Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein deutsches Bundesgesetz, das es zum Ziel hat, ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Zu Verwirklichung dieses Ziels erhalten Angehörige der durch das Gesetz geschützten Personengruppen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese sich in einer gesetzlich verbotenen Weise gegenüber dem Geschützten verhalten.
Basisdaten | |
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Titel: | Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz |
Abkürzung: | AGG |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Zivil- und Arbeitsrecht |
Fundstellennachweis: | 402-40 |
Erlassen am: | 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) |
Inkrafttreten am: | 18. August 2006 (BGBl. I S. 1897, 1910) |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Allgemein
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt in seinem dienst- und arbeitsrechtlichen Teil für Beamte und Beschäftigte des Bundes und der Länder sowie für Angestellte und Arbeiter der Privatwirtschaft.
Darüber hinaus gilt es auch für bestimmte Bereiche des privaten Vertragsrechts. Die Besonderheit des Gesetzes im zivilrechtlichen Teil liegt darin, dass es als Schutzgesetz in den Privatrechtsverkehr eingreift, und damit die Privatautonomie einschränkt. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der Grundrechtsschutz vorrangig staatliches Handeln erfasst, notwendig, um den objektiv-rechtlichen Gleichbehandlungsauftrag des Grundgesetzes auch unter den Bürgern umzusetzen.
Anwendungsbereiche
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nicht in allen gesellschaftlichen und rechtlichen Bereichen Anwendung und verbietet auch nicht grundsätzlich alle Diskriminierungen. Erstens verbietet es Diskriminierungen nur dann, wenn diese auf bestimmten, im Gesetz genannten Merkmalen beruhen. Zweitens sind Diskriminierungen nur dann ausdrücklich untersagt, wenn sie in bestimmten Situationen erfolgen.
Personenbezogene Merkmale
Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Rechtsfolgen bei Benachteilungen aus einem der folgenden personenbezogenen Merkmale:
- Rasse und ethnische Herkunft,
- Geschlecht
- Religion und Weltanschauung,
- Behinderung
- Alter
- sexuelle Identität
„Rasse“
Zitat aus der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Begriff der „Rasse“:
- Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (…). Die Mitgliedsstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil Rasse den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen – genutzt werden soll.
- Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikel 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs Rasse in der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags - die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt.
Sachlicher Anwendungsbereich
Sachlich bezieht sich das Gesetz auf
- die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg
- die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen
- den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung sowie Umschulung und praktische Berufserfahrung
- Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen und Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören
- den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste
- die sozialen Vergünstigungen
- die Bildung
- den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum
Formen der Benachteiligung
Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:
- unmittelbare Benachteiligung: weniger günstige Behandlung einer Person als einer anderen in einer vergleichbaren Situation
- mittelbare Benachteiligung: Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren
- Belästigung: Verletzung der Würde der Person, insbesondere durch Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds
- sexuelle Belästigung
- die Anweisung zu einer dieser Verhaltensweisen
Rechtsfolgen von Benachteiligungen
Arbeitsrecht
Im Arbeitsverhältnis sind alle Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus § 134 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit der jeweils verletzten Norm.
Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist. So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird. Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei jedoch ausgeschlossen.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist, z. B. Einstellung einer Balletttänzerin. Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast. Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt.
Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung sind ebenfalls nur ausnahmsweise zulässig. So wird es z.B . keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn ein Moslem nicht als Leiter eines katholischen Kindergartens eingestellt wird. Dies entspricht auch der bereits bestehenden Rechtslage im Arbeitsrecht bei so genannten Tendenzbetrieben.
Altersbedingte Ungleichbehandlungen können gerechtfertigt werden, wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen.
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor und ergreift der Arbeitgeber nicht die geeigneten Maßnahmen, um diese zu beseitigen, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht. Er darf also, ohne den Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren, die Arbeit einstellen, soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist.
