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Karl Eberhard Schöngarth

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Eberhard Schöngarth (* 22. April 1903 in Leipzig; † 15. Mai 1946 in Hameln hingerichtet) war im Dritten Reich SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Chef der Gestapo Dortmund, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) im Generalgouvernement, Führer der Einsatzgruppe z.B.V. in Galizien und BdS in den Niederlanden.

Herkunft und Studium

Eberhard Schöngarth wurde am 22. April 1903 in Leipzig geboren. Sein Vater - Schlesier von Geburt - war Betriebsleiter einer Brauerei in Erfurt. Seine Mutter stammte aus dem ländlichen Umland von Leipzig. Karl Georg Eberhard hatte zwei Brüder, von denen einer schon jung stirbt. Der andere war später in untergeordneter Position im Handel tätig, wurde Berufssoldat und fiel im Juni 1944 in Witebsk. Das Elternhaus war stark nationalistisch gefärbt, was sicher nicht ohne Einfluss auf die Kinder blieb. Er besuchte die Oberrealschule und nahm noch während seiner Schulzeit - gerade mal 17-jährig - 1920 als Freikorpskämpfer am Kapp-Putsch teil (als Mitglied des Freikorps Thüringen). 1921 trat er dem Jungdeutschen Bund bei, legte 1922 sein Abitur ab und arbeitete von 1922 bis 1924 als Bankangestellter in einer Filiale der Deutschen Bank in Erfurt. Im Jahre 1922 wurde Schöngarth Mitglied des Wiking-Bundes, trat im gleichen Jahr in die gerade erst gegründete Ortsgruppe Erfurt der NSDAP bei, wurde gleichzeitig Mitglied der SA. Nach dem Hitler-Putsch 1923 wurde er verhaftet, aber dann - aufgrund der allgemeinen Amnestie wieder auf freien Fuss gesetzt. Er trat für kurze Zeit in die Reichswehr ein, blieb aber nicht lange in der Tretmühle des Kasernenlebens. Inzwischen hatte die Regierung Stresemann die Wirtschaftskrise, in der Deutschland sich befand, halbwegs in den Griff bekommen, die Währung stabilisieren können. Diese Phase relativer Stabilität der Weimarer Republik spiegelte sich auch im Leben von Karl Georg Eberhard Schöngarth wider. 1924 nahm er - jetzt 21 Jahre alt - ein rechts- und staatswissenschaftliches Studium an der Universität Leipzig auf. Er studierte 4 Semester in Leipzig, 1 Semester in Greifswald, 1 Semester in Halle (Saale) und legte 1928 die 1. Juristische Staatsprüfung am Oberlandesgericht in Naumburg (Saale) ab. Nach einem nur halbjährigen Studium am Institut für Arbeitsrecht in Leipzig promovierte er 1929 an der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig. Thema seiner Doktorarbeit:"Die Zurückweisung von Kündigungen des Arbeitsvertrages." Die gründliche Arbeit eines intelligenten Juristen, unter Verwendung ausländischer Literatur und auch jüdischer Autoren. Auf dem Hintergrund seiner späteren Entwicklung und Tätigkeiten macht eine Passage aus der Zusammenfassung dieser Arbeit besonders betroffen: "Ein Recht, das vollständig unter dem Einfluss der Billigkeit und der sozialen Interessenabwägung steht, hat aufgehört, Recht zu sein und ist herabgesunken zu einem Instrument, das ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht eine bindende Entscheidung treffen und die Grenzen fest umrissener Rechtsbegriffe bald verschwimmen lassen wird." Politisch betätigte sich Schöngarth in dieser Zeit nur noch sporadisch. Er ist zwar Mitglied der nationalistisch gefärbten Burschenschaft "Germania Leipzig", besuchte im Jahre 1926 auch noch den Parteitag der NSDAP, aber Ausbildung und (zivile) Karriere schienen in dieser Zeit für ihn ganz im Vordergrund zu stehen. 1932 legte er die Grosse Juristische Staatsprüfung in Berlin ab und war dann an verschiedenen Gerichten tätig. Er wurde Gerichtsassessor und war bis Oktober 1933 als Hilfsrichter an den Landgerichten Magdeburg, Erfurt und dem Oberlandesgericht in Naumburg (Saale) tätig. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung trat Schöngarth wieder in die NSDAP (Mitglieds-Nr. 2848857) ein sowie erstmals der SS (Mitglieds-Nr. 67174) bei.

