßigter Kleinschreibung": die generelle Großschreibung von Substantiven sollte abgeschafft, die von Eigennamen dagegen beibehalten werden. Eine solche Reform hatten nach dem 2. Weltkrieg mehrere skandinavische Länder durchgeführt.

Allerdings ergab eine vielbeachtete Untersuchung in den Niederlanden, dass eine dem Deutschen entsprechende Groß- und Kleinschreibung einen großen Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit hat. Die Probanden waren mit einer solchen Groß- und Kleinschreibung in der Lage, Texte in ihrer Muttersprache sehr viel schneller zu lesen als in gemäßigter Kleinschreibung. (Darstellung und Literaturhinweise in der Grammatik das Wort/der satz.) Als Reaktion wurde in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Großbritannien, darüber diskutiert, eine dem Deutschen entsprechende Groß- und Kleinschreibung einzuführen. Die Diskussionen verliefen jedoch ausnahmslos im Sande.

Institutionalisierte Reformberatungen seit 1980

Im Jahr 1980 wurde der Internationale Arbeitskreis für Orthographie gegründet und mit Germanisten aus der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz besetzt.

Die Vorüberlegungen wurden vorangetrieben durch die zwei "Wiener Gespräche" von 1986 und 1990, zu denen die österreichische Bundesregierung Vertreter aus allen Gebieten, in denen Deutsch gesprochen wird, eingeladen hatte. An der Schlusserklärung des 1. Wiener Gesprächs wurde angekündigt, die "umstrittene Groß- und Kleinschreibung" vorerst auszublenden, um sie später in einem "zweiten Schritt" in Angriff zu nehmen.

1987 erteilte die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, zusammen mit der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden ein neues Regelwerk zu entwerfen. 1988 übergaben diese einen noch unvollständigen Vorschlag mit zahlreichen, sehr weitreichenden Neuregelungen (zum Beispiel '"der Keiser im Bot"), der in der Öffentlichkeit und bald auch von der KMK als unannehmbar zurückgewiesen wurde. Parallel dazu hatte die Schweizer Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren eine Expertengruppe mit dem gleichen Auftrag eingesetzt; beim Österreichischen Bundesministerium für Unterricht und Kunst gab es eine Wissenschaftliche Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie; in der DDR die Forschungsgruppe Orthographie am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft an der Akademie der Wissenschaften.

1992 veröffentlichte der Internationale Arbeitskreis einen alle Bereiche der Orthographie behandelnden Vorschlag unter dem Titel "Deutsche Rechtschreibung – Vorschläge zu ihrer Neuregelung" (Narr, Tübingen).

1993 lud die KMK 43 Verbände zur Stellungnahme ein. Anhörungen fanden in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Der IAR zog daraufhin die Forderung nach gemäßigter Kleinschreibung zurück. Es blieb auch bei der Unterscheidung von das/daß.

Auf dem 3. Wiener Gespräch im November 1994 wurde das Beratungsergebnis den politischen Entscheidungsinstanzen zur Annahme empfohlen. Im Anschluss an die "politische Willensbildung in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz" solle Ende 1995 ein Abkommen geschlossen werden. Daraufhin beschlossen die deutschen Kultusminister 1995 in der KMK, die Neuregelung zum 1. August 1998 mit einer Übergangsphase bis 2004/2005 einzuführen.

Am 1. Juli 1996 verpflichteten sich die deutschen Bundesländer, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und weitere Staaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen durch die Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, die neue Orthographie bis zum 1. 8. 1998 einzuführen. Einige Bundesländer führten bereits mit Schulbeginn 1996/97 die neuen Regeln im Unterricht ein. Es entbrannte ein Wettrennen um die Herausgabe der ersten Wörterbücher in neuer Rechtschreibung. Für die Verlage zahlte sich die Rechtschreibreform aus: für viele Jahre belegte der Duden Spitzenplätze auf Bestsellerlisten; der Schulbuchmarkt erlebte eine Sonderkonjunktur.

