Zum Inhalt springen

Wurzelkanalbehandlung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. November 2006 um 23:43 Uhr durch 84.137.101.203 (Diskussion) (Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Teeth molar47 46resection crown premolar45.jpg
Zahn 46 nach einer Wurzelbehandlung, Wurzelspitzenresektion und Stiftaufbau mit Krone. Aufgrund anhaltender Symptome erfolgte bei diesem Zahn schließlich die Extraktion.

Eine Wurzelkanalbehandlung ist eine diffizile Zahnbehandlung in der Endodontie mit dem Ziel, einen Zahn zu erhalten, wenn dessen Mark irreversibel geschädigt ist (entzündet oder abgestorben).

Medizinischer Hintergrund

Die Ursachen für die Entzündung des Zahnmarks (Pulpitis) sind vielfältig. Meist beginnt es mit einem kariösen Defekt, der als Eintrittspforte für Krankheitserreger dient und nicht unbedingt Schmerzen verursacht. Aber auch eine Zahnfraktur oder ein Behandlungstrauma, zum Beispiel durch das Beschleifen für eine Zahnkrone, kann zu einer Pulpitis führen. Eine akute Pulpitis kann äußerst schmerzhaft sein. In vielen Fällen verläuft diese Entzündung der Pulpa auch fast schmerzfrei, das Zahnmark stirbt dann ab und die Keime breiten sich im System der Wurzelkanäle aus. Der Körper kann außerhalb des Zahnes mit einer Entzündung des Zahnhalteapparates (Parodontitis apicalis) reagieren. Diese stellt eine Abwehrreaktion des Immunsystems dar. Eine Parodontitis apicalis kann in einer akuten oder einer chronischen Form vorliegen. Die akute Form ist oft mit Schmerzen verbunden, sie kann unter Umständen röntgenologisch nur schwer verifiziert werden, während eine chronische Parodontitis apicalis bei einer Auflösung der Knochenstruktur im Bereich der Wurzelspitze im Röntgenbild gut sichtbar sein kann.

Schritte der Wurzelkanalbehandlung
Zahn eröffnet, Pulpa soll entfernt werden
Pulpa exstirpiert
Drei Kanäle aufbereitet und ausgefomt
Oft haben obere Molaren allerdings vier Kanäle
Alle vier Kanäle abgefüllt
Deckfüllung

Eine Wurzelbehandlung wird im Regelfall bei zwei verschiedenen Ausgangssituationen durchgeführt:

  • Der Zahn ist noch am Leben (vital) und der Nerv ist irreversibel geschädigt: Es wird eine Vitalexstirpation durchgeführt. Nach einer Betäubung wird der Zahn mit einem Spanngummi (Kofferdam) gegenüber den Keimen der Mundhöhle isoliert, damit das Zahnmark steril (keimfrei) behandelt werden kann. Die Pulpa wird entfernt und das System der Wurzelkanäle gereinigt (aufbereitet) und anschließend verschlossen.
  • Der Zahn ist bereits tot (devital) und Keime sind eingedrungen: Auch hier wird der Zahn mit einem Spanngummi isoliert, da auch hier das Ziel der Behandlung in der Entfernung der Keime aus dem Zahninneren besteht. Nach der Eröffnung des Zahnes wird das System der Wurzelkanäle gereinigt und gefüllt.

Reinigung

Nach einer Längenbestimmung des Wurzelkanals bzw. der -kanäle (anhand eines Röntgeneinzelbilds in Verbindung mit speziellen Messnadeln oder auf elektrischem Weg (Endometrie)) werden die Kanäle mit Handfeilen und/oder maschinell angetriebenen rotierenden Instrumenten konisch erweitert ("aufbereitet"). Durch Spülungen mit diversen Lösungen (NaOCl, EDTA, CHX), wird Debris aus den Kanälen entfernt, die Schmierschicht beseitigt und Mikroorganismen bekämpft. Auf diese Weise können auch Kanalverzweigungen bzw. infizierte Dentinbereiche desinfiziert werden, die einer instrumentellen Aufbereitung nicht zugänglich sind. Auf Endodontie spezialisierte Zahnärzte verwenden bei der Wurzelbehandlung ein Operationsmikroskop. Dieses Gerät erleichtert mit seiner zusätzlichen Lichtquelle mit koaxialem Licht und der Vergrößerung das Auffinden und Darstellen der Kanaleingänge.

