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Stiller Bach

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Der Stille Bach

Das Gewässernetz des Stillen Baches bei Weingarten gehört zu den ältesten Kanalsystemen in der Bundesrepublik Deutschland. Es wurde von Benediktiner-Mönchen im Mittelalter zur Wasserversorgung des Klosters Weingarten fachmännisch angelegt und ist bis zum heutigen Tag nahezu unverändert erhalten geblieben. Die Fläche des Gewässernetzes beträgt ca. 25 km² und umfasst 10 Kanäle sowie etwa 20 Weiher. Die Hauptbauzeit des Stillen Baches und seiner Teilgewässer erstreckt sich über einen Zeitraum von einem halben Jahrtausend (11. bis 17. Jahrhundert).


Nutzung

Von der äußerst vielfältigen Nutzung des Stillen Baches haben viele Lebensbereiche Weingartens profitiert. So versorgte er die Mönche mit Wasser und bewahrte das Kloster sowie die ansonsten wasserlose Weingartener Oberstadt vor verheerenden Feuersbrünsten. Sein Wasser wurde oberhalb des Klosters zur Tuchbleiche genutzt, diente zum Betrieb eines Waschhauses und führte gleichzeitig die Abwässer in Wiesenwässerungskanälen, den sogenannten Rongsen, zur Düngung auf die Altdorfer Bewässerungswiesen im Schussenbecken. Die Benediktiner wussten seine Fließgewässer aber auch energiewirtschaftlich zu nutzen: Bis zur Aufhebung des Klosters im Jahr 1803 arbeiteten innerhalb des Kanalsystems mindestens

Infolge der fortschreitenden Industrialisierung wurden die Mühlen nach und nach abgelöst und die Fließgewässer zur Stromerzeugung genutzt. Bis zu 12 Turbinen wurden so bei einer erwirtschafteten Leistung von insgesamt 1800 kW durch die Wasserkraft des Stillen Baches betrieben.

Kanalnetz

Bei den Komponenten des Bewässerungssystems handelt es sich größtenteils um völlige Neuschöpfungen in dem ursprünglich an Bächen armen Schottergebiet oberhalb des Schussenbeckens und seiner Seitentäler. Zu den wichtigsten Quellen des Systems zählen neben dem Ursprungsbrunnen östlich des Lochmoos (geographische Lage bei Koordinaten fehlen! Hilf mit.unbenannte Parameter 1:47_48_5_N_9_43_59_E_type:waterbody_region:DE-BW, 2:47° 48' 5" N, 9° 43' 59" O ) die aufgrund ihrer geohydrologischen Besonderheit als Naturdenkmale ausgewiesenen Kocherlöcher bei Unterankenreute. Um mehrere ergiebige Quellgebiete anzuzapfen, überwinden die Kanäle vielfach regionale Wasserscheiden. Zur Vermeidung wartungsintensiver Kanalbrücken (Aquädukte) musste der Stille Bach in seinem Oberlauf mit minimalem Gefällsverlust angelegt werden, d.h. er musste Hügel oder Senken umfließen. Durch diese Zielvorgabe und das zum Teil sehr geringe Geländegefälle war die Ermittlung einer optimalen Fließstrecke äußerst aufwändig und ist bei den im Mittelalter zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln als ingenieurstechnische Meisterleistung anzusehen.

Das Netz besteht seit der Renaissancezeit aus zehn miteinander schaltbaren Kanälen und ist bis zum Jahr 1605 auf eine Länge von 11,5 km ausgebaut worden. Von den ehemals bis zu 30 Stauweihern des Stillen Baches werden heute aber nur noch 9 künstliche Seen angestaut. Wichtig für die Gewährleistung einer ganzjährigen Wasserführung sind im Oberlauf der Moorboden-Wasserspeicher Lochmoos, als zentraler Schaltpunkt des Systems der über 800 Jahre alte Rösslerweiher und im Unterlauf der Mahlweiher in Nessenreben, einer durch das Kloster und nach der Säkularisierung als Staatsdomäne bewirtschafteten mittelalterlichen Rodungsinsel. Der Mahlweiher Nessenreben speichert das Wasser, bevor es mit starkem Gefälle den Unterlauf zum Martinsberg hinab fließt.

