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StudiVZ (Abkürzung für Studiverzeichnis) ist die deutschsprachige Nachahmung der populären, angloamerikanischen Web-2.0-Plattform Facebook. Es ist eine derzeit (Herbst 2006) schnell wachsende Datenbank im deutschsprachigen Raum, die ein Soziales Netzwerk abbildet. Als Kommunikationsforum hat StudiVZ innerhalb eines Jahres eine Million Mitglieder gewonnen.
Auf studiVZ können sich Studenten und Alumni ein Profil anlegen und mit ihren Freunden ein Netz bilden, Informationen austauschen und ihre Kontakte zu anderen Studenten oder studentischen Organisationen pflegen.
Entwicklung und Technik
Die Entwicklung der Plattform begann Ende Oktober 2005. Obwohl sich die ersten Nutzer bereits im November 2005 registrierten, war das studiVZ erst ab Frühjahr 2006 mit wesentlichen Funktionen ausgestattet, die kontinuierlich weiter entwickelt und online geschaltet wurden. Inzwischen sind laut Angaben der Betreiber über 1.000.000 Mitglieder (Stand: November 2006) angemeldet. Setzt man - statistisch überlegend - voraus, dass sich tatsächlich ausschließlich Studierende bei studiVZ anmelden, wäre ca. jeder vierte deutschsprachige Student bereits dort registriert. Laut Angaben der Betreiber sind bis zu 2/3 der Nutzer täglich online.
Das System zählt zur sogenannten Sozialen Software. Das System bietet diverse Community-Funktionen und macht u. a. das Kontaktnetz der einzelnen Mitglieder sichtbar. Es bildet also das Soziale Netz der im System registrierten Mitglieder online ab.
Die rasant steigenden Mitgliederzahlen lassen sich durch so genanntes Virales Marketing erklären: Nutzer des Systems laden per E-Mail und im persönlichen Gespräch ihren Freundeskreis ein.
Nach massiven Serverproblemen (die Seite war tagsüber aufgrund von massiven Zugriffszahlen teilweise kaum erreichbar) haben die Betreiber durch ein Server-Update die Erreichbarkeit der Seite temporär verbessert, mittlerweile gehören Serverprobleme jedoch wieder zum Alltag, bei welchen die Besucher der Homepage seit einigen Tagen mit dem mittlerweile hassgeliebten Spruch "Pause - Käffchen? - Können wir im Augenblick alle gut gebrauchen! - Geduldet euch mit uns, wir arbeiten für euch und sind bald wieder da!" vertröstet werden. In Zusammenhang mit dem Server-Update sollen auch mehrere neue Features zur Verfügung stehen.[1] So wurden 2006 erweiterte Funktionen implementiert, die ein vereinfachtes Hochladen von Fotos und eine Bilder-Sortierfunktion beinhalten. Eine der größten Neuerungen, neben zahlreichen Bugfixes, ist Foto-Tagging, mit dessen Hilfe Nutzer ihre Freunde auf Bildern direkt verlinken können und somit ihre Alben weiter personalisieren.
Unternehmen
Das studiVZ.net oder auch studiverzeichnis.net wurde von den beiden Studenten Ehssan Dariani und Dennis Bemmann im Oktober 2005 gegründet. Einige Monate später vervollständigte Michael Brehm das Team. Sitz der StudiVZ Ltd. ist in Berlin.
