Gebirgsjäger
Ein Gebirgsjäger ist ein speziell für den Kampf im Gebirge ausgebildeter und ausgerüsteter Soldat. Er gehört zur Waffengattung der Infanterie und ist Angehöriger der Gebirgstruppe.
Allgemeine Einsatzgrundsätze
Werden Gebirgsjäger im Flachland eingesetzt, kämpfen sie nach den Einsatzgrundsätzen der Infanterie. Sie eignen sich besonders zum Kampf um und in Stellungen, in Wäldern und Ortschaften, um Gewässer sowie bei Nacht. Sie können unter extremen Witterungs- und Geländebedingungen kämpfen. Dies geschieht entweder zu Fuß oder im Winter auf Ski.
Kampf im Hochgebirge
Das Hochgebirge stellt außergewöhnliche Anforderungen an den Gebirgsjäger. Fahrwege führen in der Regel bis in den Bereich der Almwirtschaft, darüber hinaus kann man nur Steige benutzen. Alle Lasten, eigene Waffen und Ausrüstung, Verpflegung und besonders Munition sind dann von den Soldaten zu tragen. Das gleiche gilt für den gesamten Nachschub. Unterschiede zwischen Mannschaften und Vorgesetzten können nicht gemacht werden: „Jeder trägt seinen Rucksack selbst!“ Besonders schwierig ist unter solchen Bedingungen der Verwundetentransport. Nach wie vor wird die Truppe durch den Einsatz von Tragtieren unterstützt. Heute übernimmt, wenn die Wetter- und Gefechtslage es erlaubt, der Hubschrauber diese Aufgabe.
Die größten Herausforderungen stellen das Gelände und das Wetter dar. In alpinen Höhen kann sich die Wetterlage fast viertelstündlich ändern und man muss mit starken Tag/Nacht Temperaturschwankungen (bis zu 45°C Temperaturunterschied im Sommer) rechnen. Oberhalb der Waldgrenze ist wenig Deckung zu finden, Stellungsbau oft nur mit Hilfe von Sprengungen möglich. Im Fels wird die feindliche Waffenwirkung durch Querschläger und bei Artilleriebeschuss durch Gesteinssplitter verstärkt. Steinschlag und, im Winter, Lawinen fordern oft große Opfer unter den Soldaten. Die körperlichen Anforderungen an die Gebirgsjäger zählen zu den größten in der Bundeswehr. In großen Höhen (ab ca. 2000m ü.M.) wird dieser Faktor noch durch die dünne Luft und den damit verbundenen Sauerstoffmangel verstärkt
Geschichte
Nachdem das Gebirge und der Winter lange als ungeeignet für die Kriegsführung angesehen wurden, begann Italien ab 1872 mit der Aufstellung von Alpini-Kompanien. Österreich-Ungarn bildete ab 1878 einzelne Jägerregimenter für den Kampf im Gebirge aus, (darunter die Landesschützen,die später berühmten Kaiserschützen). Ab 1888 begann auch in Frankreich die Ausbildung von Chasseurs-Alpins.
Im ersten Weltkrieg wurden die französischen Alpenjäger erfolgreich gegen die deutsche Infanterie eingesetzt, unter anderem und besonders im Winter 1914/1915 in den Vogesen. Dies führte zur Aufstellung von deutschen Schneeschuh-Bataillonen, die mittels Ski auch im verschneiten Gelände beweglich waren. Später wurden nach französischem Vorbild eigene Gebirgsartillerie-, darüber hinaus auch Gebirgsmaschinengewehreinheiten aufgestellt. Diese Einheiten sollten leichter beweglich und nicht so stark von ausgebauten Straßen und Wegen abhängig sein.
Im Frühjahr 1915 wurde das Deutsche Alpenkorps gebildet, eine verstärkte Infanteriedivision mit Truppenteilen aus dem ganzen deutschen Reich, darunter auch Schneeschuh-Einheiten. Diese Division wurde nach dem Kriegseintritt Italiens gegen Österreich-Ungarn zunächst für einige Monate nach Südtirol abgestellt, obwohl Italien erst ab 1916 im Kriegszustand mit dem Deutschen Reich war. Das DAK wurde deshalb nur zurückhaltend zur Unterstützung des Bündnispartners eingesetzt und rechtzeitig vor Einbruch des Winters abgezogen. Das Deutsche Alpenkorps erwarb sich in der Folgezeit, vorwiegend im Flachland eingesetzt, einen Ruf als Eliteeinheit des deutschen Heeres (1915 Einsatz in Serbien, 1916 bei der Schlacht von Verdun, 1916/17 in Siebenbürgen und Rumänien, 1917 am Isonzo, 1918 in Flandern und an der Somme). In Anerkennung ihrer Leistungen wurde den Angehörigen des Deutschen Alpenkorps bereits seit 1915/16 das Edelweiß der Tiroler Landesschützen als Abzeichen zuerkannt. Dieses Emblem tragen deutsche und österreichische Gebirgstruppen, und somit auch die Gebirgsjäger, noch heute.