Übergangsfrist

Hauptursache für die heftigen Kontroversen könnte die Übergangsfrist von 8 Jahren sein. Die Erfahrung mit anderen Reformen, bei denen das Verhalten großer Bevölkerungsgruppen geändert wird - wie der Reform der Gewichts- und Maßsysteme, Umstellung auf den Euro, Rechtschreib- und Schriftreformen in anderen Ländern, Umstellung von Links- auf Rechtsverkehr in Schweden - zeigen deutlich, dass eine Reform erfolgreicher ist, je kürzer die Übergangsfrist ist. Eine lange Übergangsfrist verleitet dazu, sich nicht mit der Reform auseinanderzusetzen und sich in der Hoffnung zu wiegen, dass die Reform sich nicht durchsetzen wird. Das spaltet die Bevölkerung in jene, die sich frühzeitig damit auseinandergesetzt haben und die Reform akzeptieren und jene, die sich zu spät oder gar nicht damit auseinandergesetzt haben. Idealerweise wird eine Reform gut vorbereitet und dann von einem Tag auf den anderen umgesetzt.

Dieses Argument lässt jedoch außer Acht, dass zum einen nur für die Schule und die öffentliche Verwaltung bindende Regeln festgelegt werden können, alle anderen dürfen „nähmlich“ schreiben, wie sie wollen. Es gibt also gar keine Möglichkeit, eine Rechtschreibreform von einem auf den anderen Tag umzusetzen. Und selbst wenn man allen Menschen eine bestimmte Rechtschreibung vorschreiben könnte, blieben immer noch die Abermillionen von Büchern in den öffentlichen und privaten Bibliotheken. Die Beispiele der Währungsumstellung oder des Übergangs vom Links- auf Rechtsverkehr sind wenig überzeugend, da es nach diesen Umstellung eben egal ist, was vorher war.

Öffentliche Auseinandersetzung nach Unterzeichnung der zwischenstaatlichen Absichtserklärung

Erst nach Unterzeichnung der zwischenstaatlichen Absichtserklärung wurde die Neuregelung in der breiten Öffentlichkeit bekannt und es begann eine heftige Diskussion (zu den inhaltlichen Argumenten siehe unten: Kritik und Apologetik). Auf der Frankfurter Buchmesse 1996 unterzeichneten hunderte Schriftsteller und Wissenschaftler die Frankfurter Erklärung für einen Stopp der Reform.

Nachdem Verwaltungsgerichte im Lauf des Jahres 1997 unterschiedlich geurteilt hatten, erklärte das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 1998 die Einführung der neuen Rechtschreibung per Kultusministererlass für rechtmäßig.

In Schleswig-Holstein wurde in einem Volksentscheid am 27. September 1998 die Wiedereinführung der herkömmlichen Rechtschreibung beschlossen. Die Regierungschefin Heide Simonis hatte schon vorher angekündigt, den Volksentscheid mit der Landtagsmehrheit wieder aufzuheben. Das Volksgesetz wurde dann tatsächlich vom Kieler Landtag im September 1999 aufgehoben. In Bayern war 1996/97 eine Volksinitiave erfolgreich. Aber das dadurch mögliche Volksbegehren wurde von den Initiatoren um Friedrich Denk aufgegeben.

Durch das Erscheinen der neuen Wörterbücher im Juli/August 1996 wurde die Kritik der Reformgegner bestätigt. Sie drängten nun darauf, die Neuregelung zurückzunehmen. Die Kultusministerkonferenz lehnte jedoch die daraufhin von den Reformern vorgeschlagenen Nachbesserungen ab. Auch die Duden-Redaktion räumte ein, dass viele Probleme im Zusammenhang mit der alten Rechtschreibung vor allem mit den unverständlich formulierten und spitzfindigen Darstellung der Rechtschreibregeln im Duden zusammenhingen.

Im Mai 1998 forderten 550 Sprach- und Literaturprofessoren die Rücknahme der Rechtschreibreform.

Die Befürworter der Rechtschreibreform zeigen sich von sämtlichen Protesten unbeeindruckt und bedauern nach wie vor, dass die von ihnen so bezeichnete "gemäßigte Kleinschreibung" "keine Zustimmung der offiziellen Stellen" fand.

Weiterentwicklung der Rechtschreibung

1997 konstituierte sich die Zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung. Sie soll im Auftrag der Kultusminister die Einführung der neuen Regeln begleiten und Zweifelsfälle ausräumen.

