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Masse (Sozialwissenschaften)

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Der Begriff Masse bezeichnet eine große Menge von Menschen, die konzentriert auf relativ engem Raum miteinander kommunizieren, agieren und reagieren.

Masse wird in der Soziologie weiters dazu verwendet, um breite Bevölkerungsschichten von einer Eliten zu unterscheiden.

Im Marxismus ist es der revolutionäre, nach Emanzipation strebende Teil der Gesellschaft.

Das Auftreten des Menschen in der Geschichte als Masse ist ein Phänomen höherer Zivilisationen und hat seine Ursache in der mit dem Bevölkerungswachstum verbundenen Urbanisierung.

Das Verhalten einer Masse von Menschen hat eigene Gesetzmäßigkeiten und wird unter bestimmten Bedingungen in der Panikforschung mit dem Verhalten von Fluiden verglichen werden.

Menschenmassen werden allgemein vor allem in krisenhaften Zusammhängen gedacht, wobei oft unerwähnt bleibt, dass sich gesellschaftliche Instituionen auf eine Unterstüzung der Massen berufen und auch berufen müssen. Der Begriff der "Massen" wird oft abwertend (dumme Masse) gebraucht, dennoch stellen Menschen, die gesellschaftliche Veränderungen vorantreiben wollen, oft gesellschaftliche Werte, wie Gerechtigkeit und Gleichheit zur allgemeinen, und damit massenhaften, Diskussion.

Eine Masse wird durch ein System von Signalen und Symbolen koordiniert. Dies geschieht i.d.R. durch festgeprägte Regularien wie Brauchtum, Politik, Religion etc. Die Masse ist andererseits zur Schaffung eigener Dynamik in der Lage Gerücht, Flucht, Panik, Lynchjustiz etc.

In der Neuzeit findet eine Orientierung zu neuen Methoden der Beinflussun der Massen statt: Massenmedien in der Struktur großer Konzerne, die auch verschiedene Arten von Medien beliefern, übernehmen abgewandelte Regularien unter Einbeziehung eigendynamischer Strukturen. Politik und Kommerz entfalten unter Übernahme der Massenmedien ihre Macht bis ins Totale und Globale.

Arten von Massen

  • Gerichtete Masse
    spontane oder provozierte Ausschreitungen, zielgerichtete gegen abweichende Einzelne oder kleine Gruppen
  • Indifferente Masse
    die Masse schlägt in ihrer Meinung ins Gegenteil um: die Euphorie wird zum Haß und zur Aggression ("Hosianna-Kreuzige-Effekt")
  • Hetzmasse
    Demagogie und Hetze vermögen Minderwertigkeitsgefühle auf andere zu projizieren; die Gewissheit der Zugehörigkeit zu den "Guten" erleichtert das Vorgehen gegen die minderwertigen anderen bis zur Bereitschaft ihrer Vernichtung
  • Fluchtmasse
    in Momenten drohender Gefahr reagiert die Fluchtmasse irrational; sie richtet ihre Bewegung nicht vernünftiger Erwägung aus, sondern vergrößert mitunter die Bedrohung
  • Umkehrungsmasse
    Eine unterdrückte Masse wird Umkehrungsmasse genannt, wenn sie gewaltsam gegen ihre Unterdrücker vorgeht, um die Verhältnisse umzukehren (z.B. Rebellion).


Untersucht wurde das Massenphänomen u.a. von

  • Gustav Le Bon, Psychologie der Massen (1895), der erkannte, dass Massen kritik- und prinzipienlos, daher leicht lenk- und umstimmbar seien. Da sie Ideen und Ideale eher in minderwertiger depravierter Form aufzunehmen vermögen, werde ihre Vorstellungskraft nicht durch Vernunft sondern durch Bilder (Sensationen, Skandale) gelenkt. Dann aber seien sie fähig, diese mit höchster Leidenschaft und Gewaltsamkeit umzusetzen. Le Bon war ein Mitbegründer der so genannten "Massenpsychologie"
  • David Riesman, Die einsame Masse (1950) der die Ablösung des "traditionsgeleiteten Menschen" durch den "außengeleiteten" in seinen gesamten Lebensvollzügen und -äußerungen durch Massenmedien gelenkten und bestimmten Menschen diagnostizierte.
  • Elias Canetti, Masse und Macht (1960), der in einer historisch ausgreifenden transkulturellen Studie das Wesen der Masse als zusammengehörig mit dem Phänomen der Macht erkennt, welches er in der Struktur von Befehl und Stachel charakterisiert. Als lenkendes führendes Prinzip erkennt er den Drang zur Selbsterhaltung.