Hadd-Strafe
Die Hadd-Strafe (حد «Grenze»; der Plural حدود hudūd ist die Form, die meist von Muslimen verwendet wird) ist die von der Schari'a vorgesehene Bestrafung für eine der direkt vom Koran verbotene Handlungen (Hadd-Straftaten), also Unzucht (زناء zinā), Verleumdung betreffs Unzucht, Analverkehr zwischen Männern (liwāt), Weinkonsum, Diebstahl und Straßenraub.
Für außerehelichen Geschlechtsverkehr sieht der Koran (Sure 4, Vers 15) bei volljährigen Frauen, die verheiratet sind oder waren, lebenslangen Hausarrest oder einen von Gott geschaffenen, nicht näher beschriebenen «Ausweg» vor. Dieser Ausweg ist in der Rechtspraxis die Steinigung. Allerdings setzt der Koran hier hohe Hürden, denn es werden speziell für die Unzucht vier männliche Zeugen gefordert, was praktisch ein Geständnis notwendig macht. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Richter hier den Prozess zugunsten des Beschuldigten zu führen und auch auf die Möglichkeit des Geständnis-Widerrufs hinzuweisen hat.
Bei seit längerem geschiedenen oder verwitweten Frauen gibt es allerdings eine weitere Möglichkeit des Nachweises: eine Schwangerschaft. So sorgte 2002 der Fall der Nigerianerin Amina Lawal für internationales Aufsehen. Sie wurde von einem Schari'a-Gericht zur Steinigung verurteilt, weil sie ein Kind erwartete. Das Urteil wurde später aufgehoben. Nicht, weil die Berufungsinstanz an der Beweislage gezweifelt hätte, sondern weil die Schari'a zum Zeitpunkt der Empfängnis in diesem Teil Nigerias noch gar nicht eingeführt war. Ob eine solche Verurteilung von der Schari'a gedeckt ist, ist zweifelhaft.
Was den Beischlaf zwischen Männern angeht, bestimmt der Koran keine konkrete Strafe. Dort heißt es lediglich: "Und diejenigen, die es von euch [Männern] begehen, strafet beide. Und so sie bereuen und sich bessern, so lasset ab von ihnen. Siehe, Allah ist vergebend und barmherzig." (Sure 4, Vers 16). Entsprechend sind sich auch die Rechtsschulen uneins, welche Strafe für den mann-männlichen Analverkehr zu fordern sei. Die Hanbaliten halten eine Bestrafung wie bei Ehebrechern für angezeigt. Dagegen schließen die Hanafiten die Todesstrafe aus und überlassen die Entscheidung dem jeweiligen Richter.
Verleumdung betreffs Unzucht wird mit 40–80 Peitschenhieben bestraft (allerdings kann der Geschädigte auf die Bestrafung verzichten), ebenso das Trinken von Wein. Diebstahl wird mit Amputation der rechten Hand, im Wiederholungsfalle mit Amputation des linken Fußes bestraft und Straßenraub wird, je nach Schwere, mit Gefängnis oder Kreuzigung geahndet (nach Sure 5, Vers 33).
Siehe auch: Schari'a