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Edda

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Deckblatt einer isländischen Abschrift (18. Jh.) der Snorra-Edda

Als Edda werden zwei grundverschiedene aus dem 9. bis 12. Jhr. auf Altisländisch verfasste literarische Werke bezeichnet. Man unterscheidet zwischen der Lieder-Edda (unpräziser auch Ältere Edda u. fälschlicherweise auch Sæmundr-Edda genannt), einer Sammlung von anonymen Götter- und Helden-Liedern, und der Snorra-Edda (oder Prosa-Edda, unpräzise auch Jüngere Edda), einem hochmittelalterlichen Dichter-Lehrbuch in Prosa.

Bedeutung des Namens

Ursprünglich war Edda nur die Bezeichnung für die Snorra-Edda, das Skalden-Lehrbuch des Snorri Sturluson. Erst in der Frühen Neuzeit wurde der Name auch auf die neu aufgefundene Liedersammlung des Codex Regius übertragen, weil sowohl in den Liedern als auch im Lehrbuch des Snorri mythische Ereignisse beschrieben werden. Bei dieser Bedeutungsverschiebung ist es geblieben; deshalb versteht man heute unter "Edda" oder "eddischer Dichtung" die Lieder-Edda.

Die Etymologie des Wortes "Edda" ist unsicher. Möglich ist die Bedeutung "Urgroßmutter" (altisl. edda) wodurch einesteils das hohe Alter, andererseits das tiefe Wissen gekennzeichnet werden soll. Vielleicht stammt es auch von altisl. óðr (Dichtkunst, Poesie) oder von Oddi, einem Ort in Südwestisland. Auch eine Ableitung von lat. edere (schreiben, publizieren) ist in Betracht zu ziehen.

Lieder-Edda ("Ältere Edda")

Die Ältere Edda ist eine Sammlung nordischer Dichtungen unbekannter Autoren. Inhaltlich deckt sie viele Bereiche ab, so ist sie Heldenlied, Moralspruchsammlung für den Alltagsgebrauch und Zauberbuch, aber vor allem ist sie die wichtigste Quelle Altnordischer Mythologie.

Überlieferung

Die erste uns bekannte Niederschrift der Älteren Edda ist der sog. Codex Regius der um 1087 durch Saemundur Sigfusson aufgezeichnet wurde. Die ältesten darin enthaltenen Lieder stammen wahrscheinlich aus dem 9. Jahrhundert. Ein noch höheres Alter ist aus sprachgeschichtlichen Gründen (Synkope) ausgeschlossen. Doch waren diese Stoffe allerdings schon früher bekannt und wurden über Jahrhunderte mündlich überliefert. Dies belegen etwa Schnitzereien in norwegischen Stabkirchen oder eine Darstellung auf dem schwedischen Ramsundstein. Die jüngsten Lieder stammen aus dem 11. Jahrhundert. Außerhalb des Codex Regius sind noch weitere Lieder und Gedichte überliefert, die aufgrund ihrer Ähnlichkeiten in Stil, Versmaß und Inhalt auch zu den eddischen Liedern gezählt werden.

Die Lieder und Gedichte wurden zunächst mündlich tradiert, daher vermutlich ihre gebundene Form. Dazwischen finden sich allerdings häufiger kürzere Abschnitte in Prosa, z. B. als Einleitung. Für diese Mischung aus Prosa und gebundener Form gibt es mehrere Erklärungen. So könnten die Prosastücke verloren gegangene oder bruchstückhafte Verse ersetzt oder vorhandene gekürzt, präzisiert oder modifiziert haben. Vielleicht war diese Vermischung auch von Anfang an vorhanden.