Rösslerweiher

Am Nordufer des Rösslerweihers

Der Rösslerweiher entstand vor ungefähr 10000 Jahren als Natursee, als sich der eiszeitliche Rheingletscher zurückzog und Dämme aus Geröll (Moränen) sowie Senken hinterließ, deren Schotteruntergrund durch feine Tone wasserundurchlässig versiegelt worden war. Bei einer verheerenden Naturkatastrophe brach der Moränendamm. Die Wasserfluten stürzten ins Tal der Scherzach hinab und schürften den Hochtobel ins Gelände ein. Viel später erst bauten Menschen an dieser Stelle einen Ersatzdamm. 1155 wurde der neue Stausee als lacus Grindel (=Dammsee) in einer Stauferurkunde erwähnt.

Somit zählt der 20 ha große Weiher zu den ältesten Stauseen in Mitteleuropa. Über 800 Jahre hinweg wird er nun schon energie- und fischwirtschaftlich genutzt und erfüllt seither eine wichtige Funktion im Rahmen des Hochwasserschutzes von Weingarten. Der Stille Bach spielt bei all dem eine zentrale Rolle.

Der Rösslerweiher ist traditionell auch ein beliebtes Naherholungsgebiet für Badefreunde, Schlittschuhläufer und Wanderer. Seit 1989 führt der beschilderte Wasserbauhistorische Wanderweg rund um den Rösslerweiher. In erster Linie ist er jedoch staatliches Fischgewässer. Jedes Jahr findet hier am zweiten Mittwoch im Oktober die herbstliche Karpfenernte statt.

Wasserstandsregulierung

Der Altweiherkanal bildet mit vier weiteren Kanälen den Oberlauf des Stillen Baches. Er führt dem Rösslerweiher seit dem 16. Jahrhundert Wasser aus dem Einzugsgebiet der Wolfegger Ach zu. Der von Norden kommende Altweiherkanal und der am Ostufer des Rösslerweiher vorbeigeführte Kehrenberger Mühlkanal treffen unmittelbar vor dem Zufluss in den Rösslerweiher in einer Kanalkreuzung aufeinander. Von dort fließt das Wasser sowohl in den Rösslerweiher als auch in einen tiefeingeschnittenen Interimskanal, der durch einen 300m langen Damm vom Rösslerweiher getrennt wird. Im Kreuzungspunkt befindet sich der Fallenstock, eine Vorrichtung, die so gezogen und verschlossen werden kann, dass der Interimskanal das gesamte Oberwasser aufnimmt. Dies geschieht bei Hochwassergefahr oder beim Abfischen des Rösslerweihers.

Mit Hilfe des sogenannten Mönchs, einem Absperrbauwerk am Auslauf des Rösslerweihers, lässt sich der Wasserstand im Stillen Bach, bzw. im Weiher, zusätzlich regulieren. Darüber hinaus existieren zwei weitere Wehre im Altdorfer Wald, um Hochwasser vom Stillen Bach fernzuhalten.

Hochtobel

Stiller Bach am Eingang in den Hochtobel

Nach Verlassen des Rösslerweihers fließt der Stille Bach in einer ausgesetzten Trasse entlang der Bergflanke des Hochtobels. Die Trassenführung erinnert an Bewässerungskanäle ähnlicher Charakteristik in Südtirol (Waale) und im Schweizer Wallis (Suonen/Bisses). Bis in die 1980er Jahre kam es im Hochtobel immer wieder zu gewaltsamen Ausbrüchen, nachdem sich das Wasser des Stillen Baches durch Windbruch aufgestaut hatte. Diese früheren Murenabgänge zum 50 m tiefer fließenden Schwarzbächle sind noch als tiefe Rinnen im Steilhang sichtbar. Da die Mönche den Hochtobel nicht umgehen konnten, weil sie das Wasser für ihre Sennerei in Nessenreben und ihre Mühlen brauchten, hegten sie den natürlichen Bewuchs, dessen Wurzelwerk die Kanten vor Unterspülung schützte. Das gefährlichste Teilstück der mittelalterlichen Trasse wurde später durch eine kürzere Verbindung ersetzt. Für den ca. 100 m langen und 10 m tiefen Durchstich durch den Lindenberg mussten nahezu 10000 m³ Boden mit einfachen Mitteln ausgehoben werden.

Kanalsysteme der Benediktiner in Oberschwaben

Neben dem Stillen Bach existieren noch die folgenden beiden weiteren Kanalsysteme in oberschwäbischen Klosteranlagen der Benediktiner:

Alle drei Systeme gehören seit 2005 zu den rund 100 Stationen der Mühlenstraße Oberschwaben.

Quellenangabe

  1. Wasserbauhistorischer Wanderweg, Weingarten
  2. Der Stille Bach und seine Gewässer, Stadt Weingarten 2005

Siehe auch

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