Unterstützt wird das Berliner Start-Up-Unternehmen von den spreadshirt-Gründern Lukasz Gadowski, Matthias Spiess, die die ersten 5000 Euro Startkapital bereitstellten und Jamba!-Gründer Oliver Samwer. Außerdem ist Christian Vollmann beteiligt, der auch Teamleiter beim Jamba Portal Ilove ist. Holtzbrinck Ventures hat eine Minderheitsbeteiligung erworben und dafür ein Aufsichtsratsmandat erhalten[2]. In der Wirtschaftswoche war berichtet worden, dass hierbei eine Zahlung von über 10 Millionen Euro erfolgt sei.[3] Eine Zahlung in dieser Größenordnung wird seitens der Macher des StudiVZ jedoch vehement bestritten. Nach öffentlichem Druck veröffentlichte das StudiVZ am 15.11.06 seine Kapitalgeber. Nach diesen Angaben ist die Holtzbrinck Ventures GmbH mit 2 Millionen Euro der größte Investor. Die Summe der Investitionen der restlichen Geldgeber beläuft sich hiernach auf 500.000 Euro. [4]
Finanzierung
Zurzeit ist studiVZ für alle Benutzer gratis, fehlende Werbung bzw. andere Finanzierungsmethoden haben unter einigen Benutzern die Frage aufkommen lassen, wie sich studiVZ in Zukunft, mit der zu erwartenden massiven Zunahme an Usern und damit auch der benötigten Bandbreite, finanzieren wird. Die Gründer von studiVZ sprachen in einem Interview mit Radio Q von „dezenter Werbung“, um „kostendeckend arbeiten“ zu können.[5]
Funktionen
Nach der kostenlosen Anmeldung (in Anspielung auf die Einschreibung an einer Hochschule Immatrikulation genannt) kann sich jeder Student ein Profil erstellen. Neben der Angabe von Kontaktdaten, Interessen und Hobbys können hier auch Informationen zu gerade besuchten Lehrveranstaltungen eingegeben werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, eigene Fotoalben zu erstellen oder Gruppen zu gründen bzw. welchen beizutreten und sowohl Freunde als auch Fremde zu „gruscheln“. Die genaue Bedeutung des Wortes Gruscheln wird nirgends näher erläutert, deutet im weitesten Sinne aber eine nicht näher definierte Kontaktaufnahme an. Das Kunstwort wurde von der Betreibergesellschaft des studiVZ beim Deutschen Patent- und Markenamt als Wortmarke, u. a. in den Kategorien für Telekommunikation, Handel, Wissenschaft und Bekleidung, angemeldet. Linguistisch ließe sich die Wortherkunft von gruscheln als Neologismus interpretieren, der mit der Vermischung der Wörter grüßen und kuscheln spielt.
Mit Hilfe der Suche-Funktion kann nach anderen Studenten sowohl an der eigenen als auch an anderen deutschen (und vielen europäischen) Hochschulen gesucht werden. Viele der Daten, die im eigenen Profil angegeben wurden, (Studienrichtung, besuchte Lehrveranstaltungen, Beziehungsstatus etc.) sind zudem verlinkt. So kann der Nutzer beispielsweise herausfinden, welche Studenten zusammen mit ihm eine bestimmte Lehrveranstaltung besuchen.
In Gruppen (Diskussionsforen) ermöglicht studiVZ auch studentischen Organisationen, politischen Hochschulgruppen, ASten usw. sich das studiVZ als Kommunikationskanal nutzbar zu machen.
Nutzen und Kritik
Privatsphäre
Seiten wie studiVZ bieten eine Möglichkeit eigene und fremde soziale Netzwerke abzubilden, was auch der Hauptgrund für ihre schnelle Verbreitung und ihre Popularität sein dürfte.
Ähnlich wie beim populären englischsprachigen sozialen Netzwerken (Beispiel: Facebook) bemängeln Kritiker die einfache Möglichkeit für Unternehmen und andere Organisationen Data-Mining zu betreiben. So war es beispielsweise zwei Studenten am US-amerikanischen MIT-College möglich, mithilfe eines automatischen Skripts über 70.000 Facebook-Userprofile herunterzuladen.[6] In Deutschland warnten diesbezüglich zwei Studenten der Ruhr-Universität-Bochum in einem Vortrag vor den Gefahren des Identitätendiebstahls. [7] Demnach entsteht die Gefahr durch Kombination der Daten aus mehreren Profilen eines Nutzers bei verschiedenen Soziales-Netzwerk-Webseiten.
Weiterhin wird bemängelt, dass Teilnehmer in Unkenntnis der möglichen Optionen zum Schutz der eigenen Privatsphäre ihre Kontaktbeziehungen und ihr volles Profil der Öffentlichkeit preisgeben und dass die voreingestellten Sicherheitsrichtlinien fast alle Daten der Benutzer im kompletten sozialen Netzwerk sichtbar machen. Kritisiert wird, dass der Menüpunkt Privatsphäre sowie die Möglichkeit einzustellen, dass nur ein eingeschränkter Personenkreis das eigene Profil einsehen darf, dem Benutzer die Sicherheit seiner persönlichen Daten suggerieren soll; StudiVZ hat dennoch weiterhin vollen Zugriff auf diese Daten. Außerdem ist es nicht möglich, die Vertaggung des eigenen Abbildes auf Fotos anderer StudiVZ-Nutzer grundsätzlich zu verhindern.