Inhalts-Übersicht

Die Lieder-Edda enthält 16 Götter- und 24 Heldenlieder. Nachfolgend eine Liste aller im Codex Regius enthaltenen Lieder und Gedichte (in vom Übersetzer Karl Simrock leicht veränderter Reihenfolge):

  1. Götterlieder
    1. Völuspá (Der Seherin Weissagung)
    2. Grímnismál (Das Lied von Grimnir)
    3. Vafþrúðnismál (Das Lied von Wafthrudnir)
    4. Hrafnagaldr Óðins (Odins Rabenzauber)
    5. Vegtamskviða oder Baldrs draumar (Das Wegtamslied oder Balders Träume)
    6. Hávamál (Des Hohen Lied)
      1. Teil
      2. Teil (Loddfafnirs Lied)
      3. Teil (Odins Runenlied)
    7. Hárbarðslióð (Das Harbard-Lied)
    8. Hymiskviða (Das Lied von Hymir)
    9. Oegisdrecka (Oegirs Trinkgelage)
    10. Þrymskviða oder Hamarsheimt (Das Thrym-Lied oder Des Hammers Heimholung)
    11. Alvíssmál (Das Alvislied)
    12. Skírnismál (Skirnirs Ritt)
    13. Grogaldr (Groas Erweckung)
    14. Fiölsvinnsmál (Das Lied von Fiölswidr)
    15. Rigsþula (Rigs Merkreihe)
    16. Hyndlulióð (Das Hyndlalied)
    17. Sólarlióð Das Sonnenlied
  2. Heldenlieder
    1. Völundarkviða (Das Wölund-Lied)
    2. Helgakviða Hjörvarðssonar (Das Lied von Helgi dem Sohn Hjörwards)
    3. Helgakviða Hundingsbana fyrri (Das erste Lied von Helgi dem Hundingstöter)
    4. Helgakviða Hundingsbana önnur (Das zweite Lied von Helgi dem Hundingstöter)
    5. Sinfiötlalok (Sinfiötlis Ende)
    6. Sigurdarkviða Fafnisbana fyrsta edha Gripisspá (Das erste Lied von Sigurd dem Fafnistöter oder Gripirs Weissagung)
    7. Sigurðarkviða Fafnisbana önnur (Das zweite Lied von Sigurd dem Fafnirstöter)
    8. Fafnismál (Das Lied von Fafnir)
    9. Sigrdrífumál (Das Lied von Sigrdrifa)
    10. Brot af Brynhildarkviða (Bruchstück eines Brynhildenliedes)
    11. Sigurdarkviða Fafnisbana thridja (Das dritte Lied von Sigurd dem Fafnirstöter)
    12. Helreið Brynhildar (Brynhilds Helfahrt)
    13. Guðrúnarkviða in fyrsta (Das erste Gudrun-Lied)
    14. Drap Niflunga (Mord der Niflunge)
    15. Guðrunarkviða in önnur (Das zweite Gudrun-Lied)
    16. Guðrunarkviða in þriðja (Das dritte Gudrun-Lied)
    17. Oddrúnargrátr (Oddruns Klage)
    18. Atlakviða (Das alte Atli-Lied)
    19. Altlamál (Das jüngere Atli-Lied)
    20. Guðrúnarhvöt (Gudruns Aufreizung)
    21. Hamðismál (Das Lied von Hamdir)
  3. Weitere, nicht im Codex Regius überlieferte Texte:
    1. Svipdagsmál
    2. Gróttasöngr (Grottis Gesang)
    3. Hrafnagaldr Óðins (Odins Rabenzauber)

Die literarische Gattung

Die Edda ist - anders als das Nibelungenlied - kein durchgängig erzähltes Epos, sondern eine Sammlung von Liedern zur selben Geschichte. Dadurch entstehen inhaltliche Redundanzen. Auch deckt sich die Reihenfolge der Liedzusammenstellung nicht immer mit der Chronologie der Ereignisse. Dennoch sind die Lieder vielerorts miteinander verwoben und gehorchen in ihrer Anordnung einer chronologischen und biographischen Logik. Diese redaktionelle Maßnahme wurde oft durch Ansippung erzielt. Högni ist Gunnars Bruder. Brynhild wird in manchen der Lieder als Schwester Atlis (Etzels) dargestellt. In der deutschen Version sind Hagen und Gunter nicht verwandt.

