Zum Inhalt springen

Amateurfotografie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 7. November 2006 um 22:19 Uhr durch Manuel Wesser (Diskussion | Beiträge) (Bedeutung in Inhalte umbenannt und überarbeitet). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Definition

Die Amateurfotografie ist ein Sammelbegriff für die Erstellung von Fotos weder für die Ausübung des Berufes noch für das bestreiten des Lebensunterhaltes. Wer diese Art der Fotografie betreibt wird als Amateurfotograf bezeichnet, im Gegensatz zum so genannten professionellen bzw. Berufsfotografen. Dabei enthält der Begriff allerdings keinerlei qualitative Wertung. Auch wenn Berufsfotografen oftmals eine Ausbildung genossen haben, gibt es viele Amateurfotografen welche zu gleichwertigen Ergebnissen kommen und auch sehr ähnlich arbeiten.

Inhalte

"Vielleicht ist die wahre, totale Photographie [...] ein Haufen von Bruchstücken privater Bilder, vor dem zerknitterten Hintergrund der Zerstörungen und der Krönungen" (Italo Calvino, 1957).

Soziologische Studien in der Tradition von Pierre Bourdieu unterstellen der Amateurfotografie den Zweck, den Zusammenhalt der Familie zu gewährleisten und zu fördern; Autoren wie Susan Sontag übernehmen diese Sichtweise weitgehend unreflektiert, der Fotohistoriker Timm Starl widerspricht ihr jedoch vehement.

Eine besondere Bedeutung haben Amateurfotografien ohne künstlerischen Charakter für die Historiographie und die Soziologie, da sie gerade das dokumentieren, was künstlerische und massen mediale Bilder nur gefiltert wiedergeben: das mehr oder minder authentische private und kulturelle Umfeld der Amateurfotografen und die Sichtweise, die der Fotografierende von sich und seinem Umfeld zeigen will.

Brisant sind auch häufig die Amateurfotografien von Soldaten, die an propagandistischer Filterung vorbei fotografiert wurden, worauf das Militär inzwischen teilweise mit einem Fotografie- und Film-Verbot reagiert.

Generell findet man im Bereich der Amateurfotografie alles an Fotomotiven, was mit der jeweils verwendeten Ausrüstung fotografierbar ist. Hierunter auch zahlreiche Motive, die wegen ihrer Seltenheit (oder auch weil Berufsfotografen hierfür nicht engagiert werden) nicht von Berufsfotografen aufgenommen werden.

Geschichte und Entwicklung

Die Amateurfotografie entstand parallel zur Entwicklung der Fotografie um 1840; der Gegenpol zur Amateurfotografie – die Berufsfotografie – differenzierte sich parallel dazu ebenfalls ab 1840 aus: Beide Verwendungsformen entwickeln sich bereits in den ersten Jahren der Fotografie, und viele namhafte frühe Fotografen waren Fotoamateure, also Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht mit der Fotografie bestritten.

Beschleunigt wurde die Ausdifferenzierung der Amateurfotografie vor allem durch drei Faktoren, welche die fotografische Praxis vereinfachten:

  1. Mit der Entwicklung der Handkameras ab den 1870er Jahren wurden Fotoapparate mobil und konnten situationsbezogen vergleichsweise spontan eingesetzt werden; ein typisches Beispiel ist C. P. Stirn's patentirte photographische Geheim-Camera von 1886, die 30 Mark kostete und ein Plattenmagagzin für sechs Momentfotografien enthielt.
  2. Mit der Entwicklung lichtstarker Objektive wie beispielsweise Voigtländers Euryscop von 1878 und Steinheils Antiplanet von 1881 konnten die Belichtungszeiten verkürzt werden, das Fotografieren von Momentaufnahmen wurde möglich.
  3. Mit der Erfindung von Maddox' Gelatine-Trockenplatte 1871 wurde die Verarbeitung fotografischer Platten vereinfacht; Platten konnten erstmals industriell gefertigt, so beispielsweise in Johann Sachs' Glaserei für fotografische Glasplatten in Berlin, und über einige Monate gelagert werden; auch das Mitführen eines Dunkelkammerzeltes, wie es das Kollodium-Nassverfahren noch erzwang, wurde überflüssig, da ab den frühen 1880er Jahren Wechsel- oder Doppelcassetten sowie Plattenmagazine verfügbar wurden, die eine Tageslichtwechselung ermöglichten.

Eine verbreitete Kamerabauform im ausgehenden 19. Jahrhundert war der so genannte Schülerapparat, eine einfache Kamera mit preiswerter Landschaftslinse, die jedoch als Aufnahmematerial – wie auch die zeitgenössischen Geheimkameras – noch Glasplatten verwendeten. Aus dem Jahr 1881 stammt das erste deutschsprachige Handbuch für Amateurfotografen von Haugk und Wilde (Ausführliche Anleitung, die Photographie mit der neuen, äußerst empfindlichen und haltbaren Gelatine-Emulsions-Platten, ohne eingehende Fachstudien leicht und sicher zu erlernen. Für Touristen [...] und Alle, welche die Photographie [...] zum Vergnügen betreiben wollen).