Bei der Gestapo in Dortmund

Der 30.Januar 1933 - Hitlers so genannte "Machtergreifung" - bedeutete für Schöngarth zunächst noch keine allzu grosse Veränderung - ab November 1933 war er bei der Reichspostdirektion in Erfurt beschäftigt - und erst der 1.November 1935 stellte einen entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben dar, brachte ihn wieder zurück in die zuvor verlassene Spur: Am 1.November 1935 trat Dr.Karl Georg Eberhard Schöngarth in den Dienst der Gestapo (Geheime Staatspolizei). Im Prozess der zunehmenden Verselbständigung und Ausbau der Gestapo suchte man zuverlässige Leute für die neuen Stellen. Passte jemals ein Mann so gut wie Schöngarth in diese Funktion, die er erfüllen sollte? Die Beurteilung in seiner Personalakte (BDC: P8:8629-8634):"Überzeugter Nationalist - schon weit vor der Machtergreifung - mit einem starken Willen ("setzt sich immer durch"), intelligent, allgemein gebildet, Volljurist, von tadellosem Verhalten und Haltung, offen und ehrlich, weltgewandt, keine Schulden, keine Frauengeschichten, keine Strafen, ein ausgesprochenes Gefühl für Disziplin und Kameradschaft." Dann seine Erscheinung: Gross, 1,80 m, breitschultrig, impulsiv, laute Stimme, eckige Bewegungen, ein "massiver Mann", der knapp (schroff) und mit Nachdruck sprach. Für Schöngarth war der Eintritt in die Gestapo nicht einfach eine Veränderung seines Beschäftigungsverhältnisses. Für Schöngarth war der Dienst in der Gestapo Berufung. Ihn faszinierte sofort die abwechslungsreiche Arbeit, die militärische Sphäre, das Bewusstsein für sein Vaterland und für sein politisches Ideal arbeiten zu können, und vor allem (so schien es jedenfalls den Niederländern, die ihn nach Kriegsende auch einer psychologischen Untersuchung unterzogen) knüfte diese Arbeit an seine Charakteranlagen an, brachte ihn zurück zu bis dahin Verdrängtem. Wer in der Gestapo tätig war, hatte Macht über Menschen, konnte entscheiden - nach eigener Einsicht und Urteil bzw. Willkür. Anders als die Kriminalpolizei war die Gestapo ja Polizei und richterliche Instanz zugleich. Schöngarth machte Karriere: Leiter der Staatspolizeistelle Dortmund (1937-1938), Bielefeld (1937-1938). Von (1938-1939 Leiter der Stapo-Leitstelle Münster. 1939 dann Inspektor der Sicherheitspolizei und des SD (IdS) des Wehrkreises IV (Sachsen) mit Sitz in Dresden. Er kletterte in der Polizeihierarchie mit schwindelerregender Geschwindigkeit nach oben. Gleichzeitig damit auch in der SS-Hierarchie (Sein SS-Rang war durch die so genannte Dienstrangangleichung an die Hierarchie der Polizei gekoppelt.) Am 9.November 1936 zum SS-Untersturmführer ernannt, stieg er bis zum 30.Januar 1941 zum SS-Oberführer auf, und im Jahre 1943 war er bereits SS-Brigadeführer. Auch sein Privatleben war in dieser Zeit erfolgreich. 1934, kurz vor seinem 32. Geburtstag, heiratete er eine zwei Jahre ältere Lehrerin und 1936 wird der älteste seiner zwei Söhne geboren. Mochten andere unter dem NS-Regime leiden, mochten sie in Gefängnissen und Konzentrationslagern gefoltert und ermordet werden - diese Jahre zählten zu den glücklichsten in Dr.Karl Georg Eberhard Schöngarths Leben.

Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement und Führer der Einsatzgruppe z. B.V. in Galizien

Am 30. Januar 1941 wurde Schöngarth zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) für das Generalgouvernement mit Sitz in Krakau ernannt.

Mit Beginn des Krieges gegen die UdSSR wurden für sicherheitspolizeiliche Aufgaben hinter der kämpfenden Truppe und zur Durchführung der rassenpolitischen Ziele des NS-Regimes vier Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD eingesetzt. Im Zug des raschen Vormarsches des Heeres und der ihm folgenden Einsatzgruppen, töteten diese Hunderttausende von Juden und Polen, mehr als einer Million Juden gelang jedoch rechtzeitig die Flucht. Zusätzlich stellte sich schon bald heraus, dass zahlreiche jüdische Gemeinden einfach von den Einsatzgruppen übersehen wurden. Zur Ausnutzung des Überraschungseffektes musste daher unmittelbar nach der ersten Tötungswelle eine zweite folgen, die die bislang Überlebenden zu liquidieren hatte.

