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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein deutsches Bundesgesetz, das es zum Ziel hat, ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Zu Verwirklichung dieses Ziels erhalten Angehörige der durch das Gesetz geschützten Personengruppen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese sich in einer gesetzlich verbotenen Weise gegenüber dem Geschützten verhalten.

Basisdaten
Titel: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Abkürzung: AGG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Zivil- und Arbeitsrecht
Fundstellennachweis: 402-40
Erlassen am: 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897)
Inkrafttreten am: 18. August 2006 (BGBl. I S. 1897, 1910)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Allgemein

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt in seinem dienst- und arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6–18) für Beamte, Richter und Beschäftigte des Bundes und der Länder sowie für Angestellte und Arbeiter der Privatwirtschaft (§ 24). Darüber hinaus gilt es auch für bestimmte Bereiche des privaten Vertragsrechts (§§ 19-21).

Schon bisher galt der in Artikel 3 Grundgesetz normierte Grundsatz der Gleichbehandlung, allerdings nur für das Handeln des Staates. Im Verhältnis der Bürger untereinander ist Artikel Grundgesetz, wie alle Normen des öffentlichen Rechts, grundsätzlich nicht anwendbar. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung schon bisher die Grundrechtsnormen im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.

Die Besonderheit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im zivilrechtlichen Teil liegt nun darin, dass es als Schutzgesetz in den Privatrechtsverkehr eingreift, und damit die Privatautonomie einschränkt. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der Grundrechtsschutz vorrangig staatliches Handeln erfasst, notwendig, um den objektiv-rechtlichen Gleichbehandlungsauftrag des Grundgesetzes auch für das Verhalten der Bürger untereinander umzusetzen.

Anwendungsbereiche

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nicht in allen gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen Anwendung und verbietet auch nicht grundsätzlich alle Diskriminierungen. Erstens verbietet es Diskriminierungen nur dann, wenn diese auf bestimmten, im Gesetz genannten Merkmalen beruhen. Zweitens sind Diskriminierungen nur dann ausdrücklich untersagt, wenn sie in bestimmten Situationen erfolgen.

Personenbezogene Merkmale

Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Rechtsfolgen bei Benachteilungen aus einem der folgenden personenbezogenen Merkmale:

„Rasse“

Zitat aus der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Begriff der „Rasse“:

Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (…). Die Mitgliedsstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil Rasse den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen – genutzt werden soll.
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikel 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs Rasse in der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags - die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt.

Sachlicher Anwendungsbereich

Sachlich bezieht sich das Gesetz auf

  • die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg
  • die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen
  • den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung sowie Umschulung und praktische Berufserfahrung
  • Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen und Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören
  • den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste
  • die sozialen Vergünstigungen
  • die Bildung
  • den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum

Formen der Benachteiligung

Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:

  • unmittelbare Benachteiligung: weniger günstige Behandlung einer Person als einer anderen in einer vergleichbaren Situation
  • mittelbare Benachteiligung: Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren
  • Belästigung: Verletzung der Würde der Person, insbesondere durch Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds
  • sexuelle Belästigung
  • die Anweisung zu einer dieser Verhaltensweisen

Rechtsfolgen von Benachteiligungen

Arbeitsrecht

Im Arbeitsverhältnis sind alle Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam (§ 7 Absatz 2). Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus § 134 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit der jeweils verletzten Norm aus dem AGG.

Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist (§ 5; §§ 8–10). So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird. Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei jedoch ausgeschlossen.

Eine unterschiedliche Behandlung, z. B. wegen des Geschlechts, ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist, z. B. Einstellung einer Balletttänzerin (vgl. § 8 Absatz 1). Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast (§ 22). Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt.

Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung sind ebenfalls nur ausnahmsweise zulässig (§ 9). So wird es z. B. keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn ein Moslem nicht als Leiter eines katholischen Kindergartens eingestellt wird. Dies entspricht auch der bereits bestehenden Rechtslage im Arbeitsrecht bei so genannten Tendenzbetrieben.

Altersbedingte Ungleichbehandlungen können gerechtfertigt werden, wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen, z. B. Mindestalter oder Höchstalter für eine Einstellung. Mindestalter für die Inanspruchnahme von Ansprüchen aus betrieblichen Alterssicherungssystemen (§ 10).

Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor, hat der Mitarbeiter ein Beschwerderecht (§ 13).

Der Arbeitgeber muss dann gegen die Beschäftigten, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen, z. B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung (§ 12 Absatz 3), bzw. bei einer Benachteiligung durch Dritte Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter (§ 12 Absatz 4).