Im weiteren Verlauf des Krieges standen sich daher die italienischen Alpini und Gebirgstruppen der k. u. k. Armee - anfangs improvisiert - an der Alpenfront gegenüber
Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg
Gebirgsjägereinheiten der Wehrmacht waren im Zweiten Weltkrieg unter anderem an der Invasion Norwegens im Jahre 1940 - mit der Hitler der britischen Besetzung des neutralen Landes zuvor kommen wollte - und an der Landung auf Kreta 1941 beteiligt. Als eine Art Höhepunkt des Russlandfeldzuges hissten deutsche Hochgebirgsjäger 1942 die Hakenkreuzfahne auf dem Westgipfel des Elbrus. Von den Sümpfen Finnlands bis zu den Bergen des Kaukasus, vom Sand der Cyreneika bis zu den norwegischen Fjorden kämpften und starben die "Soldaten unterm Edelweiß“, wie man sagt. Ihre Leistungen fanden international in Militärkreisen Anerkennung. Der Elitecharakter prägt die Truppe bis heute. Er wurde begründet durch die Leistungen der Gebirgstruppe der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
Künstlerische Berühmtheit erlangte Major der Gebirgstruppe Albert Hohenester mit seinen zahlreichen Bildbänden und Gemälden aus dem Alltag dieser Truppe.
Gebirgsjägereinheiten der Wehrmacht waren aber auch an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt, so die 1. Gebirgsdivision an der Erschießung von 5200 italienischen Kriegsgefangenen der Divison „Acqui“ auf Kephalonia und Korfu. Etwa 5.200 italienische Soldaten und fast alle Offiziere, die sich den deutschen Truppen ergeben hatten, wurden nach ihrer Gefangennahme, den Befehlen des Oberkommandos der Wehrmacht folgend und allen Bestimmungen des Kriegsvölkerrechts widersprechend, getötet. Dies war eines der schwersten Kriegsverbrechen mit direkter Beteiligung von Wehrmachtseinheiten.
Die 1. Gebirgs-Division mit ihren etwa 20.000 Mann wurde von Hitler als seine „Garde-Division“ bezeichnet. Sie nahm an der Besetzung des Sudetenlandes und beim „Anschluss“ Österreichs teil und kam im Polenfeldzug 1939 und Westfeldzug 1940 zum Fronteinsatz. Bei Besançon wurde sie nach der Niederlage Frankreichs auf die Eroberung Gibraltars vorbereitet. Als Franco den Durchmarsch der Deutschen durch Spanien verweigerte, wurde die Division umdirigiert und an der französischen Kanalküste zur Landung in England aufgestellt. 1941 folgten der Balkanfeldzug und der Angriff auf die Sowjetunion. Unter hohen Verlusten gelang 1942 die Überquerung des Kaukasus-Gebirges. Dabei wurde am 21. August durch die „gemischte Elbruskompanie“ der höchste Gipfel des Kaukasus, der 5633 Meter hohe Elbrusgipfel bestiegen, nachdem zuvor das in 4200 Meter Höhe gelegene Elbrus-Haus mit 80 Mann sowjetischer Besatzung erobert worden war.
Als die Division im Frühjahr 1943 nach Montenegro verlegt wurde, hatte sie im bisherigen Kriegsverlauf bereits über 19.000 Mann verloren.
Anfang Juli 1943 wurde die 1. Gebirgs-Division nach Westgriechenland in den Epirus verlegt. Die militärischen Erfolge der ELAS hatten eine Verstärkung der deutschen Besatzungstruppen notwendig gemacht, und als Antwort darauf sollte der Terror intensiviert werden. Auch für sie galt Hitlers Befehl vom 16. Dezember 1942:
- ...Wenn dieser Kampf gegen die Banden sowohl im Osten wie auf dem Balkan nicht mit den allerbrutalsten Mitteln geführt wird, so reichen in absehbarer Zeit die verfügbaren Kräfte nicht mehr aus, um dieser Pest Herr zu werden. Die Truppe ist daher berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkungen auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt... [1]
Allein in den drei Monaten zwischen Anfang Juli und Anfang Oktober 1943 zerstörte man etwa 207 Ortschaften mit 4.500 Häusern und tötete über 2.000 Griechen und Albaner, darunter Frauen, Alte und Kinder. Ein Indiz dafür, daß es höchst selten zu Gefechten mit Partisanen kam, ist die Tatsache, daß „nur“ 23 Gebirgsjäger in diesem Zeitraum gefallen sind.