Die Amateurfotografie im engeren Sinne beginnt um 1888 mit der Etablierung der ersten industriell gefertigten und massenhaft verbreiteten Handkameras wie der Kodak No. 1. Ab diesem Zeitpunkt waren Fotografie durch den Rollfilm, kompakte Fotoapparate und eine komfortable Verarbeitung hinreichend einfach und mobil geworden, um weitere Kundenschichten zu erschließen. Eastman setzte seinen Rollfilm als Massenprodukt gegen den Widerstand des Einzelhandels und ungeachtet bis 1898 schwärender Patentstreitigkeiten am Markt durch. Obwohl Eastman das Gerichtsverfahren um den Rollfilm verlor, hatte er bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein faktisches Monopol aufgebaut: Agfa stellte beispielsweise 1905 die Versuche ein, einen konkurrenzfähigen Rollfilm zu entwickeln und nahm die Produktion erst 1915 wieder auf.

Die Normierung und Standardisierung fotografischer Apparaturen und Verfahren ab Anfang des 20. Jahrhunderts förderten die Akzeptanz und Verbreitung weiter. Genutzt wurden zunächst überwiegend einfache Mittelformatkameras – die so genannten Boxkameras – sowie ab den 40er Jahren zunehmend Kleinbildkameras. Weiteren Auftrieb erhielt die Amateurfotografie durch die Entwicklung der Farbfotografie ab Mitte der 30er Jahre. In dieser Zeit entstanden auch zahlreiche Periodika für Fotoamateure wie Die Leica, Perutz-Mitteilungen und Der Satrap: Die Fotografie wurde "eine, wenn auch vom Großkapital unterstützte, Basis-Bewegung" (Boris von Brauchitsch, Kleine Geschichte der Fotografie, 2002, S. 110).

Eine besondere Bedeutung kommt der Arbeiterfotografie in den 20er und 30er Jahren zu, die sich als politisch engagierte Fotografie mit dokumentatischem und sozialem Anspruch verstand; in diesem Kontext sind auch die fotografischen Arbeiten von Heinrich Zille zu verorten. Die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ) veröffentlichte zahlreiche Sozialreportagen und erreichte mit einer Auflage von 1,5 Millionen nicht nur Amateurfotografen; die AIZ wurde im Nationalsozialismus verboten, mit ihr verschwand ein Forum für die sozial engagierte Fotografie.

In den Nachkriegsjahrzehnten wurde der Markt der Amateurfotografen mit speziell für die einfache und komplikationslose Handhabung konstruierten Gerätschaften versorgt; zu erwähnen sind hierbei vor allem die Instamatic-Kamera, die Pocket-Kamera sowie die weniger erfolgreichen Amateur-Konzepte der Disc- und APS-Kamera.

Heute konvergiert der technische Bereich der Amateur- und Berufsfotografie wieder zunehmend unter der Digitalfotografie, wobei sich derzeit eine Ausdifferenzierung zwischen einfachen Knips- (Consumer-) mit einer Auflösung zwischen drei und fünf Megapixeln und komplexeren (Prosumer-) Digitalkameras (ab 5 Megapixeln) andeutet.

Organisationen und Verbände

Viele Fotoamateure organisieren sich in Fotoclubs; diese Organisationsform entstand Ende des 19. Jahrhunderts als es möglich wurde, fotografische Bilder auch massenmedial durch die Autotypie zu reproduzieren. Diese Vereine trafen sich in privaten oder öffentlichen Räumen, veranstalteten Ausstellungen und Vorträge, gaben Bücher und Zeitschriften heraus und verfügten gelegentlich sogar über eigene Bibliotheken.

Das American Annual of Photography listet im Jahr 1893 rund 500 derartige Vereine auf, die teilweise noch heute existieren. Zu den bekanntesten Amateur-Fotoclubs zählen:

  • Club der Amateur-Photographen (später umbenannt in Wiener Kamera-Club), Wien;
  • Gesellschaft zur Förderung der Amateur-Photographie, Hamburg;
  • Photoclub de Paris, Paris;
  • Society of Amateur Photographers, New York;
  • Camera Club, New York.

Auch heute noch haben Fotoclubs eine gewisse Bedeutung, weniger jedoch als Vereinigung von Amateurfotografen als vielmehr als Berufsverbände mit kulturpolitischem Einfluss.

Siehe auch

Literatur

  • Timm Starl: Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980. München; Berlin: Koehler & Amelang, 1985. ISBN 3-7338-0200-4
  • Pierre Bourdieu u.a.: Un art moyen. Essai sur les usages sociaux de la photographie. 1965 (dt. Übers. Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt am Main 1981).
  • Susan Sontag: On Photography. 1977 (dt. Übers. Über Fotografie, 1980; 15. Aufl. 2003).