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Herschel Grynszpan

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Herschel Feibel Grynszpan (* 28. März 1921 in Hannover, Todesdatum unbekannt) war ein in Deutschland aufgewachsener Jude polnischer Staatsangehörigkeit, der vermutlich als Opfer der Shoa starb. Er verübte am 7. November 1938 in Paris ein tödliches Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath, das dem nationalsozialistischen Regime als Vorwand für die Novemberpogrome 1938 diente.

Leben

Grynszpan wurde 1921 in Hannover als Sohn polnisch-jüdischer Eltern geboren. Er besaß die polnische Staatsangehörigkeit. Der Vater Sendel Grynszpan war Schneider und verheiratet mit Ryfka Grynszpan, geb. Silberberg. Die Familie war 1911 aus Russisch-Polen nach Hannover umgesiedelt. Nachdem Herschel Grynszpan ohne Abschluss aus der Volksschule entlassen wurde, studierte er an einer Frankfurter Jeschiwa (Talmudhochschule). Nach dem Schulabbruch reiste er 1936 über Brüssel illegal nach Paris, wo er sich seit September 1936 bei seinem Onkel aufhielt.

Grynszpans Versuche, seinen Aufenthalt in Frankreich zu legalisieren, schlugen in den nächsten Jahren fehl. Seine späteren Bemühungen, zu seiner Familie nach Hannover zurückzukehren, scheiterten am Widerspruch des hannoverschen Polizeipräsidenten. Im August 1938 wurde er zum Verlassen Frankreichs aufgefordert, blieb aber in Paris und versteckte sich. Ende Oktober 1938 erfuhr er, dass seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester von den Nazis nach Polen deportiert worden waren. Da Polen sie nicht aufnehmen wollte, mussten sie sich mit tausenden anderen an der Grenze niederlassen.

Grynszpan kaufte sich am 7. November 1938 einen Revolver und suchte die deutsche Botschaft in Paris auf. Dort schoss er auf den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath. Grynszpan traf ihn drei mal in den Bauch, von Rath verstarb zwei Tage später an seinen Verletzungen.

Nach seiner Verhaftung durch die französische Polizei wurde Grynszpan, da er erst siebzehn Jahre alt war, in die Jugendstrafanstalt Fresné gebracht. Als die Pariser Gefängnisse evakuiert wurden, wurde Grynszpan nach Bourges gebracht. Dort war er auch noch inhaftiert, als Frankreich im Juni 1940 von den Deutschen besetzt wurde. Am 18. Juli 1940 wurde Grynszpan ausgeliefert und nach Deutschland gebracht. Joseph Goebbels Intention war, einen Schauprozess zu inszenieren, in dem er die "jüdische Verschwörung" beweisen wollte. Auf Befehl Hitlers wird der Prozess aufgeschoben und Grynszpan blieb im KZ Sachsenhausen inhaftiert.

Grynszpans Verbleiben ist ungeklärt. Für die Gerüchte, dass er den Zweiten Weltkrieg überlebt haben soll und 1957 unter anderem Namen in Paris gelebt hat, gibt es keinerlei Beweise. 1960 wurde er von der westdeutschen Regierung für tot erklärt. Seine Eltern, die in Deutschland geblieben waren, überlebten den Holocaust. Sie wurden nach Polen deportiert, von wo aus sie später in die Sowjetunion flüchten konnten.

Folgen des Attentats

Grynszpans Attentat wurde in Deutschland auf Geheiß von Joseph Goebbels in allen Zeitungen als Aufmacher positioniert. Es wurde von den Nazis als propagandistischer Anlass für die Novemberpogrome 1938 genutzt, bei denen SA- und SS-Angehörige Synagogen anzündeten, anderes jüdisches Eigentum zerstörten und Juden misshandelten oder ermordeten.

Erklärungsversuche

Es gibt diverse Theorien über die Gründe Grynszpans für dieses Attentat.

Die einfachste Erklärung ist, dass er einfach aus Empörung über das Schicksal seiner Familie beim Betreten der Botschaft den ersten Deutschen, den er sah, erschoss.

Eine andere Erklärung ist, dass er vom Rath mit dem Botschafter Johannes Graf Welczek verwechselte.

Eine andere, umstrittene Theorie besagt, dass Grynszpan von Rath kannte und ihn mit Vorsatz erschoss. Der Forscher Professor Hans-Jürgen Döscher behauptet, beide hätten eine homosexuelle Beziehung gehabt. Da vom Rath seinen Einfluss in der Botschaft nicht wie angeblich versprochen für eine Legalisierung des Aufenthaltes Grynszpans in Paris nutzte, erschoss dieser ihn.

In dem Buch Herschel Feibel Grynszpan (erschienen im Psychosozial-Verlag, Gießen 2005) rekonstruiert der Autor Andreas Friedrich Bareiß anhand teils unveröffentlichter Dokumente die Hintergründe des Attentats von Paris 1938 auf den NS-Diplomaten Ernst Eduard vom Rath. Herschel Grynszpan hatte sich demnach in Paris für den deutschen Diplomaten prostituiert, der seinerseits versprach sich für Herschels Eltern, die in Hannover lebten, einzusetzen. Nachdem die Eltern dennoch deportiert worden waren, beschloss Herschel, sich zu rächen und erschoss Ernst Eduard vom Rath in der deutschen Botschaft in Paris. Die Homosexualität des Diplomaten vom Rath sei den Obersten in Berlin bereits bekannt gewesen. Der Schauprozess gegen Grynszpan, den Goebbels führen wollte, wurde durch Hitler verhindert, da dieser befürchte, dass Grynszpan vor Gericht die Homosexualität des Diplomaten und die Prostitution zum Thema machen würde. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die Hintergründe des Attentats von Paris keinesfalls politischer Natur gewesen seien, sondern dass der damals siebzehnjährige Herschel Feibel Grynszpan aus persönlichen Motiven auf den Ernst Eduard vom Rath schoss.

Literatur

  • Lutz van Dijk: Der Attentäter. Herschel Grynszpan und die Vorgänge um die „Kristallnacht“. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1988, ISBN 3499205270
  • Andreas Friedrich Bareiss: Herschel Feibel Grynszpan. Der Attentäter und die "Reichskristallnacht" Haland&Wirth, Gießen 2005. ISBN 3898069303

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