Die Götterlieder

Die meisten der Götterlieder sind als "Wissensdichtung" angelegt. Das heißt, in ihnen wurde gezielt möglichst viel Wissen in konzentrierter Form dargestellt, um dann von den Dichtern auswendig gelernt und in dieser Form weitergegeben zu werden. Die meisten Wissensgedichte haben dabei die Form eines Dialoges. In einem Wechsel aus Fragen und Antworten, oder einem Wissenwettstreit zwischen zwei Protagonisten, wird das zu vermittelnde Wissen systematisch dargelegt. Den zweiten Teil der Götterlieder bildet die Spruchdichtung. Hier werden keine mythologischen Begebenheiten, sondern Lebensweisheiten und Verhaltensregeln vermittelt. In der Anordnung der einzelnen Lieder zeigt sich eine deutliche Sortierung. Das erste Lied, die Völuspá, behandelt die Geschichte der Welt von der Schöpfung bis zum Untergang, während nachfolgende Lieder immer spezifischere, abgegrenzte Inhalte haben.

Die Heldenlieder

Die Heldenlieder der Edda befassen sich mit verschiedenen germanischen Helden, die, mit Ausnahme von u. a. dem Haupthelden Helgi, auf dem europäischen Festland zur Zeit der Völkerwanderung lebten. Die Existenz mancher von ihnen ist geschichtlich nachweisbar; so entspricht zum Beispiel Atli dem Hunnenkönig Attila oder Gunnar Gundahar, dem König der Burgunden. Dies hat größere inhaltliche Überschneidungen mit kontinentalen Heldenliedern zur Folge, etwa mit dem Nibelungenlied. Obwohl der Codex Regius ca. 70 Jahre jünger ist als die älteste bekannte Handschrift des Nibelungenlieds, wird die Version der Edda allgemein als die ursprünglichere Version der Sage angesehen. So sind im deutschen Epos die Bezüge auf die germanische Mythologie, die die Edda prägen, getilgt. Auch die Charaktere werden in der Edda archaischer dargestellt, während im Nibelungenlied ein höfischer Gestus vorherrscht.

Die Namen der Charaktere in der Edda sind anders als die vertrauten Namen des Nibelungenlieds: Sîgfrid heißt Sigurðr, Hagen Högni, Gunter Gunnar, Krimhild Guðrun.

Bezeichnend für alle Lieder des Heldenzyklus sind die immer wiederkehrenden Motive von Tapferkeit, Tod, Mord und Rache. Oft werden die Helden von Visionen heimgesucht, entweder in Form von Träumen oder durch die Einwirkung von Sehern oder ähnlichem. Der Heldenliedteil berichtet über den Tod von nicht weniger als 36 Protagonisten. Im letzten Lied des Codex Regius, dem Hamðismál, sterben die letzten Vertreter der großen Sippe um Sigurðr und Helgi. Hierin offenbart sich das pessimistische Weltbild der eddischen Heldenlieder.

Die literarische Form

Vor allem die älteren Lieder, etwa die Atlakviða, zeichnen sich durch äußerste Knappheit sowie schonungslose und primitive Kraft aus. Die Lieder jüngeren Datums dagegen bedienen sich eines realistischeren und ausführlicheren Stils. Sie erreichen allerdings nie die epische Breite, wie es im altfranzösischen und mittelhochdeutschen Versepos üblich ist. Diese Funktion übernehmen in der mittelalterlichen isländischen Literatur die Sagas.

Die eddischen Lieder und Gedichte weisen zwei Versmaße auf:

Der Fornyrðislag (Altmärenton) findet v. a. in erzählenden Gedichten Anwendung. Es handelt sich um eine Verbindung von zwei Kurzzeilen mit je zwei Hebungen via Alliteration zu einer Langzeile. Vier Langzeilen bilden eine Strophe.

Der Málaháttr (Spruchton) ist eine etwas leichtere Variante des fornyrðislag mit fünf statt vier Silben je Vers.

