Kollaboration
Unter Kollaboration (lat. co- "zusammen-", labor "Arbeit") versteht man die Zusammenarbeit mehrerer Einzelpersonen oder einer Gruppe.
Neutral wird der Begriff Kollaboration in vielen Kontexten als Synonym für Zusammenarbeit, Mitarbeit oder Kooperation verwendet (übrigens hier ein struktureller Anglizismus). Insbesondere im wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrbetrieb, in der Musikproduktion, in der Kunstszene, in diversen informationstechnischen Arbeitsfeldern und im Internet ist es durchaus üblich, den Begriff immer dann zu benutzen, wenn eine Mehrzahl von Menschen (bspw. Autoren) gemeinsam an einem Projekt arbeiten.
In negativer Konnotation steht der Begriff Kollaboration für die Zusammenarbeit mit dem Feind zu Zeiten eines Krieges oder der Besatzung. In diesem Sinne "kollaborierende" Personen werden als Kollaborateure bezeichnet.
Der Begriff "Kollaborateur" insbesondere
In anderen Sprachen wie bspw. dem Englischen, Spanischen und Italienischen bedeutet "collaborator", "colaborador" bzw. "collaboratore" nur ganz allgemein Mitarbeiter. Im Englischen wird deshalb für jemanden, der mit dem Feind zusammenarbeitet, das Wort "Quisling" verwendet, im Spanischen "colaboradorista" und im Italienischen "collaborazionista".
Im Französischen wird die Benennung "collaborateur" für beide Begriffe verwendet, kann also je nach Kontext entweder Mitarbeiter (wertungsfrei) oder Kollaborateur im hier beschriebenen negativen Sinn bedeuten. Daneben wird für den Begriff der Kollaboration mit dem Gegner auch der eindeutig negativ belegte Ausdruck "collaborationniste" benutzt.
Im Deutschen ist die neutrale Verwendung des Wortes Kollaborateur im Sinne von Mitarbeiter (wertungsfrei) vornehmlich in Österreich anzutreffen und gilt als Austriazismus.
Kollaboration als Zusammenarbeit mit dem Feind
Die Verwendung des Ausdrucks in dieser Bedeutung ist im deutschen Sprachgebrauch seit dem 19. Jh. belegt. Schon damals spielte er besonders auch in den verschiedenen deutsch-französischen Konflikten seit den napoleonischen Kriegen eine Rolle (Stichwort "Erbfeind"). So erscheint es nur als logische Entwicklung, dass der Begriff in der Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs während des Zweiten Weltkrieges neue Aktualität gewann und auch heute noch insbesondere auf diese Vorgänge bezogen wird.
Unmittelbarer Anlass für diese Verwendung des Ausdrucks im Französischen war eine im Radio übertragene Rede des Staatschefs Pétain vom 30. Oktober 1940 nach seinem Treffen mit Adolf Hitler in Montoire-sur Loire am 24. Oktober, in der er die Franzosen zur "Zusammenarbeit" ("collaboration") mit den deutschen Besatzern aufrief.
Als mit der Landung der Alliierten in der Normandie 1944 (Operation Overlord) die deutsche Niederlage absehbar wurde, weitete sich der zuvor noch relativ schwache Widerstand der Résistance zu einer "Volksbewegung" aus. Als Kollaborateure wurden nun diejenigen Franzosen bezeichnet, die, wie das Vichy-Regime unter Marschall Pétain, mit der deutschen Besatzungsmacht zusammengearbeitet hatten. Ihnen wurde vorgeworfen, dem Feind aus eigennützigen Motiven geholfen oder mit ihm sympathisiert zu haben und so zu Verrätern am eigenen Volk geworden zu sein. Eine häufige Form der Kollaboration in dieser, wie in fast allen Epochen, waren Spitzeldienste für die Besatzungsmacht.
Eine besonders bedrückende Tatsache ist auch die französische Mitwirkung an der Judendeportation, die nach Kriegsende jahrzehntelang kaum thematisiert wurde. Erst mit Gerichtsverfahren der 1990er Jahre wurde mit der Aufarbeitung dieser Kollaborationsform begonnen, durch die einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, dass französische Polizisten im Juli 1942 im vélodrome d'Hiver etwa 13.000 jüdische Pariser – darunter ca. 4.000 Kinder – auf Veranlassung des Vichy-Regimes zusammengetrieben und über das Sammellager Drancy bei Paris in Viehwaggons weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert hatten. Zwischen 1941 und 1944 waren unter Mitwirkung französischer Beamten ca. 75.000 Juden, darunter 12.000 Kinder, in Vernichtungslager verschleppt worden.