Daneben hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden und sonstiger Schäden, die er durch eine Diskriminierung erleidet. Jede Diskriminierung gilt als Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags.
Die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gelten – unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung – auch für Beamte und Richter.
Handlungsbedarf für Arbeitgeber
Arbeitgeber und Personalverantwortliche haben sich künftig mit folgenden Fragen zu befassen:
- Wer muss wie vor Diskriminierung geschützt werden (z. B. eigene freie Mitarbeiter)?
- Wo entsteht mittelbare/unmittelbare, bewusste/unbewusste/billigend in Kauf genommene Diskriminierung?
- Welches sind Belästigungs- oder Benachteiligungsmerkmale?
- Wie werden Benachteiligungen gerechtfertigt?
Auf juristischer Seite zu beachten sind insbesondere die den Arbeitgebern neu entstehenden Pflichten, Haftungsrisiken und Entschädigungsansprüche: Diese Änderungen betreffen die Schutz-, Organisations- und Maßnahmenpflichten des Arbeitgebers, die Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, die Entschädigungsansprüche, auch einstweilige Verfügungsverfahren und nicht zuletzt das Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer.
Zu beachten sind die neuen Rechte des Betriebsrates (nicht allerdings des Personalrates), die notwendigen Neuregelungen für Stellenausschreibungen, Einstellungs- und Auswahlverfahren, Absagen, neue Maßstäbe auch für Arbeitsverträge, Kündigungen, Sozialauswahl, Arbeitszeugnisse. Die Neuregelungen betreffen Organisation, Zusammenarbeit, Mitarbeiterführung, Gehaltsfragen ebenso wie die Mitbestimmungsmodalitäten von Arbeitnehmer respektive die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. 528634852378516+8+
Versicherbarkeit
Die Versicherungsbranche, die durch einige Vorschriften des AGG gleichfalls betroffen ist, reagiert inzwischen durch das Angebot spezieller Policen (so genannter Liability Employment Practices). In Anlehnung an US-amerikanische Vorbilder sollen sich Arbeitgeber gegen das Risiko einer Inanspruchnahme durch Mitarbeiter und Bewerber wegen Verletzung des AGG – insbesondere bei Ansprüchen nach § 15 des Gesetzes – versichern können.
Zivilrecht
Auch im allgemeinen Zivilrechtsverkehr sind Diskriminierungen aus einem der im Gesetz genannten Merkmale grundsätzlich unzulässig. Das betrifft jedoch nur
- den Abschluss von so genannten Massengeschäften
- und privatrechtliche Versicherungsverträge
Bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen darf jedoch das Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der Risikobewertung sein, wenn das Datenmaterial und die Berechnung offengelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung müssen zwingend geschlechtsneutral verteilt werden.
Darüber hinaus ist jede Benachteiligung aus Gründen der „Rasse“ oder ethnischen Herkunft auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig.
Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote auf
- familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse
- Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird; dies gilt auch für das Mietrecht, und zwar insbesondere wenn die Parteien oder ihre Angehörigen auf demselben Grundstück wohnen
Erlaubte Benachteiligungen
Liegt objektiv eine Benachteiligung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d. h. erlaubt und sanktionslos, sein. Gerechtfertigt sind Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z. B. zur Abwehr von Gefahren.
Bei Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung hat der Betroffene folgende Ansprüche:
- Beseitigung der Benachteiligung
- Unterlassung künftiger Benachteiligungen
- Schadensersatz
Besonderheiten im Prozess
Beweislast
Die eine Diskriminierung geltend machende Partei hat im Streitfall zunächst Indizien – also Hilfstatsachen – zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der genannten Merkmale vermuten lassen. Die Gegenseite trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Damit ist die Beweislast zu Gunsten desjenigen, der sich auf die Rechte aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beruft, erleichtert. Die Beweislast wird jedoch nicht umgekehrt.