Der Ljóðaháttr (Liedton) findet sich v. a. im Götterliederteil. Für dieses Versmaß findet sich im übrigen germanisch-sprachigen Raum keine Entsprechung. Im ljóðaháttr schließen sich nach obigem Muster wieder zwei Kurzzeilen zu einer Langzeile zusammen, gefolgt von einer in sich stabenden Vollzeile mit meist drei Hebungen. Dieses Schema wiederholt sich einmal, woraus sich eine Strophe bildet.

Snorra-Edda ("Prosa-Edda")

Die Snorra-Edda oder "Prosa-Edda" wurde 1220 von Snorri Sturluson unter Verwendung alter Überlieferungen zusammengestellt und enthält u.a. die Skáldskaparmál, einen Lehraufsatz für Skalden. Er bezieht sich dabei auch auf Lieder, die Teil der Lieder-Edda sind, und zitiert aus ihnen Verse und Strophen.

Die Snorra-Edda enthält neben zwei Kapiteln über die nordische Dichtkunst im Allgemeinen auch die Gylfaginning, in der die nordische Götterwelt ausführlich dargestellt wird. In den Skáldskaparmál werden unter anderem die Kenningar erläutert, dichterische Wortumschreibungen, die meist auf Geschehnisse der Göttersagen anspielen.

Literatur

Textausgaben

  • Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd 1. Text. Hrsg. von Gustav Neckel, 5. verbesserte Auflage von Hans Kuhn. Germanische Bibliothek. Reihe 4, Bd 9. Texte. Carl Winter, Heidelberg 1936, 1962, 1983. ISBN 3-533-03080-6
  • Edda. Die Lieder des Codex Regius nebst verwandten Denkmälern. Bd 2. Kommentierendes Glossar - Kurzes Wörterbuch. Hrsg. von Hans Kuhn. Heidelberg 1936, 1968.

Übersetzungen

  • Die Edda. Nach der Übersetzung v. Karl Simrock neu bearb. u. eingeleit. v. Hans Kuhn. 3 Bde. Reclam, Leipzig 1935-1947, Stuttgart 1997, 2004. ISBN 3-15-050047-8
  • Fritz Paul (Hrsg.): Heldenlieder der Edda in der Übersetzung der Brüder Grimm. Unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass. Brüder-Grimm-Museum, Kassel 1992. ISBN 3-929633-17-5
  • Die Edda. Die ältere und jüngere Edda und die mythischen Erzählungen der Skalden. Übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Karl Simrock. Cotta, Stuttgart 1851, 1896 (10.Aufl.), Phaidon, Essen 1987, Weltbild, Augsburg 1987, Saur, München 1991 (Mikrofich). ISBN 3-888-51112-7, ISBN 3-598-52753-5
  • Die Edda. Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Ins Deutsche übertragen von Felix Genzmer. Diederichs, Düsseldorf 1981, München 1997, Weltbild u.a. 2006 (Háv.154-207). ISBN 3-424-01380-3, ISBN 3-7205-2759-X

Sekundärliteratur

  • Heinz Klingenberg: Hávamál. in: Festschrift für S. Gutenbrunner. Claus Winter, Heidelberg 1972, 117-144. ISBN 3-533-02170-X
  • Rudolf Simek: Religion und Mythologie der Germanen. Konrad Theiss, Stuttgart 2003. ISBN 3-8062-1821-8.
  • Klaus von See u.a.: Kommentar zu den Liedern der Edda. Götterlieder. Winter, Heidelberg
    • Bd 2. Skírnismál, Hárbarðslióð, Hymiskviða, Lokasenna, Þrymskviða, 1997, ISBN 3-8253-0534-1
    • Bd 3. Völundarkviða, Alvíssmál, Baldrs draumar, Rígsþula, Hyndlolióð, Grottasöngr, 2000, ISBN 3-8253-1136-8
    • Bd 4. Helgakviða Hundingsbana I, Helgakviða Hiörvarðssonar, Helgakviða Hundingsbana II, 2004, ISBN 3-8253-5007-X
  • Mario Bauch: Wer waren die Nibelungen wirklich? Die historischen Hintergründe der germanischen Heldensagen. Berlin 2006. ISBN 3-938807-09-1 -
Wikisource: Edda – Quellen und Volltexte