Reformierte Kirche (Bützow)
Reformierte Kirche Bützow | |
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Daten | |
Ort | Bützow |
Baumeister | Anton Wilhelm Horst |
Baustil | Klassizismus |
Baujahr | 1771 |
Koordinaten | 53° 51′ 0,7″ N, 11° 59′ 2,8″ O |
Besonderheiten | |
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Die Reformierte Kirche Bützow (auch: Hugenottenkirche), war ab 1771 das gemeinsame Gotteshaus der Französisch- und Deutsch-reformierten Gemeinde. Die Gemeinden schlossen sich 1778 zu der Evangelisch-Reformierten Glaubensgemeinschaft zusammen. Das Bauwerk ist das einzige im konsequent reformierten Stil erbaute Kirchengebäude im Nordosten Deutschlands und befindet sich am Ellernbruch in der Altstadt der Stadt Bützow im Landkreis Rostock.
Architektur
Gebäude
Die Kirche präsentiert sich als zweistöckige, rechteckige Querkirche in der Form des beginnenden Klassizismus mit Walmdach. Die Gliederung der Fassade wird durch vier Pilaster mit einfachen Kapitellen in drei Felder geteilt, von denen die beiden äußeren mit je vier rechteckige Fenster, das mittlere, welches resalitartig hervortritt, einschließen. Das Risalitportal zeigt sich mit Dreiecksgiebel ohne Lichtöffnung, einem Rundbogenfenster, einer Giebeltafel und einer zweiflügeligen Portaltür mit Oberlicht.Zur Portaltür führen fünf gleichlange Stufen. Zwischen den Fenstern befinden sich Nischen mit Stuckornamenten, die ins symmetrische übergehende Rokokoelemente zeigen.[1][2][3]
Giebeltafel (1771)
Über dem Eingangsportal an der Vorderseite befand sich 1771 die erste Giebeltafel mit der Inschrift:
Templum a gallis reformatis aedificatum
„Ein von den reformierten Franzosen erbauter Tempel“
Giebeltafel (1810–heute)
Die Gemeinde ließ nach der Zusammenlegung Anfang des 19. Jahrhunderts eine neue Giebeltafel anfertigen, die noch heute existiert. Die Inschrift lautet:.[1][3][4]
Reformatorum cultui divino sacrum.
Inchoatum die XXIII Aprilis MDCCLXV
finitum die XXXI Oktobris MDCCLXXI
regnante Friderico Pio duce nostrobr
clementissimo.
„Die Reformatoren verehren das heilige Göttliche.
Begonnen am 23. April 1765
Fertiggestellt am 31.Oktober 1771
In der Regierungszeit von Friedrich der Fromme,
unserem gnädigsten Führer.“
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Giebeltafel
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Eingangsrisalit mit Barocker Portaltür
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Stuckornament
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Hofseite mit Sakristei
Kirchenraum
Die Längenachse des Gebäudes liegt von Nord nach Süd, am Nordende der Ostwand befindet sich eine Sakristei. Der schlichte Innenraum konzentriert sich im Sinne der calvinistischer Theologie. Der das ganze Haus einzunehmende Kirchenraum hat an der Nordwand die Kanzel, an der Südwand den Orgelchor. An der Wand westlich der Kanzel befindet sich eine schlichte Tafel mit den zehn Geboten, östlich eine gleiche mit dem Apostolium. An der Ostwand befindet sich eine Tafel zum Gedenken. Der Altarraum war ursprünglich von dem Kirchenraum durch Holzschranken getrennt. Die Holzschranken bestanden aus massiven Mahagoni- und Eichenholz.[1][3][4]
Bau der Kirche