Ergreift der Arbeitgeber nicht die geeigneten Maßnahmen, um die Ungleichbehandlung zu beseitigen, hat der Arbeitnehmer auch ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 14). Er darf also, ohne den Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren, die Arbeit einstellen, soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist.

Daneben hat der Mitarbeiter einen Schadensersatzanspruch (§ 15 Absatz 1), der sich auf Ersatz von Vermögensschäden richtet. Hier trifft den Arbeitgeber die Beweislast, dass auf seiner Seite kein Verschulden vorlag.

Der Mitarbeiter hat auch einen vom Verschulden des Arbeitgebers unabhängigen Entschädigungsanspruch (§ 15 Absatz 2), der bei Nichtvermögensschäden einen angemessenen Ausgleich in Geld für die erlittene Ungleichbehandlung vorsieht. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich u. a. nach der Art und Schwere der Interessensschädigung, dem Anlass und den Beweggründen des Arbeitgebers, der Dauer, dem Grad des Verschuldens des Arbeitgebers, sowie danach, ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Das Bundesarbeitsgericht spricht bei vergleichbaren Fällen einer Ungleichbehandlung (nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch – diese Vorschrift wurde allerdings mit Inkrafttreten des AGG aufgehoben) einen Entschädigungsanspruch von mindestens einem Monatsgehalt zu. Das AGG sieht für den Fall einer Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit einer Nichteinstellung einen Höchstbetrag von drei Monatsgehältern vor.

Für die Geltendmachung des Schadensersatz- und des Entschädigungsanspruchs gilt eine Frist von zwei Monaten (§ 15 Absatz 4). Zuständig sind die Arbeitsgerichte (§ 61b Arbeitsgerichtsgesetz).

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§ 7) besteht kein Anspruch auf Einstellung, Berufsausbildung oder beruflichen Aufstieg (§ 15 Absatz 6).

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen einer Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG benachteiligen (§ 16).

Soweit ein Betriebsrat besteht bzw. eine Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, haben diese bei groben Verstößen des Arbeitgebers ein eigenes Klagerecht, und zwar auch ohne Zustimmung des Betroffenen (§ 17 Absatz 2).

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Arbeitgeber und Personalverantwortliche haben sich künftig mit folgenden Fragen zu befassen:

  • Wer muss wie vor Diskriminierung geschützt werden (z. B. eigene freie Mitarbeiter)?
  • Wo entsteht mittelbare/unmittelbare, bewusste/unbewusste/billigend in Kauf genommene Diskriminierung?
  • Welches sind Belästigungs- oder Benachteiligungsmerkmale?
  • Wie werden Benachteiligungen gerechtfertigt?

Auf juristischer Seite zu beachten sind insbesondere die den Arbeitgebern neu entstehenden Pflichten, Haftungsrisiken und Entschädigungsansprüche: Diese Änderungen betreffen die Schutz-, Organisations- und Maßnahmenpflichten des Arbeitgebers, die Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, die Entschädigungsansprüche, auch einstweilige Verfügungsverfahren und nicht zuletzt das Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer.

Zu beachten sind die neuen Rechte des Betriebsrates (nicht allerdings des Personalrates), die notwendigen Neuregelungen für Stellenausschreibungen, Einstellungs- und Auswahlverfahren, Absagen, neue Maßstäbe auch für Arbeitsverträge, Kündigungen, Sozialauswahl, Arbeitszeugnisse. Die Neuregelungen betreffen Organisation, Zusammenarbeit, Mitarbeiterführung, Gehaltsfragen ebenso wie die Mitbestimmungsmodalitäten von Arbeitnehmer respektive die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat.

Versicherbarkeit

Die Versicherungsbranche, die durch einige Vorschriften des AGG gleichfalls betroffen ist, reagiert inzwischen durch das Angebot spezieller Policen (so genannter Liability Employment Practices). In Anlehnung an US-amerikanische Vorbilder sollen sich Arbeitgeber gegen das Risiko einer Inanspruchnahme durch Mitarbeiter und Bewerber wegen Verletzung des AGG – insbesondere bei Ansprüchen nach § 15 des Gesetzes – versichern können.

Zivilrecht

Auch im allgemeinen Zivilrechtsverkehr, d.h. bei der Begründung, Durchführung und Aufhebung von Verträgen, sind Diskriminierungen aus einem der im Gesetz genannten Merkmale grundsätzlich unzulässig (§§ 19–21). Das betrifft jedoch nur

  • den Abschluss von so genannten Massengeschäften (die ohne Ansehen der Person abgeschlossen werden)
  • und privatrechtliche Versicherungsverträge.