Anfang 2004 kündigte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn an, künftig solle die Zwischenstaatliche Kommission weitestgehend autonom über die deutsche Rechtschreibung entscheiden; nur noch Reformen von der Bedeutung etwa der gemäßigten Kleinschreibung bedürfen noch ministerieller Zustimmung. Der Vorstoß wurde scharf kritisiert.

Parallel dazu legte die Zwischenstaatliche Kommission ihren vierten Bericht zur Rechtschreibreform vor, worin sie die neue Rechtschreibung in zahlreichen Punkten revidierte.

Anfang März 2004 tagte die Kultusministerkonferenz und verwarf den von der Zwischenstaatlichen Kommission vorgelegten vierten Bericht. Außerdem wurde der Zwischenstaatlichen Kommission aufgetragen, mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zusammenzuarbeiten. Diese Entscheidung ist besonders bemerkenswert, denn die Akademie hatte die Rechtschreibreform von jeher scharf kritisiert und war dafür von der Zwischenstaatlichen Kommission heftig angefeindet worden. Ferner beschloss die Kultusministerkonferenz, dass die Zwischenstaatliche Kommission teilweise neu besetzt und erweitert werden solle.

Rechtlicher Status

Die Rechtschreibreform beruht auf einer am 1. Juli 1996 von den Vertretern der mehrheitlich deutschsprachigen Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz unterzeichneten, zwischenstaatlichen Absichtserklärung über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Es handelt sich demzufolge nicht um einen staatsrechtlichen Vertrag. Unterzeichner für Deutschland waren der Präsident der Kultusministerkonferenz Karl-Heinz Reck und der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Eduard Lintner. Es gibt kein Rechtschreibgesetz; ein solches ist auch nicht notwendig, da das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass die Schulorthografie per Erlass geregelt werden kann. Die neue Rechtschreibung wurde in den Schulen etlicher Bundesländer bereits im Schuljahr 1996/97 mit Kultusministererlassen eingeführt, in den Behörden mit Innenministererlassen dagegen erst am 1. August 1998. Bis zum 31. Juli 2005 besteht eine Übergangsfrist. Während dieser Frist sollen in Schulen Schreibweisen, die nach der alten Rechtschreibung, nicht aber nach der neuen Rechtschreibung zulässig sind, zwar angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet werden. Nach Ende der Übergangsfrist tritt die alte Rechtschreibung endgültig außer Kraft. Eigentlich ist die neue Rechtschreibregelung nur für Schulen und Behörden verbindlich. Tatsächlich ist aber damit zu rechnen, dass die neue Schreibung eine Ausstrahlungswirkung in den Privatbereich haben wird.

Stand der Umsetzung

Mehr als 300 (Stand August 2004) Zeitungen und Zeitschriften schreiben weiterhin in der konventionellen Rechtschreibung oder sind zur konventionellen Rechtschreibung zurückgekehrt, allen voran ist die FAZ zu nennen, die schon im Jahre 2000 zur alten Schreibweise zurückkehrte, nachdem sie die neue ein Jahr erprobt hatte, als auch der Spiegel, der Axel-Springer-Verlag, die Jüdische Allgemeine, Forschung & Lehre, Eulenspiegel, Titanic oder konkret (siehe auch Liste der zur traditionellen Rechtschreibung zurückgekehrten Druckmedien). Eine andere Minderheit der Medien setzt die Reform voll um, während der überwiegende Teil auf der Basis einer eigenen Hausrechtschreibung mehr oder weniger nach den Regeln der neuen Rechtschreibung arbeitete, darunter die Zeit, der Stern, die c't, die meisten Tageszeitungen und Presseagenturen wie dpa und reuters. In den reformierten Hausrechtschreibungen wird insbesondere die von der Rechtschreibreform vorgeschlagene ß-ss-Regel akzeptiert. Ein Beispiel für die Anwendung der neuen Regeln in einer modifizierten Form bietet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), die die entsprechenden Regeln seit dem 15. Mai 2000 anwendet. (Anwendung in der Neuen Zürcher Zeitung »)

Bei den Buchverlagen richtet sich die Umsetzung der Rechtschreibreform stark nach dem jeweiligen Segment und ist daher oft auch innerhalb eines Verlages uneinheitlich: Schulbücher, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher folgen überwiegend der neuen Rechtschreibung, bei deutschsprachigen Romanen richten sich die Verlage in der Regel nach den Wünschen der Autoren. Bei Übersetzungen fremdsprachlicher Belletristik wird ähnlich verfahren.