Die Bützower Gemeinden waren nicht im Stande das Gotteshaus selber zu finanzieren, somit erbot der Landesfürst, zur Errichtung nicht bloß durch Anweisung von Baumaterialien und von Hand- und Spanndiensten, sondern auch ein Kollektpatent zu erteilen, durch welches die Reformierten in Mecklenburg ermächtigt wurden, die Hilfe auswertiger Glaubensgenossen zur Unterstützung des Unternehmens nachzusuchen. Da beide Gemeinden, die an der Erbauung der Kirche das gleiche Interessen hatten, schlossen sie bereits im November 1761 einen Vertrag ab, wonach sie sich verpflichteten, dass jede von ihnen eine Persönlichkeit als Kollektanten bestellen, und dass die geplante Kollektenreise von diesen beiden Vertrauensmänner gemeinschaftlich unternommen werde sollte.[5] Zu Collektanten wurden von französischer Seite der Sprachlehrer Paquin, von deutscher Seite dagegen der Pastor Finman. Die erwählten Paquin und Finman reisten am 17. Februar 1763 nach Lübeck, Hamburg, Bremen und nach Holland und kamen am 01. Juli 1764 wieder. Somit konnten die Gemeinden den Voss’schen Gartenplatz am Ellernbruch für sich erhandeln und begannen nach den Plänen des Landbaumeister Anton Wilhelm Horst (1714–1789), Mitglied der Bützower Deutsch-reformierten Gemeinde und seiner herzoglichen Durchlaucht Friedrich zu Mecklenburg, der die Fenster in den Plänen veränderte,[2][6] mit der Grundsteinlegung der Kirche am 23. April 1765.[7] Im Juli 1766 war der Bau unter Dach gebracht. Da nun die Kassen gänzlich erschöpft waren, unternahm Finman alleine die nächste Kollektenreise. Finman reiste am 26. August 1767 nach Holland und später nach England, wo er sich über zwei Jahre aufhielt und schlißlich 1770 wieder das Bützower Ziel erreichte. Nun konnte der Kirchenbau am 1. September 1771 Feierlich geweiht werden.[2][8]
heutige Nutzung des Kirchengebäudes
Die reformierte Kirche in Bützow wurde 1988 an die Kommune verkauft, weil die kleine Gemeinde seinerzeit keine Mittel hatte, den stark baufällig gewordenen Bau zu erhalten. Nach 1990 wurde die Kirche durch die Stadt Bützow umfassend saniert, die Stadt kaufte die Nachbarhäuser dazu, und es entstand die Kreismusikschule des Landkreis Rostock, Außenstelle Bützow.[9] Die reformierte Gemeinde hat das Nutzungsrecht für den Kirchraum.
Ausstattung
Schmidt-Orgel (1771–1862)
Mit der abzusehenden Fertigstellung des Kirchenbaus 1770, verpflichteten die Gemeinden unter Empfehlung des Herzogs, den herzoglich-Mecklenburg-Schwerinschen Orgelbauer Paul Arndt Schmidt zu Rostock. Der Instrumentenbauer hatte mit dem Bau der Orgeln in der Schelfkirche zu Schwerin und der Rostocker Marienkirche die beste Reputation. Zum Erscheinungsbild wird als einziges erwähnt, dass die Pfeiffen aus englischem Zinn waren.[2] Die Schmidt-Orgel wurde 1863 in der Kloster Kirche Rühn verbaut, da 1862 ein Orgelneubau durch Friedrich Wilhelm Winzer entstand.[2][10]
Winzer-Orgel (1862–Gegenwart)

Die von Friedrich Wilhelm Winzer 1862 erbaute Orgel ist die einzige noch erhaltene Orgel dieses Typs mit den Originalprospektpfeifen aus der Werkstatt Winzers. Sie befindet sich auf der Orgelempore. Das elektrische Gebläse wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingebaut. Die Orgel entging im Jahre 1917 durch einen Zufall dem Schicksal, dass die Zinnpfeifen des Orgelprospekts konfisziert und als kriegswichtiger Rohstoff eingeschmolzen wurden. Damit war sie im Jahr 1955, den Wirren des zweiten Weltkrieges zum Trotz, noch weitgehend im originalen Zustand. 1985 wurden viele Teile der Mechanik und fast alle Metallpfeifen der Winzer-Orgel durch Vandalismus stark zerstört. Die Orgelpfeifen wurden aus der Orgel entfernt und zum Teil so schwer beschädigt, dass es, als sie aufgefunden wurden, fraglich war, ob sie wieder repariert werden könnten. Diese Pfeifen wurden allerdings geborgen und auf dem Dachboden eingelagert. Die auf dem Dachboden gelagerten Orgelpfeifen wurden nach dem Tornado am 5. Mai 2015, vor der endgültigen Zerstörung in das Pfarrhaus der Gemeinde gerettet.[11]