Darüber hinaus ist aus Gründen der „Rasse“ oder ethnischen Herkunft auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse jede Benachteiligung unzulässig (§ 19 Absatz 2).

Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote auf

  • familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse (§ 19 Absatz 4), sowie
  • Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird; dies gilt auch für das Mietrecht, und zwar insbesondere dann, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen auf demselben Grundstück wohnen (§ 19 Absatz 5). Die Vermietung von nicht mehr als 50 Wohnungen ist in der Regel kein Massengeschäft im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Liegt objektiv eine Benachteiligung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d. h. erlaubt und sanktionslos, sein. Gerechtfertigt sind Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z. B. zur Abwehr von Gefahren (§ 20).

Bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen ist eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts zulässig, wenn das Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der versicherungsmathematischen Risikobewertung ist. Das entsprechende Datenmaterial und die Berechnung müssen offengelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung dürfen nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen, sie müssen vielmehr zwingend geschlechtsneutral verteilt werden (§ 20 Absatz 2).

Bei einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung hat der Benachteiligte einen Beseitigungs-, Unterlassungs- und materiellen/immateriellen Schadensersatzanspruch, der jeweils innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden muss (§ 21).

Erlaubte Benachteiligungen

Liegt objektiv eine Benachteiligung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d. h. erlaubt und sanktionslos, sein. Gerechtfertigt sind Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z. B. zur Abwehr von Gefahren.

Bei Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung hat der Betroffene folgende Ansprüche:

  • Beseitigung der Benachteiligung
  • Unterlassung künftiger Benachteiligungen
  • Schadensersatz

Besonderheiten im Prozess

Beweislast

Die eine Diskriminierung geltend machende Partei hat im Streitfall zunächst Indizien – also Hilfstatsachen – zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der genannten Merkmale vermuten lassen. Die Gegenseite trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Damit ist die Beweislast zu Gunsten desjenigen, der sich auf die Rechte aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beruft, erleichtert. Die Beweislast wird jedoch nicht umgekehrt.

Klagefrist

Der Anspruch auf Schadensersatz muss binnen zwei Monaten nach Ablehnung der Bewerbung bzw. nach Kenntnis von der Benachteiligungshandlung schriftlich geltend gemacht werden, § 15 Abs. 4 AGG. Wird eine Klage erforderlich, so ist eine weitere Frist von drei Monaten ab schriftlicher Geltendmachung zu beachten, § 61 b Abs. 1 ArbGG.

Europarechtlicher Hintergrund

Die Regelungsbereiche der EG-Antidiskriminierungsrichtlinien

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient der Umsetzung von vier Europäischen Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004, nämlich um die

  • Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22) – so genannte Antirassismus-Richtlinie
  • Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) – so genannte Rahmenrichtlinie Beschäftigung
  • Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15) – so genannte Gender-Richtlinie
  • Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom 21/12/2004 S. 37–43)

Einige Rechtsexperten vertreten die Auffassung, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Vorgaben der vier EG-Richtlinien nur ungenügend umsetzt und daher in einigen Punkten europarechtswidrig ist.

Entstehung des Gesetzes

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht im Kern zurück auf den Entwurf des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes (ADG), der in der 15. Legislaturperiode bereits erarbeitet und beraten wurde, aber infolge Diskontinuität keine Gesetzeskraft erlangte.

Nach den vorgezogenen Bundestagsneuwahlen brachte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Dezember den ADG-Entwurf erneut in den Bundestag ein. Dieser Entwurf wurde im Bundestag beraten, fand aber keine parlamentarische Mehrheit.

Anfang Mai 2006 einigten sich SPD, CDU und CSU auf einen neuen Gesetzesentwurf. Dieser Regierungsentwurf erhielt die Bezeichnung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, war aber inhaltlich in großen Teilen mit dem Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes von 2005 identisch.

Wichtige inhaltliche Änderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes sind folgende:

Besonders umstritten ist die Ausklammerung des arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechts in § 2 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies dürfte der Umsetzung der EG-Richtlinie zuwiderlaufen und einen Verstoß gegen die Richtlinien darstellen.

Das Gesetz ist mit den Stimmen der CDU, SPD und der Grünen beschlossen worden. Abgelehnt wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von der FDP und der Linkspartei mit jeweils gegensätzlicher Begründung.