Klassische Werke der Literatur werden häufig unverändert in der alten Rechtschreibung gedruckt, abweichend davon werden aber Klassiker, die für den Schulgebrauch gedacht sind, wie zum Beispiel die bekannten "Reclam-Heftchen", durchaus an die neue Rechtschreibung angepasst. Insgesamt erscheinen nach einer Umfrage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 80 Prozent aller neu verlegten Bücher in neuer Rechtschreibung. Die meisten Druckmedien folgen der Rechtschreibreform jedoch nicht uneingeschränkt, sondern verwenden ebenfalls ihre eigene Hausrechtschreibung. Diese so genannten Hausorthografien sollten jedoch nicht überbewertet werden; in den meisten Fällen handelt es sich hier lediglich um Festlegungen, ob z.B. die von der Reform angebotenen Eindeutschungen von Fremdwörtern ("Portmonee" statt "Portemonnaie") übernommen werden sollen oder nicht. So stellen die Verlage sicher, dass im gesamten Medium die Schreibung einheitlich ist.

Da neuere Ausgaben des Duden der neuen Rechtschreibung folgen, gibt es momentan kein Standard-Nachschlagewerk der alten deutschen Rechtschreibung mehr. Theodor Ickler versucht, diese Lücke mit seinem so genannten Rechtschreibwörterbuch zu füllen. Außerdem existiert ein reger Gebrauchthandel mit alten Duden. Wer an den alten Regeln festhalten will, sollte sich an den so genannten Einheitsduden von 1991, in dem Ost- und West-Duden zusammengeführt wurden, halten.

Am 28. August 2004 erschien die 23. Auflage des Dudens. Es handelt sich hierbei den dritten Duden, der seit Beschluss der Rechtschreibreform im Jahr 1996 erschienen ist. In der neusten Auflage berücksichtigt der Duden auch die im Juni 2004 von Kultusministerkonferenz beschlossenen Änderungen.

Aktionen der Reformgegner

Auch noch kurz vor Abschluss der Übergangsphase im Juni 2005 wollen einige Gegner der Reform diese rückgängig machen. (Siehe die Seiten des "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e. V." in den Weblinks.)

Der damalige bayrische Kultusminister Hans Zehetmair stellte sich in einem Interview der Passauer Neue Presse am 30. April 2003 hinter die Kritiker der Reform: „Aber aus heutiger Sicht und noch deutlicherer Kenntnis der deutschen Wesensart würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen sollen. Ich sage: Politik, Hände weg von einer Rechtschreibreform! Sprache ist ein dynamischer Prozess, sie muss wachsen und entstehen.“

Welches "Chaos" die Rechtschreibreform anrichten würde, habe man erst in den neuen Wörterbüchern im Spätsommer 1996 gesehen. Damals habe Zehetmair erwogen, das Ganze zu kippen, aber er sei sich nicht sicher gewesen, ob er dies durchstehen könne. Zehetmair: "Niemals dürfe die Politik sich anmaßen, hier mit Dekreten einzugreifen."

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sagte in einem Interview: „Deutschland sollte [...] zur alten Rechtschreibung zurückkehren und einen Schlussstrich unter diese unselige Diskussion ziehen.“. Peter Müller, der Ministerpräsident des Saarlandes, sagte sehr pointiert: „Diese Rechtschreibreform ist eine Missgeburt und wird von den meisten Menschen nicht angenommen. Das muss die Politik akzeptieren und auch die Kraft haben, diese Reform grundsätzlich wieder abzuschaffen.“ Auf Initiative dieser beiden CDU-Politiker sowie des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sollen sich die Länderchefs direkt mit dem Thema befassen.