Beschreibung
Der Spieltisch ist zentral, bis auf ein Register alle Registerzüg e links. Zwei Bassladen (C und Cis) im Umfang von C-d1 als Transmissionsladen mit doppelten Ventilen. Die Diskantwindlade erhöht ist platziert. DieTontraktur als Strahlenmechanik. Originale Prospektpfeifen aus Zinn. Magazinbalg im Unterbau der Orgel. Von besonderer Bauart ist das Register Cantus firmus. Es ist in diesem Fall auf 16-Fuß-Basis gebaut, umfasst jedoch den hohen Tastenraum b1–f 3, der also in 8-Fuß-Lage erklingt. Neben der bei Winzer üblicherweise installierten Gambe (hier in 16-Fuß-Lage) wird der Bordun 16′ transmittiert. Ein obligates Spielen („Hervorheben der Choralmelodie“) ist damit gut möglich.[12][13]
Register
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Restaurierung
Die Restauration der Orgel wurde von dem Orgelbaumeister Andreas Arnold aus Plau am See ausgeführt. Hierbei konnten auch die geretteten Pfeifen wiederhergestellt werden. Arnold erweiterte das Instrument um die Mixtur nach Vorbild der Winzer-Orgeln in Lübow und Stralendorf. Durch Drehen der Manubrie kann die Baßschleife ausgeschaltet werden, so dass die Mixtur ab ds1 nutzbar ist.[14] Die für die Restaurierung notwendige Summe in Höhe 45.000,- € wurden durch eine Spende der Stiftung Orgelklang[15], weitere Spenden, Benefizkonzerte und Sammelaktionen aufgebracht. Am 17. April 2016 konnte die Orgel erstmals in einem Gottesdienst wieder zum Klingen gebracht werden.[16][17]
Kanzel
Die an der Nordwand angebrachte Kanzel aus poliertem Mahagoni Holz, im Aufbau einfachen Barockstil zeigend, während die sparsam angebrachten Schnitzereien Rokokoformen aufweisen, ist die im Jahre 1770 von dem Amsterdamer Kauf- und Handelsmann Johann Christian Dippel (auch: Tiepel), gebürtig aus Bützow gestiftet, wie die kurze Inschrift an der mit dem Wappen des Stifters gezierte Stirnseite des flachen Schalldeckels berichtet. Die Kanzel kam auf dem Wasserweg von Amsterdam über Rostock nach Bützow und ist die einzige ihrer Art in Deutschland. Es wird vermutet das die Kanzel ein Abbild der in Nieuwe Kerk (Amsterdam) und der in Remonstrantse kerk (Alkmaar) darstellt. Der Predigtstuhl wurde auf dem Wasserweg von Amsterdam über Rostock nach Bützow befördert.[1][2]
Wandtafeln
Den hugenottischen Tradition entsprechend befanden sich 1771, Tafeln mit dem Text der Zehn Gebote, zunächst in Französisch beschriftet. Später waren auf den Tafeln links und rechts der Kanzel die Zehn Gebote in einer Kurzfassung und das Glaubensbekenntnis zu finden. Diese Tafeln gingen im 20. Jahrhundert, als die Kirche für viele Jahre leer stand, verloren. Seit der Sanierung schmücken wieder neue Tafeln aus Glas mit dem vollständigen Text der Zehn Gebote den Kirchenraum.[2][10][1]
Gedenktafel
An der Ostwand befindet sich eine Tafel zum Gedächtnis der Kämpfer der Freiheitskriege ,it zopfigem Goldrahmen.[1]
Porträt des Johann Heinrich Finman
Am Nordende der Ostwand ist eine Sakristei angebaut, in der sich ein Gemälde des um den Kirchenbau sehr verdienten Pastors Johann Heinrich Finman befindet, gemalt von Georg David Matthieu 1771. An dem Bild befand sich eine Gedenkttafel mit lateinischer und deutscher Inschrift:[1]
Latein:
Honorem Dei Triuni
et pro
Reformatorum cultu divino templum hoc
A.
