Zum Inhalt springen

Wilder Westen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. November 2006 um 23:45 Uhr durch Ulitz (Diskussion | Beiträge) (Darstellung in der Bildenden Kunst). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Karte der USA. Eingezeichnet sind die Indianerstämme (farblich hevorgehoben deren zusammenhängende kulturelle Großräume) im Gebiet der heutigen USA beim ersten Kontakt mit Einwanderern aus Europa

Wilder Westen ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für die ungefähr westlich des Mississippi gelegenen Landstriche der USA, die in der Pionierzeit des 19. Jahrhunderts (im engeren Sinn dessen zweiter Hälfte) noch nicht als Bundesstaaten in der Union aufgenommen waren.

Im Verlauf der voranschreitenden Landnahme und Urbanisierung nahm die Besiedlung dieser Regionen vor allem durch Angloamerikaner - bzw. aus Europa stammende Immigranten - kontinuierlich zu, bis die Gebiete etwa um 1890 vollkommen im kontinentalen US-Staatsgebiet aufgingen. Symbolisch stehen die Öffnung des Oklahoma-Territoriums für die Besiedlung durch Kolonisten im Jahr 1889 („Oklahoma Land Run“) und das Massaker der US-Armee an etwa 200 bis 300 Lakota-Indianern am Wounded Knee Creek/South Dakota im Dezember 1890 für das Ende der Zeit des Wilden Westens. Mit diesen Ereignissen galten die Indianerkriege ebenso als abgeschlossen wie die Kolonisation der bis dahin von den USA beanspruchten Hoheitsgebiete (engl. territories) durch nicht eingeborene Siedler.

Beginnend mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ist die Begrifflichkeit „Wilder Westen“ bis in die Gegenwart mit einer Verklärung im Sinn des „American Dream“ verbunden: Durchdrungen von patriarchalen Männlichkeitsvorstellungen über Freiheit, Recht des Stärkeren, Kampf um das Eigentum und ähnlichen Klischees kam es zu einer Mythologisierung und Trivialisierung der US-amerikanischen Pionierzeit, wobei die Grenzen zwischen historischen Fakten, Legendenbildung und frei erfundenen Geschichten oft verschwimmen.

Historische Merkmale des Wilden Westens

Datei:Lewisclarkrussell.jpg
Lewis and Clark on the Lower Columbia, Gemälde von Charles Marion Russell

Vorreiter der späteren Besiedlung durch vor allem aus Europa stammende Einwanderer waren Entdeckungsreisende wie Lewis und Clark, die zwischen 1804 und 1806 als erste einen durchgehenden Überlandweg durch den nordamerikanischen Kontinent zum Pazifik fanden, oder Jäger, Fallensteller und Pelzhändler wie z. B. Jedediah Smith, die in die von den Kolonisten noch unerschlossenen von verschiedenen Indianerstämmen bewohnten Gebiete jenseits der sogenannten frontier (Grenze zum Indianergebiet) vordrangen und in Handelsbeziehungen mit den Eingeborenen traten. Bedingt durch die Erfahrungen dieser Trapper im Hinblick auf Ortskenntnisse und einer relativen Vertrautheit mit Sprache und Kultur einzelner Indianerstämme führten einige von ihnen - unter anderen beispielsweise Jim Bridger - später als Scouts (Kundschafter bzw. Pfadfinder im eigentlichen Wortsinn) verschiedene Siedlertrecks (Planwagenkolonnen) nach Westen oder dienten der US-Armee während der Indianerkriege als Berater, Dolmetscher bei Verhandlungen, oder Fährtensucher.

Werbe-Plakat aus dem Jahr 1849 für Schiffspassagen nach Kalifornien zum Goldrausch

Der Wilde Westen war durch eine Aufbruchsstimmung gekennzeichnet, aus der heraus sich immer mehr Menschen aus dem zunehmend dichter besiedelten Osten der USA nach Westen aufmachten, darunter eine große Zahl von Immigranten vor allem aus Europa. Die Gründe für die Pioniere waren unterschiedlicher Natur. Für die meisten war eine Ansiedlung in den Staaten des Ostens unerschwinglich. Im Westen gab es weite Landstriche, in denen sich die Siedler billiges Land erhofften, um sich als Farmer oder Rancher niederzulassen. Wieder andere suchten den schnellen Reichtum in der Hoffnung, Edelmetalle wie Gold, Silber oder andere Bodenschätze (z. B. Erdölboom in Texas ab Ende des 19. Jahrhunderts) zu finden. Als 1848 in der Nähe von San Francisco Gold gefunden wurde, löste dies mit dem Kalifornischen Goldrausch den bis dahin größten Goldrausch in der Geschichte der USA aus, der die Trecks nach Westen deutlich anschwellen ließ. Die neue Religionsgemeinschaft der Mormonen ließ sich in Utah nieder, um ungestört nach ihrem Glauben leben zu können.

