Geschichte der Parteien in Deutschland
In einem früheren deutschen Sprachgebrauch bezeichnetete Partei einen "Teil" von etwas, abgeleitet vom farnzösischen Le part (Der Teil).
Die ersten deutschen parteiähnlichen Gruppierungen im modernen Sinn gab es in Deutschland 1848 und 1849 in der Nationalversammlung der Paulskirche (Frankfurt am Main) während der Märzrevolution. Das so genannte Paulskirchenparlament sollte die Einheit des Deutschen Bundes vorbereiten und eine gesamtdeutsche Verfassung ausarbeiten.
Die damaligen Gruppierungen benannten sich z.B. Casino oder Café Milani nach den Hotels und Gaststätten, in denen sie sich trafen. Dort tauschten sie ihre Programme und Standpunkte aus, bzw. diskutierten sie.
Es lassen sich bereits hier 3 Gruppen unterscheiden: Die demokratische Linke, die sich aus radikalen und gemäßigten Vertretern einer republikanischen Lösung zusammen setze, die Liberale Mitte aus dem linken und rechten Zentrum, die eine konstitutionelle Monarchie anstrebten, und die Konservative Rechte, in der Katholiken und Monarchisten vertreten waren. Letztere vertraten im Wesentlichen den Erhalt des Status Quo.
Parteigründungen und Parteien vor und während des Kaiserreichs
Die erste offizielle Deutsche Partei mit einem festen Parteiprogramm war die 1861 gegründete liberale Deutsche Fortschrittspartei.
1867 wurde mit der Nationalliberalen Partei nach dem preußischen Verfassungskonflikt eine weitere liberale Partei gegründet.
1863 wurde mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein der erste Vorläufer der SPD gebildet, 1869 entstand die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. 1875 vereinigten sich die beiden Parteien in Gotha zu der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, die 1891 zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wurde. Die SPD des 19. Jahrhunderts orientierte sich im Wesentlichen noch an den revolutionären Zielen des Marxismus.
1870, ein Jahr vor der Reichsgründung, entstand die katholische Zentrumspartei.
Nach der Reichsgründung 1871 wurde mit dem Reichstag eine Institution geschaffen, für dessen Funktion Parteien notwendig waren. Die Parteien hatten aber keinen Einfluss auf die Regierungsbildung und nur eingeschränkte Gesetzgebungsrechte, Budgetrechte und Kontrollrechte. Mit der Indemnitätsvorlage hatten die Parteien ihre eigene Stellung vorher geschwächt.
Alle Parteien außer der Sozialdemokratischen waren Honoratiorenparteien, das heißt, sie hatten keine große Mitgliederzahl, allerdings nahm die Zahl der Mitglieder, genauso wie die Zahl der Wähler, kontinuierlich zu.
Während des Ersten Weltkriegs kam es zum Burgfrieden, dem sich nur ein sehr kleiner Teil der SPD um Karl Liebknecht widersetzte. Die Kriegsgegner bildeten nach dem Ausschluss Liebknechts aus der SPD in Folge dessen Verweigerung seiner Zustimmung für die Kriegskredite 1917 die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei). Deren linksrevolutionäre Fraktion, der Spartakusbund, bildete die Keimzelle für die spätere Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Die verschiedenen Richtungen:
- Die Konservativen traten für die absolutistische Monarchie von Gottes Gnaden ein. Es gab Gruppierungen, die den Unternehmern näher standen und welche, die sich für die Großagrarier und reaktionäre Maßnahmen einsetzten.
- Bei den Liberalen gab es die Nationalliberalen und die Linksliberalen. Erstere waren die Repräsentanten des Bürgertums und standen der Demokratie misstrauisch gegenüber. Sie waren als Nationalisten Anhänger des von Otto von Bismarck geschaffenen deutschen Nationalstaats.