Johanne Henrico Finmano,
Westphaliens. pastore coetus hic germanicae totiusque
ecclesiae reformatae, quae est hisce in terris Meklen-
burgicis exstructum, sumtibus fautorum ex collectione fere
per quinquennium in aliquibus locis Germaniae, in Anglia,
precipue et secunda vice in Hollandia ab ipso facta.
Inchoatum d. 23. Apr. 1765.
Deo illi triuno sit laus et gloria sempiterna pro
omni gratia et ope servo suo indigno hisce aerumnosis
et tali difficili operi valde ingratis temporibus tam
largiter porrecta!
Bützovii in inaugurationis
Dominica d. 1. Sept. MDCCLXXI.
Übersetzung:
Ehre des dreieinigen Gottes
und zur
Gottesverehrung der Reformirten ist diese Kirche
von
Johann Heinrich Finman,
Gemeine in den hiesigen Mecklenburgischen Landen, durch milde
Beiträge ihrer Gönner, und aus einer Collecte, die derselbe
beinahe fünf Jahre hindurch in einigen Oertern Deutschlands,
in England, besonders aber zu zweien Malen in Holland ver-
anstaltet hat, erbaut worden.
Der Bau begann am 23. April 1765.
Dem dreieinigen Gott ich Lob und Ehre in Ewigteit für
alle die Gnade und Hülfe, die er seinem unwürdigen Knechte
in diesen bedrängten und für eine so schwierige Unternehmung
so undankbaren Zeiten, so reichlich erwiesen hat!
Bützow am 1. Sept., dem Einweihungs-Sonntage 1771.
Das Bild war 2009 in der Ausstellung „Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa“ im Deutschen Historischen Museum Berlin zu sehen.[18][19]
Porträt der Gattin Finmans
Zu dem Gemälde des J. Heinrich Finmann war bis 1824 ein Bildnis seiner Gattin, dasselbe ist von dem Pastor Werner Christian Motz entfernt worden, weil dieser die Anbringung eines derartigen Bildes in einem kirchlichen Raum nicht schicklich empfand.[2]
Grablege
Die Bestattung einiger Personen, welche in der Gemeinde eine hervorragende Stellung eingenommen hatten, erfolgte nicht auf dem Friedhof. Die Särge der Personen wurden in der Mitte der Kirche, in einem kleinen Gewölbe verwahrt. Das Gewölbe war bis zum Jahr 1863 mit den Särgen verschlossen, in Folge eines Wassereinbruchs ist die Gruft geleert worden. Die menschlichen Überresten wurden auf dem Friedhof Bützow begraben und das Gewölbe aufgefüllt und versiegelt.[2][20]
Nach Ausweisung der Kirchenbücher handelte es sich um folgende Gemeindemitglieder:[21]
- Monsieur von Hafften, Hofrat u. Postdirektor zu Rostock († 27. Mai 1770)
- Marianna de Belloc († 27. Mai 1775)
- studiosus jur. d’Olivet († 30. August 1776)
- Jean de Convenent, Prediger zu Bützow († 29. August 1778)
- Ludwig Ulrich Aemilius Finman, Advokat zu Güstrow († 10. Februar 1779)
- Susanna de Beloc († 15. Januar 1780)
- Johann Heinrich Finman, Prediger zu Bützow († 30. April 1787)
- Johanna Maria Elisabeth Finmam, geb. Orlandini († 13. März 1789)
Kleinkunstwerke
Die Brüder Friedrich und Karl Christian (Reichshofrath zu Wien), Grafen zur Lippe-Weissenfeid, studierten an der Friedrichs-Universität Bützow und schenkten den Kelch Nr.1 und Teller am 31. Oktober 1773 der Gemeinde.[22]
Kelch Nr.1
Silbervergoldeter Kelch auf sechspassigem Fuß in einfachen Barockformen. An der Kupa eingraviert das Lippe- Weissenfeld'sche Mantelwappen mit Krone darüber. Am Fuß ein Dresdener Stempel, daneben das Wardierungszeichen und ein W. [4]