Datei:Massgrav.jpg
Indianer-Massengrab am Wounded Knee 1890

Die Eroberung des Westens der USA war zunächst stark geprägt durch die gewaltsame Zurückdrängung der eingeborenen Bevölkerung, der Indianer, und eine entsprechende Unterwerfungs- und teilweise Ausrottungspolitik ihnen gegenüber (vgl. Indianerkriege und Indianerpolitik der Vereinigten Staaten). Damit einhergehend und auch danach spielte die infrastrukturelle Erschließung des Landes eine wichtige Rolle (u. a. Post- und Transportwesen, in den 1860er Jahren geprägt durch die Postkutschenlinien der Wells Fargo Company und den Pony Express, nach dem transkontinentalen Eisenbahnbau und der Errichtung von Telegrafenleitungen zunehmend abgelöst durch schnellere, günstigere und sicherere Entwicklungen im Überlandverkehr und der Informationsübermittlung). Durch die Weite des Landes wurde vor allem in den fruchtbaren Ebenen des Mittleren Westens, der Prärie, neben dem Getreideanbau die breit angelegte Viehzucht in großen Landstrichen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mit ihm einhergehend erlangte der Beruf des Cowboys den Rang, der ihn zu einem zentralen Sinnbild des Wilden Westens werden ließ. Jedoch nahm auch die Bedeutung dieses Berufes ab den 1870er Jahren ab, nachdem - bedingt durch die Ausdehnung der Eisenbahnlinien und die Verbreitung des Stacheldrahtzauns - zum Einen die langen Viehtriebe zu den Fleischmärkten zurück gingen, zum Anderen das Zusammenhalten der Rinderherden durch die Möglichkeit effektiverer Einzäunung eine rapide Rationalisierung in der Viehhaltung und entsprechend einen sozialen Abstieg des Cowboyberufs zur Folge hatte. Die Arbeitslosigkeit vormaliger Cowboys zeichnete bei nicht wenigen von ihnen den Weg in die Gesetzlosigkeit vor, die sich in der relativen Verbreitung von Banditenbanden - vor allem in den 1870er und 1880er Jahren - ausdrückte.

Datei:TheCowBoy-1888.jpg
Cowboy, South Dakota, Foto um 1888

Insbesondere nach dem Ende des Sezessionskrieges zwischen den Nord- und Südstaaten (1861 - 1865) suchten auch viele durch den Krieg gescheiterte, teilweise verrohte Menschen einen neuen Anfang im Westen. Glücksritter und Abenteurer fanden in den relativ unerschlossenen Gebieten der USA oft einen gesetzlichen Freiraum vor, der es begünstigte, daß sich in manchen Landstrichen ein ausgeprägtes Banditenwesen entwickelte. Legendenumwobene Namen wie Frank und Jesse James, die sich durch Bank- und Eisenbahnüberfälle einen berühmt-berüchtigten Ruf erwarben, oder „Billy the Kid“ verweisen ebenso auf die weit verbreitete Gesetzlosigkeit im Wilden Westen, wie es die Namen ihrer Gegenspieler tun; die teilweise korrupten Gesetzeshüter – Sheriffs oder US Marshals –, die oft selbst als sogenannte Revolverhelden in der Grauzone zwischen Gesetz und Verbrechen agierten, so beispielsweise Pat Garrett, Wyatt Earp, „Wild Bill Hickok“ u. a.

Romantisierung

Skulptur eines Pferdezureiters von Frederic Remington

Schon ab dem späten 19. Jahrhundert wurde die Pionierzeit als „Wilder Westen“ verklärt und romantisiert, wobei der ehemalige Bisonjäger William Frederick Cody (bekannter als „Buffalo Bill“) mit seiner Wildwest-Show, die auch international auf Tournee ging, eine Vorreiterrolle spielte. Insbesondere in der Trivialliteratur als auch in der Filmindustrie, zunächst vor allem in den USA selbst, erlebte die Zeit des Wilden Westens einen Boom.

Darstellung in der Bildenden Kunst

Mit den US-amerikanischen Malern Charles M. Russell (*1864 - †1926) und Frederic Remington (*1861 - †1909) stellten die Vereinigten Staaten zwei (noch) zeitgenössische Künsler, die mit ihren am Realismus orientierten romantisch-verklärenden Gemälden die im wörtlichen Sinn bis heute vorherrschende bildliche Vorstellung des Wilden Westens prägten.

Film und (Trivial)Literatur

Eine Hochphase bekam der Western zumal als Filmgenre in den 1950er Jahren. Untergenres des Western waren beispielsweise der Kavalleriewestern, Indianerwestern oder in einem nicht immer mit dem Wilden Westen im Wortsinn zusammenhängenden „Bürgerkriegswestern“.

Schlusseinstellung von „The Great Train Robbery“ (dt. Der große Eisenbahnraub), des ersten Wildwestfilms der Filmgeschichte aus dem Jahr 1903

Beispiele für US-amerikanische Klassiker des Wildwestfilms (Western) sind:

Der aufwändige 6-teilige US-Fernseh-Spielfilm Into the West aus dem Jahr 2005, produziert neben anderen von Steven Spielberg, gedreht von verschiedenen Regisseuren, schildert vor dem Hintergrund einer fiktiven Familiengeschichte eines Angloamerikaners und seiner Ehefrau vom Volk der Lakota die Geschichte des Wilden Westens zwischen 1827 und 1890 mit dem Anspruch historischer Detailtreue. In der Form eines Epos werden dabei die wesentlichen historischen Eckpunkte des Wilden Westens unter besonderer Betonung der Konfrontation zwischen der Kultur der Prärieindianer und derjenigen der „weißen“ Kolonisten dargestellt. Mit einer Dauer von insgesamt mehr als acht Stunden ist dieser Mehrteiler die bis dahin umfassendste als Spielfilm dargestellte „Verfilmung des Wilden Westens“ unter einem Titel.

Auch in Europa gab es unterschiedliche Formen der fiktionalen Beschäftigung mit der US-amerikanischen Pionierzeit, etwa in der Form eines Teils der Abenteuerromane von Friedrich Gerstäcker bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts und von Karl May gegen Ende des 19. Jahrhunderts, später bis in die Gegenwart durch Heftromane, Comics und filmisch durch die sogenannten Eurowestern und Italowestern.

Beispiele:

Siehe auch