- Die Linksliberalen traten für eine parlamentarische Monarchie nach dem Muster von Großbritannien ein. Ihre Anhänger waren vor allem Freiberufler.
- Die katholischen Parteien, das Zentrum und die BVP, hatten Wähler aus allen Schichten. Im Kulturkampf versuchte Bismarck, sie auszuschalten, blieb damit jedoch erfolglos.
- Die Sozialdemokraten gewannen trotz der Sozialistengesetze und der Sozialgesetzgebung immer mehr Anhänger aus der Arbeiterschaft. Obwohl sie in den Parteiprogrammen revolutionäre Forderungen erhoben, war ihre Politik in der Praxis zunehmend reformorienentiert. Von 1878 bis 1890 war die Sozialdemokratie verboten. Ab 1890 erhielt die SPD die meisten Stimmen, auf Grund des Wahlrechts wurden sie aber erst 1912 stärkste Fraktion im Reichstag.
- Die Kommunisten waren bis zum 1. Weltkrieg noch Teil der Sozialdemokratie. Sie vertraten einen revolutionär sozialistischen Weg, waren entschieden antimonarchistisch eingestellt und verfochten Modelle einer Volksrepublik oder Räterepublik. Eine eigene Kommunistische Partei existierte während des Kaiserreichs in Deutschland jedoch noch nicht. Erst während des ersten Weltriegs formierte sich als linke Fraktion der USPD der Spartakusbund, aus dem nach der Novemberrevolution von 1918 im Verbund mit anderen linksrevolutionären Gruppen 1919 die KPD gegründet wurde.
Von Bismarck wurden die Parteien in Reichsfeinde (Linksliberale, Sozialdemokraten , Katholiken) und Reichstreue (Nationalliberale, Konservative) eingeteilt. Allerdings spielte er die Parteien gegeneinander aus. Die Parteien galten als Vertreter von Sonderinteressen, die der vorgeblich gemeinwohlorientierten Regierung gegenüberstanden. Da das Parlament keinen Einfluss auf die Regierung hatte, für die es Mehrheiten bilden musste, waren die Parteien kaum kompromissfähig.
Wichtige Aufgaben übernahmen sie zum ersten Mal nach der Novemberrevolution in der Weimarer Republik, allerdings waren die Parteien offiziell nicht als Bestandteil einer Demokratie festgeschrieben und somit auch nicht in der Weimarer Verfassung entsprechend erwähnt. Gemeinhin wird die Auffassung vertreten, dass die Weimarer Republik eine Demokratie ohne Demokraten gewesen sei, was schließlich auch mit zu deren Untergang 1933 und dem Übergang zur faschistischen Diktatur des Nationalsozialismus geführt habe.
Die Mitglieder der demokratischen Parteien konnten sich nicht auf die Regierungsarbeit vorbereiten, da sie im Kaiserreich daran nicht beteiligt waren. Sie hatten mit der Dolchstoßlegende zu kämpfen und galten für die noch starken rechtskonservativen, reaktionären und monarchistischen Kreise als Novemberverbrecher. Obwohl die Niederlage im Ersten Weltkrieg in der Verantwortung der Monarchie lag, wurde den demokratischen Parteien die Schuld am so genannten "Versailler Schanddiktat" gegeben.
Die Monarchie war zwar formal durch die Novemberrevolution beseitigt worden, jedoch fehlten die gesellschaftlichen Grundlagen für die allgemeine Anerkennung der pluralistischen Demokratie in großen Teilen der Bevölkerung.
Da nach einem reinen Verhältniswahlrecht gewählt wurde, kam es zu einer Parteienzersplitterung. Die Parteien waren nicht an die Verfassung gebunden. Ein weiteres Problem war, dass die Parteien zu sehr auf die eigenen Interessen achteten und weniger auf das Gemeinwohl. Da der Reichspräsident notfalls mit Notverordnungen die Gesetzgebung übernehmen konnte, oder diese mit Hilfe von Ermächtigungsgesetzen direkt an die Regierung gegeben werden konnte, waren die Parteien wieder nicht gezwungen, Kompromisse einzugehen.