Der Münchner Merkur kommentierte die Initiative am 13.7.2004: „Mit dem Niedersachsen Wulff, dem Saarländer Müller und dem Bayern Stoiber fordern nun schon drei Landeschefs die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung. Weitere werden - hoffentlich - unter dem Druck der öffentlichen Meinung folgen. 70 Prozent der Deutschen lehnen die neuen Schreibregeln ab, weil sie ihr Sprachempfinden verletzen. Die Kultusminister haben bei der ihnen anvertrauten Reform der Rechtschreibung in aberwitziger Weise versagt und sich widerspruchslos dem Diktat selbsternannter Brachial-Reformer gebeugt. Politik muss aber in der Lage sein, erkannte Fehler zu revidieren, statt ängstlich im "weiter so" zu verharren.“

Einer "Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung" haben sich neben sog. Sprachpflegevereine und anderen Bürgerinitiativen auch einige Persönlichkeiten angeschlossen. Es unterzeichneten bisher u.a. die Goethe-Gesellschaft, die Brüder-Grimm-Gesellschaft, Bundespräsident a. D. Walter Scheel, Dieter Thomas Heck, Manfred Krug, Günter Kunert, Reiner Kunze und Siegfried Lenz.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat 2003 einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der vor allem vom Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg entwickelt wurde. Von vielen Kritikern wird der Vorschlag zur Reform der Reform zwar nur als die zweitbeste Lösung angesehen, aber auch mit ihr könnten die Verantwortlichen der ursprünglichen Reform die von der Akademie gebaute Brücke erhobenen Hauptes überschreiten.

Nach dem Vorstoß von Christian Wulff im Juni 2004 befürworteten einige Ministerpräsidenten den Vorschlag, der Kultusministerkonferenz die Kompetenz über die Rechtschreibung zu entziehen, und auf diesem Wege die Rechtschreibreform doch noch zu kippen. Daraufhin erwuchs eine neuerliche breite Diskussion über die Rechtschreibreform.

Während der Diskussion kündigte der Stolz-Verlag die Rückkehr zur konventionellen Rechtschreibung an. Zuletzt forderte der Geschäftsführer der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), Jürgen Horbach, eine vollständige Rücknahme der neuen Rechtschreibung.

Am 6. August 2004 gaben "Spiegel" und die Verlagsgruppe Axel Springer AG bekannt, dass sie "dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgen" und zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren wollten. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Ablehnung der Rechtschreibreform in der Bevölkerung und den gravierenden Mängeln der Reform. Stefan Austs Urteil war, die Reform sei "Staatlich verordnete Legasthenie".

Dr. Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG und Stefan Aust als Chefredakteur des Spiegels wiesen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sie "sehr dringend" notwendige und sinnvolle Reformen in der Gesellschaft befürworteten, doch die Rechtschreibreform sei keine Reform, sondern vielmehr ein Rückschritt. Das Fazit sei sechs Jahre nach der Einführung erschreckend. Die Reform sei grundlegend gescheitert. Von der Umstellung bei Springer sind auch die beiden Tageszeitungen Die Welt und die Bild-Zeitung betroffen.

Bald darauf gab auch die Süddeutsche Zeitung bekannt, dass auch die sie die Rückumstellung in Angriff nimmt. Es werde intern nur noch über Details diskutiert, insbesondere den Termin sowie um einzelne Regeln, die möglicherweise beibehalten werden.

Der Hamburger Bauer-Verlag erklärte, dass er die Rückkehr von Spiegel und Springer zur alten Rechtschreibung begrüße. Er würde sich wünschen, dass möglichst viele Verlage diesem Beispiel folgen.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) zeigte sich aufgeschlossen und will sich bei ihren Kunden ein Meinungsbild verschaffen. Auch die deutsche Vertretung von Associated Press (AP) will zunächst die Reaktionen der Kundschaft abwarten.

Der Burda-Verlag, zu dem auch das Nachrichtenmagazin Focus gehört, äußerte sich abwartend, wollte dies jedoch keinesfalls als Bekenntnis zur neuen Rechtschreibung verstanden wissen. Aus der Redaktion des Focus verlautete, man wolle sich an der Rechtschreibung der Schulen orientieren. Beim Verlag Gruner und Jahr verlautete, die Frage über die Rechtschreibung werde vom jeweiligen Chefredakteur entschieden, derzeit lägen jedoch keine Pläne für eine Rückumstellung vor.

Akzeptanz der Rechtschreibreform und Entwicklung in Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass nur eine solche Rechtschreibreform legitim sei, die vom Volk akzeptiert werde. Politiker streiten sich quer durch die Parteien, ob das der Fall ist.