Teller
Großer flacher silbervergoldeter Teller mit demselben Wappen und Stempel wie der oben genannte Kelch Nr.1.[4]
Patene Nr.1
Silbervergoldete glatte Patene eine Schweriner Arbeit, passend zu Kelch Nr.1, auf der Unterseite die Zeichen S und ALM und die Inschrift:
Kanne
Silbervergoldete Kanne in einfach bauchiger Form. Inschrift und Zeichen unter dem Fuß wie bei der Patene Nr.1.[4]
Kelchlöffel Nr.1
Silbervergoldeter Kelchlöffel ohne Zeichen.[4]
Kelch Nr.2
Silbervergoldeter Kelch auf rundem Fuss. Inschrift und Zeichen wie bei der Patene Nr.1.[4][23]
Patene Nr.2
Silberne Patene, passend zum Kelch Nr.2, ohne Inschrift mit Zeichen: S mit Krohne und IFD.[4]
Kanne (klein)
Silber-vergoldete Kanne, klein, Zeichen wie bei Patene Nr.2.[4]
Kelchlöffel Nr.2
Silberner Kelchlöffel, Zeichen wie bei Patene Nr.2.[4]
Brotteller
Der silberner Brotteller wurde vom Güstrower Goldschmied Heinrich Hölscher hergestellt und dienten zur Privat–Kommunionen des Gemeinde ältesten Daniel le Plat aus Güstrow.[23][4] Auf der Unterseite befindet sich die Inschrift:
Taufschale
An der getriebenen silbernen Taufschale befindet sich als Beschau- oder Stadtzeichen der Augsburger Pinienzapfen und der Meisterstempel IW.[24] An der Unterseite die Inschrift:
Kronleuchter
Ein zwölfarmiger Messing Kronleuchter und sechs messingene Wandarme waren Geschenke der Susanna de Belloc im Jahr 1771, Bellocs Wappen befindet sich an der Kugel des Kronleuchters. [2][4]
Reformierte Kirchengemeinde Bützow
Gründung der Französisch-reformierten Gemeinde
Bürgermeister und Rat der Stadt Bützow wandten sich mit einer Petition am 24. Juli 1683 an den Landesherrn, Herzog Christian Ludwig I. Sie hätten erfahren, dass eine Anzahl aus Frankreich vertriebener Reformierter vergeblich versucht hätte, sich in Rostock niederzulassen. Der Herzog antwortete umgehend und ersuchte die Stadt, den Aufenthaltsort der Flüchtlinge festzustellen und deren Erwartungen und Vorschläge zu erkunden. Die Versuche, Familien aus Frankreich zur Ansiedelung zu bewegen, blieben jedoch zunächst erfolglos. Am 1. August 1699 erließ Herzog Friedrich einen Erlass, dass sich verfolgte französische Protestanten niederlassen dürfen. Das Privileg richtet sich an Franzosen, die sich bereits in deutschen Territorien aufhielten. Ihnen wurde neben der freien Ausübung ihres reformierten Glaubens zugesagt, ein gottesdienstlicher Raum, Anstellung und Unterhalt eines Pfarrers, eines Kantors und eines Lehrers. Die weiteren Zusagen betrafen Wohnung, Hausbau und Befreiung von einer Anzahl von Abgaben. In diesen Privilegien wird ausdrücklich Bützow als Ansiedlungsort genannt. [6][2] Durch Kriegsverwüstung des Dreißigjährigeren Krieges und Seuchen war die Stadt Bützow menschenarm geworden, Handwerk und Industrie lag am Boden. [10]Als weitere Gründe wurden die günstige geographische Lage genannt, die z.B. für den Handel von Bedeutung sei. Vermutlich spielte auch eine Rolle, dass der Herzog im ehemaligen Stiftsland rund um Bützow besondere Vorrechte besaß, die einen etwaigen Einspruch der lutherischen Landeskirche verhinderten. Bedingung war ein bei der Ankunft abzulegender Treueid. Das Privileg von 1699 wird als Gründungsurkunde der reformierten Kirche in Mecklenburg betrachtet, obwohl sich die eigentliche Gemeinde erst in den Folgejahren bildete. Erst 1703 trat das erste Presbyterium zusammen. Ein drittes Privileg vom 24. September 1703 hat wieder eher den Charakter eines Vertrags mit drei französischen Kaufleuten, die fünfzig Familien zur Ansiedelung bewegen sollten.