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Walter Hallstein

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Walter Hallstein (* 17. November 1901 in Mainz; † 29. März 1982 in Stuttgart) war deutscher konservativer Politiker und Jurist.

Leben

Kindheit, Jugend und Kriegsjahre

In Mainz als Sohn eines protestantischen Regierungsbaurats geboren, besuchte Hallstein ein humanistisches Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn, München und Berlin. 1925 wurde er an der Universität Berlin zunächst Assistent von Martin Wolf und im gleichen Jahr mit einer juristischen Dissertation über den "Lebensversicherungsvertrag im Versailler Vertrag" promoviert. 1927 arbeitete er als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. 1929 folgten die Habilitation mit einer Arbeit über das Aktienrecht und die Tätigkeit als Privatdozent an der Berliner Universität. Von 1930 bis 1941 war Hallstein ordentlicher Professor für Privat- und Gesellschaftsrecht an der Universität Rostock. 1941 war er Professor für Rechtsvergleichung an der Universität Frankfurt. Dort behandelte Hallstein die Gebiete der Rechtsvergleichung, des Gesellschafts- und des internationalen Wirtschaftsrechts. 1942 wurde er als Reserveoffizier von der Wehrmacht eingezogen und in der Artillerie in Nordfrankreich eingesetzt. 1944 kam er schließlich in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, wo er im Kriegsgefangenlager Camp Como im US-Bundesstaat Mississippi an der Einrichtung einer "Lageruniversität" zur Weiterbildung mitwirkte.

Bereits im November 1945 kehrte er aus der Gefangenschaft zurück und setzte sich unverzüglich für die Wiedereröffnung der Frankfurter Universität ein. Hallstein wurde nicht nur am 1. Februar 1946 Dozent an der wiedereröffneten Hochschule, sondern im April 1946 auch deren erster freigewählter Nachkriegsrektor. Dieses Amt hatte er bis 1948 inne. Zudem war Hallstein Vorsitzender der Süddeutschen Rektorenkonferenz und Leiter des Gründungsausschusses der Hochschule für Politik in Frankfurt am Main. Einen Tag vor seinem Amtsantritt an der Frankfurter Universität lehnte er das Angebot Ludwig Erhards ab, einen leitenden Posten im bayerischen Wirtschaftsministerium zu übernehmen.

1948 erhielt Hallstein den Ruf auf eine Gastprofessur an der Georgetown-University in Washington D.C. (USA).

Der bundesdeutsche Politiker

Mit seiner Rückkehr nach Deutschland begann Hallstein sich intensiv für die Einbindung Deutschlands in internationale Organisationen und die westliche Staatengemeinschaft einzusetzen. Im Januar 1950 gründete er in Bad Soden eine Organisation, die gezielt auf die Aufnahme Deutschlands in die Unesco hinarbeitete. Am 4. Juni des gleichen Jahres wurde in Paris erstmals über den deutschen Unesco-Beitritt verhandelt. Bei der kontroversen Debatte, in der die Ostblock-Abgeordneten den Saal verließen, war Hallstein der Anführer der deutschen Delegation. Wenige Wochen später wurde Hallstein von Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Leiter der deutschen Delegation bei der Pariser Konferenz für die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) berufen. Vor allem das Wirtschaftsministerium kritisierte diese Entscheidung, da man Hallstein als Jurist nicht für kompetent für die wirtschaftspolitischen Verhandlungen hielt. Hallstein wurde dennoch zum engen Vertrauten Adenauers und gestaltete dessen Außenpolitik wesentlich mit. Am 28. August 1950 ernannte Adenauer Hallstein zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Hallstein war der einzige Inhaber dieser Funktion, obwohl ursprünglich zwei Staatssekretäre im Kanzleramt geplant gewesen waren.

Ende 1950 begannen Diskussionen über das im September von den Westmächten genehmigte deutsche Außenministerium. In dieser Zeit versuchte die FDP Hallstein zum Parteibeitritt zu bewegen, vermutlich mit dem Ziel, ihn dann zum Außenminister zu machen. Der Staatssekretär lehnte eine politische Bindung aber ab. Schließlich wurde er 1951 unter Adenauer, der selbst das Amt des Außenministers übernommen hatte, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Das Amt hatte er bis 1958 inne. Wegen seiner zahlreichen Aufgaben als Staatssekretär und Leiter von verschiedenen Verhandlungsdelegationen (neben der Vorbereitung der EGKS auch die der EVG und der Wiedergutmachung mit Israel) wurde Hallstein in dieser Zeit mehrfach kritisiert, weil er diese vielfältigen Aufgaben alleine nicht zufriedenstellend bewältigen könne. Am 19. Oktober 1954 nahm Hallstein mit Bundeskanzler Adenauer (CDU) an der ersten deutsch-französischen Konferenz in Paris teil. Die Hallstein-Doktrin, die die Strategie der bundesdeutschen Außenpolitik in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren bestimmte, wurde zwar ab 1954 maßgeblich von Hallstein erarbeitet, aber 1955 von Wilhelm Grewe, dem Leiter der politischen Abteilung im Außenministerium, formuliert. Hallstein selbst nahm 1955 an der Konferenz von Messina teil, die wichtige Weichen für die wirtschaftliche Intergration der europäischen Länder stellte. Den Ende 1957 in Kraft getretenen EWG-Vertrag, der die Ergebnisse der Konferenz festschrieb, entwarf Hallstein maßgeblich mit. In Bonn begann sein Einfluss zu schwinden, vor allem auf Betreiben des neuen Außenministers Heinrich von Brentano di Tremezzo. Brentano gelang es allerdings nicht, Hallstein auf den Posten des Botschafters in den USA "abzuschieben".

Der Europapolitiker

Vielmehr wurde Hallstein 1958 Kommissionspräsident der EWG. Noch im gleichen Jahr wurde er vor allem von britischer und skandinavischer Seite scharf kritisiert, weil er zu den entschiedensten Gegnern der letztlich gescheiterten Pläne für eine europäische Freihandelszone mit vielen Mitgliedern zählte und im Gegensatz dazu auf eine wirtschaftlich und politisch stark integrierte, dafür aber kleine Gruppe europäischer Staaten setzte. Ende 1959 veröffentlichte er den Hallstein-Plan, der einen stärkeren gemeinsamen Markt der EWG-Länder bei gleichzeitiger Liberalisierung des Außenhandels vorsah. In den folgenden Jahren kam es zu Verhandlungen über diese Projekt, das Anfang 1962 nach zähen Diskussionen vor allem über die Agrarpolitik umgesetzt wurde.

1967 wurde Hallstein von Charles de Gaulle zum Rücktritt gedrängt. Er war dann von 1968 bis 1974 Vorsitzender der Internationalen Europäischen Bewegung. Von 1969 bis 1972 war Hallstein Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU).

Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Stuttgart.

Nachleben

Alljährlich verleihen die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, die Stadt Frankfurt am Main und die Dresdner Bank AG den Walter-Hallstein-Preis an eine Persönlichkeit, die sich in besonderer Weise um die Europäische Integration verdient gemacht hat.

Veröffentlichungen

  • Der unvollendete Bundesstaat. Europäische Erfahrungen und Erkenntnisse. Düsseldorf - Wien, Econ 1969.
  • Die europäische Gemeinschaft. Düsseldorf - Wien, Econ 1973. ISBN 3-4301-3898-1
  • Europäische Reden. Stuttgart, DVA 1979. ISBN 3-4210-1894-4