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Jörg Bergstedt

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Jörg Bergstedt

Jörg Bergstedt (* 2. Juli 1964 in Bleckede) ist ein Ökoaktivist, Buchautor und Anarchist aus Mittelhessen (Reiskirchen/Saasen). Er war Mitglied des Bundesvorstandes der Naturschutzjugend und ist häufig Referent bei Umweltkongressen.

Naturschutzjugend

Als Bundesvorstandsmitglied der Naturschutzjugend sorgte er für Unruhe, als er die Auflösung des eigenen Verbandes, die Abkehr von „Verbandsmeierei“ und statt dessen horizontale, graswurzel-artige Vernetzung forderte. Weil er und seine Mitstreiter diese Forderung nicht durchsetzen konnten, verließen sie die Naturschutzjugend.

Projektwerkstatt

Bergstedt lebt in der Projektwerkstatt in Reiskirchen/Saasen, die sich sowohl als Tagungszentrum und Treffpunkt für linke und Umweltgruppen als auch als politische Wohngemeinschaft versteht. Bergstedt wird als Leiter der Projektwerkstatt gesehen, weil er länger als andere Aktivisten Mitglied der Projektwerkstatt ist. Die Projektwerkstatt Saasen ist Nachfolgeprojekt des gleichnamigen Projektes im alten Bahnhof Trais/Horloff, in dem Bergstedt ebenfalls schon aktiv war.

Bergstedt ist Wahlgegner und Gegner des herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Als Anarchist tritt er für eine herrschaftsfreie Gesellschaft ein. Er tritt häufig mit Patrick Neuhaus gemeinsam auf, der sich den Künstlernamen „Espi Twelve“ gegeben hat.

Bergstedt gilt als scharfer Kritiker sogenannter NGOs, deren reformistischen Ansatz er als staatstragend und falsch erachtet. Insbesondere die großen Umweltverbände und ATTAC stehen im Zentrum seiner Kritik. Auch Bergstedt selbst steht immer wieder in der Kritik. Diese macht sich in der Regel daran fest, dass Bergstedt als Individualanarchist meist selbst in Aktion tritt, was auch den Vorwurf erklärt, dass Bergstedt zur Selbstdarstellung handele.

Bergstedt ist Mitautor des 2000 erschienenen Buches „Freie Menschen in freien Vereinbarungen. Gegenbilder zur Expo 2000“, das eines der bekanntesten deutschsprachigen anarchistischen Theoriewerke der 1990er-Jahre war.

In letzter Zeit engagiert sich Bergstedt auch gegen die Aussaat genetisch veränderter Gerste, die er für schädlich für die menschliche Nahrungskette hält. Einer seiner Hauptkritikpunkte ist jedoch auch, dass Gentechnik im kapitalistischen System alleine den Konzernen nütze. Anlässlich einer versuchten „Feldbefreiung“ in Gießen, bei der nicht unwesentliche Teile des Versuchsfeldes zerstört wurden, wurde er in Unterbindungsgewahrsam genommen.

Kommunikationsguerilla

Jörg Bergstedt gilt als ein Verfechter von Kommunikationsguerilla, die sich beispielsweise in veränderten Wahlplakaten, gefälschten „amtlichen“ Schreiben oder Aufklebern auf Produkten manifestiert. Auch die politische Aktionsform des Versteckten Theaters wird in Mittelhessen mit Bergstedt in Verbindung gebracht.

Bergstedt bedient sich dabei auch bisweilen schräger Methodik, so tritt er bei Happenings häufig mit einem Pappfernseher und Antennen auf dem Kopf im von ihm benannten „Mars TV“ auf. Diese komödiantischen Auftritte haben ihm aber auch den Kommentar des „Politclowns“ eingebracht.

Bei den Aktionen Bergstedts kommt es immer wieder zu größeren Polizeieinsätzen und Verhaftungen, um gegebenenfalls ausgesprochene Platzverweise durchzusetzen.