[2] Am 01. Mai 1700 hatten sich etwa 100 französische Exulanten in Bützow niedergelassen, die 1703 eine Kirchengemeinde konstituierten.[10] Der Vorstand bestand aus dem Pfarrer Jean de Durand, der bereits nach einem Jahr Bützow wieder verließ, dem Industriellen Daniel le Plat in Güstrow, dem Kommandanten von Rostock, Oberst Dupuits und den Kaufleuten Salomon Jordan und Monsieur Eymien zu Bützow. Der Vorstand ergänzte sich nach reformierter Art durch Kooptation.Der erste Gottesdienst wurde in der vom Herzog zugewiesenen Schlosskapelle abgehalten. Zweiter französischer Pastor wurden Jacques Deschamps, der dieses Amt von 1701-1730 innehatte. Sein Nachfolger wurde Jean de Convenent, der bis zu seinem Tode 1778 französischer Prediger in Bützow war.[2][6][25]
Pastoren der Französisch-reformierten Gemeinde
- Jean de Durand (1698–1700)
- Jacques Deschamps (1701–1730)
- Jean de Convenent (1730–1778)
Gründung der Deutsch-reformierten Gemeinde
Die 1709 gegründetete reformierte Teutsche Hofgemeinde kam 1713 mit Sophie Charlotte, Herzogin zu Mecklenburg, die ihr Witwensitz in dem Bützower Schloss nahm. Sie war reformierten Glaubens und brachte ihre eigene kleine Hofgemeinde mit nach Bützow. Nun existierten zwei reformierte Gemeinden nebeneinander, mit jeweils eigenen Gottesdiensten und eigenem Gemeindeleben. Nach dem Tod der Herzogin 1749 wurde ihr bisheriger Pagenhofmeister Johann Henrich Finman aus Westfalen, zum Pastor der deutsch-reformierten Gemeinde ernannt. Auch diese Gemeinde hielt ihren Gottesdienst in der Schlosskapelle ab. Erst unter der Regierung des Herzog Friedrich des Frommen gestalteten sich die Verhältnisse anders, insofern bei diesem der Plan entstand, in Bützow eine Universität und daneben ein großes Pädagogium zu errichten. Das veranlasste den Herzog, den beiden Gemeinden die weitere Benutzung der Kapelle zu untersagen, und sie mussten deshalb ihren Gottesdienst in der Wohnung (Kirchenstraße 36) des Pastors Finman abhalten. Der Herzog versprach den beiden Gemeinden, dass baldmöglich der Bau eines eigenen Gotteshauses für sie in Angriff genommen werden sollte.[2][6]
Pastor der Deutsch-reformierten Gemeinde
- Johann Heinrich Finman (1750–1778)
Vereinigung zur Evangelisch-reformierten Gemeinde
Nach dem Bau der Kirche kam es bald zu Streitigkeiten zwischen den beiden Gemeinden um Geld und darüber, wer das Gebäude wann nutzen durfte. Nach dem Ableben des französischen Predigers de Convenent am 29. Juni 1778, ist die französische und deutsche Gemeinde mit dem herzoglich öffentlichen Regierungsdokument von 23. Juli 1778 vereinigt worden. Finman wurde zum Pastor der neuen zusammengeschlossenen Evangelisch-reformierten Gemeinde berufen[26] Die französische Gemeinde in Bützow existierte somit nur 80 Jahre eigenständig. Doch ohne die Privilegien, mit denen die Franzosen seinerzeit in Bützow angesiedelt wurden, wäre auch die Existenz der nun vereinigten reformierten Gemeinde gefährdet gewesen. Insbesondere die Bezahlung des Predigers ist ein Privileg, das sich bis heute erhalten hat.[2]
