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Manische Sprache

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Manisch ist eine in Gießen/Marburg/Wetzlar in sozialen Randgruppen entstandene Geheimsprache. Gesprochen wurde bzw. wird Manisch in einem Bezirk der Gießener Weststadt, der "Gummiinsel", in den Marburger Stadtteilen Richtsberg und Waldtal sowie im Wetzlarer "Finsterloh". Es ist ein Vokabular von ca. 800 Wörtern dokumentiert, das stets in Verbindung mit dem lokalen Dialekt (Mittelhessisch) gebraucht wird. Es ist ein Soziolekt, dessen Wortschatz hauptsächlich aus dem Romani schöpft sowie Rudimente der Jenischen Sprache enthält. Die Sprache wird seit vielen Jahren auch in der Wohngemeinschaft Bonameser Weg (nahe dem Frankfurter Berg), einem wilden, von der Stadt Frankfurt/M. geduldeten Wohnwagenstellplatz, gesprochen. Auch im Koblenzer Raum (dort oft Kowelenzer Asi-Deutsch oder Assisch genannt) ist diese Sprache beheimatet.

Obgleich die Sprache vom Aussterben bedroht ist und nur noch wenige Personen über einen nennenswerten Wortschatz verfügen, leben doch einige Begriffe in der lokalen Jugend-Umgangssprache weiter.

Vokabular

Affe(n)kottlet = Banane
Balle = Haare
Ballefusser = Frisör (als Verb: ballefussen = Haare schneiden)
Bani = Wasser
baro = groß
Baschepen, Baatschebie, Lalla = Musik
Bedo = Farbiger
Bonum = Gesicht
Buddlack = Hunger (als Verb: buddlagge, budden = essen)
Kollem = Hose
Dachhas = Taube
Dande = Zähne
dellen = geben, bringen
Dewis = Tag (latscho Dewis = Guten Tag)
diggen = gucken, verstehen
Dinnelo = Depp
Flugtschabo = Vogel (neumanisch, früher: Tscherklo)
Gadsche = Nicht-Zigeuner
Gambana = Uhr
Gramaski = Pistole
Gowe = Quatsch, Spaß
Gowegardsch = Spaßvogel
Glundegardsch = Reicher Typ
Gludigen = Cannabis Raucher
Goi/Gui = Wurst
(schwerer) Hejel = Depp, (Voll)Idiot
Jewro = Hase
joschen = schlafen
kaddehlen = stinken
Kan, Kani = Ohr, Ohren
kanengeri = Ohrring
Klaimschers = Schuhe
Klitschu = Schlüssel
Klisto = Polizei
Knisterbani = Sprudelwasser (Mineralwasser mit Kohlensäure)
krik = weg, ab (nasch krik - hau ab)
latscho, latschi = geil, gut, schön, einfach
Latscholax = Geiler Typ
Lattejupp = Jesus Christus
Lobi, Lowi = Geld
maddo = besoffen, müde
Maloche = Arbeit (als Verb: malochen = arbeiten)
Maro = Brot
Mas = Fleisch
meschugge = verrückt
minch = weibliches geschlechtsorgan
Moss = Frau
muchillen = Essen
Muj = Mund
Mujballe = Schnurrbart, Vollbart
mulo = tot
naaschen = laufen, gehen
Nervelo, Nabelo, Na, Naft, Nafti, Hejel, Kunde = Nervensäge, Idiot
Nak = Nase
Nakvelo = Brille (Nasenfahrrad)
Osnik = Uhr
piefen = kiffen
Piefes = Gras (Droge)
Pimangri/Pimangelo = Zigarette
pre = bekifft
puggern = lügen
rackern = reden
Raggelo = Kind
rallen = essen
reunern = sehen, schauen
Schinaggels = Schuhe (besonders schicke)
schmerschen = rauchen
schwechen = saufen
stegum = langsam
tockern = kaputt machen
Tresina = Fahrrad
Tschabba = Kumpel
Tschabo = Bursche, Kerl
Tschai, Rahli = Tussi, Weib
Tscharello = Furz
Tschero = Kopf
Tscheroblitze, Tscherobolero = Kopfschmerzen
tschie, tschee, tschü, tschä = nein, nicht, kein(e/r/s)
Tschie Meder = auf keinen Fall
Tschucklo = Hund
tschugga = gut, schön
Tschunde = Scheiße (auch als Adjektiv)
Tschundepicker = Müllmann
Tschundepugger = Hochstabler, Lügner
Tschundetschabo, Tschundefreier = Scheißkerl
tschuren = stehlen
Tschurie = Messer
Velo = Fahrrad
Wast= Hand
Wodin = Wagen (Auto gibt es in der Zigeunersprache nicht)

Ein großer Teil des Vokabulars gilt als äußerst vulgär und behandelt dementsprechende (sexuelle und fäkale) Themen, z.B. im Fall nachfolgender Ausdrücke, deren Übersetzung an dieser Stelle größtenteils in einem entsprechend vulgären Deutsch erfolgt:

bodewe = geil
Buhl = Arsch (als Verb: verbuhlen = verarschen)
buijen = ficken
Buijegel = in etwa "Hurenbock"
Gomen, Gariied = Schwanz (Penis)
Kladdetsch, Butsch, Minsch = Fotze (Vulva/Vagina)
siehlen = pissen
tschucks Muj = halts Maul
Tschunde = Kot, Scheiße (auch als Fluchbegriff)
Tschundebuijer/Buhlmalocher = Arschficker
Tschundekahn = Scheißhaus
Tschutschies = Titten (Busen)
muijen = stinken

Beispiele

Beispiel 1: "Ei tschü Herr Lehrer, ich hab es Velo tschü getschurt." Übersetzung: "Nein Herr Lehrer, ich habe das Fahrrad nicht gestohlen."

Beispiel 2: "Ich hab gedacht de Gardsch wär mulo." Übersetzung: "Ich dachte der Mann sei tot."

Beispiel 3: "Tschü Lobi, tschü Buije, tschü Raggelo." Übersetzung: "Kein Geld, kein Sex, keine Kinder."

Beispiel 4: "De Gardsch hat's Wording getschurt, ist von de Kliste gedappert worden und ist ins Stillepin genaascht." Übersetzung: Der Mann stahl das Auto, wurde von der Polizei ertappt und wanderte dafür ins Gefängnis.

Beispiel 5: "Schauma Shampoo macht en tschugge Schaum uffm Tschero, damit de Tschero tschü mehr nach Maloche kaddehlt." Übersetzung: Schauma Shampoo macht einen guten Schaum auf dem Kopf, damit der Kopf nicht mehr nach Arbeit riecht.

Literatur

  • Hans G. Lerch, der die Sprache wissenschaftlich untersuchte, veröffentlichte die Ergebnisse 1997 in dem Buch Tschü Lowi - Das Manische in Gießen (ISBN 3870380799), das auch einen großen Wörterbuchteil enthält.

Siehe auch

Jenische Sprache, Jiddisch, Lottegorisch (Carlsberg), Masematte (Münster), Rotwelsch, Sintitikes, Töddensprache, Mattenenglisch