Gießener Prozesse

Zuletzt erlangte Bergstedt vor allem auf der lokaler Ebene in Gießen Bedeutung und wurde in einem Gerichtsverfahren im April 2005 zu acht Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Anklage lautete auf gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und mehrere Sachbeschädigungen. Zu der den Vorwurf der Körperverletzung begründenden Handlung kam es, als Bergstedt im Rahmen einer Spontandemonstration (Kommunikationsguerilla/verstecktes Theater unmittelbar vor einem CDU-Stand) am 11. Januar 2003 unter tumultartigen Umständen verhaftet wurde und sich nach Angaben beteiligter Polizisten gegen diese Verhaftung wehrte. Das Verfahren war umtritten, weil auch die Belastungszeugen widersprüchliche Aussagen zur Sache tätigten.

Ab dem 18. Mai 2006 sollte Bergstedt, nachdem auch die Revision des Verfahrens verworfen wurde, seine Haftstrafe in der JVA Gießen antreten. Am 14. Mai wurde er von der Gießener Polizei auf Grund des Verdachts verhaftet, er habe zuvor in Gießen Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien begangen. Im Anschluss an die Verhaftung wurde durch einen Haftrichter Unterbindungsgewahrsam angeordnet. Am 17. Mai wurde die Vollstreckung des Urteils, nach dem Bergstedt am 18. Mai die Haft anzutreten habe, jedoch bis mindestens 15. November 2006 durch die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Der Grund dafür ist eine Verfassungsbeschwerde, die Bergstedt auf Grund der Prozesse eingereicht hat und die nun zur Verhandlung ansteht.

Zur Zeit wird ein erneuter Prozess vor dem Gießener Gericht vorbereitet, bei dem es um den Vorwurf geht, dass Bergstedt einen Anschlag auf ebendieses Gericht verübt haben soll. Von Seiten Bergstedt und der Projektwerkstatt wird der Vorwurf der politischen Justiz erhoben, während Bergstedt der Vorwurf gemacht wird die Verfahren zu inszenieren, um Aufmerksamkeit für seine Inhalte zu erreichen.

Verhältnis zum Verfassungsschutz

Sowohl innerhalb einiger Gruppen der Umwelt-, als auch der linksextremen Szene ist Bergstedt umstritten, da ihn sein zeitweiliger Kontakt zum Verfassungsschutz zu einer „Persona non grata“ hat werden lassen. Die Kooperation mit Staatsorganen wird von ihnen generell ausgeschlossen (Anna und Arthur halten's Maul). Bergstedt selbst bezeichnet den Kontakt mittlerweile als politischen Fehler.

Kern der Auseinandersetzung ist die Frage nach dem generellen Umgang mit der Staatsgewalt. Bergstedt vertritt das Konzept der kreativen Antirepression, um sich verschieden Handlungsmöglichkeiten offen zu lassen, statt schematisch auf den Staat zu reagieren.

Verfassungsschutzbericht

In den Verfassungsschutzberichten des Landes Hessen aus den Jahren 2004 und 2005 wird die Projektwerkstatt der Bergstedt angehört im Zusammenhang mit den Prozessen im Rahmen des Berichts über anarchistische Gruppen erwähnt. Auch bei einer Pressekonferenz der Gießener Polizei im Jahr 2004 wurde auf sie im Zusammenhang mit der Steigerung politisch motivierter Straftaten hingewiesen.

Veröffentlichungen

  • 1990: Werkbuch Biotopschutz, Franckh-Kosmos (ISBN 344006056X)
  • 1993: Biotopschutz und Landschaftsplanung, Deutscher Gemeindeverlag (ISBN 3555009303)
  • 1998: Agenda, Expo, Sponsoring, Recherchen im Naturschutzfilz, Bd. 1, Daten, Fakten, historische und aktuelle Hintergründe, Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation (ISBN 3889396135)
  • 1999: Agenda, Expo, Sponsoring, Recherchen im Naturschutzfilz, Bd. 2, Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit, Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation (ISBN 3889394507)
  • 2002: Reich oder rechts?, Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation (ISBN 3889396526)
  • 2004: Mythos attac, Brandes und Apsel Verlag, Frankfurt am Main (ISBN 3860997963)
  • 2005: Nachhaltig, modern, staatstreu?, Iko-Verlag für Interkulturelle Kommunikation (ISBN 3889396666)