Die verschiedenen Richtungen: Obwohl die Parteien teilweise ihren Namen wechselten blieben sie doch größtenteils wie im Kaiserreich.
- Die Sozialdemokraten waren an der Gründung der Weimarer Republik wesentlich beteiligt und stellten mit Friedrich Ebert den ersten Reichspräsidenten. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bildete zusammen mit der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) den Rat der Volksbeauftragten und führte die erste Reichsregierung der Weimarer Republik bis 1920 an.
- In die Deutschnationale Volkspartei DNVP wechselten die Konservativen. Sie kämpfte gegen das demokratische System. Die DNVP unterstützte bei der Reichspräsidentenwahl 1925 Paul von Hindenburg. Zum Ende hin arbeitete sie mit der NSDAP zusammen (siehe: Harzburger Front, Young-Plan). Einer ihrer bedeutendsten Mitglieder war der Medienzar Alfred Hugenberg.
- Die Demokratische Volkspartei DVP war die neue Partei der Nationalliberalen. Ihr bedeutendstes Mitglied war Gustav Stresemann, nach dessen Tod sie nach rechts driftete wohingegen sie am Anfang die Republik unterstützt hatte.
- Die Deutsche Demokratische Partei DDP war die Partei der Linksliberalen. Sie war Mitglied der Weimarer Koalition. Mit der Zeit verlor sie an Bedeutung.1930 vereinigte sie sich mit dem Jungdeutschen Orden zur DStP.
- Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) war die Partei der Kommunisten. Sie war 1919 aus dem Spartakusbund und anderen linksrevolutionären Gruppen hervorgegangen. Nach verschiedenen ideologischen Kontroversen innerhalb der Partei Anfang der 1920er Jahre orientierte sich die KPD ab 1925 unter dem Vorsitz Ernst Thälmanns am stalinistischen System der UdSSR. Im Zuge der sozialen und wirtschaftlichen Krisen ab Ende der 1920er Jahre erlangte sie am Ende der Weimarer Republik eine stärkere Bedeutung im Reichstag, war jedoch nie an einer Regierung beteiligt.
- Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), die 1920 aus der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) hervorging, vertrat entschieden antidemokratische, völkisch-nationalistische und rassistische, vor allem antisemitische Positionen. Nach dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923, machte sie sich unter ihrem "Führer" Adolf Hitler auf den Weg zur legalen Machtergreifung, wobei sie auf den Straßenterror ihrer paramilitärischen Kampftruppe SA ebenso zurück griff wie auf die finanzielle Unterstützung von Teilen der Großbourgeoisie der späten 1920er Jahre. Zunächst eine Splitterpartei, wuchs ihr Wählerpotenzial ab Ende der 1920er Jahre im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 rasch an und wurde 1932 zur stärksten Fraktion im Reichstag. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 endete die erste Demokratie auf deutschem Boden und begann die Diktatur des Nationalsozialismus, das von den Nazis so bezeichnete "Dritte Reich".
Vorläufiges Ende der Parteien
Am 23. März 1933 wurde das Ermächtigungsgesetz vom Reichstag beschlossen. Als einzige Partei stimmte, trotz erheblichem Druck der Rechten, die Sozialdemokraten gegen dieses Gesetz. Die KPD war in Folge des Reichstagsbrandes vom 27. Februar schon verboten, ihre Abgeordneten verhaftet, emigriert oder im Untergrund.
Im Rahmen der Gleichschaltung wurden die demokratischen Parteien entweder verboten oder lösten sich auf. Am 22. Juni wurde die SPD verboten, am 27. Juni lösten sich die DNVP und die DVP auf und am 4. Juli die BVP. Am 14. Juli tritt das Gesetz gegen Neubildung von Parteien und am 1. Dezember das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat in Kraft.
