Brüder Heitger
Die Brüder Heitger waren zwei Raubmörder, die in der Zeit der Weimarer Republik große Bekanntheit erlangten.
Herkunft
Johann (* 13. September 1904 in Gelsenkirchen; † 25. Oktober 1928 in Köln) und Heinrich (* 28. Juli 1907 in Gelsenkirchen; † 22. Oktober 1928 in Köln) Heitger, waren Söhne des Bergmanns Heinrich Heitger und von Klara Anna Heitger, geborene Hübsche. Sie wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater starb 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Zusammen mit ihrem Stiefvater, dem Bergmann Johann Steinmann, zogen sie 1920 in die Hohlmannstraße in Altenessen.
Raubmord in Byfang
Nachdem Johann Heitger, angeleitet von seinem Vetter Willi Hübsche, schon kleinere Delikte begangen hatte, stahlen die Brüder Heitger am 9. Juni 1927 zuerst in Essen-Rütterscheid ein Auto und überfielen danach in Essen-Byfang gemeinsam mit ihrem Freund Karl Lindemann den Knappschaftssekretär Heinrich Küpper, als er die Knappschaftsgelder auszahlen wollte. Küpper wurde dabei von Johann Heitger erschossen. Die Bande entkam unerkannt. Die Beute von 18.000 Mark investierten die Heitgers in ein Fuhrgeschäft in der Rellinghauser Straße in Essen, das allerdings wenig erfolgreich war.
Banküberfall in Gladbeck
Am 5. Mai 1928 stahlen die Brüder Heitger gemeinsam mit Karl Lindemann und Willi Hübsche zunächst in Dortmund ein Auto und überfielen dann die Reichsbanknebenstelle in Gladbeck, wo sie mit Waffengewalt 34.000 Mark stahlen. Diesmal kam ihnen die Polizei auf die Spur. Als der Kriminalsekretär Klemens Oßkopp sie in ihrem Unterschlupf in der Schlenhofstraße 25 in Essen entdeckte, erschoss ihn Heinrich Heitger. Willi Hübsche wurde am 15. Mai 1928 in Herne verhaftet. Die Brüder Heitger und Lindemann flüchteten über Frankfurt am Main und München nach Seehausen am Staffelsee.
Einbruch ins Polizeipräsidium München
Weil die Heitgers und Lindemann in eine Schlägerei in einer Gastwirtschaft verwickelt wurden, nahm die Polizei von Murnau sie vorübergehend fest. Obwohl sie sich nicht ausweisen konnten, ließ man sie bald wieder laufen. Um sich falsche Papiere fertigen zu können, brachen sie am 29. August 1928 in das Passbüro des Münchner Polizeipräsidiums ein und entwendeten mehrere Blankoformulare, den Polizeistempel und zehn schon ausgefertigte Pässe.
Versuchte Festnahme in Köln
Die Heitgers und Lindemann reisten über mehrere Stationen nach Köln, wo sie in der Riehler Straße 86 im Kölner Agnesviertel zur Untermiete wohnten. Ihr Vermieter aber schöpfte Verdacht und verständigte die Polizei. Daraufhin wurden die Heitger-Brüder und Karl Lindemann am 20. Oktober 1928 nach einem Schusswechsel verhaftet. Die Brüder Heitger konnten sich jedoch während des Transports zum Polizeirevier dank einer versteckten Pistole den Weg freischießen, wobei sie den Kriminalassistenten Philipp Vollmer töteten und weitere Personen verletzten. Sie stahlen ein Auto und konnten ihren Verfolgern entkommen. Karl Lindemann kam ins Gefängnis.