Der Vorwurf der Kollaboration führte in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu zahlreichen willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Lynchjustiz. Mehr als 10.000 Menschen wurden wegen erwiesener oder vermuteter Kollaboration in außergerichtlichen "Säuberungen" (Épuration) nach der Befreiung ermordet.
Eine andere weltweit verbreitete Bezeichnung für Kollaborateure ist der Ausdruck "Quislinge", abgeleitet vom norwegischen Nazi-Kollaborateur Vidkun Quisling. Fließend zwischen Kollaboration und Zwangsarbeit sind die Grenzen im Fall der osteuropäischen sogenannten Hilfswilligen der deutschen Wehrmacht.
In der Zeit des Kalten Krieges benutzte man das Wort Kollaborateur in Deutschland auch als Schimpfwort für weltanschauliche Gegner, die man der Zusammenarbeit mit dem politischen System auf der jeweils anderen Seite des Eisernen Vorhangs bezichtigen oder als dessen Sympathisanten bloßstellen wollte (siehe auch: "Fünfte Kolonne").
Kollaboration mit dem Dritten Reich
In der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gab es in Europa und darüber hinaus Organisationen und Bewegungen, die mit den Nationalsozialisten kooperierten.
Belgien
Rexisten – eine um 1930 entstandene, faschistische Organisation in Belgien. Die Rexbewegung formierte sich Anfang der 1930er Jahre unter der Führung des wallonischen Populisten Léon Degrelle als katholisch-wallonische Bewegung. 1935 organisierte sich die Bewegung als von der Katholischen Aktion unabhängige Partei und verbuchte erste Wahlerfolge. Ab Mai 1940 kollaborierten die Rexisten mit der nationalsozialistischen deutschen Besatzung in Belgien.
Auch mit flämischen Nationalisten in (Nord)Belgien beteiligten sich an der Kollaboration statt und meldeten sich auch freiwillig zur Waffen-SS.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Rexistenpartei verboten.
Frankreich

Die in den 1930er Jahren organisierte Parti Nationaliste Breton (PNB) kollaborierte während der deutschen Besatzung Frankreichs teilweise mit dem NS-Regime. Die bretonische Brigade Bezen Perrot, die der SS angegliedert war, kämpfte gegen französische Partisanen. Viele Mitglieder der in den 30er Jahren gegründeten Terrororganisation Cagoule hatten wichtige Posten im Vichy-Frankreich inne.
Anfangs wurde das antikommunistische, konservative und katholische Vichy-Regime, das zu Beginn die meisten Kolonien beherrschte und über ein 100.000 Mann starkes Heer verfügte, von vielen Franzosen begrüsst. Der traditionellen Losung der Französischen Revolution Liberté, Égalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) setzte das Regime die Parole "Travail, Famille, Patrie" (Arbeit, Familie, Vaterland) zur moralischen Erneuerung Frankreichs entgegen.
Mit zunehmender Kollaboration mit den Nationalsozialisten, brutalen Morden und Verfolgung Andersdenkernder nahm die Popularität des Regimes ab.
Außerdem erließ das Regime harte Maßnahmen zur Ausgrenzung und Verfolgung von Ausländern, Freimaurern und vor allem Juden. 1942 wurde der Judenstern auch in Vichy-Frankreich eingeführt und später wurde ein Großteil der jüdischen Bevölkerung des Südens in das Dritte Reich Deutschland deportiert und ermordet. Hunderttausende Franzosen wurden zur Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland gezwungen (Relève).
Als Reaktion auf die alliierte Invasion in Nordafrika am 11. November 1942 marschierte die Wehrmacht unter Bruch der Waffenstillstandsbedingungen von Compiegne auch in die "freie" Südzone ein. Gleichzeitig schwand die Macht des Vichy-Regimes zusehends.
Als die Alliierten 1944 in der Normandie landeten (D-Day) und die deutsche Niederlage absehbar wurde, wuchs der Widerstand der Résistance zu einer "Volksbewegung". Mit der Befreiung Frankreichs durch die Alliierten und der Einsetzung einer provisorischen französischen Regierung unter General de Gaulle am 25. August 1944 endete das vierjährige Vichy-Regime. Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain wurden ins Deutsche Reich transferiert, wo sie bis April 1945 in Sigmaringen ein Schattendasein fristeten.
Viele Vichy-Kollaborateure, die der Rache der Sieger entkamen, flüchteten nach Québec oder Spanien.
