Józef Piłsudski
Józef Klemens Piłsudski war ein polnischer Marschall und bedeutender Staatsmann in der Zeit zwischen den Weltkriegen.
Geboren wurde Piłsudski am 5. Dezember 1867 in Zułów (lit. Zalavas) bei Wilna (lit. Vilnius, poln. Wilno), das damals zum Russischen Reich gehörte. Pilsudski war Sohn polnischer Kleinadliger, seine römisch-katholische Taufe fand in Pabrade (polnisch Podbrodzie) statt. Er starb am 12. Mai 1935 in Warschau.
Schon früh setzte sich Piłsudski für die polnische Unabhängigkeit ein, etwa während des Medizinstudiums in Charkow. Daraufhin wurde er nach Sibirien verbannt.
Seit 1893 war er führendes Mitglied der Polnischen Sozialistischen Partei innerhalb des russischen Reichs. Die Anhänger Piłsudskis konnten sich einzig im österreichisch regierten Teil Polens (Galizien, Teile Schlesiens) ungehindert organisieren. Entsprechend stellte sich Piłsudski im 1. Weltkrieg im Interesse einer polnischen Eigenstaatlichkeit zunächst auf die Seite des Habsburgerreichs (siehe Geschichte Polens).
Als die Mittelmächte, den polnischen Willen zur Unabhängigkeit nicht respektierten und auf Zeit spielten, und durch seine Ablehnung gegenüber dem österreichischen Kaiser ein Treueeid abzugeben, kam es zum Bruch und zur Internierung Piłsudskis in Magdeburg durch die deutschen Behörden (seit 1917). 1918, nach der wiedererlangten vollständigen Unabhängigkeit Polens, wurde Piłsudski "Staatschef" (bis 1922). Er verfolgte das Ziel der Wiederherstellung der polnischen Grenzen aus der Zeit vor den polnischen Teilungen, also über die Grenzen des polnischen Siedlungsgebiets hinaus. Durch diese Politik kam es zunächst zu kriegerischen Konflikten mit Sowjetrussland und in der Folge auch zu Streitigkeiten mit Litauen wegen des von beiden Seiten begehrten Gebiets von Wilna, in dem die Polen damals noch die Mehrheit der Bevölkerung bildeten.
Nach anfänglichen Erfolgen, im Bündnis mit dem ukrainischen Präsidenten Semen Petljura musste die von ihm befehligte Armee starke Verluste hinnehmen. Die Sowjettruppen wurden erst vor Warschau aufgehalten und durch ein waghalsiges Zangenmanöver gelang der polnischen Armee unter Piłsudskis Kommando der Durchbruch und eine nahezu vollständige Vernichtung der sowjetischen Einheiten ("Wunder an der Weichsel"). Am 18. März 1921 unterzeichnete Polen den Friedensvertrag von Riga, in dem die Ostgrenze so definiert wurde, dass auch eine Reihe von Gebieten, die nicht von Polen bewohnt waren, Teil des polnischen Staates wurden (trotzdem blieb eine größere Zahl von Polen außerhalb des neuen Staats). Auch gegenüber Litauen setzte sich Piłsudskis Politik durch: Obwohl Polen im Vertrag von Suwałki (7. Oktober 1920) auf den größten Teil des strittigen Gebiets von Wilna mit seiner polnischen Bevölkerungsmehrheit verzichtet hatte, "befreiten" schon am 9. Oktober polnische Truppen in einem Handstreich die Stadt. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung den Anschluss an Polen am 20. Februar 1922 gebilligt hatte, wurde er am 20. April 1922 endgültig vollzogen.
1923 bildete Premierminister Wincenty Witos eine neue Regierung. Marschall Piłsudski, der nicht mit den Mitgliedern der neuen Regierung einverstanden war, legte alle Ämter nieder und zog sich aus der Politik - in sein Landhaus in Sulejówek bei Warschau - zurück.
Die nächsten Jahre waren von politischen und wirtschaftlichen Krisen geprägt. Nach Ablehnung von Staatspräsident Stanisław Wojciechowski einer Regierungsbildung mit Aleksander Skrzyński als Premierminister, entschlossen sich die Anhänger Piłsudskis im Militär zu einem Staatsstreich, der im Mai 1926 stattfand. Piłsudski wurde erneut vom polnischen Sejm zum Staatsoberhaupt gewählt, verzichtete aber auf die weitere Präsidentschaft (Präsident wurde sein Kandidat Ignacy Mościcki). In der Folge beherrschte Piłsudski das Land in wechselnden Funktionen, u.a. als Verteidigungsminister.
In seiner späten Lebenszeit bemühte er sich um eine Sicherung der polnischen Staatsgrenzen und eine Stabilisierung des Landes nach innen ("Sanacja"). Die politische Opposition konnte zwar an Wahlen teilnehmen, wurde aber mit teils polizeistaatlichen Mitteln bekämpft (Nationaldemokaten, Bauernpartei/ Inhaftierung Wincenty Witos'). Die ukrainischen und weissrussischen Minderheiten wurden mit teilweise brutalen Mitteln bekämpft. Antisemitismus spielte hingegen in der Politik Pilsudskis keine Rolle.
Im Jahr 1932 wurde der polnisch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet und am 26. Januar 1934 der deutsch-polnische Nichtangriffspakt, der Polen von beiden Seiten absichern sollte. Gleichzeitig wurden Beziehungen mit Frankreich und England weiter vertieft, die später im Zweiten Weltkrieg zu Alliierten Polens wurden.
Der Privatmann Piłsudski war von großer materieller Bescheidenheit geprägt. Verheiratet war er in erster Ehe mit Maria Juszkiewiczówna. Da diese geschieden war, trat er vor der Eheschliessung (in Paprocie bei Lomza) zur evangelisch-lutherischen Kirche über. Während des ersten Weltkrieges kehrte er zur katholischen Kirche zurück. Mit seiner Gefährtin Aleksandra geb. Szczerbińska hatte er zwei Töchter, Wanda und Jadwiga; er heiratete sie aber erst nach dem Tod der ersten Ehefrau.