Das Gesetz in der politischen Auseinandersetzung

Gegner des Gesetzes

Das Gesetzesvorhaben unterlag von Anfang an scharfer rechtspolitischer Kritik seitens der Wirtschaftsverbände sowie seitens der FDP, insbesondere zu folgenden Punkten:

  • Einschränkung der Privatautonomie für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, da sie – anders als private Verbraucher – ihre Kunden gleich behandeln müssen
  • Schaffung eines bürokratischen Aufwandes, da durch die Beweislastumkehr jeder Anbieter von Gütern Beweise vorrätig halten muss, das er gerade nicht diskriminiert hat
  • schwierige Abgrenzungsfragen zwischen erlaubter und verbotener Ungleichbehandlung
  • vermutete Mehrbelastung der Justiz mit einer Vielzahl von Prozessen
  • Auferlegung des staatlichen Gleichbehandlungsgebots auf alle Privaten und damit eine Reduktion marktwirtschaftlicher, nämlich auch irrationaler, Freiheit
  • einseitige Bevorzugung gewisser „Minderheiten“ unter Ausblendung von Kindern und Familie

Andererseits gibt es die Kritik, dass – im Vergleich beispielsweise zum Grundgesetz und zur EU-Grundrechtecharta – wesentliche Bereiche der Diskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht behandelt werden, so vor allem Diskriminierung auf Grund sozialer Herkunft. Dies führe zu einer Antidiskriminierungshierarchie und es bestehe die Gefahr, dass Benachteiligung auf Grund sozialer Herkunft per Definition nicht als Diskriminierung wahrgenommen wird. Eine Einbeziehung der sozialen Herkunft in den Antidiskriminierungsrichtlinien lag bereits vor, fiel aber während der Einigung zu den Amsterdamer Verträgen unter den Tisch.

Weiterhin befürchten einige Kritiker, dass die Situation von Angehörigen einer Minderheit durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verschlechtert werden könnte. So könnten beispielsweise zukünftig Arbeitgeber davon absehen, Angehörige von Minderheiten zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, um falschen oder irrtümlichen Diskriminierungsvorwürfen aus dem Weg zu gehen.

Allerdings baut das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz keinen bestehenden Schutz ab. Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der sozialen Diskriminierung liegt in Deutschland nicht vor, wird aber auf europäischer Ebene diskutiert.

Laut einer im März 2005 veröffentlichten Allensbachumfrage lehnte die Mehrheit der Bevölkerung das damals diskutierte Antidiskriminierungsgesetz am Beispiel einer Klage gegen einen Wohnungsvermieter ab.

Nach einer Umfrage des BDS halten 89 Prozent des Mittelstands das Gesetz für „schlecht“.

Befürworter des Gesetzes

Befürworter kommen vornehmlich aus dem Bereich der Behinderten- und Frauenverbände, dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), dem DGB, der Linkspartei, den Grünen und den Sozialdemokraten.

Sie weisen darauf hin, dass die Beweislasterleichterung seit 25 Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch bestehe. Des Weiteren sei es unsinnig, wenn Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten werde, nicht aber aufgrund der Behinderung, sexueller Identität oder anderer vom Gesetzgeber in das AGG aufgenommenen Kriterien. Sie fordern stattdessen gleichen Schutz für alle.

Sie verweisen darauf, dass es um eine Einbeziehung aller Kriterien von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages geht. Diese Kriterien sind für das Arbeitsrecht auch verbindlich von der EU vorgeschrieben.

Insbesondere wird mit dem moralischen Anspruch argumentiert, der als Grundgedanke hinter dem Gesetzesvorhaben steht. Dieser Anspruch beruft sich auf den Grundgedanken der christlichen Nächstenliebe, der zu den Fundamenten der deutschen Gesellschaft gehöre.

Literatur

  • Gerlind Wisskirchen: AGG. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Datakontext. 2. Auflage 2006, ISBN 3895774588.
  • Müthlein, Jaspers: AGG – Rechtssichere Personalprozesse und -datenverarbeitung. Leitfaden für Personal- und Datenschutzverantwortliche. Datakontext. 1. Auflage 2006, ISBN 3895774650.
  • Henning Wüst: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Rieder Verlag für Recht und Kommunikation. 1. Auflage 2006, ISBN 3939018031.
  • Dagmar Schiek (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Ein Kommentar aus europäischer Perspektive. 1. Auflage 2006, ISBN 3935808704. (noch nicht erschienen)

Gesetzes- und Richtlinientexte, Gesetzgebungsverfahren