Als Kollaborateure wurden nun diejenigen Franzosen bezeichnet, die mit der deutschen Besatzungsmacht oder dem von Nazi-Deutschland kontrollierten Vichy-Regime unter Marschall Pétain zusammengearbeitet hatten. Ihnen wurde vorgeworfen, dem Feind aus eigennützigen Motiven geholfen oder mit ihm sympathisiert zu haben und so zu Verrätern am eigenen Staat beziehungsweise Volk geworden zu sein. Häufig betraf das auch Frauen, die mit deutschen Soldaten ein Verhältnis hatten.
Eine häufige Form der Kollaboration in dieser Epoche waren etwa Spitzeldienste für die Besatzungsmacht. Eine besonders bedrückende Tatsache ist auch die Mitwirkung an der Judendeportation, die nach dem Krieg jahrzehntelang kaum thematisiert wurde. Erst in Gerichtsverfahren der 1990er Jahre wurden einige dieser Vorfälle aufgearbeitet. So wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass französische Polizisten im Juli 1942 im Velodrom vél'd'Hiv (vélodrome d'Hiver) etwa 13.000 jüdische Pariser – darunter ca. 4.000 Kinder – zusammengetrieben, Tage später in Viehwaggons ins Sammellager Drancy bei Paris und dann weiter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert hatten. Zwischen 1941 und 1944 sind unter Mitwirkung französischer Beamter ca. 75.000 Juden, darunter 12.000 Kinder, in Konzentrationslager deportiert worden, wo sie ermordet wurden. Bekanntester Kollaborateur wurde Maurice Papon, dem im Nachkriegs-Frankreich eine glänzende Karriere ermöglicht wurde. Ebenso ist Paul Touvier zu nennen, dessen Name für die aktive Verbindung von antisemitischem Rechts-Katholizismus und Kollaboration steht. Diese Kontakte ermöglichten ihm jahrzehntelanges Verbergen im Nachkriegs-Frankreich vor der Justiz. Einige, die aus der Cagoule den Gründer von L’Oréal: Eugène Schueller kannten, konnten sich nicht nur der Justiz entziehen, sondern auch in der Konzernleitung im Ausland, ein priviligiertes Auskommen finden.
Der Vorwurf der Kollaboration führte in der Nachkriegszeit zu zahlreichen (auch willkürlichen) Verhaftungen, Misshandlungen und Lynchjustiz. Nach der Befreiung wurden mehr als 10.000 Menschen wegen erwiesener oder vermuteter Kollaboration in wilden, außergerichtlichen "Säuberungen" (Épuration sauvage) ermordet. Durch verschiedene Kommissionen zur Épuration/Reinigung/Säuberung sollte nicht nur der Polizeidienst auf sein Handeln in der Vichy-Zeit in einer einigermaßen rechtlich nachvollziehbaren Weise überprüft werden.
Großbritannien, Irland
Britische Nationalsozialisten unter ihrem Anführer Oswald Mosley wollten mit dem Dritten Reich zusammenarbeiten und einige von ihnen dienten auch in der Waffen-SS.
Von der Sinn Féin, irischnationalen-katholischen Organisation und ihrem militärischen Flügel IRA, ist bekannt, dass sie das Bündnis mit dem Dritten Reich suchte.
Schweiz
Etwa 2.000 Schweizer dienten in der SS (davon 1.400 Auslandsschweizer). Die Schweiz entsandte freiwilliges Sanitäts- und Medizinalpersonal des Roten Kreuzes an die deutsche Ostfront, das dort von der Wehrmacht gezwungen wurde, nur noch Wehrmachtsangehörige zu behandeln und zu pflegen.
Liechtenstein
Hier gab es den NSDAP-Ableger "Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein". Gemäß dem Schlussbericht der Unabhäbigen Historikerkommission Liechtenstein, Zweiter Weltkrieg (ISBN 3-0340-0806-6), welcher die Fragen in Bezug auf Flüchtlinge, Vermögenswerte, Kunst und Rüstungsproduktion zu beantworten versucht, wurde ein möglicher Einfluss des NSDAP-Ablegers auf die Liechtensteiner Bevölkerung sehr stark eingeschränkt und fand nur verhältnismäßig wenige Anhänger. Zudem reagierte die Bevölkerung mehrheitlich negativ auf die damalige "Volksdeutsche Bewegung".
Osteuropa
In den so genannten Ostlegionen, einem Teil der Osttruppen (1.000.000), waren alle kollaborierenden Angehörigen sowjetischer Minderheitenvölker zusammengefasst. Zu ihnen gehörte beispielsweise die Georgische Legion.