Pastoren der Evangelisch-reformierten Gemeinde
- Johann Heinrich Finman (1778–1787)
- Johann Wilhelm Hoffmann (1787–1801)
- Johann Jacob Berckenhout (1801–1806)
- J. U. August de Convenent (1806–1812)
- Christian Heinrich Schäfer (1813–1824)
- Werner Christian Motz (1824–1866)
- Julius Johannes Christian Happel (1866–1884)
- Rudolf Koch (1884–1913)
- Karl Gladischefski (1913–1938)
- Vakanz (1938–1946)
- Fritz Galle (1946–1983)
- Vakanz (1983–1992)
- Hartmut Gabriel (1992–2004)
- Kathrin Oxen (2004–2012)
- Christine Oberlin (2012–)
Literatur
- Adolph Brunier: Memorien über die Gründung der evangelisch reformierten Gemeinde in Bützow. Hamburg 1875.
- Friedrich Schlie: Die Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow, Sternberg, Güstrow, Krakow, Goldberg, Parchim, Lübz und Plau. In: Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. F. W. Bärensprung, Hofbuchdrucker, Schwerin 1896 (archive.org).
- Rudolf Koch: Die Reformierten in Mecklenburg. In: Festschrift zum Jubiläum des 200 jährigen Bestehens der evangelisch-reformierten Gemeinde zu Bützow. Ed. Herberger´s Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung, Schwerin 1899.
- Karl Gladischefski: Die Evangelisch-reformierte Gemeinde. In: Festschrift zur 700 Jahrfeier der Stadt Bützow. Carl Buhr- Ratsbuchdruckerei, Bützow 1929.
- Hans W. Barnewitz: Bützow-Ein Gang durch sieben Jahrhunderte Stadtgeschichte. In: Mecklenburgisches Monatsheft, 5.Jahrgang, 6. Heft, Seite 283. Hinstorff Verlag, Johannes Gillhoff, Rostock 1929.
- Fritz Galle: Die mecklenburgischen Privilegien für französisch-reformierte Glaubensflüchlinge. Band 28. Verlag der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft e.V., Bad Karlshafen 1998.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g Gotthilf Christian Adolf Hofmeister: Historischer Baubericht über die Reformierte Kirche zu Bützow. Rostock 1898.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o Dr. Rudolf Koch: Die Reformierten in Mecklenburg. In: Festschrift zum Jubiläum des 200 jährigen Bestehens der evangelisch-reformierten Gemeinde zu Bützow. Ed. Herberger, Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung, Schwerin 1899.
- ↑ a b c Markus Göllnitz: Manuskript, Historische Akten der Reformierte Kirche zu Bützow. Bützow 2023.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n Friedrich Schlie: Die Amtsgerichtsbezirke Hagenow, Wittenburg, Boizenburg, Lübtheen, Dömitz, Grabow, Ludwigslust, Neustadt, Crivitz, Brüel, Warin, Neubukow, Kröpelin und Doberan. In: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. Band 4. Schwerin 1896.
- ↑ Johann Heinrich Finman / Jean de Convenent: Vertrag mit vierzehn Punkten zur geplante Collectenreise. In: Historische Akten der Reformierten Gemeinde. Bützow 10. November 1761.
- ↑ a b c d Dr. Ulrich Gerling: Wie alles begann - „Wir haben beschlossen, die Franzosen in Bützow anzusiedeln“ - 300 Jahre Reformierte in Mecklenburg. Bützow 2023.