Ausformung

Die eingesetzten Wurzelkanalinstrumente dienen daher neben dem Dentinabtrag (im Sinne der Reinigung) vorrangig zur Formgebung der Wurzelkanalhohlräume. Die Instrumente schaffen durch die Bearbeitung der Wurzelkanalwände Platz um die Effizienz der eingesetzten Spüllösungen zu verbessern und um ein definiertes Profil zum vorhersehbaren Verschluss zu präparieren.

Füllung

Nach der Reinigung und Ausformung der Wurzelkanäle werden die Hohlräume gefüllt. Dies erfolgt heute überwiegend mit Guttapercha und einem Dichtzement (Sealer). Die Wurzelfüllung sollte möglichst viel Guttapercha und möglichst wenig Sealer enthalten, weil die Guttapercha das biokompatiblere und stabilere Material darstellt. Einige Füllmethoden sind erheblich aufwändiger, weil bei diesen die gereinigten Hohlräume mit erwärmter und plastisch verformbarer Guttapercha verschlossen werden (z.B. vertikale Kondensation). Aus verschiedenen Gründen können zwischen zwei Behandlungssitzungen medikamentöse Einlagen in die Wurzelkanäle eingebracht werden (meist Calciumhydroxid). In diesen Fällen werden die Wurzelkanäle erst in einer weiteren Behandlungssitzung endgültig verschlossen.

Komplikationen bei Wurzelkanalbehandlungen können verursacht werden durch:

  • unzugängliche Kanalabschnitte (Verlegung des Kanallumens durch Dentikel, starke Krümmung der Wurzel, Verzweigungen),
  • abgebrochene Instrumente,
  • besonders hartnäckige Mikroorganismen wie z.B. Enterococcus faecalis oder Candida albicans, die bis zu 0,4 mm tief in Dentintubuli eindringen und als Monoinfektion überleben können,
  • eine zusätzliche parodontale Schädigung des Zahnes,
  • Via falsa ("falscher Weg") - iatrogene (vom Arzt verursachte) Perforation der Wurzel
  • Frakturen der Wurzel

In solchen Fällen ist eventuell eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung indiziert. Alternativ kann eine Revision der Wurzelbehandlung angebracht sein, der im Regelfall der Vorzug vor einer Wurzelspitzenresektion gegeben werden sollte. Hierzu die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde:

"Ein Verzicht auf eine orthograde Revision und die Entscheidung für einen rein apikalchirurgischen Eingriff ist nur dann sinnvoll, wenn auf orthogradem Wege ein ausreichender Zugang in das endodontische System oder eine Verbesserung des Zustandes auf orthogradem Wege nicht möglich/wahrscheinlich erscheint."

Ungeachtet des aktuellen Stands der Wissenschaft sind im deutschsprachigen Raum Revisionen einer Wurzelbehandlung nach wie vor selten, während sich die Wurzelspitzenresektion weiterhin großer Beliebtheit erfreut. Dies hängt auch mit der geringen Zahl endodontisch bewanderter Zahnärzte zusammen, die die relativ schwierig durchzuführende Behandlung bewerkstelligen können. In Ländern wie den USA gibt es im Gegensatz dazu in vielen Orten Fachzahnärzte für Endodontie. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland Zahnärzte, die diese Zusatzausbildung absolviert haben.

Krankenversicherungsrechtliche Aspekte

In der Bundesrepublik Deutschland wurden zum 1. Januar 2004 die Kassenrichtlinien bezüglich der Wurzelkanalbehandlung erheblich verschärft. Eine Wurzelkanalbehandlung kann demnach nur noch zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen vom Zahnarzt erbracht werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

Die Aufbereitung und Füllung der Wurzelkanäle sollte ad apicem (bis an die Wurzelspitze) erfolgen. Die Wurzelkanalbehandlung an Molaren ist nur dann im Rahmen der Kassenzahnärztlichen Versorgung möglich, wenn dadurch

  • der Erhalt einer ununterbrochenen Zahnreihe ermöglicht wird
  • eine einseitige Freiendsituation vermieden wird
  • der Erhalt eines bereits bestehenden, funktionstüchtigen Zahnersatzes ermöglicht wird

Wird keines dieser Kriterien erfüllt, so besteht die Kassenleistung in der Extraktion (Ziehen) des Zahnes. Wünscht der gesetzlich versicherte Patient dennoch einen Erhaltungsversuch des Zahnes durch eine Wurzelkanalbehandlung, so muss er die Kosten dafür selbst tragen.

Commons: Category:Root canal – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien