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Arbeitnehmerdatenschutz

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Arbeitnehmerdatenschutz ist der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung von Personen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer.

Grundsätzliches

Der Arbeitnehmerdatenschutz berücksichtigt die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf den Datenschutz des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich zwar rechtlich als gleichwertige Partner gegenüber, der Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer aber wirtschaftlich und strukturell überlegen. Der Arbeitgeber bestimmt nämlich die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsvertrags und legt die Arbeitsbedingungen fest. Er ordnet an, wann, wo und wie der Arbeitnehmer tätig werden muss. Der Arbeitnehmer kann sich diesen Vorgaben in der Regel nicht entziehen. Auf Grund dieser Dominanz des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer als besonders schutzbedürftig angesehen.

Besonders deutlich wird die Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf den Datenschutz: Das Recht des Arbeitnehmers, selbst darüber zu bestimmen, ob und welche seiner persönlichen Daten er anderen anvertraut, trifft auf das Weisungsrecht des wirtschaftlich überlegenen Arbeitgebers. Selbstbestimmung und Fremdbestimmung kollidieren miteinander. Der Arbeitnehmerdatenschutz versucht einen Ausgleich zwischen diesen unterschiedlichen Interessen zu finden.

Letztendlich geht es um die Frage, welche Eingriffe des Arbeitgebers in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zulässig sind.

Regelungen

Gesetze

Trotz seiner großen praktischen und rechtlichen Bedeutung ist der Arbeitnehmerdatenschutz in Deutschland gesetzlich nicht explizit geregelt. Es existiert kein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Daher gilt für den Datenschutz im Arbeitsverhältnis das Bundesdatenschutzgesetz. Daneben sind je nach Einzelfall häufig auch spezielle Regelungen zu beachten, beispielsweise im Teledienstedatenschutzgesetz und im Betriebsverfassungsgesetz.

Es ist nicht zu erwarten, dass der Arbeitnehmerdatenschutz in absehbarer Zeit in einem eigenen Gesetz geregelt wird. Zwar wird ein solches Gesetz seit mehr als 20 Jahren von Datenschützern und Gewerkschaften gefordert. Insbesondere der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands, der DGB und die Gewerkschaft ver.di haben sich wiederholt für den Erlass eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes ausgesprochen.

Die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat sowohl 1998 und als auch 2002 in ihren Koalitionsverträgen auch den Erlass eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes angekündigt. Es ist jedoch bei diesen politischen Absichtserklärungen geblieben.

Die Untätigkeit der rot-grünen Bundesregierung war möglicherweise auf Widerstände von Arbeitgeberseite zurückzuführen. So wendet sich u. a. die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gegen gesetzgeberische Initiativen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes. Zusätzliche Gesetze seien nicht erforderlich, sondern führten nur zu einer unnötigen Bürokratisierung und Überregulierung im Arbeitsrecht. Diese Auffassung teilt die Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel:

„Das Datenschutzrecht bedarf vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen der Überprüfung und an verschiedenen Stellen der Überarbeitung und Fortentwicklung. Bei dieser Aufgabe werden wir auch prüfen, ob im Hinblick auf den Abbau überflüssiger Bürokratie Änderungen vorgenommen werden können.“

Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005, S. 109

Datenschützer sehen in dieser Ankündigung das Startsignal für einen allgemeinen Abbau des Datenschutzes unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung.

Zumindest kann ausgeschlossen werden, dass der Arbeitnehmersdatenschutz innerhalb der laufenden Legislaturperiode kodifiziert wird.

Betriebsvereinbarungen

In größeren Unternehmen werden datenschutzrechtlich relevante Sachverhalte häufig auch in Betriebsvereinbarungen geregelt. Eine Betriebsvereinbarung kann Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer rechtfertigen. Zugleich schreibt sie aber auch die Grenzen fest, die der Arbeitgeber nicht überschreiten darf. Typische Fälle sind Betriebsvereinbarungen, die die Nutzung von E-Mail- und Internetdiensten im Betrieb regeln und festschreiben, wann und wie der Arbeitgeber die Einhaltung dieser Nutzungsregeln kontrollieren darf.