- ↑ Ernst Johann Friedrich Mantzel: Zur Ehre des dreieinigen Gottes und zur Gottesverehrung der Reformirten ist diese Kirche von Johann Heinrich Finman… In: Bützowsche Ruhestunden, gesucht in Mecklenburgschen, vielentheils, bisher noch ungedruckten, zur Geschichte und Rechtsgelahrtheit vornehmlich gehörigen Sachen, S. 50. Band 17. Johann Gotthelf Fritze, Bützow 1765.
- ↑ Johann Heinrich Finman: Promemoria Collectenreise 1763-1771. In: Historische Akten der Reformierte Kirche zu Bützow. Bützow.
- ↑ UlrikeLutsch: Kreismusikschule Außenstelle Bützow. (landkreis-rostock.de).
- ↑ a b c d Karl Gladischefski: Die Evangelisch-reformierte Gemeinde. In: Festschrift zur 700 Jahrfeier der Stadt Bützow. Carl Buhr- Ratsbuchdruckerei, Bützow 1929.
- ↑ Dr. Ulrich Gerling: Die Orgel der Evangelisch-reformierten Gemeinde. Bützow 2016.
- ↑ Evangelisch-reformierte Kirche: Die Orgel der Evangelisch-reformierten Gemeinde. Bützow 2023.
- ↑ Friedrich Drese: Mecklenburgisches Orgelinventar, Bützow, Reformierte Kirche. Malchow.
- ↑ Andreas Arnold: Restaurierung der Winzer-Orgel zu Bützow. Plau 2016.
- ↑ Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland: Geförderte Orgeln: Bützow, Evangelisch-reformierte Kirche, 18246 Bützow, Ellernbruch 6-8. Hannover 2015.
- ↑ Marion Wulf-Nixdorf: Die Kirchenorgel von Bützow erklingt wieder. In: Evangelische Zeitung. Bützow 3. Mai 2016 (evangelische-zeitung.de).
- ↑ Evangelischer Pressedienst: Winzer-Orgel in Bützow restauriert. Rostock 2016.
- ↑ Deutschens Historisches Museum: „Calvinismus. Die Reformierten in Deutschland und Europa. Berlin 2009.
- ↑ Barbara Schenck: Bützower Hofprediger Finman in Berliner Calvinismus-Ausstellung. 2009 (calvin09.de).
- ↑ Adolph Brunier: Memorien über die Gründung der evangelisch reformierten Gemeinde in Bützow. Hamburg 1875.
- ↑ Johann Heinrich Finman / Johann Wilhelm Hoffmann: Kirchenbucher der Gemeinde 1778-1800. Bützow.
- ↑ Französisch-reformierten Gemeinde zu Bützow: Kirchenbuch der Reformierten Gemeinde. Bützow 1773.
- ↑ a b Daniel le Plat: Privat-Kommunion. Bützow 1703.
- ↑ Marc Rosenberg: Der Goldschmiede Merkzeichen, Seite 62. Band 1. Frankfurt a. Main 1922.
- ↑ Deutsche Hugenotten-Gesellschaft e.V.: Geschichtsblätter des Deutschen Hugenotten Vereins. 1890.
- ↑ Landeshauptarchiv: Herzoglich Regierungsdokument von 23. Juli 1778. In: Akten des Großherzoglichen Geheimen und Haupt-Archivs in Schwerin. 1778.
- Bauwerk in Bützow
- Religion (Bützow)
- Baudenkmal in Bützow
- Kultur (Bützow)
- Geschichte der Stadt Bützow
- Kirchengebäude im Landkreis Rostock
- Kirchengebäude der Evangelisch-reformierten Kirche (Landeskirche)
- Hugenotten
- Reformiertentum in Deutschland
- Erbaut in den 1770er Jahren
- Klassizistische Kirche
- Reformierte Denomination
- Kirchengebäude in Europa
- Disposition einer Orgel
- Orgellandschaft Mecklenburg
- Christentum im Landkreis Rostock
- Orgel in Deutschland