In Schleswig-Holstein wurde 1998 per Volksentscheid die Wiedereinführung der bisherigen Rechtschreibung an den Schulen beschlossen. Ein Jahr später wurde diese Entscheidung vom dortigen Landtag einstimmig gekippt.

Die FAZ kehrte im Jahre 2000 nach einer einjährigen Erprobungszeit zur alten Rechtschreibung zurück, der Deutsche Hochschulverband folgte noch im selben Jahr. Am 6. August 2004 erklärten die Verlage Springer und Spiegel sowie die Süddeutsche Zeitung (mit Einschränkungen) ebenfalls ihre Absicht, zu den alten Schreibweisen zurückzukehren, was erneut heftige Diskussionen um die Reform nach sich zog. Andere Verlage und Zeitungen kritisieren dieses Verhalten mehrheitlich. Die taz lässt aus Protest ihre Ausgabe vom 12. August 2004 in Kleinschreibung erscheinen. Die Kultusministerkonferenz bleibt zunächst auf ihrem Standpunkt, in einzelnen Bereichen nachzubessern und über eine Verlängerung der Übergangszeit zu diskutieren.

Nicht einmal eine Woche nach dem Vorstoß von Spiegel und Springer gab der Rheinische Merkur als weitere große Zeitung bekannt, ebenfalls zur konventionellen Rechtschreibung zurückkehren zu wollen.

Am 21. Juli 2004 veröffentlichte das Fernsehmagazin "Panorama" folgende Studie zum Stand der Akzeptanz der Reform: "Auch sechs Jahre nach der Einführung halten 77 Prozent der Deutschen die Rechtschreibreform für nicht sinnvoll. Das ergab eine repräsentative Umfrage. Vor allem ältere Menschen lehnen die neuen Schreibregeln ab, z.B. 81 Prozent der zwischen 30- und 40-Jährigen. Nur jeder fünfte Bundesbürger (21 Prozent) findet die Rechtschreibreform mittlerweile in Ordnung." (Quelle: http://www.deutsche-welle.de/)

Akzeptanz der Rechtschreibereform in Österreich und der Schweiz

Die Debatten in Deutschland bezüglich der Rechtschreibereform hat unter den Schweizer Medien eher Verwunderung denn als Anerkennung ausgelöst. In der Schweiz ist die Rechtschreibereform heute kaum noch ein Thema. Der "Streit" in Deutschland wird von den Schweizer Medien aus distanzierter Sicht berichtet, eine eigene Rücknahme der Reform kommt für fast niemanden infrage. Schweizer Schüler werden seit Jahren nur noch nach der reformierten Rechtschreibung unterrichtet, die für die Schweiz allerdings manche Sonderregel enthält. Die meisten Schweizer Printmedien verwenden zudem eine eigene Hausrechtschreibung. Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung würde laut Aussagen von einigen Fachleuten nur noch zur größeren Verwirrung sorgen, müssten doch alle Schulbücher wie auch Medien die Rechtschreibung wieder anpassen.

Aus der österreichischen Presse verlautete, daß noch keine Entscheidung getroffen sei, schloss eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung ausdrücklich nicht aus. Man werde sich einer solchen Entwicklung jedoch nicht verschließen. Viele österreichische Medien benutzen Hausregeln statt der offiziellen Orthographie.

Nach einer im August 2004 veröffentlichten Gallup-Umfrage sprachen sich 62% der Österreicher für eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung aus. Am 16.8.2004 verkündete die Kronen-Zeitung, das auflagenstärkste Blatt Österreichs, dem deutschen Beispiel zu folgen und zur klassischen Rechtschreibung zurückzukehren.

Kritiker und Befürworter

Kritiker

Theodor Ickler, Hans Krieger, Friedrich Denk, Manfred Riebe

Befürworter

Prof. Dr. Jürgen Zöllner, Dr. Matthias Wermke, Prof. Dr. Dieter Nerius, Dr. Werner Scholze-Stubenrecht, Prof. Dr. Gerhard Augst, Prof. Dr. Mechthild Dehn, Prof. Dr. Richard Schrodt, Prof. Dr. Rudolf Hoberg

Weiterführende Informationen

Umsetzung der neuen Rechtschreibung in der Wikipedia

Siehe Wikipedia:Rechtschreibung.