Tod von Heinrich Heitger
Obwohl das angeblich bis dahin größte Polizeiaufgebot in der deutschen Kriminalgeschichte in Köln aufgeboten wurde, blieben die Brüder Heitger zunächst verschwunden. Am Abend des 22. Oktober 1928 wurden sie dabei entdeckt, wie sie ein Motorrad in Köln stehlen wollten. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd, in deren Verlauf ein Passant von einem Schuss getötet wurde, kaperten die Brüder Heitger eine Straßenbahn der Linie 12 und durchbrachen mit ihr eine Polizeibarrikade. Dann flüchteten sie in eine Grünanlage nördlich des Riehler Walls. Die Polizei umstellte das Gelände und konnte den schwer verwundeten Heinrich Heitger ergreifen. Als dieser im letzten Moment schon wieder eine versteckte Waffe zog, wurde er von der Polizei in Notwehr erschossen. Sein älterer Bruder Johann rettete sich über die Mauer der Villa des Fabrikanten Koch. Obwohl die Polizei umgehend den gesamten Häuserblock umstellte und anschließend Zimmer für Zimmer durchsuchte, konnte sie Johann Heitger nicht finden.
Tod von Johann Heitger
Johann Heitger hatte es geschafft, sich in einer Regenrinne vor seinen Verfolgern zu verstecken. Am 25. Oktober 1928 trieben ihn Hunger und Durst ins Innere der Villa von Generaldirektor Christian Oertel am Kaiser-Friedrich-Ufer 105, wo er entdeckt wurde. Als die Polizei anrückte, verbarrikadierte er sich in einem Zimmer im obersten Stockwerk und erschoss einen Polizisten, der sich in den Raum hineintraute. Daraufhin setzte die Polizei Handgranaten ein. Schließlich konnte der schwer verletzte Johann Heitger festgenommen werden. Er starb am Abend des 25. Oktobers 1928 im Vinzenzhospital in Köln. Er wurde gemeinsam mit seinem Bruder in Altenessen beerdigt.
Nachwirkung
Die Arbeitersöhne Heitger wurden von sozialistisch orientierten Teilen der Presse idealisiert und zu Klassenkämpfern stilisiert.[1] Unter anderem schrieb Erich Mühsam das Gedicht Brüder über ihre Taten.[2] Auf dem spektakulären Fall basiert auch der Spielfilm Das fünfte Gebot von Duccio Tessari mit Helmut Berger, Peter Hooten und Udo Kier.[3] Anselm Weyer hat 2023 über die Ereignisse sowie das weitere Schicksal des Heitger-Komplizen Willi Hübsche einen "wahren Krimi" publiziert, der laut Eigenaussage des Greven Verlags ausschließlich auf Archivmaterialien beruht.[4][5]
Literatur
- Gedicht
- Erich Mühsam: Brüder. Dem Andenken der Brüder Heidger. In: Fanal 3, 1928/1929, Nr. 3, S. 70f.
- Roman
- Anselm Weyer: Wie die ruchlosen Brüder Heitger und ihre Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen. Wahrer Krimi. Greven Verlag, Köln, ISBN 978-3-7743-0956-2
Verfilmung
- Das fünfte Gebot. Spielfilm von Duccio Tessari. Deutschland 1978. 113 Minuten.[6] (Auch bekannt als Verdammt bis in den Tod.)
Weblinks
- Arthur Nebe: Das Spiel ist aus In: Der Spiegel 45/1949
Einzelnachweise und Kommentare
- ↑ N.N.: Die Polizei führt Krieg. In: Roter Helfer 12/1928, S. 15. (archive.org [abgerufen am 2. September 2023]).
- ↑ Erich Mühsam: Der Krater. K. Guhl, 1977, ISBN 978-3-88220-009-6 (google.com [abgerufen am 2. September 2023]).
- ↑ Gangster an der Ruhr. In: Der Spiegel. 13. August 1978, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. September 2023]).
- ↑ Verlagsseite zum Buch von Anselm Weyer [abgerufen am 5. September 2023).]
- ↑ Interview mit Anselm Weyer in der Kölnischen Rundschau, 2. Juli 2023 [abgerufen am 5. September 2023].
- ↑ Helmut Berger, Peter Hooten, Evelyne Kraft: Das fünfte Gebot. Oase Film Essen, S. Alabino, Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF), 10. August 1978, abgerufen am 2. September 2023.