Kugelfischartige
Haftkiefer | ||||||||||||
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Vorlage:Taxonomy | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Tetraodontiformes | ||||||||||||
Die Haftkiefer (Tetraodontiformes) (gr. tetra = vier, gr. odontes = Zähne, lat. forma = Gestalt), auch Kugelfischähnliche oder Kugelfischverwandte genannt, sind eine Ordnung der Klasse der Knochenfische. Der deutsche Name Haftkiefer weist auf ein Merkmal hin, das allen Arten gemeinsam ist, die Knochen des Zwischenkiefer und die Kieferknochen sind verschmolzen.
Merkmale
Fast alle Haftkiefer haben einen gedrungen, hohen, rautenförmigen, rundlichen oder eckigen, steifen Körper. Ihre Wirbelzahl ist mit höchsten 30 die geringste von allen Fischen, die Kofferfische der Gattung Ostracion haben lediglich 14 Wirbel. Die Rücken- und die Afterflosse stehen symetrisch gegenüber, weit hinten vor der Schwanzflosse. Bei den Mondfischen ist sie nur im Larvenstadium vorhanden und wird bei abgeschlossener Metamorphose durch einen Flossensaum am stumpf endenden Körper ersetzt. Die Bauchflossen und dann auch die Beckenknochen fehlen bei den Kugelfischen, den Igelfischen, den Kofferfischen und den Mondfischen. Bei den Hornfischen, Dreistachlern, Drückerfischen und Feilenfischen sind sie zu einer Flossenstachel umgewandelt, die den Angehörigen der beiden letzten Familien dazu dienen sich, zusammen mit dem Drückermechanismus aus den ersten drei harten Strahlen der Rückenflosse, in Verstecken zu verkeilen. Die immer relativ kleinen runden oder schlitzförmigen Kiemenöffnungen liegt direkt am Brustflossenansatz. Das Maul ist kein und mit zwei bis vier kräftigen, papageischnabelartigen Zähnen besetzt. Der Körper ist schuppenlos oder die Schuppen sind zu großen Platten oder zu Stacheln umgewandelt. Alle Haftkiefer, bis auf die Mondfische, haben eine Schwimmblase. Das Skelett der pelagischen Mondfische ist deshalb um Gewicht zu sparen verknorpelt. Viele Arten, besonders die in Korallenriffen lebenden Arten haben eine sehr bunte, auffallende Zeichnung.
Zur Verteidigung, aber auch zum Imponieren und Drohen, vergrößern manche Arten ihren Körper durch Anschwellen mit Wasser. Bei den Igelfischen werden dabei die scharfen Stacheln aufrecht fixiert. Die Drückerfische, Feilenfische, Dreistachler und Spitzkopfkugelfische vergrößern ihren Körper durch Ausdehnung eines Hautlappen am Bauch.
Kugelfische, Igelfische, Mondfische und Kofferfische werden zusätzlich durch das Nervengift Tetrodotoxin in ihrer Haut und ihren inneren Organen geschützt, das sie für Beutegreifer ungeniesbar macht. Kofferfische werden zusätzlich durch Pahutoxin geschützt, das sie bei Gefahr aktiv ausstossen können.
Haftkiefer können durch Zähneknirschen oder durch Vibrieren der Schwimmblase mit Hilfe spezieller Muskeln Töne erzeugen.
Der kleinste Vertreter mit zwei Zentimeter gehört zu den Feilenfischen; "Rudarius minutus". Mit einer Länge von 3,30 Metern und einem maximalen Gewicht von 2,3 Tonnen ist der Mondfisch (Mola mola) nicht nur größte Haftkiefer, sondern der größte Knochenfisch überhaupt.
Verbreitung
Von den etwa 500 Arten bewohnen die meisten die Küsten tropischer Meere meist an Korallenriffen. Einige Arten dringen auch in gemäßigte Breiten vor. Die Mondfische, die Dreistachler sowie einige Drückerfische und Kugelfische leben auch pelagisch im offenen Ozean. Unter den Kugelfischen gibt es Arten, die auch in den Flußmündungen im Brackwasser leben, sowie im tropischen Südamerika, Afrika, Indien und Südostasien reine Süßwasserformen.
Verhalten
Haftkiefer sind meistens Einzelgänger und oft sehr agressiv gegenüber Artgenossen. Einige Drückerfische und Feilenfische leben paarweise. Spitzkopfkugelfische schließen sich oft zeitweise zu Schwärmen von bis zu hundert Tieren zusammen.
Fortpflanzung
Die meisten Haftkiefer sind Freilaicher, die ihre Eier und Spermien bei der Paarung einfach in das offene Wasser oder in Wasserpflanzen ausstoßen. Einige Kugelfische laichen wie Riffbarsche auf vorher gesäuberte Steine (Substratlaicher). Viele Drückerfischarten graben riesige Gruben in den Bodengrund, in denen sie laichen. Die Jungen werden nach dem Schlupf noch einige Zeit, bis der Dottersack aufgezehrt ist, von den Eltern bewacht.
Ernährung
Haftkiefer ernähren sich von einer Vielzahl wirbelloser Tier. Kugelfische, Kofferfische und Drückerfische fressen meist hartschalige bodenbewohnende Tiere wie Krebse, Seeigel, Schnecken und Muscheln. Einige Drückerfische jagen hauptsächlich Zooplankton. Arten, wie die Palettenstachler, die sich ausschließlich von den Polypen der Steinkorallen-Gattung Acropora ernähren, sind Nahrungsspezialisten. Spitzkopfkugelfische nehmen auch viel pflanzliche Nahrung zu sich. Die im offenen Ozean lebenden Mondfische ernähren sich von gallertartigen größeren planktonischen Organismen wie Quallen und Salpen.