Es folgten 12 Jahre Diktatur unter der Alleinherrschaft Hitlers und seiner NSDAP. Das staatsterroristische Regime löste 1939 den 2. Weltkrieg aus und ließ Millionen von Menschen auch unabhängig vom Krieg ermorden. Der Völkermord an den europäischen Juden (vgl. "Holocaust") und anderen ethnischen Minderheiten sind dafür die bekanntesten Beispiele. Mit dem Sieg der Alliierten, vor allem Englands, der USA und der UdSSR endete am 8. Mai 1945 mit der Kapitulation Deutschlands der 2. Weltkrieg in Europa.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich alle Parteien erst wieder neu formieren. Anfangs bedurften die Parteien zur Gründung die Zustimmung der Besatzer in den jeweiligen Besatzungszonen.
Parteien in der sojetischen Besatzungszone
Anfangs wurden die LDP, die CDU, die SPD und die KPD zugelassen. 1946 wurde die SPD gezwungen sich mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)zu vereinigen.
Parteien in Westdeutschland
Zum ersten Mal wurde ihre Funktion 1949 in der westdeutschen Verfassung, im Grundgesetz Artikel 21, geregelt und festgelegt, dass sie nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden dürfen. CDU und CSU wurden als Union der beiden christlichen Konfessionen gegründet. Die FDP vereinigte Linksliberale und Nationalliberale. SPD und KPD entstanden als Wiedergründung der gleichnamigen im Nationalsozialismus verbotenen Parteien. Die KPD in der Bundesrepublik wurde 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten. Bei den Bundestagswahlen 1972 und 1976 gewinnen die 3 Fraktionen CDU/CSU, FDP und SPD gemeinsam 99% der Stimmen. Ende der 1970er Jahren entstanden verschiedene grüne Parteien, die sich 1980 zur Partei Die Grünen zusammenschlossen. 1983 kommen die Grünen in den Bundestag.
Die Parteien und die Wiedervereinigung
Die Parteien, die sich im Zuge der Wiedervereinigung im Osten gebildet hatten, schlossen sich mit ihren westlichen Gegenstücken zusammen. 1989/90 ging aus der SED die PDS hervor, die 1990 ebenfalls in den Bundestag gewählt wurde. 1993 fusionierten Bündnis 90 und Die Grünen zu Bündnis 90/Die Grünen.
Entwicklung der Parteien nach der Wiedervereinigung
1998 konnten die SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Bundestagswahl gewinnen und damit Helmut Kohl nach 16 Jahren ablösen. Im Zuge der Arbeitsmarktreform Hartz IV gewann vor allem in der ehemaligen DDR die PDS an zulauf. Mitglieder der SPD planen die Gründung einer neuen Partei.
Übersicht über die Parteien
- Katholisch/Christlich (Zentrumspartei, Bayerische Volkspartei)
- Konservativ (Freikonservative Partei, Deutschkonservative Partei, Deutschnationale Volkspartei, heute CDU / CSU)
- Sozialdemokraten ((Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD
- Liberale (Deutsche Fortschrittspartei / Deutsche Freisinnige Partei / DDP / DVP / Deutsche Staatspartei / FDP)
- Nationale (NSDAP / NPD / Rep / DP)
- Kommunisten (Kommunistische Partei Deutschlands KPD / SED / PDS / Deutsche Kommunistische Partei DKP)
- Freiwirtschaftsbewegung: RSF, FSU, heute: Humanwirtschaftspartei
- Vertriebene: BHE, BHE / Gesamtdeutscher Block
- Regionalparteien: SSW (Südschleswiger Wählerverband), NLP (Niedersächsische Landespartei), AfB (Arbeit für Bremen)
siehe auch
Literatur
- Ulrich von Alemann: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003, ISBN 3-89331-478-4 (auch über die Bundeszentrale für politische Bildung für 1 Euro erhältlich)