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Ein deutsches Requiem

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Ein deutsches Requiem op. 45 von Johannes Brahms

Der festgelegte Text der lateinischen Totenmesse, des Requiems also, ist ein Bittgebet, das den Verstorbenen begleitet, ihm gilt und ihm helfen soll, zur Erlösung zu gelangen. Ganz anders geht Johannes Brahms mit der Idee seines Requiems um. Nicht die Verstorbenen brauchen Hilfe und Trost, sondern die Hinterbliebenen. Seine Textauswahl ist eine Zusammenstellung aus Schriftstellen des Alten und Neuen Testamentes sowie der Apokryphen, deren Aussagen von der Linderung des Leids der Trauernden bis zur Mahnung reichen, die Tatsache des Todes als Konsequenz in unser Leben einzulassen.

"Seit Bachs h-Moll-Messe und Beethovens Missa solemnis ist nichts geschrieben worden, was auf diesem Gebiete sich neben Brahms deutsches Requiem zu stellen vermag", so hymnisch urteilte der schwer zu begeisternde Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick über dieses singuläre Werk der Gattung Requiem, das dem gerade 33jährigen Komponisten den Durchbruch verschaffte, mehr noch das zum bedeutendsten und populärsten seiner Werke werden sollte.

Die Idee, eine Trauerkantate zu schreiben, entstand in Johannes Brahms schon sehr früh und wurde möglicherweise unter dem Eindruck des tragischen Todes seines verehrten Freundes und Förderers Robert Schumann 1856 noch verstärkt. 1861 notiert Brahms die Textzusammenstellung auf der Rückseite des vierten Liedes seiner Magelonen-Romanzen op. 33. Der Tod der Mutter im Februar 1865 scheint die inzwischen ruhende Komposition wieder in das Bewußtsein von Brahms gerückt zu haben, er nimmt die Komposition wieder auf und sendet im April 1865 den Satz IV zur Begutachtung an Clara Schumann; bis dahin scheinen die Sätze I und II schon komponiert gewesen zu sein (jedoch ohne einen Schluß). Satz III ist wohl während eines längeren Aufenthaltes bei dem Freund und Fotographen Julius Allgeyer in Karlsruhe entstanden, die Sätze VI und VII wohl im Sommer des Jahre 1866 in [Lichtenthal][1] (bei Baden-Baden) und/oder in Winterthur. Der heutige Satz fünf wurde erst im Mai 1868 komponiert und nach den ersten beiden Aufführungen in das Werk eingefügt. Die ersten drei Sätze wurden Anfang Dezember 1867 in einem Konzert der Gesellschaft der Wiener Musikfreunde uraufgeführt - mehr wollte man dem Publikum 'nicht zumuten' - mit eklatantem Misserfolg. Weitaus mehr Anklang fand die Uraufführung des (damals noch sechssätzigen) Werkes am Karfreitag 1868 im Dom zu Bremen. Der bei diesem Konzert noch fehlende fünfte Satz wurde auf Anregung des Bremer Domkapellmeisters Karl Reinthaler eingefügt, und das vollständige Werk, wie wir es heute kennen, erlebte im Februar 1869 seine erste Aufführung im Leipziger Gewandhaus. Die Auswahl der Texte zeugt von einer enormen Bibelkenntnis Brahms' und von seiner persönlichen religiösen Überzeugung, die Zuordnung zeigt zugleich seine geistige Freiheit, mit dem Gefundenen umzugehen und es in neuen Beziehungen erscheinen zu lassen. Die subjektive Komponente der Entstehungsgeschichte ist bezeichnend für Brahms und seine Erlebniswelt. Der selbst durchlittene Schmerz setzte in ihm künstlerische Potenzen frei, das künstlerische Gestalten des Todesgedankens half ihm, selber Trost zu finden und das Leid zu überwinden.

Das Deutsche Requiem ist keine Trauermusik. Der zentrale Gedanke des Werks ist nicht die ewige Ruhe der Toten, sondern vor allem der Trost derer,"die da Leid tragen"; eine Musik also vor allem für die Lebenden.


Literatur:

Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem, Schriftenreihe der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Bd. 13, Bärenreiter-Verlag, Kassel/Stuttgart 2004