Gebirgsjäger heute
Nach der Gründung der Bundeswehr entstand die 1. Gebirgsdivision, die im Jahr 2001 aufgelöst wurde. Heute sind die Gebirgsjäger der Bundeswehr in der Gebirgsjägerbrigade 23 zusammengefasst. Gebirgsjäger dienen in Gebirgsjägerbataillonen. Besonders geeignete und speziell ausgebildete Bergsteiger/Kletterer und Skiläufer sind in Hochgebirgszügen zusammengefasst, von denen jeweils einer bei der Stabs- und Versorgungskompanie des Bataillons eingegliedert ist.
Gebirgsjäger gibt es heute in der Bundeswehr nur noch in der Gebirgsjägerbrigade 23, namentlich den Gebirgsjägerbataillonen 231 (Bad Reichenhall), 232 (Berchtesgaden/Bischofswiesen-Strub) und 233 (Mittenwald) sowie bis 2008 im Gebirgsjägerbataillon 571 in Schneeberg.
Ausgewählte Unteroffiziere, vereinzelt auch Offiziere, werden in mehrmonatigen Lehrgängen zu Heeresbergführern ausgebildet. Sie stehen den Kompaniechefs und Bataillonskommandeuren bei Ausbildung und Einsatz im Hochgebirge als Berater zur Seite.
Traditionspflege
Berühmte Gebirgsjäger
Eduard Dietl, der „Held von Narvik” (Joseph Goebbels), war einer der bekanntesten Gebirgsjäger. Nach ihm wurden auch zwei weitere NS-Gebirgsjägergeneräle zu Namensgebern von Bundeswehrkasernen : Ludwig Kübler und Rudolf Konrad. Erst 1995 ließ der damals verantwortliche Minister Volker Rühe die Generaloberst-Dietl-Kaserne in Allgäu-Kaserne sowie Mittenwalds General-Kübler-Kaserne in Karwendel-Kaserne umbenennen. In Bad Reichenhall wohnen Bundeswehrsoldaten aber heute noch in einer General-Konrad-Kaserne. [2].
General der Gebirgstruppen Hubert Lanz (1896-1982) war von Februar 1943 bis Kriegsende Kommandierender General des XXII. Gebirgsarmeekorps, das mit Schwerpunkt in Griechenland eingesetzt war. Er war für das Massaker auf Kephallonia verantwortlich. In einem der Nürnberger Prozesse, dem Prozess Generäle in Südosteuropa, wurde er als Kriegsverbrecher zu 12 Jahren Haft verurteilt, allerdings bereits 1951 aus der Haft entlassen. Er war nach dem Krieg Mitglied der FDP und dort als Berater für militär- und sicherheitspolitische Fragen tätig. Bereits 1951 wurde er Ehrenvorsitzender des Kameradenkreises der Gebirgstruppe und Vorsitzender im Traditionsverband der 1. Gebirgsdivision.
Kameradenkreis der Gebirgstruppe
Seit 1952 treffen sich jeweils zu Pfingsten die Veteranen der Gebirgsjäger aus der Wehrmacht auf dem Hohen Brendten in Mittenwald. Das Treffen wird seit Jahren von Protesten und Gegenveranstaltungen begleitet. Den Veteranen wird die Beteiligung an den oben beschriebenen Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs vorgeworfen. Außerdem soll die Elitetruppe die Deportation der griechischen Juden unterstützt haben. Zu den Mitgliedern des traditionspflegenden „Kameradenkreises“ gehört auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.
Literatur
- Roland Kaltenegger:
- Die deutsche Gebirgstruppe 1935-1945, Universitas Verlag, ISBN 3-800-41196-2
- Spezialverbände der Gebirgstruppe 1939-1945, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02383-0
- Gebirgsjäger 1939-1945 - Die große Bildchronik, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02203-6
- Seidel, Max: Wir tragen Stolz das Edelweiß, Belser Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1941
- Ralph Klein/Regina Mentner/Stephan Stracke (Hrsg.) Mörder unterm Edelweiß. Dokumentation des Hearings zu den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger. Papyrossa, 2004, ISBN 3-89438-295-3
Weblinks
- Berichte, Bilder, Videostreams, Links über Wehrdienst, Ausrüstung, Geschichte der Gebirgsjäger
- Gebirgsjägerbatallion 232 Berchtesgaden
- Gebirgsjägerbatallion 233 Mittenwald
- 4. Gebirgsjäger Division
- Hochgebirgskompanie/StbB6 Österr. Bundesheer
- 80 Jahre Gebirgsjägerdenkmal auf dem Grünten/Oberallgäu
Quellen
- ↑ Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz, Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941-1945); Hüthig Verlagsgemeinschaft, Band 6 , ISBN 3-8226-1892-6, S. 71ff., S.219
- ↑ »Zeitlose soldatische Tugenden« Bis heute ist es der Bundeswehr nicht gelungen, sich aus den Fesseln einer fatalen Traditionspflege zu lösen Von Jakob Knab In: DIE ZEIT 10.11.2005 Nr.46