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Tötungsdelikt (Deutschland)

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Tötungsdelikte sind Delikte gegen das Rechtsgut des Lebens.

Die Delikte gegen das Leben im engeren Sinne sind im Strafgesetzbuch in den §§ 211 - 222 StGB geregelt. Dies sind

Sonderfälle der Tötungsdelikte sind

  • Die Abtreibung und ihre Sondervorschriften nach § 218 (und §§ 218a-c und §§ 219, 219a, 219b StGB)
  • Der Völkermord, der zuvor in § 220a StGB aF geregelt war und nunmehr in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuch geregelt ist


Zu den Tötungsdelikte im weiteren Sinne sind die erfolgsqualifizierten Delikte, die sämtlichst Verbrechenscharakter aufweisen, zu zählen:

  • Die Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung mit Todesfolge nach § 178 StGB
  • Die Aussetzung mit Todesfolge nach § 221 Abs. 3 StGB
  • Die Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB
  • Die Beteiligung an einer Schlägerei, bei der der Tod eines Menschens verursacht wird, nach § 231 StGB
  • Die Freiheitsberaubung mit Todesfolge nach § 239 Abs. 4 StGB
  • Der erpresserische Menschenraub mit Todesfolge nach § 239a Abs. 3 StGB
  • Die Geiselnahme mit Todesfolge nach §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 3 StGB
  • Der Raub mit Todesfolge nach § 251 StGB (auch in der Form des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung mit Todesfolge)
  • Der räuberische Angriff auf Kraftfahrer mit Todesfolge nach § 316a StGB
  • Die Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c
  • Das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie oder Sprengstoff mit Todesfolge nach § 307 Abs. 3 StGB bzw. § 308 Abs. 3 StGB
  • Der Missbrauch ionisierender Strahlung mit Todesfolge nach § 309 Abs. 4 StGB
  • Das fehlerhafte Herstellen einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge nach § 312 Abs. 4 StGB
  • Das Herbeiführen einer Überschwemmung mit Todesfolge nach §§ 313 Abs. 2, 308 Abs. 3 StGB
  • Die gemeingefährliche Vergiftung mit Todesfolge nach §§ 314 Abs. 2, 308 Abs. 3 StGB
  • Der Angriff auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge nach § 316c Abs. 3 StGB
  • Das Beschädigen wichtiger Anlagen mit Todesfolge nach § 318 Abs. 4 StGB
  • Umweltstraftaten mit Todesfolge §§ 324 - 329, 330 Abs. 2 Nr. 2 StGB
  • Die schwere Gefährdung durch Giftfreisetzung mit Todesfolge nach § 330a Abs. 2 StGB

Weitere erfolgsqualifizierte Delikte (Tötungsdelikte im weiteren Sinne) finden sich im Nebenstrafrecht.

Für die Tötungsdelikte im engeren Sinne (§§ 211 - 222) gilt, dass sie mit Ausnahme der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) vorsätzlich begangen werden müssen. Für die erfolgsqualifizierten Delikte gilt, dass hinsichtlich der Todesfolge dem Täter mindestens Fahrlässigkeit, in der Regel aber Leichtfertigkeit, also grobe Fahrlässigkeit, verlangt wird. Für die Beteiligung an der Schlägerei mit Verursachung des Todes gilt die Verursachung lediglich als objektive Bedingung der Strafbarkeit; d.h., dass der Tod weder vorsätzlich noch fahrlässig durch den Täter verursacht sein muss.


Sonderfälle:

Sterbehilfe

Die Sterbehilfe ist kein normierter Straftatbestand. Sie ist in aktive und passive Sterbehilfe zu unterscheiden. Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Tötung eines Kranken zur Beendigung des Leidens. Wird die Tötung ausdrücklich und ernstlich vom Leidenden gewünscht, so ist die aktive Sterbehilfe nach § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) strafbar. Im übrigen ergibt sich die Strafbarkeit nach den Vorschriften des Mordes oder Totschlags, der regelmäßig als minder schwerer Fall angenommen werden kann, wenn das ernsthafte Tatmotiv die Beendigung der Leiden ist. Passive Sterbehilfe ist das Unterlassen der Maßnahmen zur Lebensverlängerung, Verzicht oder Abbruch der therapeutischen Behandlung. In diesem Fall spielt das Patiententestament eine bedeutende Rolle. Die passive Sterbehilfe kann bei dem besonderen Vertrauensverhältnis durchaus strafbar sein, willigt der Patient wirksam ein, fehlt es an den Strafbarkeitsvoraussetzungen. Schmerzlindernde Eingriffe beim Sterbeprozess sind strafrechtlich ohne Belang, sofern sie den Todeseintritt gegen den Willen des Patienten nicht beschleunigt. Weitere Formen der Euthanasie ist die Früheuthanasie behinderter oder missgebildeter Neugeborener durch einfaches Sterbenlassen. Hier ist jedoch umstritten, ob dabei die Grundsätze der Sterbehilfe angewendet werden können.

Selbsttötung

Die Selbsttötung (Suizid) ist in Deutschland straffrei. Somit sind auch der Versuch und die Teilnahme (Beihilfe, Anstiftung) grundsätzlich straffrei. Dabei gilt jedoch, dass die Anstiftung eines Schuldunfähigen oder die Anstiftung mittels Betruges oder Täuschung zur Tötung in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) führt. Wer aufgrund seiner Garantenstellung verpflichtet ist (z.B. Angehörige, Ärzte etc.), eine Selbsttötung zu verhindern, kann bestraft werden. Der Gehilfe kann ebenfalls wegen Unterlassen der Hilfeleistung nach § 323c StGB bestraft werden, da der Suizidversuch einen Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB darstellt.

Aussetzung

Die (einfache) Aussetzung selbst ist kein Tötungsdelikt, sondern ein Lebensgefährdungsdelikt.


Registrierte Tötungsdelikte

In der Bundesrepublik Deutschland registrierte Tötungsdelikte (ohne fahrlässige Tötungen im Straßenverkehr) seit 1993 nach der Polizeilichen Kriminalstatistik:

Eine Beispieltabelle
Jahr Delikte (n) Häufigkeitszahl (HZ)
1993 5.140 6,35
1994 4.654 5,72
1995 4.908 6,02
1996 4.420 5,40
1997 4.292 5,23
1998 3.736 4,55
1999 3.744 4,56
2000 3.676 4,47
2001 3.577 4,35
2002 3.541 4,30

Etwa 50% aller begangenen Tötungsdelikte sind Versuche (2002: 1.758 = 49,6%). Die Aufklärungsquote der Tötungsdelikte betrug 2002 94,5%.