Systematik
Die Haftkiefer gehören zu den Echte Knochenfischen (Teleostei) und zu den Stachelflossern (Acanthopterygii). Sie gelten als monophyletisch. Da ihre Larven den Larven der Doktorfischartigen (Acanthuroidei) ähneln, nimmt man an das diese die Schwestergruppe der Haftkiefer sind. Bei konsequenten Anwendung einer Phylognetischen Systematik müssten sie also zu den Barschartigen (Perciformes) gerechnet werden. Sie werden jedoch wegen ihrer von den Barschartigen stark abweichenden Anatomie in der klassischen Systematik als selbständige Ordnung klassifiziert. Die Barschartigen werden dadurch paraphyletisch.
Die wahrscheinlichen Verwandschaftsverhältnisse innerhalb der Haftkiefer zeigt folgendes Kladogramm.
Haftkiefer (Tetraodontiformes) ├─Triacanthoidei │ ├─Hornfische (Triacanthodidae) │ └─Dreistachler (Triacanthidae) └─Tetraodontoidei ├─Drückerfischartige (Balistoidea) │ ├─Drückerfische (Balistidae) │ ├─Feilenfische (Monacanthidae) │ └─Kofferfische (Ostraciidae) │ ├─Aracaninae │ └─Ostraciinae └─Kugelfischartige (Tetraodontoidea) ├─Dreizahn-Kugelfische (Triodonthidae) ├─Mondfische (Molidae) ├─Kugelfische (Tetraodontidae) │ ├─Spitzkopfkugelfische (Canthigasterinae) │ └─Rundkopfkugelfische (Tetraodontinae) └─Igelfische (Diodontidae)
Fossilbefund
Der älteste bekannte Haftkiefer ist Plectocretacicus clarae aus der oberen Kreide des Libanon. Er ähnelt schon den heutigen Kofferfischen. Aus dem unteren Oligozän des Nordkaukasus stammt Oligobalistes robustus, ein Drückerfisch. Die wichtigste Fundstätte ist die norditalienische Monte Bolca-Formation, die im Eozän aus Ablagerungen des Tethysmeeres entstand. Sie ermöglichte die Beschreibung zahlreicher Arten fossiler Haftkiefer darunter Spinacanthus imperialis aus der Stammlinie der Drückerfischartigen (Balistoidea), den Dreistachler Protacanthodes ombonii, die Kofferfische Eolactoria sorbinii aus der Unterfamilie Ostraciidae und Proaracana dubia aus der Unterfamilie Aracaninae, Eoplectus bloti und Zignoichthys oblongus aus der Stammlinie der Kugelfischartigen (Tetraodontoidea), den Kugelfisch Tetraodon pygmaeus und den Igelfisch Diodon tenuispinus. Die Gattungen Aluteres, Monacanthus, zu der auch heute lebende Feilenfische gehören, sind aus dem Pliozän von Fiume Marecchia in Nordost-Italien überliefert.
Haftkiefer und der Mensch
Fischerei
Wegen der Giftigkeit werden die meisten Arten der Haftkiefer nicht befischt. Lediglich einige größere Arten der Drückerfische und die als Fugu bezeichneten größeren Kugelfische werden gefangen. In japanischen Restaurants, die eine spezielle Lizenz besitzen müssen, wird Fugu als Delikatesse serviert. Bei den Drückerfische besteht immer die Gefahr einer Ciguatera-Vergiftung, da sie als Erdverbraucher der Nahrungskette Gifte mit ihrer Nahrung aufnehmen.
Aquarienhaltung
Die kleineren Arten der im Süß- und Brackwasser lebenden Kugelfische werden im Aquaristikfachhandel hin und wieder als Zierfische verkauft. Sie können in geeigneten, mit Hölzern und Steinen gegliederten Aquarien durchaus gehalten werden, gelten jedoch teilweise als aggressiv gegenüber Artgenossen und anderen Fischen, weshalb die Haltung im Artenbecken vorzuziehen ist. Kugelfische werden auch als Prophylaxe gegen Schneckenplagen empfohlen. Auch die Zucht einiger Arten ist inzwischen gelungen.
In der Meerwasseraquaristik werden Kugel-, Drücker-, Koffer- und Feilenfische meist nur in reinen Fischaquarien gehalten, da sie oft eine Vielzahl von wirbellosen Tieren fressen. Spitzkopfkugelfische und einige kleine Feilenfischarten sind aber sogar in Korallenriffaquarien haltbar. Übergriffe auf Stein- und Weichkorallen kommen nur vor, wenn die Tiere zu wenig oder falsch gefüttert werden.
Große und bunte Kugel- und Drückerfische sind beeindruckende Bewohner großer, öffentlicher Schauaquarien. In einigen riesigen Aquarien in Japan (Osaka) und den USA (Atlanta) werden den Besuchern inzwischen sogar Mondfische präsentiert.
Literatur
- Kurt Fiedler, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische, Gustav Fischer Verlag, Jena, 1991, ISBN 3-334-00339-6
- Kuiter / Debelius: Atlas der Meeresfische, Kosmos-Verlag, 2006, ISBN 3-440-09562-1
- Baensch/Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas Band 6 Non-Perciformes (Nicht-Barschartige), Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-116-X
- Autorenkollektiv: Urania Tierreich, Fische, Lurche, Kriechtiere, Urania-Verlag, 1991, ISBN 3-332-00491-3
- K. A. Frickinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-018-X