Gleitzahl
Die Gleitzahl ist ein Wert, der sich aus dem Gleitwinkel eines Luftfahrzeuges im stationären Gleitflug ergibt. In anschaulicherer Form wird sie auch als Gleitverhältnis dargestellt. Daraus lässt sich die horizontale Entfernung errechnen, die das Flugzeug in stiller Luft bei einem gegebenen Höhenverlust zurücklegt.
Speziell im Segelflug dient die maximale Gleitzahl eines Flugzeugs, zusammen mit dem geringsten Sinken und den jeweiligen Geschwindigkeiten, zum Vermitteln der Leistung eines Typs.
Definition
Im stationären Gleitflug, also einem antriebslosen Geradeausflug mit konstanter Geschwindigkeit und damit auch konstanter Sinkrate, bewegt sich ein Flugzeug auf einer geraden Linie abwärts, der um den Gleitwinkel unter der Horizontalen liegt. Die Gleitzahl ist der Kehrwert des Tangens dieses Winkels.
Zur Anschaulichkeit wird die Gleitzahl in der Praxis meist als Quotient in der Form 1:Gleitzahl angegeben, dann genannt Gleitverhältnis.
Unter vielen Segelfliegern hat es sich eingebürgert, das Gleitverhältnis unkorrekt als Gleitzahl zu bezeichnen.
Anschaulich kann die Gleitzahl so definiert werden: Sie gibt an, wie viel Meter ein Flugzeug in waagerechter Richtung gleitet während es einen Meter Höhe verliert.
Beispiele
Bei einem Gleitwinkel von etwa 2,86° beträgt das Gleitverhältnis 0,05 oder anders dargestellt 1:20 (die „Gleitzahl“ lautet damit 1/(1/20) = 20). Einem Gleitverhältnis von 1:50 (Gleitzahl 50) entsprechen 0,02 und ein Gleitwinkel von etwa 1,15°.
Mit einem Gleitverhältnis von 1:20 legt ein Flugzeug unter Verlust von 1000 m Höhe eine Entfernung von 20 km zurück, mit 1:50 entsprechend 50 km.
Maximale Gleitzahl
Ein Flugzeug hat keine konstante Gleitzahl, sie hängt von der Geschwindigkeit und der Böigkeit der Umgebungsluft ab, sowie der Steuerkunst des Piloten. Fliegt ein Pilot sein Segelflugzeug im nicht geschobenen Flugzustand, so kann er sehr nah an die theoretische Gleitzahl gelangen. Unsauberes (schiebendes) Fliegen vermindert die Gleitzahl (vergrößert den Quotienten des Gleitverhältnis´). Nicht wahr ist die intuitive Annahme, dass die Gleitzahl vom Gewicht des Flugzeuges beeinflusst würde – im Zustand besten Gleitens steigt mit zunehmendem Gewicht aber die Fluggeschwindigkeit.
Generell gilt beim Gleiten, dass die Energie zur Überwindung des Luftwiderstands mangels Motor allein aus dem Höhenverlust kommt - der Vortrieb stellt eine Komponente der Gewichtskraft dar. Ferner lässt sich die Geschwindigkeit nur über die Anstellwinkel der Flügel regulieren. Wie man an den Polaren eines Flügelprofils ablesen kann, ändert sich das Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand bei verschiedenen Anstellwinkeln.
Zum Erreichen einer maximalen Gleitzahl ist es nicht von Vorteil, beim besten Auftrieb (der Geschwindigkeit des geringsten oder besten Sinkens) anzusetzen, da dort der Widerstand ebenfalls groß ist. Es muss also auf einer gegebenen Entfernung mehr Höhe aufgegeben werden, um die Geschwindigkeit zu halten.
Ebensowenig von Vorteil ist der Ansatz beim geringsten Widerstand, da dort der Auftrieb auch niedrig ist. Die maximale Gleitzahl liegt dazwischen und lässt sich aus einem Diagramm der Leistungspolaren ablesen. Diese Geschwindigkeit des besten Gleitens ist ein Kompromiss aus möglichst hohem Auftrieb bei gleichzeitig möglichst niedrigem Widerstand.
Erhöht man die Masse des Flugzeugs, kann aus dem gleichen Höhenverlust mehr Energie gewonnen werden (bzw. es ist weniger Höhenverlust zum Halten einer bestimmten Geschwindigkeit nötig). Dabei verschieben sich die Leistungspolare und das beste Gleiten wird bei einer höheren Geschwindigkeit erreicht.
Moderne Segelflugzeuge erreichen heute ein maximales Gleitverhältnis von 1:65 bei einer Geschwindigkeit von 100-110 km/h. Zum Vergleich ein Verkehrsflugzeug (z.B. Airbus A340) bringt es auf ein Gleitverhältnis von etwa 1:16 bei einer Geschwindigkeit von circa 390 km/h.
Gleitzahlen in der Segelflug-Praxis
Im Segelflug werden oft weite Strecken geflogen, wobei aus Gründen der Flugsicherheit nur tagsüber geflogen werden darf und die Strecke damit auch durch die Durchschnittsgeschwindigkeit begrenzt wird. Deshalb ist nicht nur die Geschwindigkeit des geringsten Sinkens von Bedeutung, die einen schnellen Höhengewinn in Aufwinden sicherstellt, sondern eben auch die Geschwindigkeit des besten Gleitens von Interesse.
Ein höheres maximales Gleitverhältnis erlaubt es, eine längere Gleitflugstrecke bis zur nächsten Aufwindzone zurückzulegen. Dies führt zu höherer Durchschnittsgeschwindigkeit.
Auch können viele Leistungssegelflugzeuge - für Tage mit besonders guter Thermik - mit Wasserballast beladen werden. Hierdurch lässt sich das beste Gleiten eines Segelflugzeugs zu höheren Geschwindigkeiten verschieben, was bedeutet, dass man mit der gleichen Gleitleistung eine Strecke schneller zurücklegen kann. Allerdings verschlechtern sich durch das zusätzliche Gewicht die Steigleistungen beim Kreisen in der Thermik geringfügig. Von Vorteil sind hier Segelflugzeuge mit Wölbklappen, bei denen für das Kreisen in der Thermik - durch positive Klappenstellung - ein „Langsamflug-Profil“ mit hohem Auftriebsbeiwert gewählt werden kann. Bei schwächer werdender Thermik wird der Wasserballast im Fluge abgelassen. Das beste Gleitverhältnis eines Segelflugzeuges ändert sich durch den Wasserballast nicht.
Um einen steilen Landeanflug zu ermöglichen, sollte das Gleitverhältnis so gering wie möglich sein. Dies wird im Landeanflug durch ausfahrbare Landehilfen erreicht, die den aerodynamischen Widerstand des Flugzeuges erhöhen und gleichzeitig einen Teil des Auftriebs vernichten. Damit wird eine bedeutend höhere Sinkrate bei Normalfahrt erreicht. Weit verbreitet sind die Störklappen (Schempp-Hirth-Klappen, siehe Abbildung zum Segelflug), die etwa in der Mitte des Tragflügelprofils senkrecht in den Luftstrom ausgefahren werden, und das Gleitverhältnis von 40 und mehr zum Anflug auf 5 bis 10 verringern können. Ergänzend ist - vor allem bei älteren Holzflugzeugen - das Flugmanöver Seitengleitflug (Slip) wirkungsvoll, bei dem das Flugzeug durch Kreuzen der Ruder in Schräglage gebracht und der Rumpf quer zur Flugrichtung gedreht wird.