Klagefrist
Der Anspruch auf Schadensersatz muss binnen zwei Monaten nach Ablehnung der Bewerbung bzw. nach Kenntnis von der Benachteiligungshandlung schriftlich geltend gemacht werden, § 15 Abs. 4 AGG. Wird eine Klage erforderlich, so ist eine weitere Frist von drei Monaten ab schriftlicher Geltendmachung zu beachten, § 61 b Abs. 1 ArbGG.
Europarechtlicher Hintergrund

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient der Umsetzung von vier Europäischen Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004, nämlich um die
- Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22) – so genannte Antirassismus-Richtlinie –
- Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) – so genannte Rahmenrichtlinie Beschäftigung –
- Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15) – so genannte Gender-Richtlinie –
- Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom 21/12/2004 S. 37–43)
Einige Rechtsexperten vertreten die Auffassung, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Vorgaben der vier EG-Richtlinien nur ungenügend umsetzt und daher in einigen Punkten europarechtswidrig ist.
Entstehung des Gesetzes
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht im Kern zurück auf den Entwurf des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes (ADG), der in der 15. Legislaturperiode bereits erarbeitet und beraten wurde, aber infolge Diskontinuität keine Gesetzeskraft erlangte.
Nach den vorgezogenen Bundestagsneuwahlen brachte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Dezember den ADG-Entwurf erneut in den Bundestag ein. Dieser Entwurf wurde im Bundestag beraten, fand aber keine parlamentarische Mehrheit.
Anfang Mai 2006 einigten sich SPD, CDU und CSU auf einen neuen Gesetzesentwurf. Dieser Regierungsentwurf erhielt die Bezeichnung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, war aber inhaltlich in großen Teilen mit dem Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes von 2005 identisch.
Wichtige inhaltliche Änderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes sind folgende:
- Kirchenklausel
- kein Kontrahierungszwang
- neue Besonderheiten und Klarstellungen bei der Beweislast und beim Klagerecht der Gewerkschaften
- Einschränkungen des Verbandsklagerechts
- keine mögliche Haftung des Arbeitgebers für Handlungen Dritter
Besonders umstritten ist die Ausklammerung des arbeitsgerichtlichen Kündigungsrechts in § 2 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies dürfte der Umsetzung der EG-Richtlinie zuwiderlaufen und einen Verstoß gegen die Richtlinien darstellen.
Das Gesetz ist mit den Stimmen der CDU, SPD und der Grünen beschlossen worden. Abgelehnt wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von der FDP und der Linkspartei mit jeweils gegensätzlicher Begründung.
Das Gesetz in der politischen Auseinandersetzung
Gegner des Gesetzes
Das Gesetzesvorhaben unterlag von Anfang an scharfer rechtspolitischer Kritik seitens der Wirtschaftsverbände sowie seitens der FDP, insbesondere zu folgenden Punkten:
- Einschränkung der Privatautonomie für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, da sie – anders als private Verbraucher – ihre Kunden gleich behandeln müssen
- Schaffung eines bürokratischen Aufwandes, da durch die Beweislastumkehr jeder Anbieter von Gütern Beweise vorrätig halten muss, das er gerade nicht diskriminiert hat
- schwierige Abgrenzungsfragen zwischen erlaubter und verbotener Ungleichbehandlung
- vermutete Mehrbelastung der Justiz mit einer Vielzahl von Prozessen
- Auferlegung des staatlichen Gleichbehandlungsgebots auf alle Privaten und damit eine Reduktion marktwirtschaftlicher, nämlich auch irrationaler, Freiheit
- einseitige Bevorzugung gewisser „Minderheiten“ unter Ausblendung von Kindern und Familie
Andererseits gibt es die Kritik, dass – im Vergleich beispielsweise zum Grundgesetz und zur EU-Grundrechtecharta – wesentliche Bereiche der Diskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht behandelt werden, so vor allem Diskriminierung auf Grund sozialer Herkunft. Dies führe zu einer Antidiskriminierungshierarchie und es bestehe die Gefahr, dass Benachteiligung auf Grund sozialer Herkunft per Definition nicht als Diskriminierung wahrgenommen wird. Eine Einbeziehung der sozialen Herkunft in den Antidiskriminierungsrichtlinien lag bereits vor, fiel aber während der Einigung zu den Amsterdamer Verträgen unter den Tisch.
