Biogenetische Grundregel
Die Biogenetische Grundregel wurde von dem Biologen Ernst Haeckel Ende des 19. Jahrhunderts als Biogenetisches Grundgesetz formuliert.
In seinen Schriften "Generelle Morphologie" und "Die Welträthsel" fasste er die Thesen von dem Kausal-Nexus der biontischen und der phylogenetischen Entwickelung kurz so zusammen:
- Die Ontogenesis ist eine kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenesis, bedingt durch die physiologischen Funktionen der Vererbung (Fortpflanzung) und Anpassung (Ernährung).
Dies bedeutet, dass Lebewesen in ihrer Keimesentwicklung vom befruchteten Ei an zeitlich verkürzt die Schritte der Stammesentwicklung - beispielsweise von der Qualle über den Fisch und das Reptil bis zum Menschen - durchmachen.
Haeckel produzierte zahlreiche betrügerische Emryo Zeichnungen, um seine Theorie zu untermauern, die die Ähnlichkeiten zwischen den Emryos verwandeter Arten übertrieben und später den Weg in vielen Biologie Schulbüchern fanden.
Manche stimmen dieser Theorie zu; sie ist aufgrund vielfacher Anpassungen von Larven und anderen Entwicklungsstadien an die jeweilige Umwelt sowie an die Anforderungen der Zell- und Organdifferenzierung jedoch nicht als striktes Gesetz zu verstehen, sondern als Regel. Daher spricht man auch nicht mehr vom Biogenetischen Grundgesetz, sondern von der Biogenetischen Grundregel. Sie gilt - wenn überhaupt - nur für den Phänotypus, d.h. für das äußere Erscheinungsbild, nicht jedoch für den Genotypus, d.h. die genetische Bestimmtheit eines Lebewesens.
Beispiele für den Zusammenhang zwischen Ontogenese und Phylogenese finden sich bei den meisten vielzelligen Tieren sowie - eingeschränkt - auch bei Pflanzen:
- Alle Deuterostomier und Protostomier bilden einen Blasenkeim Blastula aus, in die sich dann der Urdarm einsenkt. Das dadurch entstehende (Gastrula-Stadium) ist anatomisch einem Hohltier ähnlich.
- Der menschliche Embryo durchläuft unterschiedliche Entwicklungsstadien, die nacheinander einer Fischlarve, einem Reptilienembryo und einem Embryo anderer Säugetierarten ähneln. Auch beim Fetus gibt es Merkmale, die auf die Vorfahren hinweisen.
- So bildet auch der Mensch im Alter von wenigen Wochen nach der Befruchtung Kiemenspalten aus. Kritiker sehen eine unzulässige Interpretation dieser unausgebildeten Organe als vermeintliche "Kiemen".
- Noch vor der Wirbelsäule wird die Chorda angelegt, wie sie bei Lanzettfischchen zu finden ist.
- Der Fetus weist am ganzen Körper eine Behaarung auf.
- Der menschliche Embyro besitzt eine Schwanzwirbelsäule, die annähernd so groß ist wie bei einem entsprechenden Schweineembryo und erst später reduziert wird.
- Die Embryonen von Eulen zeigen einen ausgeprägten, mit Federansätzen versehenen Schwanz ähnlich dem Urvogel Archaeopteryx.
- Larven von Plattfischen, z.B. der Scholle oder Flunder, haben ihre Augen noch auf jeder Körperseite, so wie andere Fische. Erst in der weiteren Entwicklung wandert ein Auge auf die künftige Oberseite.
Kritik
Henning Kahle (1999) meint:Das Biogenetische Grundgesetz scheint zu einem großen Teil ein Produkt evolutionistischer Fehlinterpretationen zu sein. Blechschmidt hat es aufgrund seiner jahrelangen humanembryologischen Forschungen sogar als katastrophalen Irrtum in der Geschichte der Naturwissenschaften“ bezeichnet.[1]
Stephen Jay Goulds Buch Ontogeny and Phylogeny steht dieser Theorie kritisch gegenüber und versucht den Geist Haeckels auszutreiben, so dass evolutionäre Entwicklungsbiologie diskutiert werden kann, ohne sich mit den "biogenetischen Gesetz" befassen zu müssen [2].
Siehe auch: Betrug und Fälschung in der Wissenschaft
Literatur
- Stephen Jay Gould:Ontogeny and Phylogeny Havard University Press (1977) ISBN 0-674-63941-3