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Gebisslose Zäumung

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Gebisslose Zäumungen sind in der Ausbildung junger Pferde und beim Reiten im Maul hart gewordener Pferde Alternativen zu konventioneller Zäumung auf Trense.

Dabei unterscheidet man zwischen jenen, die ohne Hebelwirkung auf Nase und/oder Genick wirken, und jenen, die mit mehr oder weniger durch Anzüge (Hebel) verstärkter Kraft auf Nase, Kinn und/oder Genick wirken.

Die bekanntesten sind:

Sidepull

Das Sidepull hat die Form eines Halfters, nur mit verstärktem Nasenriemen, der aus gewachstem Lassoseil besteht und als loser Ring um das Pferdemaul liegt. Rechts und links am Nasenriemen sind Ringe angebracht, an die die Zügel gehakt werden. Es wirkt nur auf die Nase und hat seinen Ursprung in der Westernreiterei, in der mit seiner Hilfe junge Pferde eingeritten werden. Das Sidepull wird hier mit einem deutlich seitlichen Zug - daher der Name - eingesetzt, der es dem jungen Pferd erleichtern soll, die seitwärts treibenden Hilfen zu erlernen. Daher wird das Sidepull niemals allein, sondern immer mit Schenkel-, Gewichts- und/oder Zügelhilfe des gegenüber liegenden Zügels angewandt, der dazu lediglich am Hals angelegt wird. Da das Lassoseil sehr rau ist, ist es für die Dressurreitweise, die eine ständige Anlehnung des Pferdes vorschreibt, nicht geeignet und hat auch in den Händen eines Reitanfängers nichts verloren.

Lindel

Das Lindel hat dieselbe Form wie das Sidepull, nur dass der Nasenriemen aus Leder ist, und relativ eng um das Pferdemaul verschnallt wird. Da diese Form des Zaumzeugs sehr weich für das Pferd ist, ist es auch für Reitanfänger sehr gut geeignet. Im Dressursport stößt man hier allerdings schnell an Grenzen, da die Hilfengebung zu undeutlich ist. Für Freizeitreiter und Ausritte ist diese Art der Zäumung allerdings gut geeignet, wobei beachtet werden muss, dass ein unruhiges Pferd im Gelände mitunter nur schwer mit einem Lindel kontrolliert werden kann.

Kalifornische/manuelle/klassische Hackamore (Bosal)

Die kalifornische (auch «echte») Hackamore besteht aus zwei Teilen: dem Bosal und der Mecate. Das Bosal ist ein oval geformtes, formstabil-elastisches Geflecht aus Rohhaut, welches auf der Nase des Pferdes liegt. Hieran wird unter dem Kinn die Mecate, ein aus Mähnen- oder Schweifhaar geflochtetes Seil, geknotet. Die Signalgebung erfolgt einerseits durch Zupfen an der Mecate, was bewirkt, dass das Bosal an die Außenseite der Nase klopft sowie das Nervensystem am Kinn anspricht, und andererseits durch Anlegen des äußeren Zügels, was durch das stachelige Material besonders wirkungsvoll ist. Diese Signalgebung muss immer mit gleichzeitigen Schenkel- und Gewichtshilfen einhergehen. Ein Bosal richtig zu handhaben ist eine Kunst. Mit keiner anderen gebisslosen Zäumung kann der Reiter so wenig gewaltsam auf das Pferd einwirken. Und mit kaum einer anderen gebisslosen Zäumung lassen sich so feine, subtile, präzise Signale auf die Pferdenase übermitteln - wenn man es kann. Man sagt, dass die kalifornische Hackamore dem jungen Pferd jeden erdenklichen Fehler erlaubt, aber dem Reiter keinen einzigen. Daher braucht diese Zäumung einen sehr erfahrenen Ausbilder, der sein Handwerk mit der Hackamore gelernt hat. Ein gut ausgebildetes Hackamore-Pferd kann durchaus von weniger geübten Reitern gelegentlich in dieser Zäumung geritten werden. Auf die Dauer bestünde dann aber die Gefahr der Abstumpfung.

In der kalifornischen Version des Westernreitens wurde das Pferd traditionellerweise vollständig in der Hackamore ausgebildet, bevor es direkt, also ohne Umweg über die Trense, auf das Spade Bit umgestellt wurde. Dieser traditionelle, sehr lange dauernde Ausbildungsweg wird heute nur noch von wenigen Liebhabern beschritten.