Ein weiterer problematischer Aspekt zeigt sich darin, dass die internationalen Filialen von StudiVZ offensichtlich noch keine eigenen Büros haben. Als Kontaktadressen werden jeweils die Adressen der lokalen Dépendancen von Parship angegeben, einer Online-Partnervermittlung, die ebenfalls anteilig Holtzbrinck Ventures gehört. Das hat in einigen Blogs zu Spekulationen über die tatsächlichen Verflechtungen zwischen StudiVZ und Holtzbrinck, und über die Sicherheit und Vertraulichkeit der Nutzerdaten geführt. Diese Spekulationen sind durch ein Statement des StudiVZ-Sprechers Tilo Bonow ("Klar geht es um die Nutzerdaten.") noch verstärkt worden. [8]
Vorwürfe des Plagiarismus
Sowohl Funktionsumfang als auch graphische Gestaltung erinnern stark an das amerikanische Facebook. Zwar orientieren sich beide an dem Standardlehrbuch „The CSS Anthology: 101 Essential Tips, Tricks & Hacks“ von Rachel Andrew, jedoch darf bezweifelt werden, dass die exakte Übereinstimmung von vielen Menüpunkten und Funktionen mit Facebook darauf zurückzuführen ist. Bis Anfang Oktober 2006 war in allen Quelltexten der Seiten von StudiVZ noch eine Referenz auf ein Stylesheet mit dem Namen "myfb.css" zu finden, was abermals einen Hinweis auf ein direktes Kopieren von Facebook lieferte. [9]
Inzwischen bietet StudiVZ auch Funktionen, die es von Facebook unterscheidet, wie etwa die Funktion "Wer war auf meiner Seite" und der Verzicht der Beschränkung auf regionale Netzwerke. Ziel sei es somit, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen.
Löschung von Weblog-Kommentaren
StudiVZ ist durch Löschung von Benutzer-Kommentaren im offiziellen StudiVZ-Weblog in die Kritik geraten. [10][11]
Spamming und Domain-Grabbing
StudiQG, die französische Tochter von StudiVZ, ist in die Kritik geraten, da deren Marketingchef versucht hat, auf der Seite eines französischen Konkurrenten Benutzer durch Massenmails für seine Seite abzuwerben[12].
Darüberhinaus haben sich die Betreiber verschiedene Domains ihrer Konkurrenten (u.a. studylounge.co.uk) gesichert, was zu Verstimmungen zwischen Mitbewerbern geführt hat[13], [14].
Weblinks
- studiVZ.net
- Newsweek International über Ehssan Dariani
- Die Welt am Sonntag über Ehssan Dariani
- Interview mit dem Firmengründer bei medienhandbuch.de
- tagesspiegel.de über finanzielle Hintergründe
- Zusammenfassung der StudiVZ-Kritik in englischer Sprache
- Peinliche Pannen bringen StudiVZ in Verruf, Spiegel.de 15.11.2006
Quellen
- ↑ Ehssan Dariani Server-Leiden!
- ↑ Informationen über Martin Weber, dem Aufsichtsratmitglied von studiVZ von Holtzbrinck Ventures
- ↑ Peter Turi Comeback der Kellerkinder
- ↑ Ehssan Dariani Falschdarstellungen über studiVZ von Peter Turi in der aktuellen Wirtschaftswoche
- ↑ Radio Q: Schnell immatrikulieren
- ↑ Jones, Harvey, & José Hiram Soltren (2005) Facebook: Threats to Privacy (PDF)
- ↑ Birk, Dominik & Gröbert Felix (2006) Analyse Sozialer Netzwerke (PDF)
- ↑ jetzt.de: Meine gläserne Generation http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/342267
- ↑ StudiVZ in original Facebook Farben, [1]
- ↑ Anti-Kommunikation durch StudiVZ, Mike Schnoor
- ↑ StudiVZ-Blog: guter Stil?, Robert Basic
- ↑ Genaueres bei blogbar.de
- ↑ Genaueres bei basicthinking.de
- ↑ Genaueres bei sichelputzer.de