Die ca. 1.000 Freiwilligen, auch als Trawnikis bezeichneten, Ukrainer und Litauer „halfen“ bei der Ermordung der zwei Millionen Juden im Generalgouvernement Polen. In Trawniki, etwa 40 km östlich von Lublin, befand sich das Ausbildungslager dieser Kollaborateure.
Die Wlassow-Armee war ein russischer Verband, der am Ende des Zweiten Weltkrieges unter General Wlassow auf Seiten der Nationalsozialisten kämpfen.
Es waren überzeugte Kosaken und Reste der „Weißen“ (Partei im Bürgerkrieg 1918-21), aber auch russische Kriegsgefangene, die dem Hungertod entgehen wollten.
Ihre Größe betrug maximal etwa 1 Million Freiwillige. Da es Hitlers Rassismus widersprach, Russen, also „Untermenschen“, für sich kämpfen zu lassen, wurde die Wlassow-Armee erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges aufgestellt. Bis dahin gab es aber auch schon das XV. Freiwilligen-Kosaken-Kavalleriekorps, welches der Waffen-SS unterstellt war.
Die serbischen Tschetniks von Dimitrije Ljotic und Draza Mihajlovic kollaborierte mit den Besatzertruppen der Achse im Jugoslawischen Bürgerkrieg 1941-1945 zusammen.
Die kroatische und bosniakische Ustasa Milz unter der Führung von Ante Pavelic kollaborierte mit den Besatzertruppen der Achse im Jugoslawischen Bürgerkrieg 1941-1945 zusammen.
Norwegen
Eine andere weltweit verbreitete Bezeichnung für Kollaborateure ist der Ausdruck "Quislinge", abgeleitet vom norwegischen Nazi-Kollaborateur Vidkun Quisling. Fließend zwischen Kollaboration und Zwangsarbeit sind die Grenzen im Fall der osteuropäischen sogenannten Hilfswilligen der deutschen Wehrmacht.
Irak
Im April/Mai 1941 versuchte der prodeutsche Nationale Verteidigungsrat, mit aktiver deutscher Hilfe im Irak die Macht zu ergreifen.
USA
In den USA arbeiteten eine Zeit lang die Naziorganisation German-American Bund, eine Fusion der NSdAP und der „Free Society of Teutonia“ und der rassistische Ku-Klux-Klan zusammen. Bei Kriegseintritt der USA wurde diese Zusammenarbeit unterbrochen. Zu Höchstzeiten hatte der German-American Bund 25.000 Mitglieder.
Brasilien
Hier liebäugelte die faschistische Bewegung der "Integralisten " mit dem Nazi-Regime.
Kollaboration mit anderen Besatzungsmächten
In absprechender Bedeutung wurde und wird der Begriff "Kollaboration" auch nach 1945 benutzt, wenn einheimische Gruppierungen mit einer Kolonial- oder Besatzungsmacht zusammenarbei(te)ten - so im Maghreb, in Afghanistan, auf dem Balkan und im Irak.
„Collaboration“ von Graphikern
Unter Collaboration versteht man hier eine Zusammenarbeit von zwei Zeichnern: Der eine zeichnet die Umrisse und Schraffuren einer Graphik, eines Comics o.ä., und der andere koloriert sie. Diese Zusammenarbeit wird denglisch als "Collab" bezeichnet. Meist steht dann auf dem Bilder Outlines by ... und Coloration by ...".
Es gibt Malbücher für Kinder und Erwachsene und sogar Internetseiten, auf welchen die Zeichner die Umrisse vorgeben, damit sie dann von andren koloriert werden.
Kollaborative Ansätze im Internet
Im Internetjargon wird dieser Begriff in Form von collaborative design, collaborative writing u.ä. benutzt und bezeichnet die gemeinsame Arbeit einzelner bei der Entwicklung von Software (z.B. in Open Source-, und Open Content-Projekte), lexikalischen Texten (z.B. Wikipedia) und anderen Dokumenten (z.B. Trillium Report). Spezielle Content Management Systeme wie beispielsweise Wikis ermöglichen Kollaboratives Schreiben.
In der Definition von ECM Enterprise Content Management wird "Collaboration" als eine der wichtigsten ECM-Komponenten aufgeführt. Unter Collaboration werden dort Groupware- und erweiterte Funktionen verstanden.
Weblink
- Les Droites françaises, de la Révolution à nos jours, Sous la direction de Jean-François Sirinelli Eine Rezension von Eugen Weber (französisch) aus La République des Lettres, 1995
- Paradoxe Biographien - Wirre politische Seitenwechsel im Frankreich der 30er Jahre von Alexander Emanuely, Context XXI, 7/2002
- Wikipaint.org - Collaborative online drawing