Mechanische Hackamore

Die mechanische Hackamore ist eine gebisslose Zäumung mit Anzügen, die von manchen Freizeitreitern genutzt wird. Von ihr gibt es sich in ihrem Wirkungsgrad unterscheidende Ausführungen. Die am häufigsten im Handel erhältliche Version ist eine brutale Zäumunge, die einem Pferd sogar Nasenbein und Kieferknochen brechen kann, weil sie so große Hebelwirkung hat und die von der Reiterhand ausgeübte Kraft verfünffacht. Schon bei leichtem Zügelzug wird harter Druck auf den empfindlichen Kinnnerv, das Nasenbein und das Genick ausgeübt. Die Anzüge werden unter dem Pferdekinn mit einer Querstange im korrekten Abstand gehalten. Deshalb darf sie nur einhändig geführt werden, sonst verkantet sie sich. Es gibt Mechanische Hackamoren mit gebogenen und geraden, langen und kurzen Anzügen, Kinnriemen mit umwickelter Fahrradkette und weitere Verschiedenheiten. Lange und gerade Anzüge wirken am schärfsten, am weichsten wirkt die Englische Hackamore, bei der an seitlichen Metallkreuzen mit kurzen gebogenen Anzügen Nasen-, Backen-, Kinnriemen und Zügel befestigt sind. Die mechanische Hackamore erlaubt keinerlei laterale Signalgebung, sondern kann lediglich als eine Art «Notbremse» eingesetzt werden. Erfunden wurde sie beim Rodeo, um auf komplett verrittene und im Maul empfindungslos gewordene Pferde doch noch an einer Stelle Kontrolle auszuüben. Daher versteht es sich von selbst, dass diese Zäumung, bei der der Grundsatz völlig falsch ist, gebissloses Reiten schone das Pferd, keinesfalls in unerfahrene Hände gehört!

Serreta

Die Serreta ist die klassische spanische Ausbildungszäumung. Sie ist vergleichbar mit dem Kappzaum. Ähnlich wie im kalifornischen Westernreiten (welches sich ja aus der spanischen Reiterei entwickelte), werden die Pferde direkt von der Serreta auf die Kandare umgestellt, wobei in der Umstellungsphase beide Zäumungen parallel verwendet werden.

Glücksrad

Eine relativ junge Erfindung der Ausbilderin Monika Lehmenkühler. An einem sechsspeichigen Rad sind Nasen-, Backen-, Kinnriemen und Zügel befestigt. Das Glücksrad dreht sich leicht bei Zügelzug und wirkt daher wie eine milde Englische Hackamore. Sie kann auch mit Shanks (Anzügen) und zwei Paar Zügeln geritten werden, was allerdings keinerlei Kandarenwirkung erzielt. Als Trensenersatz ist das einfache Glücksrad sehr einfach zu handhaben, ähnlich wie eine Trense, daher tun sich Umsteiger mit dieser Zäumung besonders leicht. Bei Kinnriemen ist die Wirkung mild, bei zweireihiger Kinnkette mittlere Schärfe, bei einreihiger Kinnkette scharf. Allerdings wehren sich Pferde häufig gegen letztere Version. Bei einer nicht aufs Pferd abgestimmten Kinnkette ist die Zäumung natürlich weitgehend wirkungslos. Aber sie kann für alle Sparten des Reitsports eingesetzt werden, Monika Lehmenkühler reitet auch Klassische Dressur damit.

Scawbrig

Eine englische Erfindung, die sich ein Freizeitreiter sehr leicht selbst basteln kann. An einem Hannoverschen Reithalfter mit verkürzten Backenstücken wird statt Kinnriemen ein Zügel durch die beiden Ringe gezogen. Man kann auch eine weiche Kette durch die Ringe ziehen und an diesen ein Paar Zügel befestigen oder die Zügel an den Ringen anbringen. Es ist eine schlichte Zäumung, die sich gut zum Spazierenreiten eignet. Bei festem Zügelzug kann der Riemen am Kinn scheuern.

Weitere gebisslose Zäumungen

Neben den bekanntesten und gebräuchlichsten Zäumungen existiert noch eine Vielzahl weiter, die sich in ihrer Form, Anwendung und Wirkung mehr oder weniger unterscheiden. Unter anderem das "Bändele", eine Zäumung von Fred Rai, die nur aus einem dünnen Seil um die Nase und das Genick besteht und angeflochtene geschlossene Zügel hat, dann das sogenannte "Bitless Bridle", welches seine Wirkung durch unter dem Pferdekopf gekreuzte Seile erhält und so auf Nase und Genick wirkt und das Merothische Reithalfter, das ähnlich wie das Bitless Bridle mit unterm Kinn gekreuzten Zügeln funktioniert.