Weiterhin befürchten einige Kritiker, dass die Situation von Angehörigen einer Minderheit durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verschlechtert werden könnte. So könnten beispielsweise zukünftig Arbeitgeber davon absehen, Angehörige von Minderheiten zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, um falschen oder irrtümlichen Diskriminierungsvorwürfen aus dem Weg zu gehen.
Allerdings baut das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz keinen bestehenden Schutz ab. Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der sozialen Diskriminierung liegt in Deutschland nicht vor, wird aber auf europäischer Ebene diskutiert.
Laut einer im März 2005 veröffentlichten Allensbachumfrage lehnte die Mehrheit der Bevölkerung das damals diskutierte Antidiskriminierungsgesetz am Beispiel einer Klage gegen einen Wohnungsvermieter ab.
Nach einer Umfrage des BDS halten 89 Prozent des Mittelstands das Gesetz für „schlecht“.
Befürworter des Gesetzes
Befürworter kommen vornehmlich aus dem Bereich der Behinderten- und Frauenverbände, dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), dem DGB, der Linkspartei, den Grünen und den Sozialdemokraten.
Sie weisen darauf hin, dass die Beweislasterleichterung seit 25 Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch bestehe. Des Weiteren sei es unsinnig, wenn Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten werde, nicht aber aufgrund der Behinderung, sexueller Identität oder anderer vom Gesetzgeber in das AGG aufgenommenen Kriterien. Sie fordern stattdessen gleichen Schutz für alle.
Sie verweisen darauf, dass es um eine Einbeziehung aller Kriterien von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages geht. Diese Kriterien sind für das Arbeitsrecht auch verbindlich von der EU vorgeschrieben.
Insbesondere wird mit dem moralischen Anspruch argumentiert, der als Grundgedanke hinter dem Gesetzesvorhaben steht. Dieser Anspruch beruft sich auf den Grundgedanken der christlichen Nächstenliebe, der zu den Fundamenten der deutschen Gesellschaft gehöre.
Literatur
- Gerlind Wisskirchen: AGG. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Datakontext. 2. aktual. und erweiterte Auflage, Oktober 2006, ISBN 3895774588.
- Müthlein/Jaspers: AGG - Rechtssichere Personalprozesse und -datenverarbeitung - Leitfaden für Personal- und Datenschutzverantwortliche. Datakontext. 1. Auflage, Oktober 2006, ISBN 3895774650
- Henning Wüst: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Rieder Verlag für Recht und Kommunikation. 1 Auflage, Juli 2006, ISBN 3939018031.
- Dagmar Schiek (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Ein Kommentar aus europäischer Perspektive von Eva Kocher, Silke R. Laskowski, Dagmar Schiek, Marlene Schmidt, Felix Welti Dezember 2006 Ca. XXII, 500 Seiten ISBN 3935808704
- Sabine Berghahn und Maria Wersig: Einflüsse des Europäischen Rechts auf die Geschlechterverhältnisse und andere Diskriminierungsumstände in den Mitgliedstaaten, 2005. [1]
Weblinks
- Text des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
- Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung
- Chronologie zum Gesetzgebungsverfahren in der Bundesrepublik
- Text der Richtlinie 2000/43/EG
- Text der Richtlinie 2000/78/EG
- Text der Richtlinie 2002/73/EG
- Text der Richtlinie 2004/113/EG
- Dossier zum AGG auf den Webseiten des Bildungswerkes des Deutschen Gewerkschaftsbundes