Richterrecht

Da die Gesetze den Datenschutz im Arbeitsverhältnis nur sehr lückenhaft regeln und nicht alle Details durch Betriebsvereinbarungen geklärt sind, werden viele Fragen von den Arbeitsgerichten entschieden. Zu nennen sind beispielsweise die Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz und zum Mithören von dienstlichen Telefongesprächen. Mittlerweile hat dieses so genannte Richterrecht für den Arbeitnehmerdatenschutz größere Bedeutung als die gesetzlichen Regelungen.

Einzelfälle

Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Eine Videoüberwachung durch den Arbeitgeber stellt wegen des mit ihr verbundenen Überwachungsdrucks einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer dar. Deshalb ist sie nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Anerkannte Gründe für eine zulässige Videoüberwachung sind ein besonderes Sicherheitsbedürfnis (z. B. Videoüberwachung des Schalterraums einer Bank) sowie das Interesse des Arbeitgebers daran, von Arbeitnehmern begangene Straftaten (Diebstähle, Unterschlagungen, Sachbeschädigungen) aufzuklären. Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmer auf die Videoüberwachung hinweisen. Die Videoüberwachung unterliegt zudem der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2003 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass auch eine heimliche Videoüberwachung im Einzelfall zulässig sein kann. Voraussetzung sei, dass „der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist“. Lägen diese Voraussetzungen vor, komme es nicht mehr darauf an, ob der Betriebsrat der Videoüberwachung vorab zugestimmt habe (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. März 2003, Aktenzeichen 2 AZR 51/02 [1]).

Eine Videoüberwachung, mit der der Arbeitgeber ganz allgemein kontrollieren will, ob die Arbeitnehmer sich ordnungsgemäß verhalten und die gewünschte Leistung erbringen, ist in jedem Fall unzulässig. Die betroffenen Arbeitnehmer können sich einer derartigen Überwachung durch Arbeitsverweigerung entziehen.

PC-Überwachung

Regelungen in Bezug auf die Überwachung der PC-Tätigkeiten von Arbeitnehmern finden sich unter Anderem in der Bildschirmarbeitsverordnung und im Betriebsverfassungsgesetz. Gemäß Ziffer 22 des Anhangs zur Bildschirmarbeitsverordnung darf „[o]hne Wissen der Benutzer […] keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden“. Damit ist dem Arbeitgeber ein heimlicher Einsatz von Überwachungssoftware und -hardware wie beispielsweise Keyloggern verboten. Vorlage:Zitat de § Absatz 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes bestimmt darüber hinaus, dass „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.

Entwicklung

In einem am 17. Februar 2005 getroffenen Beschluss bedauerte der Deutsche Bundestag, dass „eine gesetzliche Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes trotz mehrfacher Aufforderungen und entsprechender Zusagen der Bundesregierung noch immer nicht erfolgt ist.“ Der Bundestag hält ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz insbesondere im Hinblick auf die elektronische Kommunikation (Internet, E-Mail) und die damit einhergehenden Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers für erforderlich. Außerdem fordert er eine „umfassende gesetzliche Regelung genetischer Untersuchung […] im Arbeitsleben“ durch ein Gendiagnostikgesetz.

Literatur

  • Frank Bayreuther: Videoüberwachung am Arbeitsplatz. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 18/2005, S. 1038–1044.
  • Peter Gola, Georg Wronka: Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz – Rechtsfragen und Handlungshilfen für die betriebliche Praxis. 3. Auflage. Datakontext-Verlag, Frechen 2004, ISBN 3-89577-223-2
  • Peter Gola: Datenschutz und Multimedia am Arbeitsplatz. Datakontext-Verlag, Frechen 2006, ISBN 3-89577-360-3.
  • Wolfgang Däubler: Gläserne Belegschaften? Datenschutz in Betrieb und Dienststelle. 4. Auflage. Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-7663-3387-9