Als BdS im Generalgouvernement beantragte Schöngarth daher beim Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) Reinhard Heydrich die Schaffung zusätzlicher „Einsatzkommandos bzw. Einssatztrupps“ für Galizien. Schon Anfang Juli 1941 konnte er Heydrich melden, dass „Einsatzkommandos“ in Lemberg, Brest-Litowsk und Bialystok stationiert worden seien, während für die Städte Pinsk, Luck, Rowno, Kowel, Rawa-Ruska, Nowogrodek, Baranowicze und Grodno „Einsatztrupps“ abgestellt worden seien. Die genannten Einheiten leitete Schöngarth mit einem kleinen Stab von Lemberg aus. Später wurden diese Einheiten als „Einsatzgruppe z. B.V.“ bezeichnet.

Die Einsatzgruppe z. B.V. dokumentierte in den Ereignismeldungen (Nr. 32, 38, 43, 44, 47, 56, 58, 66, 67 und 78) Erschießungen, die in die Zehntausende gehen. Die Einheit wurde im Herbst 1941 wieder aufgelöst.

Im November 1941 erließ Schöngarth den sog. „Schießbefehl“, nach dem Juden, die außerhalb der Ghettos angetroffen wurden, standrechtlich erschossen werden sollten.

Seine Funktion als BdS im Generalgouvernement nahm Schöngarth bis zum 9. Juli 1943 wahr.

Teilnahme an der Wannseekonferenz

Am 20. Januar 1942 fand in einer Villa am Großen Wannsee Nr. 56/58 eine Konferenz über die sog. „Endlösung der Judenfrage“ statt, an der die führenden Vertreter der obersten Reichs- und Parteibehörden teilnahmen. Gastgeber war der Chef des RSHA Reinhard Heydrich, Protokollführer Adolf Eichmann.

Aus dem Generalgouvernement nahmen nicht die ursprünglich vorgesehenen Spitzenvertreter sondern Untergebene dieser Funktionäre teil. Für die Polizei wurde Schöngarth als BdS des Generalgouvernements nach Berlin entsandt. Dem Rang nach hätte allerdings nicht er, sondern der Höhere SS- und Polizeiführer Ost, Friedrich-Wilhelm Krüger, teilnehmen müssen. Doch dieser war nicht eingeladen worden. Historiker vermuten, dass dies aufgrund der bekannten Animositäten zwischen Krüger und der Zivilverwaltung des Generalgouvernements bzw. der Unterstellung Schöngarths unter Heydrich resultieren könnte, während Krüger als HSSPF Himmler direkt verantwortlich war.

Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in den Niederlanden

Im Juni 1943 war Schöngarth an der „Enderdungsaktion“, also der Vernichtung der Spuren der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD durch Öffnen der Massengräber und Verbrennung der Leichen, beteiligt. Beauftragt damit war das „Sonderkommando 1005“ unter Führung von SS-Standartenführer Paul Blobel.

Nach seiner Ablösung als BdS im Generalgouvernement am 9. Juli 1943, wurde Schöngarth im September 1943 zeitweise zur Waffen-SS versetzt, um im Mai 1944 als BdS für die Niederlande reaktiviert zu werden. Hier war er für die letzten Deportationen von Juden aus dem Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz verantwortlich.

Nach dem Krieg

In Burgsteinfurt wurde Schöngarth am 11. Februar 1946 von einem britischen Militärgericht wegen Erschießung eines alliierten Flugzeugführers im November 1944 bei Enschede zum Tode verurteilt. Am 15. Mai 1946 ist Dr. Eberhard Schöngarth im Gefängnis Hameln hingerichtet worden.

SS-Laufbahn

  • SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, 30. Januar 1943
  • SS-Oberführer, 30. Januar 1941
  • SS-Standartenführer, 1. Januar 1940
  • SS-Obersturmbannführer, 10. September 1939
  • SS-Sturmbannführer, 1. August 1938
  • SS-Hauptsturmführer, 20. April 1938
  • SS-Obersturmführer, 30. Januar 1938
  • SS-Untersturmführer, 9. November 1936

Auszeichnungen

  • Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern
  • Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern
  • Reichssportabzeichen
  • Ehrendegen des Reichsführers-SS
  • Totenkopfring der SS

Literatur

  • Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981, ISBN 3421019878
  • Pohl, Dieter: Von der „Judenpolitik“ zum Judenmord. Der Distrikt Lublin des Generalgouvernements 1939 – 1944, Frankfurt a.M./Berlin 1993
  • Herbert, Ulrich (Hg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939 – 1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt a.M. 1998
  • www.ghwk.de/deut/ausstellung/dauer6a.htm#Schöngarth
  • www.olokaustos.org/bionazi/leaders/schongarth.htm